VwGH 2002/16/0240

VwGH2002/16/02406.11.2002

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldner und die Hofräte Dr. Steiner, Dr. Fellner, Dr. Höfinger und Dr. Kail als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Valenta, über die Beschwerde der E AG in G, vertreten durch Dr. Paul Doralt, Dr. Wilfried Seist, Dr. Peter Csoklich und Dr. Gregor Schett, Rechtsanwälte in Wien IX, Währingerstraße 2-4, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Steiermark vom 3. September 1998, Zl. RV 74/1-7/98, betreffend Gesellschaftsteuer, zu Recht erkannt:

Normen

31969L0335 Kapital Ansammlungs-RL indirekte Steuern Art4 Abs1 litc;
31969L0335 Kapital Ansammlungs-RL indirekte Steuern Art5 Abs1 lita;
61999CJ0339 Energie Steiermark Holding VORAB;
BAO §21 Abs1;
KVG 1934 §2;
KVG 1934 §7;
31969L0335 Kapital Ansammlungs-RL indirekte Steuern Art4 Abs1 litc;
31969L0335 Kapital Ansammlungs-RL indirekte Steuern Art5 Abs1 lita;
61999CJ0339 Energie Steiermark Holding VORAB;
BAO §21 Abs1;
KVG 1934 §2;
KVG 1934 §7;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.089,68 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid wurde die Berufung der Beschwerdeführerin gegen den erstinstanzlichen Gesellschaftsteuerbescheid vom 11. Mai 1998 abgewiesen, womit betreffend einen Beteiligungserwerb durch die E International SA (im Folgenden kurz: EDFI), einer Tochtergesellschaft der EDF, ausgehend von einer Bemessungsgrundlage von ATS 5,6 Milliarden Gesellschaftsteuer gemäß § 2 Z. 1 KVG in der Höhe von ATS 56 Millionen vorgeschrieben worden war.

Zu den Details des Sachverhaltes und zur Ausgangsrechtslage wird - zur Vermeidung weitwendiger Wiederholungen - auf die Begründung des in dieser Sache ergangenen hg. Beschlusses vom 1. September 1999, Zl. 98/16/0324-9, verwiesen.

In der gegen den angefochtenen Bescheid erhobenen Verwaltungsgerichtshofbeschwerde erachtet sich die Beschwerdeführerin in folgenden Rechten verletzt:

"* Recht auf Berücksichtigung des EU-Rechts, insb. der

Richtlinie vom 17.7.1969 betreffend die indirekten Steuern auf die Ansammlung von Kapital, 69/335/EWG (idF kurz:'GesSt-RL'), insbesondere in dem Recht auf Nichtvorschreibung von Gesellschaftsteuer für Einlage, die nicht unser Kapital erhöht haben sowie für Einlagen, für die keine Gesellschafterrechte oder gesellschaftergleiche Rechte gewährt werden.

* Recht auf Nichtvorschreibung von Gesellschaftsteuer

(idF kurz 'GesSt') für Zuschüsse eines Nichtgesellschafters auf

Grund eines ohne unsere Beteiligung abgeschlossenen Vertrages.

* Recht auf Nichtvorschreibung der Gesellschaftsteuer

für nicht uns, sondern anderen Gesellschaftern zugeflossene

Zuschüsse.

* Recht auf Berücksichtigung der GesSt als

Abzugsposten bei der Ermittlung der Bemessungsgrundlage.

* Recht auf Nichteinbeziehung noch nicht geleisteter

Einlagen in die Bemessungsgrundlage."

Die Beschwerdeführerin vertritt dazu auf gemeinschaftsrechtlicher Ebene den Standpunkt, dass unter Berücksichtigung der Bestimmungen des Art. 4 Abs. 1 lit. c bzw. des Art. 5 Abs. 1 lit. a der Richtlinie des Rates vom 17. Juli 1969 betreffend die indirekten Steuern auf die Ansammlung von Kapital, 69/335/EWG, nur der Betrag von S 166,668.000,-- als Gegenleistung für die Kapitalerhöhung der Gesellschaftsteuer unterworfen werden dürfe.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die Gemeinschaftsrechtswidrigkeit ihrer Entscheidung in Abrede stellt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat mit dem bereits oben zitierten Beschluss Zl. 98/16/0324-9 im vorliegenden Rechtsstreit dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften gemäß Art. 234 EG die nachstehenden Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

"1) Stellen Leistungen, die ein im Rahmen einer Kapitalerhöhung (unter Ausschluss des Vorbezugsrechtes der bisherigen Gesellschafter) zur Übernahme der neuen Anteile zugelassener neuer Gesellschafter nicht selbst, sondern im Wege seiner Muttergesellschaft erbringt, 'Einlagen jeder Art' iS des Art. 4 (1) lit. c) der Richtlinie des Rates vom 17. Juli 1969, betreffend die indirekten Steuern auf die Ansammlung von Kapital, 69/335/EWG, dar?

2) Stellen Leistungen, die ein im Rahmen einer Kapitalerhöhung (unter Ausschluss des Vorbezugsrechtes der bisherigen Gesellschafter) zur Übernahme der neuen Anteile zugelassener neuer Gesellschafter nicht an die ihr Kapital erhöhende Gesellschaft, sondern an deren Tochtergesellschaften erbringt, 'Einlagen jeder Art' iS des Art. 4 (1) lit. c) der Richtlinie des Rates vom 17. Juli 1969 betreffend die indirekten Steuern auf die Ansammlung von Kapital, 69/335/EWG, dar?

3) Stellen Leistungen, die noch nicht erbracht wurden 'Einlagen jeder Art' iS des Art. 4 (1) lit. c) der Richtlinie des Rates vom 17. Juli 1969 betreffend die indirekten Steuern auf die Ansammlung von Kapital, 69/335/EWG, dar?

4) Ist die von der Gesellschaft zu entrichtende Gesellschaftsteuer eine 'Last' bzw. 'Verbindlichkeit', die gem. Art. 5 (1) lit. a) der Richtlinie des Rates vom 17. Juli 1969 betreffend die indirekten Steuern auf die Ansammlung von Kapital, 69/335 EWG, von der Bemessungsgrundlage abzuziehen ist?"

Mit Urteil vom 17. Oktober 2002 erkannte der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in der Rs C-339/99 über die ihm vom Verwaltungsgerichtshof vorgelegten Fragen wie folgt:

"1. Artikel 4 Absatz 1 Buchstabe c der Richtlinie 69/335/EWG des Rates vom 17. Juli 1969 betreffend die indirekten Steuern auf die Ansammlung von Kapital in der Fassung der Akte über die Bedingungen des Beitritts der Republik Österreich, der Republik Finnland und des Königreichs Schweden und die Anpassungen der die Europäische Union begründenden Verträge ist dahin auszulegen, dass der in dieser Bestimmung enthaltene Begriff 'Einlagen jeder Art' finanzielle Beiträge erfasst, die eine Muttergesellschaft an eine Kapitalgesellschaft, die ihr Kapital durch Ausgabe neuer Aktien erhöht, leistet, damit diese von einer Tochtergesellschaft der genannten Muttergesellschaft erworben werden können.

2. Artikel 4 Absatz 1 Buchstabe c der Richtlinie 69/335 in der Fassung der genannten Beitrittsakte ist dahin auszulegen, dass der in dieser Bestimmung enthaltene Begriff 'Einlagen jeder Art' zusätzliche finanzielle Beiträge erfasst, die ein neuer Gesellschafter nicht an die Kapitalgesellschaft, die ihr Kapital durch Ausgabe neuer Aktien erhöht, sondern an Tochtergesellschaften dieser Kapitalgesellschaft zahlt, sofern sich aus den Umständen des Falles eindeutig ergibt, dass bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise die Kapitalgesellschaft der eigentliche Empfänger dieser Beiträge ist.

3. Unter einer aufschiebenden Bedingung geleistete

Einlagen stellen erst nach Eintritt dieser Bedingung Einlagen im

Sinne von Artikel 4 Absatz 1 Buchstabe c der Richtlinie 69/335 in

der Fassung der genannten Beitrittsakte dar.

4. Die Gesellschaftsteuer stellt keine 'Last' bzw.

'Verbindlichkeit' im Sinne von Artikel 5 Absatz 1 Buchstabe a der Richtlinie 69/335 in der Fassung der in Nummer 1 dieser Entscheidungsformel genannten Beitrittsakte dar."

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Aus dem oben wiedergegebenen Spruch des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften folgt, dass dem angefochtenen Bescheid insoweit keine Rechtswidrigkeit anhaftet, als er Leistungen in die Bemessungsgrundlage einbezogen hat, die einerseits die EDFI nicht selbst, sondern (mittelbar) im Wege ihrer Muttergesellschaft (der EDF) erbrachte bzw. die andererseits nicht unmittelbar an die Beschwerdeführerin, sondern an deren Tochtergesellschaften erbracht wurden.

Dazu ist abgesehen von den vom Verwaltungsgerichtshof bereits im Vorabentscheidungsersuchen dargelegten Argumenten (siehe dort Seite 13 Abs. 3 und Seite 14 Abs. 1) auf die Ausführungen des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften in den Randzahlen 37 bis 41 bzw. 44 bis 47 zu verweisen, worin zum Ausdruck gebracht wurde, dass die Beurteilung der in Rede stehenden Fragen nicht auf einer rein formalen Ebene vorzunehmen ist, sondern auf Grund einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise. Danach sind im Beschwerdefall einerseits die von der EDF als Mutter der EDFI geleisteten Zahlungen als Zahlungen der Tochter in ihrer Eigenschaft als Gesellschafterin der Beschwerdeführerin anzusehen und ist andererseits betreffend die Zahlungen an die Töchter der Beschwerdeführerin wiederum die Beschwerdeführerin als der eigentliche Empfänger dieser Zuschüsse zu qualifizieren.

Dem ist nichts mehr hinzuzufügen.

Dasselbe gilt für das vom Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften im Wege des Spruchpunktes 4. seines Urteiles klar verneinte Anliegen der Beschwerdeführerin, die Gesellschaftsteuer als Abzugspost zu behandeln.

Hingegen haftet dem angefochtenen Bescheid im Zusammenhang mit der Einbeziehung des Betrages von ATS 350 Millionen laut Punkt 6. des Unternehmensbeteiligungsvertrages (siehe Seite 5 des hg. Beschlusses Zl. 98/16/0324-9) Rechtswidrigkeit des Inhaltes an.

Die Frage, ob dieser Betrag zu leisten war, stand - ausgehend von der Warte der belangten Behörde bei Erlassung des angefochtenen Bescheides - unter der in dem zitierten Punkt 6. lit. a näher formulierten aufschiebenden Bedingung. Zur Zeit der Erlassung des angefochtenen Bescheides war dieser Betrag jedenfalls noch nicht geleistet.

Im Sinne der Beantwortung der Frage Nr. 3 durch den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften hätte daher die belangte Behörde vor Klärung der Frage, ob die aufschiebende Bedingung eingetreten ist, den in Rede stehenden Betrag nicht in die Bemessungsgrundlage einbeziehen dürfen. Dies hat (mangels spruchmäßiger Trennung des angefochtenen Bescheides) gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG zur Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes zu führen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VO BGBl. II Nr. 501/2001. Zur Klarstellung betreffend eines allfälligen weiteren Kostenbestimmungsantrages der Beschwerdeführerin hinsichtlich ihrer Aufwendungen im Vorabentscheidungsverfahren wird schon jetzt darauf hingewiesen, dass nach ständiger hg. Judikatur dafür keine Rechtsgrundlage besteht, wobei zur Vermeidung von Wiederholungen gemäß § 43 Abs. 2 VwGG auf die Entscheidungsgründe des hg. Erkenntnisses vom 28. September 2000, Zl. 2000/09/0116, und die dort zitierte Vorjudikatur verwiesen wird.

Wien, am 6. November 2002

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