Normen
FSG 1997 §24 Abs1 Z1;
FSG 1997 §25 Abs1;
FSG 1997 §25 Abs3;
FSG 1997 §7 Abs3 Z12;
FSG 1997 §7 Abs4;
FSG 1997 §7 Abs5;
SMG 1997 §28 Abs2;
VwGG §42 Abs2 Z1;
FSG 1997 §24 Abs1 Z1;
FSG 1997 §25 Abs1;
FSG 1997 §25 Abs3;
FSG 1997 §7 Abs3 Z12;
FSG 1997 §7 Abs4;
FSG 1997 §7 Abs5;
SMG 1997 §28 Abs2;
VwGG §42 Abs2 Z1;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Feldkirch vom 8. April 2003 wurde, soweit hier verfahrensrelevant, die Lenkberechtigung des Beschwerdeführers für die Klassen AL und B gemäß § 24 Abs. 1 Z. 1 und § 25 Abs. 1 und 3 FSG für die Dauer von 18 Monaten ab Zustellung dieses Bescheides entzogen. Gleichzeitig wurde einer gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung die aufschiebende Wirkung gemäß § 64 Abs. 2 AVG aberkannt. Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der gegen den Erstbescheid erhobenen Berufung des Beschwerdeführers keine Folge.
Begründend stellte die belangte Behörde fest, der Beschwerdeführer sei mit rechtskräftigem Urteil des Landesgerichtes Feldkirch vom 11. März 2003 einerseits wegen § 28 Abs. 2, zweiter, dritter und vierter Fall SMG und andererseits wegen § 27 Abs. 1, erster, zweiter und sechster Fall SMG zu einer Freiheitsstrafe von 12 Monaten verurteilt worden. Konkret sei der Beschwerdeführer schuldig erkannt worden, er habe (so der Wortlaut des Strafurteils)
"den bestehenden Vorschriften zuwider
I) ein Suchtgift in einer großen Menge (§ 28 Abs. 6 SMG) aus- und eingeführt sowie in Verkehr gesetzt, und zwar
1) im Zeitraum 1997 bis 1999 im Zuge regelmäßiger Fahrten insgesamt ca. 70 Gramm Kokain von der Schweiz nach Vorarlberg geschmuggelt;
2) im Zeitraum 1998/1999 im Zuge regelmäßiger Fahrten insgesamt ca. 100 Gramm Marihuana von der Schweiz nach Vorarlberg geschmuggelt;
3) im Zeitraum 1998/1999 im Zuge regelmäßiger Fahrten insgesamt ca. 20 Stück Ecstasy-Tabletten von der Schweiz nach Vorarlberg geschmuggelt;
4) im Zeitraum Februar/März 2002 in Vorarlberg insgesamt ca. 115 Gramm Kokain an C. A. übergeben und weitere ca. 8 Gramm Kokain an verschiedene Drogenkonsumenten verkauft;
II) ein Suchtgift erworben und besessen sowie anderen überlassen, und zwar
1) im Zeitraum 1989 bis zum Jahreswechsel 2002/2003 in Vorarlberg unerhobene Mengen Marihuana konsumiert sowie geringe Mengen Marihuana an verschiedene Drogenkonsumenten verkauft sowie unentgeltlich zum Konsum übergeben;
2) im Zeitraum 1992 bis Juni 2002 in Vorarlberg unerhobene Mengen Ecstasy-Tabletten aus Inlandsbezügen konsumiert sowie geringe Mengen Ecstasy-Tabletten an verschiedene Drogenkonsumenten verkauft sowie unentgeltlich zum Konsum übergeben;
3) ca. Mitte der 90er Jahre in Vorarlberg, der Schweiz und Deutschland jeweils geringe Mengen LSD, Speed und Psilocybin-Pilze konsumiert;
4) im Zeitraum 1994 bis 05.06.2002 in Vorarlberg und in der Schweiz insgesamt ca. 50 Gramm Kokain konsumiert sowie geringe Mengen Kokain in Vorarlberg an verschiedene Drogenkonsumenten verkauft sowie unentgeltlich zum Konsum übergeben."
Durch dieses Verhalten habe der Beschwerdeführer eine bestimmte Tatsachen im Sinne des § 7 Abs. 3 Z. 12 FSG verwirklicht. Bei der Wertung dieses Verhaltens gemäß § 7 Abs. 4 FSG sei davon auszugehen, dass Verbrechen nach dem Suchtmittelgesetz wegen der damit verbundenen Gefahr für die Gesundheit von Menschen verwerflich und gefährlich seien. Der Beschwerdeführer habe nicht nur Drogen geschmuggelt, sondern auch an Drogenkonsumenten weitergegeben. Dabei sei erschwerend der lange Tatzeitraum zu werten. Die Verwaltungsstrafkartei weise u. a. mehrere Verkehrsdelikte des Beschwerdeführers aus, sodass nicht gesagt werden könne, der Beschwerdeführer sei bisher ein zuverlässiger Verkehrsteilnehmer gewesen. Auf Grund der Verwerflichkeit der strafbaren Handlungen des Beschwerdeführers bedürfe es eines Wohlverhaltens des Beschwerdeführers über längere Zeit, um die Wiederherstellung seiner Verkehrszuverlässigkeit annehmen zu können. Die belangte Behörde vertrete daher die Auffassung, dass eine Entziehung der Lenkberechtigung des Beschwerdeführers für die Dauer von 18 Monaten durchaus angemessen sei.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Akten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen hat:
Die im Beschwerdefall maßgebenden Bestimmungen des FSG lauten
(auszugsweise):
"Verkehrszuverlässigkeit
§ 7. (1) Als verkehrszuverlässig gilt eine Person, wenn nicht auf Grund erwiesener bestimmter Tatsachen (Abs. 3) und ihrer Wertung (Abs. 4) angenommen werden muss, dass sie wegen ihrer Sinnesart beim Lenken von Kraftfahrzeugen
...
2. sich wegen der erleichternden Umstände, die beim Lenken von Kraftfahrzeugen gegeben sind, sonstiger schwerer strafbarer Handlungen schuldig machen wird. ...
(3) Als bestimmte Tatsache im Sinne des Abs. 1 hat insbesondere zu gelten, wenn jemand:
...
12. eine strafbare Handlung gemäß §§ 28 Abs. 2 bis 5 oder 31 Abs. 2 Suchtmittelgesetz - SMG, BGBl. I Nr. 112/1997, begangen hat;
(4) Für die Wertung der in Abs. 3 beispielsweise angeführten Tatsachen sind deren Verwerflichkeit, die Gefährlichkeit der Verhältnisse, unter denen sie begangen wurden, die seither verstrichene Zeit und das Verhalten während dieser Zeit maßgebend.
...
5. Abschnitt
Entziehung, Einschränkung und Erlöschen der Lenkberechtigung Allgemeines
§ 24. (1) Besitzern einer Lenkberechtigung, bei denen die Voraussetzungen für die Erteilung der Lenkberechtigung (§ 3 Abs. 1 Z 2 bis 4) nicht mehr gegeben sind, ist von der Behörde entsprechend den Erfordernissen der Verkehrssicherheit
- 1. die Lenkberechtigung zu entziehen oder
- 2. ...
§ 25. (1) Bei der Entziehung ist auch auszusprechen, für welchen Zeitraum die Lenkberechtigung entzogen wird. Dieser ist auf Grund der Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens festzusetzen. ...
(3) Bei einer Entziehung wegen mangelnder Verkehrszuverlässigkeit (§ 7) ist eine Entziehungsdauer von mindestens drei Monaten festzusetzen."
Unbestritten bleibt in der Beschwerde die rechtskräftige Verurteilung des Beschwerdeführers durch das Landesgericht Feldkirch. Der Beschwerdeführer wendet sich aber gegen die Wertung seines Verhaltens durch die belangte Behörde. Zunächst sei zu berücksichtigen, dass die meisten der Tathandlungen betreffend § 28 SMG schon lange Zeit vor Erlassung des angefochtenen Bescheides begangen worden seien. Insbesondere hätte berücksichtigt werden müssen, dass die Schmuggelfahrten zum größten Teil dem Eigenkonsum des Beschwerdeführers gedient hätten. Laut dem Urteil habe der Beschwerdeführer lediglich geringe Mengen Suchtgift an dritte Personen weitergegeben. Diese Umstände hätten nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes Einfluss auf die Beurteilung der Verwerflichkeit des strafbaren Verhaltens. Bei Punkt I.4. des Strafurteils wäre daher auch zu berücksichtigen gewesen, dass der Beschwerdeführer von dem dort genannten C. A. das Suchtmittel zur Aufbewahrung übernommen und danach (bloß) wieder an diesen ausgefolgt habe. Im Übrigen hätten die im Strafurteil genannten Suchtgiftmengen die Grenzmenge (§ 28 Abs. 6 SMG) nur geringfügig überschritten und daher die Qualifikationsstufe des § 28 Abs. 4 Z 3 SMG nicht erreicht.
Dem letztgenannten Vorbringen ist zunächst entgegen zu halten, dass die belangte Behörde im Hinblick auf die rechtskräftige Verurteilung des Beschwerdeführers gemäß § 28 Abs. 2 SMG vom Überschreiten der Grenzmenge im Sinne des § 28 Abs. 6 SMG auszugehen hatte und damit, was auch die Beschwerde nicht bekämpft, zutreffend das Vorliegen einer bestimmten Tatsache im Sinne des § 7 Abs. 3 Z. 12 FSG angenommen hat. Von einer Qualifikation der Suchtgiftmenge gemäß § 28 Abs. 4 Z. 3 SMG ist die belangte Behörde im Rahmen der Wertung dieser Tatsache ohnedies nicht ausgegangen.
Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes sind Verbrechen nach § 28 SMG wegen der damit verbundenen Gefahr für die Gesundheit von Menschen als verwerflich im Sinne des § 7 Abs. 4 FSG einzustufen (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 25. Mai 2004, Zl. 2003/11/0291, mwN). Daher durfte die belangte Behörde unter weiterer Berücksichtigung des langen Tatzeitraumes (vgl. auch Punk II.1. des Strafurteils) die Auffassung vertreten, dass der Beschwerdeführer zum Zeitpunkt der Erlassung des Erstbescheides (11. April 2003) und danach noch für jedenfalls drei Monate (§ 25 Abs. 3 FSG) als verkehrsunzuverlässig anzusehen sei.
Allerdings erweist sich die mit 18 Monaten ab Zustellung des Erstbescheides bemessene Entziehungsdauer (das entspricht, gerechnet ab dem Tatzeitende, einer Dauer der Verkehrsunzuverlässigkeit von 21 Monaten) bei Berücksichtigung der hg. Rechtsprechung als zu lange:
Bei der Wertung des strafbaren Verhaltens gemäß § 7 Abs. 4 FSG, die die Grundlage der für die Festsetzung der Entziehungsdauer relevanten Prognose über die Wiederherstellung der Verkehrszuverlässigkeit bildet, macht es nach der hg. Judikatur einen Unterschied, ob die Suchtgiftmenge für den Eigenverbrauch oder zum Zwecke der Weitergabe an Dritte diente. Im Falle der Bestimmung zum Eigengebrauch ist nämlich die Gefahr für die Gesundheit anderer Personen wesentlich geringer zu veranschlagen als im Falle der Absicht, die Suchtgiftmengen in Verkehr zu setzen. Die Art der (beabsichtigten) Verwendung des Suchtgifts hat daher wesentlichen Einfluss auf das Wertungskriterium der Verwerflichkeit (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 20. September 2001, Zl. 2000/11/0235, und vom 25. Februar 2003, Zl. 2001/11/0357).
Der Spruchpunkt I. des Urteiles vom 11. März 2003, in dem das vom Strafgericht nach § 28 Abs. 2 SMG beurteilte Verhalten des Beschwerdeführers wiedergegeben wird, enthält (mit Ausnahme des noch zu erörternden Punktes I.4.) keinen Vorwurf, dass der Beschwerdeführer das geschmuggelte Suchtgift an Dritte weitergegeben hätte. Nach Spruchpunkt II. dieses Urteils (betreffend § 27 SMG) hat der Beschwerdeführer (lediglich) geringe Mengen Suchtgift an dritte Personen weitergegeben. Zwar hat der Beschwerdeführer, wie im Strafurteil unter I.4. ausgeführt wurde, im Februar/März 2002 eine große Menge Suchtgift an eine abgesondert verfolgte weitere Person übergeben, doch hat das Strafgericht dazu in seiner Urteilsbegründung (S. 7) festgehalten, dass der Beschwerdeführer das Suchtgift von dieser Person zur Aufbewahrung übernommen hatte und anschließend großteils wieder an diese Person zurückgegeben hat. Auch dieses Verhalten des Beschwerdeführers ist daher insgesamt nicht in dem Maße verwerflich, wie es das Inverkehrsetzen von Suchtgift durch Weitergabe an Dritte gewesen wäre (vgl. nochmals das hg. Erkenntnis Zl. 2001/11/0357).
In dem dem hg. Erkenntnis vom 24. Februar 2005, Zl. 2002/11/0253, zugrunde liegenden und ebenfalls ein strafbares Verhalten nach § 28 Abs. 2 SMG betreffenden Beschwerdefall hat der Verwaltungsgerichtshof eine Dauer der Verkehrsunzuverlässigkeit von 21 Monaten nicht als rechtswidrig angesehen, weil die geschmuggelte Suchtgiftmenge das Zehnfache der Grenzmenge des § 28 Abs. 6 SMG (also ein Vielfaches der Suchtgiftmenge im vorliegenden Beschwerdefall) betrug und vor allem weil das Suchtgift ausschließlich für Dritte und nicht etwa für den Eigenkonsum bestimmt war. Daraus ergibt sich, dass die belangte Behörde, hätte sie gegenständlich die näheren Tatumstände des strafbaren Verhaltens des Beschwerdeführers (insbesondere den Eigenverbrauch) berücksichtigt, zu einer geringeren als der angenommenen Dauer der Verkehrsunzuverlässigkeit des Beschwerdeführers und damit zu einer kürzeren Entziehungsdauer hätte gelangen müssen.
Der angefochtene Bescheid war daher wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
Von der Durchführung der beantragten Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 4 VwGG abgesehen werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333.
Wien, am 17. Oktober 2006
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