Normen
FrG 1997 §28 Abs2 idF 2000/I/034;
VwRallg;
FrG 1997 §28 Abs2 idF 2000/I/034;
VwRallg;
Spruch:
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
I.
1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Bundesministers für Inneres (der belangten Behörde) vom 8. Jänner 2002 wurde der Antrag des Beschwerdeführers, eines türkischen Staatsangehörigen, vom 5. Dezember 2000 auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung gemäß § 14 Abs. 2 und § 28 Abs. 2 des Fremdengesetzes 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, (idF BGBl. I Nr. 34/2000), abgewiesen.
Der Beschwerdeführer halte sich seit seiner Geburt in Österreich auf, sei aufrecht in Wien polizeilich gemeldet und habe durch seinen Vater am 5. Dezember 2000 direkt beim Amt der Wiener Landesregierung den Antrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung eingebracht. Der Beschwerdeführer sei noch nie im Besitz eines Aufenthaltstitels gewesen, sodass dieser Antrag als Antrag auf Erteilung einer Erstniederlassungsbewilligung zu werten sei. Seine Mutter habe bisher keinen Aufenthaltstitel besessen. Sein Vater sei zwar im Besitz einer gültigen Niederlassungsbewilligung, es wäre jedoch eine Ableitung von ihm (gemeint: im Sinn des § 28 Abs. 2 FrG) nur gültig, wenn ihm aus anderem Grund als wegen Verzichts der Mutter allein das Recht zur Pflege und Erziehung zukäme. Dies sei jedoch beim Beschwerdeführer nicht der Fall. Da sich dieser zum Zeitpunkt seiner Antragstellung in Österreich aufgehalten habe und die für eine Inlandsantragstellung erforderlichen Voraussetzungen nicht erfülle, sei der Antrag abzuweisen gewesen. Hiebei sei ein Eingehen auf die persönlichen Verhältnisse des Beschwerdeführers entbehrlich gewesen.
2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. Gemäß § 14 Abs. 2 FrG sind Anträge auf Erteilung eines Aufenthaltstitels vor der Einreise vom Ausland aus zu stellen. Der Antrag kann im Inland gestellt werden, wenn der Antragsteller bereits niedergelassen ist, und entweder bisher für die Rechtmäßigkeit des Aufenthaltes keinen Aufenthaltstitel benötigte oder bereits über einen Aufenthaltstitel verfügt hat; dies gilt nach Ablauf der Gültigkeit des zuletzt erteilten Aufenthaltstitels dann nicht, wenn der weitere Aufenthaltstitel eine Erwerbstätigkeit zulassen soll, für die der zuletzt erteilte Aufenthaltstitel nicht erteilt hätte werden können (§ 13 Abs. 3).
2. Die Beschwerde hält den angefochtenen Bescheid insoweit für rechtswidrig, als er sich auf § 28 Abs. 2 FrG stütze, welche Bestimmung verfassungswidrig sei. So könne ein Kind nach dieser Regelung seinen rechtmäßigen Aufenthalt im Inland während der ersten sechs Lebensmonate von der Mutter auch dann ableiten, wenn dieser nicht die Pflege und Erziehung des Kindes allein zukomme, während die Ableitung des rechtmäßigen Aufenthalts vom Vater nur dann in Frage komme, wenn diesem die Pflege und Erziehung des Kindes und - aus einem anderen Grund als wegen Verzichts der Mutter - allein zukomme. Diese Differenzierung sei sachlich nicht gerechtfertigt, weshalb angeregt werde, einen Gesetzesprüfungsantrag beim Verfassungsgerichtshof zu stellen.
3. Die von der Beschwerde geäußerten verfassungsrechtlichen Bedenken vermag der Verwaltungsgerichtshof nicht zu teilen.
Die Bestimmung des § 28 Abs. 2 FrG in ihrer Stammfassung hatte folgenden Wortlaut:
"In Österreich geborene Kinder Fremder, die nicht die österreichische Staatsbürgerschaft besitzen, sind während ihrer ersten drei Lebensmonate von der Sichtvermerkspflicht befreit, sofern die Mutter über einen Aufenthaltstitel verfügt oder Sichtvermerks- und Niederlassungsfreiheit genießt; dies gilt jedoch nur, solange das Aufenthaltsrecht der Mutter weiterhin besteht."
Mit Erkenntnis vom 8. März 2000, VfSlg. 15.755, hob der Verfassungsgerichtshof die in § 28 Abs. 2 FrG enthaltene Wortfolge ", sofern die Mutter über einen Aufenthaltstitel verfügt oder Sichtvermerks- und Niederlassungsfreiheit genießt; dies gilt jedoch nur, solange das Aufenthaltsrecht der Mutter weiterhin besteht", als verfassungswidrig auf. In der Begründung seines Erkenntnisses vertrat der Verfassungsgerichtshof im Wesentlichen die Auffassung, dass § 28 Abs. 2 leg. cit. dadurch, dass das Aufenthaltsrecht des Kindes in den ersten drei Lebensmonaten ausnahmslos an jenes der Mutter knüpfe, eine ausschließlich nach dem Geschlecht differenzierende, sachlich nicht zu rechtfertigende Regelung darstelle, die ob ihrer absoluten Vorbehaltlosigkeit dem durch das BVG BGBl. Nr. 390/1973 verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander widerspreche. So gebe es besondere Fallkonstellationen, in denen der Vater die (alleinige) Obsorge über das Kind zu übernehmen habe, und könnten solche Fälle im Hinblick auf die ansonsten für das Kind eintretenden besonders gravierenden Rechtsfolgen nicht als Härtefälle hingenommen werden. Der Verfassungsgerichtshof führte in seiner Begründung jedoch auch aus, dass er keineswegs das Prinzip in Frage stelle, die befristete Sichtvermerksfreiheit des Kindes an die fremdenrechtliche Stellung der Mutter zu knüpfen, und dass bloß die absolute Vorbehaltlosigkeit dieser Gesetzesbestimmung dem durch das obzitierte BVG verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander widerspreche.
Diesen Erwägungen trug der Fremdengesetzgeber durch Änderung des § 28 Abs. 2 FrG mit der Novelle BGBl. I Nr. 34/2000 Rechnung. Diese novellierte, am 1. Juli 2000 in Kraft getretene und im vorliegenden Beschwerdefall maßgebliche Bestimmung lautet:
"(2) Kinder, die nicht die österreichische Staatsbürgerschaft besitzen, sind während ihrer ersten sechs Lebensmonate von der Sichtvermerkspflicht befreit, sofern die Mutter oder ein anderer Fremder, dem Pflege und Erziehung des Kindes allein zukommt, rechtmäßig im Bundesgebiet niedergelassen ist; dies gilt jedoch nur, solange der Betreffende rechtmäßig niedergelassen bleibt, bei Ableitung vom Vater überdies nur dann, wenn diesem aus anderem Grund als wegen Verzichts der Mutter allein das Recht zur Pflege und Erziehung zukommt. Außerdem besteht für solche Kinder Sichtvermerksfreiheit während der ersten sechs Lebensmonate, sofern und solange deren Pflege und Erziehung einem österreichischen Staatsbürger mit Hauptwohnsitz im Bundesgebiet allein zukommt."
In den Gesetzesmaterialien zu dieser Novelle (vgl. AB 116 BlgNR 21. GP, 2: "Zu den §§ 23 Abs. 6 und 28 Abs. 2") wird ausgeführt, dass durch die Neufassung des § 28 Abs. 2 leg. cit. den Erwägungen des Verfassungsgerichtshofes Rechnung getragen werde und die Sichtvermerksfreiheit des Kindes nach wie vor primär an die Rechtmäßigkeit der Niederlassung der Mutter im Bundesgebiet geknüpft sein solle. Darüber hinaus seien jedoch Situationen denkbar, in denen dem Vater oder einem sonstigen Fremden (z. B. Großeltern, Onkel, Tante, Geschwister) das Recht zur Pflege und Erziehung allein zukomme. Auch diese Kinder sollten von der Sichtvermerkspflicht befreit sein, wobei jedoch wesentlich sei, dass der Mutter nicht durch Verzicht die Pflege und Erziehung des Neugeborenen nicht zukomme. Diese Einfügung diene der Hintanhaltung von Missbrauchsmöglichkeiten: Einerseits solle es nicht zu der gesellschaftlich nicht erwünschten Druckausübung (in der Regel durch den Kindesvater) auf die Mutter kommen können, auf ihr Recht zur Pflege und Erziehung zu verzichten, andererseits solle es nicht zu fremdenrechtlich nicht erwünschten Umgehungshandlungen kommen können.
In Anbetracht dieser gesetzgeberischen Erwägungen und der obzitierten Ausführungen des Verfassungsgerichtshofes, wonach grundsätzlich das Prinzip, die befristete Sichtvermerksfreiheit des Kindes an die fremdenrechtliche Stellung der Mutter zu knüpfen, nicht in Frage gestellt sei, begegnet die (novellierte) Regelung des § 28 Abs. 2 leg. cit. keinen verfassungsrechtlichen Bedenken.
4. Beim Antrag des Beschwerdeführers auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung vom 5. Dezember 2000 handelt es sich um einen "Erstantrag". Solche Anträge sind gemäß § 14 Abs. 2 FrG vom Ausland aus zu stellen. Hiebei handelt es sich um eine Anordnung an die Behörde, die beantragte Rechtsgestaltung durch Erteilung eines Aufenthaltstitels nur dann vorzunehmen, wenn der Antrag vom Ausland aus gestellt wurde, wobei die Erledigung grundsätzlich vom Ausland aus abzuwarten ist. Bei einem entgegen dieser Bestimmung gestellten Antrag kommt eine Ermessensentscheidung gemäß § 8 Abs. 1 FrG unter Bedachtnahme auf die im § 8 Abs. 3 leg. cit. genannten Kriterien nicht in Betracht. (Vgl. zum Ganzen etwa das hg. Erkenntnis vom 14. Februar 2002, Zl. 2002/18/0008, mwN.)
Im Hinblick darauf, dass der Antrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung unstrittig im Inland eingebracht worden ist, hat ihn die belangte Behörde zu Recht abgewiesen.
5. Da somit bereits der Beschwerdeinhalt erkennen lässt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.
6. Bei diesem Ergebnis erübrigte sich ein Abspruch über den mit der Beschwerde verbundenen Antrag, dieser aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.
Wien, am 20. Juni 2002
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)