VwGH 2002/20/0426

VwGH2002/20/042620.3.2003

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kremla und die Hofräte Dr. Nowakowski und Dr. Grünstäudl als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Nichtowitz, über die Beschwerde des F, geboren 1970, vertreten durch Dr. Max Kapferer, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Schmerlingstraße 2/2, gegen den am 27. März 2001 verkündeten und am 11. März 2002 schriftlich ausgefertigten Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates, Zl. 200.010/41-VII/19/02, betreffend § 7 und § 13 Abs. 2 AsylG (weitere Partei: Bundesminister für Inneres), zu Recht erkannt:

Normen

AVG §58 Abs2;
AVG §60;
AVG §66 Abs4;
AVG §58 Abs2;
AVG §60;
AVG §66 Abs4;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 908,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Zur Vorgeschichte wird auf das hg. Erkenntnis vom 16. September 1999, Zl. 98/20/0543, verwiesen, mit dem ein den Asylantrag des Beschwerdeführers, eines iranischen Staatsangehörigen, im Instanzenzug abweisender und auf § 7 AsylG gestützter Bescheid der belangten Behörde vom 5. Juni 1998 wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben worden war.

Mit dem nunmehr angefochtenen (Ersatz-)Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung des Beschwerdeführers gegen die Versagung des von ihm beantragten Asyls durch das Bundesasylamt "gemäß § 7 iVm § 13 Abs. 2 AsylG" ab. Der Beschwerdeführer habe geltend gemacht, dass er im Iran mit dem Tod bedroht sei, weil er einerseits unabsichtlich einen Mullah mit der Hand am Rücken berührt habe und andererseits von Polizisten dabei gesehen worden sei, wie er ein Buch von Salman "Rusti" in der Hand getragen habe. Die belangte Behörde habe im fortgesetzten Verfahren am 13. September 2000 und am 27. März 2001 (nochmals) eine Berufungsverhandlung mit dem Beschwerdeführer durchgeführt und ihm darin ein bei der österreichischen Botschaft in Teheran eingeholtes Sachverständigengutachten über die vom Beschwerdeführer vorgelegte Kopie einer gerichtlichen Ladung zur Kenntnis gebracht. Unter anderem deshalb, weil diese Ladung einerseits schon in zeitlicher Hinsicht nichts mit der behaupteten Beobachtung des erwähnten Buchbesitzes zu tun haben könne (die Ladung stamme aus einer Zeit vor diesem Ereignis) und weil es sich andererseits bei dieser Ladung nach dem (im angefochtenen Bescheid wiedergegebenen) Sachverständigengutachten eindeutig um eine Fälschung handle, komme dem Vorbringen des Beschwerdeführers in Bezug auf den Besitz des Buches "Satanische Verse" keine Glaubwürdigkeit zu.

Was die vom Beschwerdeführer als weiteren Verfolgungsgrund genannte Berührung eines Mullahs betreffe, so habe der Beschwerdeführer "bereits in der Verhandlung am 5.6.1998 derart stark widersprüchliche Aussagen" getätigt, dass "dieses Vorbringen als gänzlich unglaubwürdig zu werten" sei. Offensichtlich habe der Beschwerdeführer lediglich von irgendjemandem gehört, dass ein "Verstoß" gegen islamische Würdenträger im Iran entsprechend dem dortigen Strafrecht zu einer Strafahndung führen könne, was den Beschwerdeführer zu diesem Vorbringen "motiviert haben dürfte". Es sei aber, so die belangte Behörde im gegebenen Zusammenhalt, anzumerken, "dass diese Begründung schon im Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 5.6.1998 enthalten war und vom Berufungswerber bzw. vom Verwaltungsgerichtshof nicht beanstandet worden war".

Abgesehen von der gänzlichen Unglaubwürdigkeit der beiden vom Beschwerdeführer genannten Fluchtgründe werde als maßgebender Sachverhalt weiters festgestellt, dass der Beschwerdeführer mit Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 19. März 1999 wegen gewerbsmäßiger Schlepperei nach § 105 Abs. 2 FrG zu einer teilbedingten einjährigen Freiheitsstrafe rechtskräftig verurteilt worden sei. Bei diesem Delikt handle es sich um ein "besonders schweres Verbrechen", weil es nicht nur mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren bedroht sei, sondern "in der besonderen Konstellation des konkreten Einzelfalles" auch gewerbsmäßig begangen worden sei. Auch die in Bezug auf den Ausschluss von Asyl geforderte Gemeingefährlichkeit sei beim Beschwerdeführer gegeben, wozu die belangte Behörde auf die Begründung eines gegen den Beschwerdeführer erlassenen Aufenthaltsverbotes der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Tirol, das durch den Verwaltungsgerichtshof bestätigt worden sei, verwies. Von einem Wohlverhalten des Beschwerdeführers seit Erlassung dieses Aufenthaltsverbotes könne wegen des Beharrens des Beschwerdeführers auf der (nach dem erwähnten Gutachten unzutreffenden) Behauptung, die von ihm vorgelegte Ladung sei echt, nicht die Rede sein.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen hat:

Die Beschwerde wendet sich gegen die Beweiswürdigung im angefochtenen Bescheid und meint, das Schreiben der österreichischen Botschaft in Teheran sei nicht als Sachverständigengutachten zu werten und könne daher die Feststellung über die Fälschung der vom Beschwerdeführer in Kopie vorgelegten Ladung nicht tragen, weil in diesem Gutachten der von der Botschaft beigezogene Experte nicht genannt werde.

Über Ersuchen der belangten Behörde vom 27. September 2000, im Hinblick auf das zitierte hg. Erkenntnis, Zl. 98/20/0543, ein Sachverständigengutachten über die Frage der Echtheit der vom Beschwerdeführer (bloß in Kopie) vorgelegten Ladung zu erstellen, teilte die österreichische Botschaft in Teheran mit Schreiben vom 22. November 2000 mit, sie habe zu diesem Zweck unter Wahrung der Anonymität des Beschwerdeführers einen rechtskundigen Experten beigezogen. Im Wege über diesen sei ein Vergleich des auf der Ladung aufscheinenden Stempels mit dem Originalstempel des betreffenden (iranischen) Gerichts erfolgt, der ergebe, "dass das Dokument eindeutig falsch ist". Ein zusätzlicher Beleg hiefür sei, dass es sich auf der vorgelegten Ladung um einen Stempel des Leiters der Justiz handle, der solche Ladungen jedoch nie ausstelle. Darüber hinaus fehlten auf der Ladung essenzielle Angaben, wie etwa der betroffene Gerichtssprengel. Anhand der vorgelegten Ladung könne nicht festgestellt werden, zu welchem Gericht im Iran sich der Geladene zu begeben hätte, da ein konkretes Gericht als Ort der Ladung nicht angegeben sei.

Der Beschwerdeführer, der die in Rede stehende Ladungskopie in der Verhandlung vom 5. Juni 1998 zum Beweis für sein Vorbringen vorgelegt hat, setzt sich in seiner Beschwerde mit den genannten Ausführungen im Schreiben der österreichischen Botschaft über die Fälschungsmerkmale der Ladung nicht inhaltlich auseinander und versucht insbesondere nicht, dieselben zu widerlegen. Vor diesem Hintergrund vermag es der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der ihm zukommenden Schlüssigkeitsprüfung nicht als rechtswidrig zu erkennen, wenn die belangte Behörde, ausgehend von den genannten Fälschungsmerkmalen, der im Schreiben der österreichischen Botschaft geäußerten Ansicht, die Ladung sei nicht echt, gefolgt ist. Damit ist aber auch die Feststellung der belangten Behörde, das Vorbringen des Beschwerdeführers in Bezug auf den Besitz des Buches "Satanische Verse" sei unglaubwürdig, nicht zu beanstanden.

Zum Vorbringen des Beschwerdeführers über den zweiten Fluchtgrund (Berührung eines Mullahs) hat die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid gleichfalls festgestellt, dass sie diese Angaben "als gänzlich unglaubwürdig" werte. Diese Feststellung stützte sie allerdings nicht auf die Vorlage der gefälschten Ladung. Vielmehr begründete die belangte Behörde ihre Ansicht (lediglich) damit, der Beschwerdeführer habe "bereits in der Verhandlung am 5.6.1998 derart stark widersprüchliche Aussagen" getroffen, die die belangte Behörde zur genannten Feststellung veranlasst hätten. Diese Begründung reicht für sich genommen freilich nicht aus, um eine Schlüssigkeitsprüfung des Verwaltungsgerichtshofes in Bezug auf diesen Teil der Beweiswürdigung zu ermöglichen, hat doch die belangte Behörde die von ihr als widersprüchlich erachteten Aussagen im gegebenen Zusammenhang weder dargestellt noch - im Einzelnen - eine Bewertung dieser Aussagen auf ihren Wahrheitsgehalt vorgenommen.

Ergänzend dazu meinte die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid in Bezug auf das Fluchtvorbringen der Berührung eines Mullahs, es bleibe anzumerken, dass "diese Begründung" schon in den oben erwähnten Bescheid vom 5. Juni 1998 Eingang gefunden habe und vom Verwaltungsgerichtshof im zitierten Erkenntnis, Zl. 98/20/0543, nicht beanstandet worden sei. Dazu ist zunächst festzuhalten, dass es nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes grundsätzlich zulässig ist, zur Begründung eines Bescheides auf die Begründung eines - wenn auch aufgehobenen - zwischen denselben Parteien erlassenen Vorbescheides zu verweisen. Voraussetzung ist allerdings, dass für die Parteien des Verfahrens und die überprüfenden Kontrollinstanzen eine derartige, lediglich aus einer Verweisung bestehende Begründung nachvollziehbar bleibt (vgl. dazu die im hg. Erkenntnis vom 10. Oktober 1996, Zl. 95/20/0501 wiedergegebene Judikatur und hinsichtlich des Verweises auf die Beweiswürdigung in einem bereits aufgehobenen Bescheid das gleichfalls vom 10. Oktober 1996 stammende hg. Erkenntnis, Zl. 95/20/0521). Die genannte Voraussetzung, dass die Begründung auch im Fall des bloßen Verweises nachvollziehbar bleiben müsse, liegt im vorliegenden Beschwerdefall nicht vor. Die belangte Behörde meint im angefochtenen Bescheid zwar, der Verwaltungsgerichtshof habe den die Berührung eines Mullahs betreffenden Begründungsteil des Bescheides vom 5. Juni 1998 im seinem Erkenntnis, Zl. 98/20/0543, nicht beanstandet. Sie verkennt dabei aber, dass der Verwaltungsgerichtshof in Bezug auf diesen Teil des Fluchtvorbringens im Bescheid vom 5. Juni 1998 lediglich eine ausreichende Sachverhaltsfeststellung gesehen hat. Mit der Frage der Schlüssigkeit der - im zitierten Erkenntnis insoweit wörtlich wiedergegebenen und über die entsprechende Beweiswürdigung im nunmehr angefochtenen Bescheid nicht hinausgehenden - Beweiswürdigung des Bescheides vom 5. Juni 1998 musste sich der Verwaltungsgerichtshof in diesem Erkenntnis aber schon in Anbetracht der sonstigen Verfahrensmängel, die dem letztgenannten Bescheid anhafteten, nicht auseinandersetzen.

Abgesehen vom dargestellten Verfahrensmangel erweist sich der angefochtene Bescheid aber auch aus folgendem Grund als rechtswidrig:

Wie erwähnt hat die belangte Behörde ihre Entscheidung u.a. auf das Vorliegen eines Asylausschlussgrundes und im Spruch des angefochtenen Bescheides auch auf § 13 Abs. 2 AsylG gestützt. Mit der Annahme, die festgestellte Verurteilung erfülle die gesetzliche Voraussetzung einer rechtskräftigen Verurteilung wegen eines "besonders schweren Verbrechens", hat die belangte Behörde dabei aber die Rechtslage verkannt. Im Einzelnen kann dazu gemäß § 43 Abs. 2 VwGG auf die auch für § 13 Abs. 2 AsylG maßgeblichen Ausführungen in dem hg. Erkenntnis vom 3. Dezember 2002, Zl. 99/01/0449, verwiesen werden.

Der angefochtene Bescheid war daher wegen der vorrangig ins Gewicht fallenden Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2001.

Wien, am 20. März 2003

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