Normen
11992E177 EGV Art177;
11997E234 EG Art234;
32000X121801 Grundrechte Charta Art20;
EURallg;
FrG 1997 §14 Abs2;
FrG 1997 §23 Abs1;
FrG 1997 §33 Abs1;
FrG 1997 §36 Abs1;
FrG 1997 §37 Abs1;
FrG 1997 §7 Abs4 Z1;
EMRK Art8 Abs2;
VwRallg;
11992E177 EGV Art177;
11997E234 EG Art234;
32000X121801 Grundrechte Charta Art20;
EURallg;
FrG 1997 §14 Abs2;
FrG 1997 §23 Abs1;
FrG 1997 §33 Abs1;
FrG 1997 §36 Abs1;
FrG 1997 §37 Abs1;
FrG 1997 §7 Abs4 Z1;
EMRK Art8 Abs2;
VwRallg;
Spruch:
Die Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen.
Der Antrag, ein Vorabentscheidungsverfahren beim Europäischen Gerichtshof einzuleiten, wird als unzulässig zurückgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 712,30 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
I.
1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen, zur hg. Zl. 2002/18/0019 angefochtenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 17. Dezember 2001 wurde der Antrag des Beschwerdeführers - eines türkischen Staatsangehörigen - vom 6. Februar 2001 auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zum Aufenthaltszweck "Schüler" gemäß § 7 Abs. 4 Z 1 iVm § 14 Abs. 2 des Fremdengesetzes 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, abgewiesen.
Der Beschwerdeführer sei am 3. Februar 1999 mit einem von der österreichischen Botschaft in Istanbul ausgestellten, vom 26. Jänner 1999 bis zum 26. Februar 1999 gültigen Reisevisum (Visum C) nach Österreich eingereist. Seit 5. Februar 1999 sei er im Bundesgebiet polizeilich gemeldet. Ein am 23. Februar 1999 von einem Familienangehörigen bei der österreichischen Botschaft in Preßburg eingebrachter Erstantrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung sei im Instanzenzug mit Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 13. Oktober 1999 gemäß § 14 Abs. 2 iVm § 10 Abs. 2 Z 1 FrG abgewiesen worden. Der Beschwerdeführer halte sich seit dem 27. Februar 1999 nicht rechtmäßig im Bundesgebiet auf. Der vorliegende - gleichzeitig mit einer Berufung im Ausweisungsverfahren (hg. Zl. 2002/18/0020) eingebrachte - (weitere) Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis für den Zweck des Schulbesuchs sei (wiederum) als ein im Inland gestellter "Erstantrag" unzulässig und abzuweisen.
2. Mit dem im Instanzenzug ergangenen, zur hg. Zl. 2002/18/0020 angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 18. Dezember 2001 wurde der Beschwerdeführer gemäß § 33 Abs. 1 FrG ausgewiesen. Der Beschwerdeführer halte sich nach Ablauf des bis zum 26. Februar 1999 gültigen Reisevisums (seit mehr als 34 Monaten) nicht rechtmäßig im Bundesgebiet auf. Die Voraussetzungen für eine Ausweisung gemäß § 33 Abs. 1 FrG seien - vorbehaltlich des § 37 Abs. 1 FrG - gegeben.
Der Beschwerdeführer sei ledig und für niemanden sorgepflichtig. Sein Vater verfüge über einen unbefristeten Aufenthaltstitel. Die Mutter und die Schwester des Beschwerdeführers lebten ebenfalls in Österreich. Angesichts seines - wenn auch illegalen - mehrjährigen inländischen Aufenthaltes und seiner Familiensituation sei von einem mit der Ausweisung verbundenen Eingriff in sein Privat- und Familienleben auszugehen. Dieser Eingriff sei zulässig, weil er zur Erreichung der in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten sei. Den für die Einreise und den Aufenthalt von Fremden getroffenen Regelungen und deren Einhaltung durch den Normadressaten komme aus der Sicht des Schutzes der öffentlichen Ordnung ein besonders hoher Stellenwert zu. Der Beschwerdeführer habe diese Regelungen in gravierender Weise missachtet. Zu seinen Ungunsten falle ins Gewicht, dass er nach Ablauf des ihm nur für die Dauer von einem Monat erteilten Reisevisums rechtswidrig im Bundesgebiet verblieben sei und dass er diesen illegalen Aufenthalt etwas mehr als 34 Monate aufrecht erhalten habe. Er sei trotz rechtskräftiger Versagung einer Niederlassungsbewilligung und ungeachtet einer rechtskräftigen Bestrafung wegen seines unerlaubten Aufenthaltes nicht ausgereist. Sein Fehlverhalten bringe deutlich zum Ausdruck, dass er keine Bedenken habe, sich über maßgebliche fremdenpolizeiliche Vorschriften in beharrlicher Weise hinwegzusetzen. Der Umstand, dass seine Mutter und seine Schwester im Bundesgebiet seien und Anträge auf Erteilung von Niederlassungsbewilligungen gestellt hätten, bzw. die Schulbesuchsbestätigungen des Beschwerdeführers (alle Gegenstände mit Ausnahme des Faches Leibesübungen seien "nicht beurteilt" worden) würden keine relevante Verstärkung der persönlichen Interessen des Beschwerdeführers am Verbleib im Bundesgebiet bewirken. Die familiären Bindungen würden dadurch relativiert, dass er mangels einer behördlichen Bewilligung für seinen Aufenthalt nicht mit einem Verbleib bei seinen Angehörigen in Österreich habe rechnen dürfen. Die aus der Aufenthaltsdauer ableitbare Integration falle auf Grund des unrechtmäßigen Aufenthaltes nicht entscheidend ins Gewicht. Der Beschwerdeführer könne seinen Aufenthalt auch nicht vom Inland aus legalisieren. Die im Grund des § 37 Abs. 1 FrG vorzunehmende Interessensabwägung falle zu seinen Ungunsten aus. Im Hinblick auf das Fehlen besonderer, zu Gunsten des Beschwerdeführers sprechender Umstände könne ein weiterer Aufenthalt auch nicht im Rahmen des der Behörde zustehenden Ermessens in Kauf genommen werden. Ein persönlicher Kontakt zwischen den Familienmitgliedern könne dadurch aufrechterhalten werden, dass sie den volljährigen Beschwerdeführer ins Ausland begleiten oder diesen dort besuchen.
3. Gegen diese Bescheide richten sich die vorliegenden Beschwerden mit dem Begehren, sie wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
4. Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und Gegenschriften erstattet, in denen sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat die Beschwerden ihres persönlichen und sachlichen Zusammenhanges wegen zur gemeinsamen Beratung und Beschlussfassung verbunden und darüber erwogen:
A. Zur hg. Zl. 2002/18/0019:
1. Gemäß § 14 Abs. 2 FrG sind Anträge auf Erteilung eines Aufenthaltstitels - einer Aufenthaltserlaubnis oder einer Niederlassungsbewilligung (vgl. § 7 Abs. 1 FrG) - vor der Einreise vom Ausland aus zu stellen. Der Antrag kann im Inland gestellt werden, wenn der Antragsteller bereits niedergelassen ist, und entweder bisher für die Rechtmäßigkeit des Aufenthaltes keinen Aufenthaltstitel benötigte oder bereits über einen Aufenthaltstitel verfügt hat.
2. Die von der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid getroffene Annahme, dass der Beschwerdeführer noch nie über einen Aufenthaltstitel verfügt habe, er sich unrechtmäßig im Bundesgebiet aufhalte und es sich bei seinem am 6. Februar 2001 im Inland gestellten Antrag um einen solchen auf Erteilung einer Erstaufenthaltserlaubnis handle, wird vom Beschwerdeführer nicht bekämpft. Für den gegenständlichen Antrag ist § 14 Abs. 2 erster Satz FrG maßgebend. Soweit der Beschwerdeführer seine privaten und familiären Interessen ins Treffen führt, ist ihm zu entgegnen, dass es sich bei der genannten Bestimmung, wonach Anträge auf Erteilung eines Aufenthaltstitels vor der Einreise vom Ausland aus zu stellen sind, um eine Anordnung an die Behörde handelt, die beantragte Rechtsgestaltung nur dann vorzunehmen, wenn der Antrag vor Einreise des Antragstellers in das Bundesgebiet vom Ausland aus gestellt wurde, wobei die Erledigung grundsätzlich auch vom Ausland aus abzuwarten ist. Bei einem entgegen dieser Bestimmung gestellten Antrag kommt eine Ermessensentscheidung gemäß § 8 Abs. 1 FrG unter Bedachtnahme auf die in § 8 Abs. 3 leg. cit. genannten Kriterien ebenso wenig in Betracht wie eine in der Beschwerde angesprochene Interessenabwägung. Mit § 14 Abs. 2 zweiter Satz FrG hat der Gesetzgeber auf die privaten und familiären Interessen derjenigen Fremden bereits Rücksicht genommen, die sich in Österreich rechtmäßig niedergelassen hatten. Andererseits ging der Gesetzgeber bewusst davon aus, dass jene Fremde, die noch nie im Bundesgebiet rechtmäßig niedergelassen waren (bzw. eine frühere Niederlassung tatsächlich beendet haben), gemäß § 14 Abs. 2 erster Satz FrG ihren Antrag vor einer Einreise in das Bundesgebiet vom Ausland aus zu stellen haben. (Vgl. zum Ganzen das hg. Erkenntnis vom 18. Dezember 2002, Zl. 2002/18/0267, mwN). Da der Beschwerdeführer der Voraussetzung des § 14 Abs. 2 erster Satz FrG nicht Genüge getan hat, war sein Antrag abzuweisen.
3.1. Die Beschwerde bringt vor, die "Unterscheidung zwischen Erstantragstellung vom Ausland und Inlandsantragstellung widerspricht Kapitel 3 Artikel 20 der Grundrechtscharta, wonach alle Personen vor dem Gesetz gleich sind und sohin auch gleich zu behandeln sind." Der Beschwerdeführer werde schlechter behandelt als Fremde, die trotz Aufenthaltsverbotes im Inland bleiben und nach Ablauf des Aufenthaltsverbotes einen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels im Inland stellen könnten. Es werde beantragt, "im konkreten Einzelfall" ein Vorabentscheidungsverfahren beim Europäischen Gerichtshof einzuleiten.
3.2. Der Verwaltungsgerichtshof hegt gegen § 14 Abs. 2 FrG keine verfassungsrechtlichen Bedenken. Rechtswidrig im Inland verbliebene Fremde - die bereits niedergelassenen sind und für die Rechtmäßigkeit ihres Aufenthaltes bisher keinen Aufenthaltstitel benötigten oder bereits über einen Aufenthaltstitel verfügten - sind (hinsichtlich der Möglichkeit, vom Inland aus einen Antrag auf Erteilung eines weiteren Aufenthaltstitels zu stellen) gegenüber solchen Fremden besser gestellt, die ohne zum Aufenthalt oder zur dauernden Niederlassung im Bundesgebiet berechtigt zu sein - wie der Beschwerdeführer - bloß mit einem Reisevisum eingereist sind. Entgegen der Beschwerdeansicht findet diese Besserstellung ihre sachliche Rechtfertigung darin, dass es im einen Fall um die Integration eines rechtmäßig eingewanderten Fremden geht, der im Inland bereits - wenn auch unberechtigt - niedergelassen ist, während im anderen Fall über die erstmalige Erteilung eines Aufenthalttitels für einen Fremden zu entscheiden ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 5. April 2002, Zl. 2002/18/0021, mwN).
Mit dem Vorbringen in Bezug auf Art. 20 der EU-Grundrechtecharta (Charta der Grundrechte der Europäischen Union, Amtsblatt Nr. C 364 vom 18. Dezember 2000, S. 0001 bis 0022) zeigt die Beschwerde schon deshalb keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf, weil diese Charta bisher nicht Bestandteil des (primären) Gemeinschaftsrechtes und daher nicht unmittelbar verbindlich ist. Im Hinblick darauf bestand keine Veranlassung, ein Vorabentscheidungsersuchen an den Europäischen Gerichtshof zu stellen. Der darauf abzielende Antrag war zurückzuweisen, weil dem Beschwerdeführer ein Rechtsanspruch auf das Einholen einer Vorabentscheidung nicht zukommt (vgl. nochmals das Erkenntnis Zl. 2002/18/0021, mwN).
4. Die Beschwerde gegen den zur hg. Zl. 2002/18/0019 angefochtenen Bescheid war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
B. Zur hg. Zl. 2002/18/0020:
1. Der Beschwerdeführer wendet sich nicht gegen die Auffassung der belangten Behörde, dass er sich nach Ablauf der Geltungsdauer seines Reisevisums unrechtmäßig im Bundesgebiet aufhalte. Auf dem Boden der unbestrittenen Sachverhaltsfeststellungen bestehen gegen diese Auffassung keine Bedenken. Der Tatbestand des § 33 Abs. 1 FrG ist erfüllt.
2.1. Der Beschwerdeführer erachtet sich in seinem Recht auf Schutz des Privat- und Familienlebens im Grund des § 37 Abs. 1 FrG verletzt. Die belangte Behörde habe die festgestellten familiären Bindungen sowie seinen Schulbesuch in Österreich nicht ausreichend berücksichtigt. Er gehe in Wien zur Schule und erfülle seine Schulpflicht. Mit seinem Vater - der über eine unbefristete Niederlassungsbewilligung verfüge - und seiner Schwester lebe er im gemeinsamen Haushalt. Seine familiären Interessen seien durch die "Aufenthaltsverfestigung" des Vaters und der Schwester (die Mutter findet in der Beschwerde keine Erwähnung mehr) stärker zu gewichten als etwaige öffentliche Interessen iSd Art. 8 Abs. 2 EMRK. Eine Interessensabwägung hätte zu Gunsten des Beschwerdeführers ausfallen müssen, zumal es sich bei § 33 Abs. 1 FrG lediglich um eine "Kann-Bestimmung" handle.
2.2. Die belangte Behörde hat auf die familiären Bindungen des Beschwerdeführers (Eltern und Schwester) sowie auf seinen Schulbesuch Bedacht genommen und zutreffend einen mit der Ausweisung verbundenen Eingriff in sein durch § 37 Abs. 1 FrG geschütztes Privat- und Familienleben angenommen. Diesen persönlichen Interessen an einem weiteren Aufenthalt steht jedoch das öffentliche Interesse an der Beendigung seines unrechtmäßigen Aufenthalts gegenüber. Nach ständiger hg. Rechtsprechung (vgl. etwa das Erkenntnis vom 31. März 2004, Zl. 2004/18/0066, mwN) kommt den die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung ein hoher Stellenwert zu. Das große öffentliche Interesse an der Einhaltung dieser Normen hat der Beschwerdeführer durch seinen seit 34 Monaten unrechtmäßigen Aufenthalt in Österreich erheblich beeinträchtigt. Die belangte Behörde hat zutreffend erkannt, dass demgegenüber seine - in Ansehung seines mehrjährigen unrechtmäßigen Aufenthalts - nicht besonders ausgeprägten persönlichen Interessen an einem Verbleib in Österreich in den Hintergrund treten.
3. Für die belangte Behörde bestand keine Veranlassung, von ihrem Ermessen im Grund des § 33 Abs. 1 FrG zu Gunsten des Beschwerdeführers Gebrauch zu machen, gehen doch weder aus dem angefochtenen Bescheid noch aus der Beschwerde besondere Umstände hervor, die für eine derartige Ermessensübung sprächen.
4. Die Beschwerde gegen den zur hg. Zl. 2002/18/0020 angefochtenen Bescheid war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
C. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003. Das Mehrbegehren war abzuweisen, weil die belangte Behörde die Verwaltungsakten tatsächlich nur einmal vorlegte und ihr demzufolge der in beiden Gegenschriften jeweils begehrte Vorlageaufwand lediglich einmal zusteht.
Wien, am 30. November 2004
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