VwGH 2002/15/0198

VwGH2002/15/019823.9.2005

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Sulyok, Dr. Fuchs, Dr. Zorn und Dr. Mairinger als Richter, im Beisein des Schriftführers MMag. Twardosz, LL.M., über die Beschwerde der S Gesellschaft mbH & CoKG in S, vertreten durch Dr. Wilfried Haslauer, Dr. Reinfried Eberl, Dr. Robert Hubner und Dr. Robert Krivanec, Rechtsanwälte in 5020 Salzburg, Nonntaler Hauptstraße 44, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Salzburg, Berufungssenat I, vom 9. Oktober 2002, GZ. RV 233/1-7/99, betreffend die einheitliche und gesonderte Feststellung der Einkünfte 1993 bis 1996, zu Recht erkannt:

Normen

BAO §293b;
BAO §293b;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von 51,50 EUR binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin betrieb ein Hotelgewerbe und ermittelte ihren Gewinn nach § 5 EStG 1988 nach einem abweichenden Geschäftsjahr zum 31. März. Im Wirtschaftsjahr 1992/1993 erwarb sie durch einen Kaufvertrag das Eigentum an einem Hotelgebäude samt "vollständiger" Einrichtung in der S.-Straße. In ihrer Erklärung über die Einkünfte des Jahres 1993 machte sie Investitionsfreibeträge gemäß § 10 EStG 1988 in der Höhe von insgesamt 3,395.237 S geltend und erklärte einen Verlust aus Gewerbebetrieb in Höhe von 2,294.752 S. Der Erklärung legte sie den Jahresabschluss des Geschäftsjahres 1992/1993 samt "AfA-Liste" (Anlagenverzeichnis) bei.

In einem Vorhalt vom 26. Jänner 1995 ersuchte das Finanzamt "bezüglich des neu erworbenen Hotels M." um die "Bekanntgabe der Zusammensetzung der Anschaffungskosten für den Grund- u. Boden sowie für das Betriebsgebäude".

Die Beschwerdeführerin übermittelte daraufhin mit Schriftsatz vom 6. Februar 1995 "betreffend den Ankauf des Hotels M." eine Kopie des Kaufvertrages, aus dem hervorging, dass sich der Gesamtkaufpreis in Höhe von 20,421.765 S aus dem Grundwert in Höhe von 4,632.500 S, dem Gebäudewert in Höhe von 13,258.674 S und dem Preis für "Einrichtungsgegenstände laut Inventarliste" in Höhe von 2.530.591 S zusammensetze.

Mit Bescheid gem § 188 BAO vom 1. Juni 1995 stellte das Finanzamt die Einkünfte des Jahres 1993 erklärungsgemäß mit - 2,294.752 S fest.

Am 7. Dezember 1998 erfolgte eine Berichtigung dieses Bescheides gemäß § 293b BAO, wodurch die Einkünfte aus Gewerbebetrieb mit 478.644 S festgestellt wurden. In der Begründung führte das Finanzamt aus, von dem im Jahr 1993 gebildeten Investitionsfreibetrag in Höhe von 3,395.237 S würden 3,154.070 S auf den Erwerb des Hotels M. entfallen. Da gemäß § 10 Abs. 5 EStG bei Erwerb eines Betriebes oder Teilbetriebes ein Investitionsfreibetrag nicht geltend gemacht werden dürfe, die Geltendmachung somit auf einer unvertretbaren Rechtsansicht beruhe und der Betriebserwerb auf Grund der Abgabenerklärungen und dem übrigen Akteninhalt erkennbar gewesen sei, sei auf Grund der offensichtlichen Unrichtigkeit eine Berichtigung des Bescheides gemäß § 293b BAO vorzunehmen gewesen.

Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin mit Schreiben vom 18. Dezember 1998 Berufung. Woraus das Finanzamt ableite, dass aus den Abgabenerklärungen und dem Akteninhalt ein Betriebserwerb erkennbar gewesen sei, könne logisch in keiner Weise nachvollzogen werden. Im Jahr 1993 sei kein Betrieb, sondern lediglich eine bebaute Liegenschaft erworben worden. Die Anlagenzugänge seien unterteilt in Grund und Boden sowie Betriebsgebäude als solche offen und richtig sowohl in der Bilanz als auch im Anlagenverzeichnis ausgewiesen worden. Der für die Anschaffung des Gebäudes zustehende Investitionsfreibetrag sei ebenfalls offen in der Bilanz und im Anlageverzeichnis ausgewiesen und demzufolge zu Recht in der Abgabenerklärung zur Feststellung der Einkünfte für 1993 beantragt worden. Es erscheine völlig unverständlich, wie das Finanzamt, nachdem es die Aktenlage auf Grund der vorgelegten Unterlagen beinahe vier Monate geprüft habe, nunmehr zu der Ansicht gelangen könne, dass es sich um eine offensichtliche Unrichtigkeit handle. Die Absicht des Finanzamtes, einen rechtskräftigen Bescheid, bei dem auf Grund der Sachlage keine Wiederaufnahme mehr möglich sei, nach § 293b BAO aufzuheben, müsse "zurückgewiesen werden". Eine Sachlage vier Monate lang zu prüfen, nach der Rechtslage richtig zu entscheiden und dreieinhalb Jahre später festzustellen, dass man sich geirrt habe, sei aus rechtsstaatlichen Prinzipien bedenklich.

Mit Berufungsvorentscheidung vom 18. Juni 1999 wies das Finanzamt diese Berufung ab. Aus dem vorgelegten Kaufvertrag sei zu entnehmen, dass es sich bei dem erworbenen Gebäude um das vollständig eingerichtete Hotelgebäude M. handle und auch die Einrichtungsgegenstände "einen integrierenden Bestandteil des Kaufvertrages bilden". Da die wesentlichen, für die Fortführung des Betriebes erforderlichen Wirtschaftsgüter übertragen worden seien, handle es sich um den Erwerb eines Betriebes.

Die Beschwerdeführerin beantragte die Entscheidung über die Berufung gegen den gemäß § 293b BAO berichtigten Bescheid durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz. Sie führte aus, es handle sich nicht um eine offensichtliche Unrichtigkeit, sondern um eine unterschiedliche Rechtsauffassung. Ob eine offensichtliche Unrichtigkeit vorliege, richte sich nach dem Zeitpunkt der Einreichung der Abgabenerklärung. Ändere sich nach der Einreichung der Abgabenerklärung die Rechtsprechung, so sei dies kein Anlass für eine auf § 293b BAO gestützte Berichtigung. Zum Zeitpunkt des Ankaufes des Hotelgebäudes habe es keine Entscheidung eines Höchstgerichtes über einen solchen Sachverhalt gegeben. Es sei zwar zutreffend, dass in der Zwischenzeit über einen gleich gelagerten Sachverhalt vom Verwaltungsgerichtshof im Sinne der Rechtsansicht des Finanzamtes entschieden worden sei, im Jahr 1993 sei diese "Rechtslage" jedoch nicht gegeben gewesen.

In weiterer Folge erließ das Finanzamt am 31. August 1999 gemäß § 295 Abs. 3 BAO geänderte Bescheide für die Jahre 1994 bis 1996.

Der Berichtigungsbescheid vom 7. Dezember 1998 betreffend die Feststellung der Einkünfte für 1993 habe bewirkt, dass in den Jahren 1990 bis 1992 gebildete Investitionsrücklagen (§ 9 EStG 1988 idF vor der Änderung durch das Steuerreformgesetz 1993, BGBl. Nr. 818) im Jahr 1993 nicht gegen den in Rede stehenden Investitionsfreibetrag hätten aufgelöst werden können und daher in den Jahren 1994 bis 1996 zT mit einem Zuschlag gewinnerhöhend aufzulösen wären. Auch dagegen erhob die Beschwerdeführerin Berufung.

In der mündlichen Berufungsverhandlung wies die Beschwerdeführerin auf das hg. Erkenntnis vom 22. April 1998, 93/13/0227, VwSlg. 7.273/F, hin. Aus der Bilanz gehe hervor, dass es sich bei dem gekauften Hotelgebäude um einen Hotelbetrieb gehandelt habe. Wenn das Finanzamt das erkannt und den Investitionsfreibetrag zuerkannt habe, dann könne es sich nicht um eine offensichtliche Unrichtigkeit handeln, sondern die unrichtige Rechtsauffassung der Behörde sei maßgeblich gewesen.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufungen ab. Offensichtlich sei eine Unrichtigkeit dann, wenn sie ohne Ermittlungen erkennbar sei. Eine Unrichtigkeit sei somit dann nicht offensichtlich, wenn sie erst nach Durchführung eines Ermittlungsverfahrens erkennbar sei oder wenn sie auf einer vertretbaren Rechtsansicht beruhe, zum Beispiel wenn eine Rechtsfrage in der Judikatur uneinheitlich gelöst werde. Gemäß § 10 Abs. 5 EStG dürfe ein Investitionsfreibetrag bei Erwerb eines Betriebes oder Teilbetriebes nicht geltend gemacht werden. Wenn ein im Beherbergungsgewerbe tätiger Unternehmer wie die Beschwerdeführerin ein Hotel erwerbe, so liege es nahe, dass sie es zwecks Weiterführung erwerbe. Aus der mit der Abgabenerklärung eingereichten Bilanz gehe hervor, dass das Hotel M. in der S.- Straße erworben worden sei (Hinweis auf die "AfA-Liste", Konten "Maschinen und Geräte Hotel M., Betriebsausstattung sonstige Hotel M., Wäsche Hotel M. und Geschirr Hotel M."). Weiters gehe aus der Gewinn- und Verlustrechnung hervor, dass für das Hotel M. in der S.-Straße Beherbergungserlöse in Höhe von 406.097,27 S und Getränkeerlöse vereinnahmt worden und Betriebsausgaben angefallen seien. Aus diesen Tatsachendetails gehe hervor, dass ein lebender Betrieb übereignet worden sei und nicht nur eine bebaute Liegenschaft. Die Geltendmachung eines Investitionsfreibetrages stehe daher im Widerspruch zur geltenden Rechtslage. Zum Vorhalteverfahren bemerkte die belangte Behörde, dass dabei nur die Aufteilung der Anschaffungskosten zwischen Grund und Boden und Gebäude Gegenstand gewesen sei, aber nicht der Investitionsfreibetrag. Da die Berichtigung gemäß § 293b BAO zu Recht erfolgt sei, seien auch die "Berichtigungen" der Folgejahre 1994 bis 1996 rechtens.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 293b BAO kann die Abgabenbehörde auf Antrag einer Partei oder von Amts wegen einen Bescheid insoweit berichtigen, als seine Rechtswidrigkeit auf der Übernahme offensichtlicher Unrichtigkeiten aus Abgabenerklärungen beruht.

Entscheidend ist, dass die Abgabenbehörde den Inhalt einer Abgabenerklärung übernimmt, wobei diesem Inhalt eine offensichtliche Unrichtigkeit zu Grunde liegt. Dies wird dann zu bejahen sein, wenn die Abgabenbehörde bei ordnungsgemäßer Prüfung der Abgabenerklärung die Unrichtigkeit hätte erkennen müssen, ohne ein weiteres Ermittlungsverfahren durchzuführen. Die Unrichtigkeit kann sowohl in einer unzutreffenden Rechtsauffassung als auch in einer in sich widersprüchlichen oder eindeutig gegen menschliches Erfahrungsgut sprechenden Sachverhaltsdarstellung zum Ausdruck kommen (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 19. Jänner 2005, 2001/13/0235, vom 22. Dezember 2004, 2004/15/0126, und vom 25. April 2002, 99/15/0255, sowie Stoll, BAO, Seite 2832f).

Ob eine unzutreffende Rechtsauffassung und somit eine offensichtliche Unrichtigkeit vorliegt, ist anhand des Gesetzes und vor allem auch der dazu entwickelten Rechtsprechung zu beurteilen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 16. Mai 2002, 98/13/0180 und das erwähnte hg. Erkenntnis vom 22. Dezember 2004).

Gemäß § 10 Abs. 5 EStG 1988 darf ein Investitionsfreibetrag unter anderem bei Erwerb eines Betriebes oder Teilbetriebes weder gewinnmindernd noch durch bestimmungsgemäße Verwendung einer Investitionsrücklage geltend gemacht werden.

Wie den Beilagen zur Abgabenerklärung für 1993 (Bilanz, Gewinn- und Verlustrechnung und Anlageverzeichnis) zu entnehmen war, hatte die Beschwerdeführerin im Februar 1993 das Hotel M. in der S.-Straße erworben und die Anschaffungskosten für den Grundanteil mit 4,878.884 S, für den Gebäudeanteil mit 13,963.851 S, für "Maschinen und Geräte" mit 261.500 S, für "Betriebsausstattung" mit 1,545.000 S, für "Wäsche" mit 240.000 S und für "Geschirr" mit 25.000 S im Anlagevermögen aktiviert und mit diesem Betrieb im Geschäftsjahr mit dem Bilanzstichtag 31. März 1993 Umsatzerlöse für "Beherbergung Hotel M." in Höhe von 406.097,27 S sowie Umsatzerlöse für "Bier", "Wein", "Heißgetränke" und "alkoholfreie Getränke" (jeweils unter Anführung des Namens des erworbenen Hotels) in Höhe von etwa 3.000 S erzielt.

Die Beschwerdeführerin bringt in der Beschwerde vor, dass "mittlerweile 4 Erkenntnisse die Anschaffung eines Hotelgebäudes als Betriebserwerb qualifiziert" hätten. Zum Zeitpunkt der Bilanzerstellung sei jedoch noch kein einziges dieser Erkenntnisse veröffentlicht und somit der Beschwerdeführerin bekannt gewesen. Aus der Tatsache, dass noch andere Abgabepflichtige die Ansicht vertreten hätten, dass auch bei Erwerb eines Hotelgebäudes ein Investitionsfreibetrag zustünde, dürfe geschlossen werden, dass die Meinung zu dieser Sachverhaltsfrage noch nicht einheitlich geklärt gewesen sei. Damit bringt die Beschwerdeführerin zum Ausdruck, dass die Geltendmachung des Investitionsfreibetrages auf einer vertretbaren Rechtsansicht beruht habe. Welche vier Erkenntnisse sie meint, legt sie nicht dar.

Nach der bereits zum Zeitpunkt der Erlassung des berichtigten Bescheides ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes lag die Übereignung eines Betriebes im Ganzen bereits dann vor, wenn jene Wirtschaftsgüter übereignet wurden, die die wesentliche Grundlage des Unternehmens bildeten (vgl etwa die hg. Erkenntnisse vom 14. Oktober 1981, 81/13/0081, vom 3. Juni 1980, 1330/79, vom 19. Dezember 1973, 2331/71, VwSlg 4.622/F, und vom 1. Oktober 1962, 516/60, VwSlg 2.709/F). Darüberhinaus war es zum Zeitpunkt der Erlassung des berichtigten Bescheides ständige Rechtsprechung, dass bei Gastronomieunternehmen und anderen ortsgebundenen Tätigkeiten, wie etwa Hotels, die wesentlichen Betriebsgrundlagen durch das Grundstück, das Gebäude und die Einrichtung gebildet werden (vgl die hg. Erkenntnisse vom 29. April 1992, 91/17/0023, zum Erwerb eines Gastbetriebes, vom 20. November 1990, 90/14/0122, zum Erwerb eines Cafe- und Pensionsbetriebes, vom 22. April 1986, 85/14/0165, VwSlg 6.114/F, zum Erwerb eines Gastgewerbes, und vom 12. Dezember 1972, 1744/71, VwSlg 4.468/F, zum Erwerb einer Cafe-Konditorei, sowie Quantschnigg/Schuch, Einkommensteuer-Handbuch (1993), § 24 Tz 22.4).

Die Auffassung, dass bei Erwerb eines Hotels, wie dem im Beschwerdefall erworbenen Hotel M. in der S.-Straße, ein Investitionsfreibetrag zustünde, war somit bereits zum Zeitpunkt der Erlassung des berichtigten Bescheides eine unvertretbare Rechtsauffassung. Da aus den Beilagen zur Abgabenerklärung hervorging, dass das Gebäude und die Einrichtung erworben und damit der Betrieb fortgeführt worden war, war die Geltendmachung des Investitionsfreibetrages in der Abgabenerklärung auch offensichtlich unrichtig.

Der Hinweis der Beschwerdeführerin auf Ausführungen im hg. Erkenntnis vom 22. April 1998, 93/13/0277, VwSlg 7.273/F, wonach offensichtliche Unrichtigkeiten in Abgabenerklärungen nicht kausal für die Unrichtigkeit von Abgabenbescheiden seien, wenn das Finanzamt selbst (bewusst) eine unrichtige Rechtsansicht vertrete, führt die Beschwerde schon deshalb nicht zum Erfolg, weil die damit angesprochenen Ausführungen keine tragende Begründung jenes Erkenntnisses bildeten.

Hinsichtlich der Jahre 1994 bis 1996 enthält die Beschwerde kein Vorbringen.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am 23. September 2005

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