VwGH 2003/15/0024

VwGH2003/15/00243.7.2003

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Sulyok, Dr. Fuchs, Dr. Zorn und Dr. Zehetner als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Reinisch, über die Beschwerde der J GmbH in M, vertreten durch Mag. Dr. Peter Sommerer Rechtsanwalts GmbH in 1030 Wien, Nottendorfer Gasse 11, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Salzburg (Berufungssenat II) vom 21. November 2002, Zl. RV 524/1-8/02, betreffend Wiederaufnahme des Verfahrens (Körperschaft- und Gewerbesteuer 1990) sowie Körperschaft- und Gewerbesteuer 1990, zu Recht erkannt:

Normen

BAO §92;
BAO §93 Abs2;
VwRallg;
BAO §92;
BAO §93 Abs2;
VwRallg;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Die H-GmbH erwarb am 27. Dezember 1989 alle Anteile an der N-Beteiligungs-AG. Am selben Tag wurde in der Hauptversammlung der N-Beteiligungs-AG die verschmelzende Umwandlung nach den Vorschriften des Umwandlungsgesetzes 1954, BGBl. 187/1954, auf die H-GmbH als Alleingesellschafterin beschlossen; dieser Vorgang wurde am 28. Dezember 1989 beim Firmenbuch angemeldet und dort am 19. Jänner 1990 eingetragen. Aus der verschmelzenden Umwandlung entstand bei der H-GmbH ein Umwandlungsverlust in Höhe von ca. 170 Mio. S, der als "Verschmelzungsmehrwert" aktiviert auf fünf Jahre verteilt (ab dem Jahr 1990) abgeschrieben werden sollte.

Die H-GmbH wurde in der Folge zum 30. April 1990 mit der Beschwerdeführerin (ihre Firma lautete damals noch NA-GmbH) als aufnehmender Gesellschaft verschmolzen (Gesamtrechtsnachfolge).

Im Jahresabschluss der H-GmbH zum 30. April 1990 wurde ein Fünftel des aus der verschmelzenden Umwandlung resultierenden "Verschmelzungsmehrwertes" abgeschrieben.

Mit Bescheiden des Finanzamtes betreffend Körperschaft- und Gewerbesteuer 1990 vom 19. Dezember 1991 wurde die Veranlagung erklärungsgemäß durchgeführt.

Ab Oktober 1994 fand bei der Beschwerdeführerin ein Buch- und Betriebsprüfung statt. Der Prüfer vertrat die Auffassung, dass die steuerliche Abschreibung des "Verschmelzungsmehrwertes" nicht anerkannt werden könne.

Aufgrund der Ergebnisse dieser Prüfung wurden gegenüber der Beschwerdeführerin als Rechtsnachfolgerin der H-GmbH Bescheide betreffend die Wiederaufnahme der Verfahren (Körperschaft- und Gewerbesteuer 1990) erlassen. Zugleich erließ das Finanzamt Sachbescheide, mit welchen es die steuerliche Abschreibung (eines Fünftels) des "Verschmelzungsmehrwertes" nicht anerkannte, sodass der Verlust aus Gewerbebetrieb für 1990 nur mit einem Betrag von 224.868 S ausgewiesen wurde.

Die Beschwerdeführerin brachte gegen die Wiederaufnahmebescheide Berufung ein und verwies dabei im Wesentlichen darauf, dass die verschmelzende Umwandlung und die steuerliche Abschreibung des "Verschmelzungsmehrwertes" dem Finanzamt in den Beilagen zu den Steuererklärungen für 1990 bekannt gegeben worden seien. Die Beschwerdeführerin berief auch gegen die Sachbescheide.

Mit dem Bescheid der belangten Behörde vom 29. April 1999, Zl. RV-095.95/1-8/95, wurde die Berufung als unbegründet abgewiesen. Jenen Bescheid hob der Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 19. Juni 2002, 99/15/0144, wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit auf. Gemäß § 20 Abs. 4 KStG 1988 in der Fassung des AbgÄG 1989, welcher auf Vorgänge anzuwenden sei, wenn die Beschlüsse nach dem 15. September 1989 zum Handelsregister (Firmenbuch) angemeldet worden seien, blieben in den Fällen des Abs. 3 Buchgewinne und Buchverluste, ausgenommen solche aus der Vereinigung von Rechten und Pflichten (Confusio), bei der Gewinnermittlung des übernehmenden Steuerpflichtigen außer Ansatz. Auch nach der Rechtslage vor dem AbgÄG 1989 sei der Umwandlungsverlust (Verschmelzungsverlust) aus einer verschmelzenden Umwandlung nach dem Umwandlungsgesetz steuerlich außer Ansatz zu lassen gewesen.

Somit sei festzustellen, dass der bei der gegenständlichen verschmelzenden Umwandlung entstandene Buchverlust steuerlich jedenfalls unbeachtlich sei, und zwar unabhängig davon, ob die Rechtslage vor dem AbgÄG 1989 zur Anwendung gelange, oder ob, weil die Umwandlung erst nach dem 15. September 1989 zum Handelsregister (Firmenbuch) angemeldet worden sei, ein Anwendungsfall des § 20 Abs. 4 KStG 1988 in der Fassung des AbgÄG 1989 vorliege. Hänge aber die steuerliche Unbeachtlichkeit des Umwandlungsverlustes nicht davon ab, ob im Hinblick auf den Zeitpunkt der Meldung an das Firmenbuch der Vorgang bereits nach § 20 Abs. 4 KStG 1988 zu beurteilen sei oder nicht, so vermöge die neu hervorgekommene Kenntnis über den Zeitpunkt der Anmeldung zum Handelsregister die Wiederaufnahme nach § 303 BAO nicht zu tragen. Es liege kein tauglicher Wiederaufnahmegrund vor.

Die belangte Behörde habe somit, indem sie die Wiederaufnahme nach § 303 Abs. 4 BAO auf das Hervorkommen der Tatsache betreffend den Zeitpunkt der Anmeldung zum Handelsregister gestützt hat, die Rechtslage verkannt und damit die Wiederaufnahmebescheide mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastet.

Für das fortzusetzende Verfahren sei aber zu beachten: Die belangte Behörde sei offenkundig davon ausgegangen, dass die wiederaufzunehmenden Verfahren seinerzeit mit den Abgabenbescheiden vom 19. Dezember 1991 abgeschlossen worden seien. Nach der Aktenlage seien diese Bescheide an die H-GmbH ergangen. Sollte aber im Zeitpunkt der intendierten Erlassung dieser Bescheide die H-GmbH (als übertragende Gesellschaft) infolge Eintragung der Verschmelzung mit der Beschwerdeführerin in das Handelsregister bereits nicht mehr existiert haben, wären die genannten Erledigungen vom 19. Dezember 1991 ins Leere gegangen. Lägen keine bescheidmäßig abgeschlossenen Verfahren vor, wäre die Wiederaufnahme der Verfahren nach § 303 BAO weder möglich noch erforderlich.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid entschied die belangte Behörde erneut über die Berufung der Beschwerdeführerin. Sie hob die Bescheide betreffend Wiederaufnahme der Verfahren (Körperschaft- und Gewerbesteuer 1990) ersatzlos auf und wies die Berufung betreffend Körperschaft- und Gewerbesteuer 1990 als unbegründet ab. Adressat der Bescheide des Finanzamtes vom 19. Dezember 1991 sei die H-GmbH gewesen. Im Firmenbuch sei allerdings bereits am 4. Februar 1991 die Verschmelzung der H-GmbH (als übertragende Gesellschaft) mit der Beschwerdeführerin eingetragen worden. Demzufolge habe die Bescheidadressatin (H-GmbH) im Zeitpunkt der intendierten Bescheiderlassung nicht mehr bestanden. Bescheidadressatin sei ein nicht mehr existierendes Rechtssubjekt gewesen. Solcherart seien die Erledigungen des Finanzamtes vom 19. Dezember 1991 wirkungslos gewesen bzw ins Leere gegangen. Gegenüber der Beschwerdeführerin (und Rechtsnachfolgerin der H-GmbH) hätten diese Bescheide nicht wirken können, weil sie im Bescheid nicht angesprochen werde. Daraus ergebe sich, dass das Finanzamt erstmals nach der Betriebsprüfung, bei welcher die steuerliche Absetzbarkeit des Verschmelzungsmehrwertes nicht anerkannt worden sei, wirksame Körperschaft- und Gewerbesteuerbescheide für 1990 erlassen habe (an die Beschwerdeführerin gerichtete Bescheide vom 30. Jänner 1995). Solcherart sei eine Wiederaufnahme von Körperschaft- und Gewerbesteuerverfahren weder möglich noch erforderlich gewesen, sodass die mit Berufung angefochtenen Wiederaufnahmebescheide ersatzlos aufzuheben seien. Die Berufung gegen die Bescheide betreffend Körperschaft- und Gewerbesteuer 1990 sei abzuweisen. § 20 Abs 4 KStG 1988 idF AbgÄG 1989 sei auf Vorgänge anzuwenden, wenn die Umgründungsbeschlüsse nach dem 15. September 1989 beim Firmenbuch angemeldet worden seien. Die zitierte Bestimmung sei daher im gegenständlichen Fall anzuwenden. Sie normiere, dass der Buchverlust bei der Gewinnermittlung der übernehmenden Körperschaft steuerlich außer Ansatz bleibe.

Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:

In der Beschwerde wird vorgebracht, die Bescheide vom 19. Dezember 1991 wiesen folgendes Anschriftsfeld aus:

"FA XX St.Nr. 171/xxxx

FA H-GmbH

Z.H. FINANZAMT"

Diese Bescheide seien in einem Kuvert versandt worden, welches an die Beschwerdeführerin als Rechtsnachfolgerin der H-GmbH adressiert sei. Daraus ergebe sich die eigentliche Zustellverfügung. Die automatisationsunterstützte Ausfertigung der Bescheide sei vom Bundesrechenzentrum an das Finanzamt versandt worden und von diesem weitergeleitet worden. Wenngleich eine manuelle Korrektur der automatisationsunterstützen Ausfertigung zur Klarstellung des Bescheidadressaten angebracht gewesen wäre, könne ein Unterlassen dieser Korrektur durch das Finanzamt nicht dazu führen, dass die Zustellverfügung auf dem Kuvert keine Wirkungen entfalte. Die Steuernummer (St.Nr. 171/xxxx) sei zwar ursprünglich für die H-GmbH vergeben gewesen, sei aber seit Juni 1991 mehrfach eindeutig in Zusammenhang mit der Beschwerdeführerin als Rechtsnachfolgerin der H-GmbH verwendet worden. Dem Finanzamt sei spätestens seit Juni 1991 bekannt, dass die H-GmbH im Wege der Gesamtrechtsnachfolge auf die Beschwerdeführerin übergegangen sei. In der Körperschaft- und Gewerbesteuererklärung, welche am 14. November 1991 beim Finanzamt eingereicht worden sei, sei noch die H-GmbH als Unternehmerin angeführt, obwohl die Löschung dieser Gesellschaft wegen der Verschmelzung auf die Beschwerdeführerin bereits am 4. Februar 1991 im Handelsregister eingetragen worden sei. Bescheide betreffend Einheitswert, Vermögensteuer und Erbschaftssteueräquivalent seien schon im Juni 1991 an die Beschwerdeführerin als Rechtsnachfolgerin der H-GmbH erlassen worden. Da der Verwendung der Steuernummer lediglich ein aktenkundig nicht mehr existierendes Rechtssubjekt (nämlich die H-GmbH) gegenüberstehe, habe keine Verwechslungsgefahr bestanden. Die belangte Behörde habe somit zu Unrecht die Gültigkeit der Bescheide vom 19. Dezember 1991 nicht anerkannt.

Mit diesem Vorbringen zeigt die Beschwerde keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf.

Die Körperschaft- und Gewerbesteuerbescheide vom 19. Dezember 1991 sind unzweifelhaft an die H-GmbH gerichtet. Bescheidadressat iSd § 93 Abs 2 BAO ist somit ausschließlich die H-GmbH. Daran vermag der Umstand, dass das Kuvert, mit welchem die Bescheide versandt worden sind, eine andere Person (nämlich die Beschwerdeführerin) anführt, nichts zu ändern. Selbst wenn - den Beschwerdeausführungen folgend - diese Anführung auf dem Kuvert als Zustellverfügung an die Beschwerdeführerin als Empfängerin der Sendung angesehen wird, bleibt Adressat iSd § 93 Abs 2 BAO die auf den Bescheiden (ausschließlich) als Bescheidadressat angeführte H-GmbH.

Dem Umstand, dass auf den Bescheidausfertigungen eine Steuernummer angeführt ist, die zwar früher für die H-GmbH vergeben war, aber ab Juni 1991 von der Beschwerdeführerin verwendet wurde, kommt im gegenständlichen Fall keine Bedeutung zu, wird doch die H-GmbH durch die Verwendung ihrer Firma eindeutig angesprochen. Auch die Tatsache, dass dem Finanzamt bekannt war, dass die H-GmbH nicht mehr existent ist, und es andere Bescheide nicht an die H-GmbH, sondern an die Beschwerdeführerin als Rechtsnachfolgerin gerichtet hat, ändert nichts daran, dass die in Rede stehenden Erledigungen des Finanzamtes vom 19. Dezember 1991 an die H-GmbH gerichtet sind.

Im Beschwerdefall ist einzig entscheidend, dass die Bescheide des Finanzamtes vom 19. Dezember 1991 ihrem eindeutigen Wortlaut nach an die H-GmbH gerichtet waren, welche im Zeitpunkt der Bekanntgabe dieser Erledigungen infolge der vorangegangenen Verschmelzung auf die Beschwerdeführerin nicht mehr existent war. Die Erledigungen des Finanzamtes, die an ein nicht (mehr) existierendes Rechtssubjekt gerichtet waren, sind ins Leere gegangen, weswegen sie keine Rechtswirkungen entfaltet haben (vgl die hg Erkenntnisse vom 21. Dezember 1999, 95/14/0095, und vom 17. Oktober 1989, 88/14/0183, Slg Nr 6445/F, mwA).

Kommt den Erledigungen des Finanzamtes vom 19. Juni 1991 keine Bescheidqualität zu, lagen vor Erlassung der Körperschaft- und Gewerbesteuerbescheide vom 30. Jänner 1995 keine bescheidmäßig abgeschlossenen Verfahren vor. Solcherart ist die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid zutreffend davon ausgegangen, dass der Erlassung der genannten Abgabenbescheide vom 30. Jänner 1995 keine Wiederaufnahme der Verfahren voranzugehen hatte.

Da bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen lässt, dass die von der Beschwerdeführerin behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen. Wien, am 3. Juli 2003

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