VwGH 2003/09/0157

VwGH2003/09/015730.3.2006

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Müller und die Hofräte Dr. Blaschek und Dr. Bachler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Lier, über die Beschwerde des Dipl. Ing. Dr. B in W, vertreten durch Dr. Walter Riedl, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Franz Josefs-Kai 5, gegen den am 11. Februar 2003 verkündeten und am 24. Oktober 2003 schriftlich ausgefertigten Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien, Zl. UVS-07/A/39/10780/2000/27, betreffend Bestrafung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz Weitere Parteien: Bundesminister für Finanzen und Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit), zu Recht erkannt:

Normen

AuslBG §18;
AuslBG §28 Abs1 Z1 lita;
AuslBG §28 Abs1 Z1 litb;
Binnenschiffahrt privatrechtl Verhältnisse 1898 §122;
Binnenschiffahrt privatrechtl Verhältnisse 1898 §2;
Binnenschiffahrt privatrechtl Verhältnisse 1898 §20;
Binnenschiffahrt privatrechtl Verhältnisse 1898 §22;
Binnenschiffahrt privatrechtl Verhältnisse 1898 §23;
Binnenschiffahrt privatrechtl Verhältnisse 1898 §3;
Binnenschiffahrt privatrechtl Verhältnisse 1898 §4;
Binnenschiffahrt privatrechtl Verhältnisse 1898 §5;
Binnenschiffahrt privatrechtl Verhältnisse 1898 §7;
SchiffahrtsG 1997 §1 Abs1;
SchiffahrtsG 1997 §100;
SchiffahrtsG 1997 §102 Abs7;
SchiffahrtsG 1997 §99;
VwGG §42 Abs2 Z1;
AuslBG §18;
AuslBG §28 Abs1 Z1 lita;
AuslBG §28 Abs1 Z1 litb;
Binnenschiffahrt privatrechtl Verhältnisse 1898 §122;
Binnenschiffahrt privatrechtl Verhältnisse 1898 §2;
Binnenschiffahrt privatrechtl Verhältnisse 1898 §20;
Binnenschiffahrt privatrechtl Verhältnisse 1898 §22;
Binnenschiffahrt privatrechtl Verhältnisse 1898 §23;
Binnenschiffahrt privatrechtl Verhältnisse 1898 §3;
Binnenschiffahrt privatrechtl Verhältnisse 1898 §4;
Binnenschiffahrt privatrechtl Verhältnisse 1898 §5;
Binnenschiffahrt privatrechtl Verhältnisse 1898 §7;
SchiffahrtsG 1997 §1 Abs1;
SchiffahrtsG 1997 §100;
SchiffahrtsG 1997 §102 Abs7;
SchiffahrtsG 1997 §99;
VwGG §42 Abs2 Z1;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem angefochtenen Berufungsbescheid hat die belangte Behörde den Beschwerdeführer (in Bestätigung des Schuldspruches des erstinstanzlichen Straferkenntnisses) der Begehung von sechs Verwaltungsübertretungen gemäß § 28 Abs. 1 Z 1 lit. b in Verbindung mit § 18 Ausländerbeschäftigungsgesetz (AuslBG) für schuldig befunden, er habe als handelsrechtlicher Geschäftsführer der DGmbH mit dem Sitz in W zu verantworten, dass diese Gesellschaft im Zeitraum 13. März bis 11. April 2000 Arbeitsleistungen sechs namentlich genannter Ausländer (jeweils rumänischer Staatsangehörigkeit), die von einem näher bezeichneten ausländischen Arbeitgeber ohne einen im Bundesgebiet vorhandenen Betriebssitz als Besatzungsmitglieder des Schubtransport-Schiffes G im Inland beschäftigt worden seien, ohne arbeitsmarktbehördliche Genehmigung in Anspruch genommen habe. Wegen dieser Verwaltungsübertretungen wurden über den Beschwerdeführer nach dem dritten Strafsatz des § 28 Abs. 1 Z 1 AuslBG sechs Geldstrafen in Höhe von jeweils EUR 1.453,46 verhängt. Die Ersatzfreiheitsstrafen (in Höhe von jeweils einer Woche und drei Tagen) wurden mit dem angefochtenen Bescheid auf jeweils vier Tage herabgesetzt.

Begründend führte die belangte Behörde - soweit für die Behandlung der erhobenen Beschwerde von Belang - aus, unmittelbarer Arbeitgeber der Ausländer sei eine rumänische Gesellschaft gewesen, sohin ein ausländischer Arbeitgeber, der über keinen Betriebssitz im Bundesgebiet verfüge. Mit dem Schiff G sei der Transport von Schotter und Kies zwischen einem näher bezeichneten Abbaufeld in der Donau nahe K und einer Verladestelle nahe P oder einer Entladefläche im Hafen K durchgeführt worden. Die vom Beschwerdeführer vertretene Gesellschaft D sei Bestandnehmerin des Schiffes gewesen; die D sei in den Schiffspapieren als Zulassungsbesitzerin eingetragen gewesen, um den Einsatz dieses Schiffes zu ermöglichen. Die D sei vertraglich verpflichtet gewesen, Schotter und Kies an vereinbarte Abnahmestellen zu transportieren. Für diese Transporte habe sie das Schiff eingesetzt; die Ausländer seien während des Tatzeitraumes als Besatzung auf diesem Schiff tätig gewesen. Die D habe Weisungen hinsichtlich der Einsätze und Fahrtrouten, nicht jedoch "an einzelne Besatzungsmitglieder" erteilt.

In rechtlicher Hinsicht führte die belangte Behörde - zusammengefasst - aus, die Ausländer seien nicht im Zusammenhang mit kurzfristigen Arbeitsleistungen im Sinne des § 18 Abs. 2 AuslBG beschäftigt worden. Für jeden der Ausländer wäre (zumindest) eine Entsendebewilligung erforderlich gewesen. Die Ausnahmebestimmung des § 1 Abs. 2 lit. e AuslBG komme deshalb nicht zum Tragen, weil die Tätigkeit der Besatzung "bei einer Gesamtbetrachtung der Umstände" bei der D, sohin einem Unternehmen mit Sitz im Bundesgebiet ausgeübt worden sei. Die D habe sich gegenüber der L GmbH zur Lieferung von Schotter und Kies verpflichtet; der Transport zu vereinbarten Abnahmestellen sei davon umfasst gewesen. Da nicht genug eigene Kapazitäten bei der D vorhanden gewesen seien, sei der Einsatz des Schiffes G notwendig gewesen. Dieses Schiff wäre ohne die vom rumänischen Arbeitgeber gestellte Besatzung nicht einsatzfähig gewesen. Für die Erfüllung der von der D übernommenen vertraglichen Leistungspflicht sei die Tätigkeit der Besatzung unerlässlich gewesen. Die D habe die Arbeitsleistungen der Besatzung (zur Erfüllung der Vertragspflichten) in Anspruch genommen, sodass ein "Bezug" zu einem inländischen Unternehmen bestehe; die Aussage, die Besatzung des Schiffes sei "nicht bei der D beschäftigt worden", sei daher nicht möglich. Das AuslBG sei danach anzuwenden. Die weitere Bescheidbegründung betrifft die Erwägungen zur subjektiven Tatseite und zur Strafbemessung.

Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Verwaltungsakten durch die belangte Behörde, wobei diese erklärte, auf die Erstattung einer Gegenschrift zu verzichten, erwogen:

Die Bestimmungen des AuslBG sind zufolge seines § 1 Abs. 2 lit. e nicht anzuwenden auf Ausländer hinsichtlich ihrer Tätigkeit als Besatzungsmitglieder von See- und Binnenschiffen, es sei denn, sie üben eine Tätigkeit bei einem Unternehmen mit Sitz im Bundesgebiet aus.

Ob die genannte Ausnahmebestimmung, wie in der Beschwerde geltend gemacht wird, dazu führt, dass im Beschwerdefall für die Besatzung des Schiffes arbeitsmarktbehördliche Genehmigungen nicht eingeholt werden mussten, erfordert angesichts des Wortlautes des § 1 Abs. 2 lit. e AuslBG eine Auseinandersetzung mit der Frage, ob die Besatzung des Schiffes "eine Tätigkeit bei einem Unternehmen mit Sitz im Bundesgebiet" ausgeübt hat. Dies hat die belangte Behörde bejaht, dennoch ist sie aber - wie die Subsumtion der Tat unter § 28 Abs. 1 Z 1 lit. b iVm § 18 AuslBG zeigt - davon ausgegangen, dass die vom Beschwerdeführer vertretene Gesellschaft die Arbeitsleistungen bloß "in Anspruch genommen" habe. Die Subsumtion unter die genannte Norm setzt aber ihrerseits voraus, dass die Ausländer "von einem ausländischen Arbeitgeber ohne einen im Bundesgebiet vorhandenen Betriebssitz im Inland beschäftigt" wurden.

Die (durch Bestätigung des Schuldspruches des erstinstanzlichen Straferkenntnisses) mit dem angefochtenen Bescheid aufrecht erhaltene Subsumtion unter den Tatbestand der lit. b des § 28 Abs. 1 Z 1 AuslBG erweist sich - nach dem festgestellten Sachverhalt und dem Vorbringen des Beschwerdeführers - letztlich deshalb als unrichtig, weil die Rolle der D sich nicht darin erschöpfte, Leistungen (Arbeitsergebnisse) der Besatzung bloß in Anspruch zu nehmen, sondern die Stellung der D aus nachstehenden Erwägungen als die einem Arbeitgeber gleichgestellte hätte beurteilt werden müssen:

Nach den (unbekämpft gebliebenen) Feststellungen war die D als Zulassungsbesitzerin in den Schiffspapieren (eines samt Besatzung angemieteten Schiffes) eingetragen, "um den Einsatz des Schiffes überhaupt zu ermöglichen". Der Beschwerdeführer räumt ausdrücklich die Zulassung des Schiffes ein, hält dies aber für "öffentlich-rechtliche Aspekte ohne Relevanz für die arbeitnehmerrechtliche Zuordnung der Schiffsbesatzung".

Diesem Beschwerdevorbringen ist entgegenzuhalten, dass die D kraft dieser Zulassung zufolge § 2 des Gesetzes betreffend die privatrechtlichen Verhältnisse der Binnenschiffahrt (im folgenden kurz: prVBinnenschiffahrtG; Fundstelle: dRGBl. S 868/1898, hinsichtlich seiner Fortgeltung ausdrücklich aufrecht erhalten durch § 4 iVm dem Anhang des Ersten Bundesrechtsbereinigungsgesetzes, BGBl. I Nr. 191/1999, Punkt 94.02.02.) in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. Nr. 10/1991 als Schiffseigner angesehen wird.

Abgesehen davon, dass alle "Schlepper und Stoßboote" (die G ist ein Schubtransportschiff) nach § 122 prVBinnenschiffahrtsG in das Schiffsregister anzumelden sind, für das gegenständliche Schiff (einer rumänischen Gesellschaft) eine Ausnahme von der Zulassungspflicht für die Fahrt auf den in § 99 genannten Gewässern (wozu gemäß § 1 Abs. 1 leg. cit. alle öffentlichen Fließgewässer gehören) im Sinne des § 100 Schiffahrtsgesetz nicht vorgelegen ist, die Zulassung gemäß § 102 Abs. 7 Schiffahrtsgesetz aber nur für in einem österreichischen Schiffsregister eingetragene Fahrzeuge erteilt werden darf, - hatte die Stellung als Schiffseigner für die D sehr wohl Auswirkungen auf das Verhältnis zur Besatzung:

Gemäß § 3 prVBinnenschiffahrtsG ist der Schiffseigner für Schäden verantwortlich, die von der Schiffsbesatzung in Ausführung ihrer Dienstverrichtungen einem Dritten zugefügt werden; ein Schiffseigner hat die in § 4 leg. cit. umschriebene Haftung zu tragen; er haftet gemäß § 5 leg. cit. für der Schiffsbesatzung aus dem Dienstverhältnis zustehende Forderungen persönlich (sohin nicht nur mit Schiff und Fracht); gemäß § 7 leg. cit. hat der Schiffer (das ist der Führer des Schiffes) für jede Vernachlässigung der Sorgfalt dem Schiffseigner zu haften, es sei denn, dass er "auf Anweisung des Schiffseigners gehandelt hat";

§ 10 leg. cit. bestimmt, dass der Schiffseigner von Beschädigungen des Schiffs oder der Ladung, von eingegangenen Geschäften sowie der Einsetzung eines anderen Schiffers in Kenntnis zu setzen ist;

der Schiffer hat (in diesem Zusammenhang) beim Schiffseigner um "Erteilung von Verhaltungsmaßregeln nachzusuchen". Zwischen dem Schiffer und dem Schiffseigner besteht ein Dienstverhältnis im Sinne des § 20 leg. cit.; dies gilt auch für die Schiffsmannschaft, wie die §§ 22 und 23 leg. cit. zeigen.

Schon diese (ohne Anspruch auf vollständige Darlegung aller relevanten Bestimmungen) dargestellten Regelungen zeigen, dass die D als Schiffseigner des auf sie zugelassenen Schiffes weisungsberechtigt gegenüber der Schiffsbesatzung war, und dass die D insgesamt betrachtet eine Stellung wie ein Arbeitgeber hatte bzw. eine Stellung, die der eines Arbeitgebers gleichzuhalten ist. Dass nach dem Beschwerdevorbringen die D die eingeräumte Weisungsbefugnis nur betreffend "Weisungen hinsichtlich Einsatz und Fahrtrouten, nicht jedoch an einzelne Besatzungsmitglieder" ausübte, vermag an ihrer Stellung und an dieser Beurteilung nichts zu ändern; die Erteilung von Weisungen "an den Kapitän" räumt der Beschwerdeführer im Übrigen ausdrücklich ein.

Für den Beschwerdefall bedeutet das, dass die Beschwerde im Ergebnis (allein) deshalb berechtigt ist, weil die belangte Behörde den Tatbestand der lit. b des § 28 Abs. 1 Z 1 AuslBG statt richtig der lit. a des § 28 Abs. 1 Z 1 leg. cit. herangezogen hat. Mangels Anlastung der Sachverhaltselemente des § 28 Abs. 1 Z 1 lit. a AuslBG in den Verfolgungshandlungen war die belangte Behörde vorliegend nicht zur Richtigstellung berechtigt, weil dies eine Auswechslung der Tat dargestellt hätte (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 30. Oktober 1991, Zl. 91/09/0111).

Nach dem Vorgesagten war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003.

Wien, am 30. März 2006

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