Normen
AsylG 1997 §23;
AsylG 1997 §38;
AsylG 1997 §7;
AsylG 1997 §8;
AVG §67d;
EGVG 1991 Anlage Art2 Abs2 Z43a;
AsylG 1997 §23;
AsylG 1997 §38;
AsylG 1997 §7;
AsylG 1997 §8;
AVG §67d;
EGVG 1991 Anlage Art2 Abs2 Z43a;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 908,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die Beschwerdeführerin, eine Staatsangehörige von Moldova (Moldawien), reiste am 14. Oktober 2000 in das Bundesgebiet ein und wurde am 15. Oktober 2000 einer fremdenpolizeilichen Befragung unterzogen. Sie gab unter anderem an, in Österreich einen Asylantrag stellen zu wollen, und führte dazu aus, sie sei als ehemalige Angehörige der Sowjetarmee nach dem Zusammenbruch der UdSSR und der Aufteilung der sowjetischen Streitkräfte verfolgt worden.
Bei ihrer Einvernahme vor dem Bundesasylamt am 20. November 2000 - die vorrangig der Befragung über den Reiseweg diente - gab die Beschwerdeführerin zu ihren Fluchtgründen an, sie sei Zeugin der kriegerischen Auseinandersetzung um das Trans-Dnjestr-Gebiet gewesen und allein schon deshalb verfolgt worden, weil sie diesen Krieg gesehen habe. Weiters habe sie Zugang zu geheimen Dokumenten gehabt. Die Verfolger seien "Angehörige der Nationalfront und der moldawischen Armee" gewesen.
Am 20. Februar 2001 - nach Aufhebung eines auf § 4 AsylG gestützten Bescheides durch die belangte Behörde - wurde die Beschwerdeführerin einer ergänzenden Befragung über ihre Fluchtgründe unterzogen. Sie gab u.a. an, auf Grund telefonischer Bedrohungen 1996 den Dienst in der Armee quittiert und sich danach bis zu ihrer Ausreise im September 2000 versteckt gehalten zu haben. Die Anrufer, von denen sie von Anfang 1996 bis zu ihrem Ausscheiden aus der Armee im Oktober 1996 bedroht worden sei, hätten Geheimnisse in Erfahrung bringen wollen. Im Falle einer Rückkehr in ihren Herkunftsstaat würde sie "auf Grund der Struktur in Moldova umgebracht" werden. Sie würde "eingesperrt und sterben".
Das Bundesasylamt wies mit Bescheid vom 21. Februar 2001 den Asylantrag der Beschwerdeführerin gemäß § 7 AsylG ab und stellte gemäß § 8 AsylG fest, die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung der Beschwerdeführerin nach Moldova sei zulässig. In der Begründung dieser Entscheidung gab das Bundesasylamt in Bezug auf die Fluchtgründe der Beschwerdeführerin nur deren Angaben vom 20. Februar 2001 wieder und sprach diesen die Glaubwürdigkeit ab. Nach der Wiedergabe im nunmehr angefochtenen Bescheid der belangten Behörde (Seite 5 dieses Bescheides) erachtete das Bundesasylamt die Behauptungen der "Berufungswerberin, die nach ihren Angaben mehrfach von unbekannten Männern telefonisch an ihrem Arbeitsplatz terrorisiert wurde", als "nicht nachvollziehbar".
Ihre Berufung gegen diese Entscheidung ergänzte die Beschwerdeführerin durch einen Schriftsatz vom 22. März 2001. In diesem Schriftsatz machte sie geltend, sie habe auf Grund ihres Diensteides 1992 an den kriegerischen Auseinandersetzungen um die Trans-Dnjestr-Region teilnehmen müssen, wobei Ursache für das feindselige Klima die damalige maßgebliche politische Kraft ("Narodny Front Moldovy") gewesen sei. Die Beschwerdeführerin habe "daher" bereits 1992 ein Entlassungsgesuch eingereicht. Dieses sei abgelehnt und die Beschwerdeführerin sei automatisch der neu gebildeten Nationalarmee unterstellt worden. Bereits ab diesem Zeitpunkt sei sie durch ihr Vorgehen im Verdacht gestanden, regimekritisch eingestellt zu sein. Die "Narodny Front Moldovy" habe Gewalt und Massenunruhen geschürt. Wer die nationalistische Ideologie dieser Partei missbilligt habe, sei verfolgt worden. Weiters brachte die Beschwerdeführerin in diesem Schriftsatz vor, sie habe auf Grund ihrer Stellung Einblick in verschiedenste Bereiche der Misswirtschaft, Korruption, sowie krimineller Machenschaften der Nationalarmee gehabt und zwei Rapporte geschrieben, in denen sie u.a. diese Missstände angesprochen habe. Über eingeleitete Schritte zu deren Behebung habe sie nichts erfahren. Ab diesem Zeitpunkt sei die Beschwerdeführerin aber "in offenem Widerstand zu maßgebenden Kreisen des Militärapparates getreten". Es seien mehrere ernst zu nehmende telefonische Drohungen gegen Leib und Leben der Beschwerdeführerin gefolgt. Die Drohungen seien "auf die Unterlassung korruptionsaufdeckender Handlungen gerichtet" gewesen. Die Beschwerdeführerin habe daraufhin beschlossen, die Armee zu verlassen und unterzutauchen. Im Falle eines Versuches, ein normales Leben zu führen, wäre das "Risiko einer willkürlichen Verhaftung durch die Sicherheitsbehörden zu groß gewesen".
Mit dem angefochtenen, ohne Durchführung einer mündlichen Berufungsverhandlung erlassenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung gemäß §§ 7 und 8 AsylG ab. Die belangte Behörde erwähnte in der Begründung die Umschreibung der Fluchtgründe der Beschwerdeführerin bei der fremdenpolizeilichen Einvernahme am 15. Oktober 2000, führte weiters aus, die Beschwerdeführerin sei am 20. November 2000 "zu ihrem Fluchtweg befragt" worden, und gab zusammenfassend wieder, was die Beschwerdeführerin am 20. Februar 2001 zu ihren Fluchtgründen angegeben habe. In der Berufung und deren Ergänzung habe die Beschwerdeführerin ihr erstinstanzliches Vorbringen nur "im Wesentlichen wiederholt und hinsichtlich einiger Details konkretisiert" (Seite 5 unten und Seite 7 unten/8 oben des angefochtenen Bescheides), weshalb sich eine mündliche Berufungsverhandlung gemäß Art. II Abs. 2 lit. d Z 43a EGVG erübrige. Wenn das Bundesasylamt das Vorbringen der Beschwerdeführerin aus den im erstinstanzlichen Bescheid angegebenen Gründen als unglaubwürdig qualifiziert habe, so könne dem nicht entgegen getreten werden. "Insbesondere" sei es "in der Tat nicht nachvollziehbar", dass die Beschwerdeführerin, die behaupte, in Widerstand zu maßgebenden Kreisen des Militärapparates getreten und von den moldawischen Sicherheitsbehörden gesucht worden zu sein, problemlos einen moldawischen Reisepass bekommen und ohne Schwierigkeiten die Kontrollen an der moldawisch-rumänischen Grenze passiert habe. Der Vollständigkeit halber sei hinzuzufügen, dass die Angaben der Beschwerdeführerin am 20. Februar 2001, wonach ihre Schwierigkeiten 1996 begonnen hätten, der Darstellung bei der fremdenpolizeilichen Einvernahme am 15. Oktober 2000, wonach sie als Geheimnisträgerin nach der Aufteilung der ehemals sowjetischen Streitkräfte im Sommer 1992 verfolgt worden sei, widersprochen hätten. Auf Grund des festgestellten Sachverhaltes, dass nämlich nicht festgestellt werden könne, dass die Beschwerdeführerin Moldova aus den von ihr angegebenen Gründen verlassen habe, könne nicht davon ausgegangen werden, dass ihr asylrelevante Verfolgung drohe oder sie im Falle einer Rückkehr nach Moldova einer Bedrohungssituation im Sinne des § 57 FrG ausgesetzt wäre. Im Übrigen sei hinzuzufügen, dass dem Bundesasylamt auch darin Recht zu geben sei, dass der behaupteten Verfolgungsgefahr der erforderliche enge zeitliche Zusammenhang zur Ausreise fehle. Auch für den Refoulementschutz bedürfe es einer aktuellen Bedrohung.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:
Das Absehen von einer mündlichen Berufungsverhandlung setzt nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu der von der belangten Behörde herangezogenen Bestimmung des Art. II Abs. 2 lit. d Z 43a EGVG u.a. voraus, dass die erstinstanzliche Beweiswürdigung nicht nur im Ergebnis - nach der Überzeugung der Berufungsbehörde - richtig, sondern schon im erstinstanzlichen Bescheid auch schlüssig begründet ist (vgl. in diesem Zusammenhang etwa die Erkenntnisse vom 8. Juni 2000, Zlen. 99/20/0111 bis 0113, und vom 21. September 2000, Zl. 98/20/0296). Bedurfte es nach Ansicht der belangten Behörde ergänzend zur erstinstanzlichen Beweiswürdigung des - im angefochtenen Bescheid freilich nur "der Vollständigkeit halber" gegebenen - Hinweises auf einen Widerspruch zwischen den Angaben der Beschwerdeführerin am 15. Oktober 2000 und am 20. Februar 2001, um die Unglaubwürdigkeit der Beschwerdeführerin schlüssig zu begründen, so hätte dies eine mündliche Berufungsverhandlung erfordert. Davon abgesehen hätte der Hinweis auf den vermeintlichen "Widerspruch" (eine Verfolgung "nach" der Aufteilung der Sowjetarmee hat die Beschwerdeführerin auch im Asylverfahren geltend gemacht) eine Auseinandersetzung mit dem erstmals in der Berufungsergänzung erwähnten ersten Entlassungsgesuch der Beschwerdeführerin vorausgesetzt.
Die Neuerungen in der Berufungsergänzung hätten aber auch für sich genommen die Durchführung einer Berufungsverhandlung erfordert. Die Beschwerdeführerin hat in der Berufungsergänzung eine Verbindung zwischen ihrer behaupteten Bedrohung und der "Narodny Front Moldovy" hergestellt und ihr Vorbringen damit insgesamt auf eine andere Grundlage gestellt als bei der Einvernahme am 20. Februar 2001. Auch der Zweck der Drohungen sollte nun erstmals die "Unterlassung korruptionsaufdeckender Handlungen" sein, was im Zusammenhang mit der in diesem Schriftsatz in dieser Form ebenfalls neu erhobenen Behauptung steht, die Beschwerdeführerin hätte das Risiko einer willkürlichen Verhaftung durch die Sicherheitsbehörden zu fürchten gehabt (bei der Einvernahme am 20. Februar 2001 wurde eine Verfolgung durch "Behörden" zwar in einer an die Beschwerdeführerin gerichteten Frage unterstellt, von ihr aber - abgesehen von der nicht mehr weiter hinterfragten Äußerung, sie fürchte bei einer Rückkehr "eingesperrt" zu werden - nicht behauptet). Von einer bloßen "Wiederholung" des Vorbringens unter Konkretisierung "einiger Details" kann in Bezug auf diese Berufungsergänzung nicht die Rede sein.
Der angefochtene Bescheid trägt dem auch insoweit - allerdings unausgesprochen und in gedanklich nicht schlüssiger Weise - Rechnung, als sich die belangte Behörde bei der nochmaligen Wiedergabe der beweiswürdigenden Überlegungen des Bundesasylamtes, denen sie sich nun anschließt, auf Behauptungen der Beschwerdeführerin bezieht, die diese in Wahrheit erst in der Berufungsergänzung erhoben hat ("in der Tat nicht nachvollziehbar" ist nach diesen Ausführungen auf Seite 6 des angefochtenen Bescheides das Vorbringen der "Berufungswerberin, die behauptet, in Widerstand zu maßgebenden Kreisen des Militärapparates getreten ... zu sein").
Davon abgesehen hat es die belangte Behörde - wie schon das Bundesasylamt - aber auch verabsäumt, den in der Einvernahme der Beschwerdeführerin am 20. November 2000 den Fluchtgründen gewidmeten Absatz - worin die behaupteten Verfolger der Beschwerdeführerin u.a. als "Angehörige der Nationalfront" identifiziert werden - in ihre Erwägungen einzubeziehen. Weder die "Nationalfront", mit der wohl schon die "Narodny Front Moldovy" (Volksfront) gemeint war, noch Letztere kommen im angefochtenen Bescheid an irgend einer Stelle vor, womit eine asylrechtlich nicht unwesentliche Komponente der Verfolgungsbehauptungen schon in der Wiedergabe des Vorbringens zur Gänze ausgeklammert bleibt.
Was schließlich das Hilfsargument des Zeitabstandes zwischen dem Ausscheiden der Beschwerdeführerin aus der Armee und ihrer Ausreise aus Moldova anlangt, so hat sich die belangte Behörde über das Argument der Beschwerdeführerin, sie habe nach dem Ausscheiden aus der Armee nur deshalb keine weiteren Drohanrufe mehr empfangen und ohne Risiko einer Verhaftung gelebt, weil sie sich versteckt gehalten habe, ohne nähere Begründung hinweg gesetzt.
Der angefochtene Bescheid war aus diesen Gründen gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2001.
Wien, am 16. April 2002
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