Normen
AsylG 1997 §27 Abs3;
AsylG 1997 §7;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;
AsylG 1997 §27 Abs3;
AsylG 1997 §7;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die Beschwerdeführerin, eine der Volksgruppe der Edo angehörende Staatsangehörige von Nigeria, reiste am 4. März 2002 in das Bundesgebiet ein und beantragte an diesem Tag Asyl. Sie war damals schwanger und hat am 12. Juni 2002 einen Sohn (E K) geboren.
Bei der Einvernahme vor dem Bundesasylamt am 3. April 2002 begründete die Beschwerdeführerin ihre Ausreise aus Nigeria im Wesentlichen damit, ihr Onkel, bei dem sie gelebt habe, hätte sie dem "Chief" eines "Orakels" zur Opferung übergeben sollen und die Anhänger dieses "Orakels" würden sie überall in Nigeria suchen.
Das Bundesasylamt wies den Asylantrag der Beschwerdeführerin mit Bescheid vom 6. Mai 2002 gemäß § 7 AsylG ab und stellte gemäß § 8 AsylG die Zulässigkeit ihrer Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung nach Nigeria fest. Es schenkte den Angaben der Beschwerdeführerin keinen Glauben.
Mit dem angefochtenen Bescheid vom 23. September 2002 wies die belangte Behörde - nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung - die Berufung der Beschwerdeführerin gegen den Bescheid des Bundesasylamtes gemäß § 7 AsylG ab. In einem weiteren Spruchpunkt stellte sie, wie schon das Bundesasylamt, gemäß § 8 AsylG die Zulässigkeit der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung der Beschwerdeführerin nach Nigeria fest. Sie übernahm die Feststellungen des Bundesasylamtes und schloss sich auch dessen Beweiswürdigung "vollinhaltlich" an. Ergänzend hielt die belangte Behörde zur Beweiswürdigung fest, die Angaben der Beschwerdeführerin zum Fluchtzeitpunkt seien uneinheitlich gewesen und die Beschwerdeführerin - die behauptet habe, ihr verstorbener Ehemann sei der Vater ihres Kindes - habe in der Berufungsverhandlung "erstmals" behauptet, ihr Ehemann sei erst im November (und nicht schon im Juni) 2001 gestorben. Eventualiter verwies die belangte Behörde auf den privaten Charakter der behaupteten Verfolgung in Verbindung damit, dass für die Beschwerdeführerin "angesichts der Größe Nigerias" eine "inländische Fluchtalternative" gegeben sei.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde gegen diesen Bescheid erwogen:
Die von der belangten Behörde "vollinhaltlich" übernommene Beweiswürdigung des Bundesasylamtes lautete im Wesentlichen wie folgt:
"So hat die Asylwerberin im Zuge einer mit ihr aufgenommenen Niederschrift angegeben, dass die gesamten vorgebrachten Probleme damit begonnen hätten, dass ihr Ehemann verstorben sei und zwar dies am 16. Juni. Die Asylwerberin brachte weiters vor, von ihrem am 16. Juni 2001 auf Grund eines Motorradunfalls verstorbenen Ehemannes schwanger zu sein. Auf Frage, ob sie nach dem Tod ihres Mannes sexuellen Kontakt mit anderen Männern gehabt hat, antwortet diese mit nein. Laut einem vorläufigen Arztbericht der Landesfrauenklinik in Linz war die Asylwerberin vom 25. März 2002 bis zum 28. März 2002 dort stationär aufhältig und es wurde dabei festgestellt, dass die Asylwerberin zu diesem Zeitpunkt in der
27. Schwangerschaftswoche war. Die Zeugung des Kindes müsste also etwa Anfang Oktober 2001 gewesen sein. Zu diesem Zeitpunkt hätte sie jedoch keinerlei sexuellen Kontakt mit anderen Männern gehabt. Der Gatte sei jedoch bereits schon lange tot gewesen. Zumal die Asylwerberin, wie bereits angeführt, ihr Vorbringen auf den Tod ihres Ehegatten stützt, wird diesem Vorbringen, zumal dieser offensichtlich noch am Leben sein muss, falls die anderen Angaben der Asylwerberin stimmen, die Glaubwürdigkeit zur Gänze abgesprochen."
Diese Ausführungen des Bundesasylamtes gründeten sich auf eine Befragung, die der - männliche - Leiter der Amtshandlung nach dem Abschluss der Vernehmung zu den Fluchtgründen und nach der Bejahung seines Vorhaltes, ob die Beschwerdeführerin alles angegeben habe, mit der Frage eröffnete, "wer ... eigentlich der Vater" des von ihr erwarteten Kindes sei. Daran anschließend wurde neben der Befragung zu einem allfälligen "sexuellen Kontakt mit anderen Männern" nach dem Tod des Ehemannes der Beschwerdeführerin u. a. der Vorhalt protokolliert, es sei "der hierortigen Behörde bekannt, dass auch schwarzafrikanische Frauen nicht länger als neun Monate schwanger sind".
Der Verwaltungsgerichtshof ist nicht der Ansicht, dass die sichtbare oder aktenkundige Schwangerschaft einer Asylwerberin in Verbindung mit einem Vorbringen über den Tod ihres Ehemannes im Asylverfahren Anlass zur Erörterung von Fragen der Vaterschaft und des "sexuellen Kontakts mit anderen Männern" gibt. Von einer nicht auf die behauptete Verfolgungsgefahr bezogenen Einvernahme über das Sexualleben kann auch der Gesetzgeber nicht ausgegangen sein, weil sich die Anordnung einer Vernehmung durch einen Organwalter desselben Geschlechtes (vgl. § 27 Abs. 3 letzter Satz AsylG in der hier anzuwendenden Fassung vor der Novelle BGBl. I Nr. 101/2003) sonst nicht auf Fälle beschränken würde, in denen sich die behauptete Furcht vor Verfolgung auf Eingriffe in die sexuelle Selbstbestimmung gründet.
Auf die grundsätzliche Schlüssigkeit einer Beweiswürdigung, die sich auf die Ergebnisse einer derartigen - nicht nur in der dargestellten Weise, sondern von vornherein - unangebrachten Befragung gründet, braucht aber nicht näher eingegangen zu werden, weil die auf Seite 8 des erstinstanzlichen Aktes festgehaltene anfängliche Angabe der Beschwerdeführerin, der Tod ihres Ehemannes habe sich "ca. September 2001" ereignet, weder im erstinstanzlichen noch im angefochtenen Bescheid Erwähnung findet. Die dem angefochtenen Bescheid zugrunde liegende Ansicht, die Beschwerdeführerin habe "erstmalig" in der Berufungsverhandlung einen mit dem medizinischen Befund - unter der Voraussetzung, dass das Kind vom Ehemann der Beschwerdeführerin stamme - vereinbarten Todeszeitpunkt genannt, steht mit der Aktenlage nicht in Einklang, sodass die Beweiswürdigung der belangten Behörde in der vorliegenden Form schon aus diesem Grund nicht schlüssig ist.
Die Eventualbegründung, der Beschwerdeführerin stünde gegenüber der behaupteten Bedrohung durch "zivile Personen" eine "inländische Fluchtalternative" offen, ist im angefochtenen Bescheid nicht näher ausgeführt und vermag ihn u.a. deshalb nicht zu tragen, weil nicht erkennbar ist, dass bei der impliziten Bejahung der Zumutbarkeit einer Aufenthaltnahme in einem - wie offenbar unterstellt werden soll - für den Zugriff der behaupteten Verfolger zu weit entfernten Landesteil auf die Situation einer allein stehenden Mutter mit einem neugeborenen Kind abgestellt wurde.
Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333.
Wien, am 25. Mai 2004
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