VwGH 2002/15/0146

VwGH2002/15/014619.12.2002

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Sulyok, Dr. Fuchs, Dr. Zorn und Dr. Mairinger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Reinisch, über die Beschwerde der S GmbH & Co KG in P, vertreten durch Arnold Rechtsanwalts-Partnerschaft in 1010 Wien, Wipplingerstraße 10, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Salzburg vom 21. Februar 2002, Zl. RV314/1-7/00, betreffend Wiederaufnahme des Verfahrens (einheitliche und gesonderte Feststellung von Einkünften für 1996) sowie einheitliche und gesonderte Feststellung von Einkünften 1996 bis 1999, zu Recht erkannt:

Normen

EStG 1988 §9 Abs3 idF 1993/818;
EStG 1988 §9 Abs3 idF 1993/818;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Die beschwerdeführende KG ist im Bereich der kunststoffverarbeitenden Industrie tätig. Sie ermittelt den Gewinn nach einem abweichenden Wirtschaftsjahr mit Bilanzstichtag 31. März.

Nach einer im Jahr 1999 durchgeführten abgabenbehördlichen Prüfung nahm das Finanzamt das Verfahren betreffend einheitliche und gesonderte Feststellung von Einkünften für 1996 wieder auf und erließ für die Jahre 1996 bis 1999 Gewinnfeststellungsbescheide, mit welchen es der von der Beschwerdeführerin gebildeten Rückstellung für Ausgleichsansprüche von Handelsvertretern die Anerkennung versagte.

Die gegen diese Bescheide erhobene Berufung wies die belangte Behörde mit dem angefochtenen Bescheid als unbegründet ab. Zur Wiederaufnahme habe der Beschwerdeführer vorgebracht, aus der Bilanz für das Wirtschaftsjahr 1995/96 sei die Position "Rückstellung für Ausgleichsansprüche der Handelsvertreter" (dotiert mit 2,775.000 S) ersichtlich gewesen, sodass keine Tatsachen neu hervorgekommen wären. Die belangte Behörde halte diesem Vorbringen entgegen, dass in der Gewinn- und Verlustrechnung des Jahresabschlusses eine Zuweisung an Rückstellungen für Ausgleichsansprüche von Handelsvertretern nicht enthalten sei. Nunmehr von der belangten Behörde angestellte Ermittlungen hätten ergeben, dass die Verbuchung unter der Bezeichnung "Vertreterprovisionen" erfolgt sei. Somit sei für das Finanzamt bei Erlassung des Gewinnfeststellungsbescheides vom 5. August 1997 nicht erkennbar gewesen, dass die Rückstellung im Wirtschaftsjahr 1995/96 erfolgswirksam gebildet worden sei. Aus dem Ausweis der Rückstellung könne keineswegs ohne weitere Ermittlungen die Bildung der Rückstellung abgeleitet werden. Es sei auch eine Fortführung der in früheren Jahren gebildeten Rückstellung denkbar gewesen. Erstmals sei daher im Zuge der Betriebsprüfung bekannt geworden, dass die Bildung der Rückstellung im Wirtschaftsjahr 1995/96 erfolgt sei. Die Wiederaufnahme des Verfahrens sei daher zu Recht erfolgt.

Auch die Rückstellungsbildung sei zu Recht nicht anerkannt worden. Unter den in § 24 des Handelsvertretergesetzes festgelegten Voraussetzungen gebühre dem Handelsvertreter bei Auflösung des Vertragsverhältnisses ein angemessener Ausgleich. Der Ausgleichsanspruch stelle einen Wertausgleich für entgangene zukünftige Provisionen dar. Er solle weder eine fehlende Altersversorgung ausgleichen noch für den verdienstvollen, langjährigen Vertreter eine Leistungsprämie darstellen. Der Ausgleichsanspruch des Handelsvertreters entstehe erst nach seinem Ausscheiden und der Beendigung des Vertragsverhältnisses. Der Entstehungsgrund liege in Wirtschaftsjahren nach Auflösung des Vertragsverhältnisses. Im Hinblick auf den Grundsatz der periodengerechten Gewinnabgrenzung sei die handelsrechtliche Pflicht zur Bildung einer Rückstellung für den Ausgleichsanspruch des Handelsvertreters in Frage gestellt. In der Steuerbilanz könne eine Rückstellung nur gebildet werden, wenn ein Aufwand wirtschaftlich den vor dem Bilanzstichtag liegenden Zeitraum betreffe. Der Ausgleichsanspruch des Handelsvertreters gebühre nicht, wenn der Handelsvertreter nur Kunden des Unternehmens im Rahmen einer bereits bestehenden Geschäftsverbindung und ohne deren wesentliche Erweiterung betreut habe. Der Anspruch gebühre auch nicht, wenn der Handelsvertreter dem Unternehmer zwar neue Kunden zugeführt habe, jedoch zu erwarten sei, dass der Unternehmer nach Auflösung des Vertragsverhältnisses aus diesen Geschäftsbeziehungen keine wesentlichen Vorteile mehr ziehen könne. Wie der OGH im Urteil vom 1. April 1998, 4Ob A44/98f, ausgeführt habe, treffe den Handelsvertreter die Beweislast hinsichtlich der Frage der Zuführung von Kunden. Der Verwaltungsgerichtshof habe die Rückstellungsbildung abgelehnt, weil der Anspruch in erster Linie künftig entgehende Provisionen abgelten solle. Eine Rückstellungsbildung sei daher nicht möglich.

Die Behandlung der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde lehnte der Verfassungsgerichtshof mit Beschluss vom 26. Juni 2002, B 774/02, ab. Mit Beschluss vom 6. August 2002 trat er die Beschwerde gemäß Art 144 Abs 3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

§ 24 HVG 1993 lautet:

"(1) Nach Beendigung des Vertragsverhältnisses gebührt dem Handelsvertreter ein angemessener Ausgleichsanspruch, wenn und soweit

1. er dem Unternehmer neue Kunden zugeführt oder bereits bestehende Geschäftsverbindungen wesentlich erweitert hat,

2. zu erwarten ist, dass der Unternehmer oder dessen Rechtsnachfolger aus diesen Geschäftsverbindungen auch noch nach Auflösung des Vertragsverhältnisses erhebliche Vorteile ziehen kann, und

3. die Zahlung eines Ausgleichs unter Berücksichtigung aller Umstände, insbesondere der dem Handelsvertreter aus Geschäften mit den betreffenden Kunden entgehenden Provisionen, der Billigkeit entspricht.

(2) Der Ausgleichsanspruch besteht auch dann, wenn das Vertragsverhältnis durch Tod des Handelsvertreters endet und die in Abs. 1 genannten Voraussetzungen vorliegen.

(3) Der Anspruch besteht nicht, wenn

1. der Handelsvertreter das Vertragsverhältnis gekündigt oder vorzeitig aufgelöst hat, es sei denn, dass dem Unternehmer zurechenbare Umstände, auch wenn sie keinen wichtigen Grund nach § 22 darstellen, hiezu begründeten Anlass gegeben haben oder dem Handelsvertreter eine Fortsetzung seiner Tätigkeit wegen seines Alters oder wegen Krankheit oder Gebrechen nicht zugemutet werden kann, oder

2. der Unternehmer das Vertragsverhältnis wegen eines schuldhaften, einen wichtigen Grund nach § 22 darstellenden Verhaltens des Handelsvertreters gekündigt oder vorzeitig aufgelöst hat oder

3. der Handelsvertreter gemäß einer aus Anlass der Beendigung des Vertragsverhältnisses getroffenen Vereinbarung mit dem Unternehmer, die Rechte und Pflichten, die er nach dem Vertrag hat, einem Dritten überbindet.

(4) Der Ausgleichsanspruch beträgt mangels einer für den Handelsvertreter günstigeren Vereinbarung höchstens eine Jahresvergütung, die aus dem Durchschnitt der letzten fünf Jahre errechnet wird. Hat das Vertragsverhältnis weniger als fünf Jahre gedauert, so ist der Durchschnitt der gesamten Vertragsdauer maßgeblich.

(5) Der Handelsvertreter verliert den Ausgleichsanspruch, wenn er dem Unternehmer nicht innerhalb eines Jahres nach Beendigung des Vertragsverhältnisses mitgeteilt hat, dass er seine Rechte geltend macht."

Gemäß § 9 Abs. 1 EStG 1988 idF SteuerreformG 1993, BGBl. 818/1993, "dürfen" Rückstellungen gebildet werden für

Für die Gewinnermittlung nach § 5 Abs. 1 EStG 1988 - die Beschwerdeführerin ermittelt ihren Gewinn nach dieser Bestimmung - bewirkt die bei dieser Gewinnermittlungsart zu beachtende Maßgeblichkeit der handelsrechtlichen Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung, dass innerhalb des von den steuerlichen Vorschriften vorgegebenen Rahmens eine Verpflichtung zur Rückstellungsbildung für die steuerliche Gewinnermittlung besteht, wenn eine solche Verpflichtung für die Handelsbilanz besteht.

§ 9 Abs. 3 EStG 1988 legt als Voraussetzung für die Bildung einer Verbindlichkeitsrückstellung fest, dass im jeweiligen Einzelfall mit dem Vorliegen oder dem Entstehen der Verbindlichkeit ernsthaft zu rechnen ist.

Die Verbindlichkeitsrückstellung ist ein Gewinnkorrektivum, welches steuerrechtlich in der Höhe anerkannt wird, in der der Erfolg des betreffenden Wirtschaftsjahres voraussichtlich mit künftigen Ausgaben belastet wird. Voraussetzung einer steuerrechtlich anzuerkennenden Rückstellung ist stets, dass ein die Vergangenheit betreffender Aufwand bestimmter Art ernsthaft droht. Die wirtschaftliche Verursachung muss im Abschlussjahr gelegen sein.

§ 24 Abs. 1 HVG 1993 stellt für den Ausgleichsanspruch des Handelsvertreters auf die Beendigung des Vertragsverhältnisses, die (während des Vertragsverhältnisses erfolgte) Zuführung neuer Kunden durch den Handelsvertreter (bzw die wesentliche Erweiterung der bestehenden Geschäftsverbindungen), die für den Unternehmer künftig zu erwartenden erheblichen Vorteile aus den Geschäftsbeziehungen zu den (neuen) Kunden und die Billigkeit unter Berücksichtigung der dem Handelsvertreter entgehenden Provisionen ab.

Der Ausgleichsanspruch nach § 24 HVG 1993 hängt somit - aus der Sicht des Handelsvertreters - mit dem Verlust künftiger Provisionen und - aus der Sicht des Unternehmers - mit zu erwartenden künftigen Vorteilen aus den Geschäftsverbindungen mit vom Handelsvertreter geworbenen Kunden zusammen.

Der Ausgleichsanspruch des Handelsvertreters hängt davon ab, dass der Unternehmer mit hoher Wahrscheinlichkeit nach Beendigung des Vertragsverhältnisses erhebliche Vorteile aus den Geschäftsverbindungen mit den vom Handelsvertreter geworbenen Kunden erzielen wird. Solcherart ist der Zusammenhang mit künftigen Erträgen des Unternehmers gegeben. Wie der Verwaltungsgerichtshof vor diesem Hintergrund mit Erkenntnis vom 27. November 2001, 2001/14/0081, auf welches gemäß § 43 Abs 2 zweiter Satz VwGG verwiesen wird, ausgesprochen hat, liegt die Verursachung des Ausgleichsanspruches daher nicht in der Vergangenheit, sondern in der Zukunft, weshalb die Bildung einer Verbindlichkeitsrückstellung ausgeschlossen ist.

Es mag zutreffen, dass der Beschwerdeführer, wie er in der Beschwerde ausführlich vorträgt, ernstlich mit dem Entstehen der Verpflichtung zur Bezahlung von Ausgleichsansprüchen an Handelsvertreter rechnen musste. Entscheidend für die Rückstellungsbildung ist allerdings, ob hinsichtlich solcher künftiger Ausgleichsansprüche auch eine wirtschaftliche Veranlassung vor dem Bilanzstichtag gegeben ist. Die wirtschaftliche Verursachung liegt allerdings, wie sich aus den obenstehenden Ausführungen ergibt, nicht vor dem Bilanzstichtag. Somit ist der Rückstellung für den Ausgleichsanspruch des Handelsvertreters zu Recht die Anerkennung versagt worden.

Die Beschwerdeführerin wendet sich gegen die Wiederaufnahme des Verfahrens mit dem Vorbringen, aus den Beilagen zum Jahresabschluss, welche dem Finanzamt vorgelegt worden seien, sei die Rückstellung für Ausgleichsansprüche der Handelsvertreter ersichtlich gewesen, weshalb Tatsachen iSd § 303 Abs 4 BAO nicht neu hervorgekommen seien. Dieses Vorbringen vermag schon deshalb keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufzuzeigen, weil es den Feststellungen des angefochtenen Bescheides nicht entgegentritt, wonach in der Gewinn- und Verlustrechnung der Aufwand für die Dotierung der Rückstellung nicht ersichtlich gewesen sei und der bloße Ausweis der Rückstellung in der Bilanz nicht erkennen lasse, ob die Dotierung der Rückstellung zu Lasten des Gewinnes des Jahres 1995/96 gegangen ist oder sie den Gewinn eines vorangegangenen Jahres gemindert hat.

Die Beschwerdeführerin rügt schließlich, im Spruch des angefochtenen Bescheides werde zunächst ausgesprochen, dass die Berufung abgewiesen werde, und dann ausgeführt: "Die Bemessungsgrundlagen der angefochtenen Bescheide bleiben unverändert. Die Fälligkeit der Abgaben erfährt keine Änderung."

Ein solcher Ausspruch stelle einen gravierenden Verfahrensfehler dar, zumal der angefochtene Bescheid kein Abgabenbescheid iSd § 198 BAO sei.

Es trifft zu, dass im Verfahren betreffend einheitliche und gesonderte Feststellung von Einkünften weder über die Abgabenbemessungsgrundlage "Einkommen" noch über die Fälligkeit von Abgaben abgesprochen wird. Da es aber den in der Beschwerde angesprochenen Spruchbestandteilen des angefochtenen Bescheides (betreffend Fälligkeit und Bemessungsgrundlage) an einem Bezugsobjekt mangelt, vermögen sie eine normative Wirkung nicht zu entfalten und können die Beschwerdeführerin nicht in ihren Rechten verletzen.

Da bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen lässt, dass die von der Beschwerdeführerin behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

Wien, am 19. Dezember 2002

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