VwGH 2002/15/0109

VwGH2002/15/010922.12.2005

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Sulyok, Dr. Fuchs, Dr. Zorn und Dr. Mairinger als Richter, im Beisein des Schriftführers MMag. Twardosz, LL.M., über die Beschwerde des H in B, vertreten durch Mag. Erich Stachl, beeid. Wirtschaftsprüfer und Steuerberater in 1060 Wien, Machettigasse 2-6, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 12. April 2002, GZ. RV/93-17/12/2002, betreffend Abweisung eines Antrages auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist, zu Recht erkannt:

Normen

ABGB §1324;
ABGB §1332;
AVG §71;
BAO §308 Abs1;
FinStrG §167;
VwGG §46;
ABGB §1324;
ABGB §1332;
AVG §71;
BAO §308 Abs1;
FinStrG §167;
VwGG §46;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1. Nach Zustellung des Einkommensteuerbescheides 1999 beantragte die steuerliche Vertretung des Beschwerdeführers mit Schreiben vom 24. Juli 2001 - rechtzeitig - die Verlängerung der Berufungsfrist bis zum 30. August 2001. Zur Begründung wurde ausgeführt, auf Grund der Abwesenheit des Geschäftsführers sei es nicht möglich, die Berufung fristgerecht einzureichen.

Mit Schriftsatz vom 4. September 2001 stellte der Beschwerdeführer den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist, erhob Berufung und stellte den Antrag auf Aussetzung der Einhebung. Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wurde wie folgt ausgeführt:

"1. Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand:

Auftrags und in Vollmacht unseres oben angeführten Klienten stellen wir hiermit den Antrag,

die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand durchzuführen. Dies betrifft die Berufungsfrist betreffend die Einkommensteuer 1999. Der Einkommensteuerbescheid 1999 wurde von der Abgabenbehörde am 27.06.2001 ausgefertigt und unseren Klienten am 29.06.2001 zugestellt. Unser Klient hat wiederum innerhalb der offenen Rechtsmittelfrist, konkret am 24.07.2001, die Übermittlung zur Überprüfung des Einkommensteuerbescheides an unsere Gesellschaft übermittelt. Die zuständige Sachbearbeiterin, Frau D., stellte einen Antrag auf Verlängerung der Rechtsmittelfrist, da der bearbeitende Steuerberater Mag. Erich S. sich zu dieser Zeit auf Urlaub befand. Die Rechtsmittelfrist wurde bis zum 30.08.2001 verlängert. Frau D. erkrankte sodann am 27.08.2001 und konnte die Fristwahrung nicht durchführen. Auf Grund dessen wurde sofort nach Gesundung von Frau D., somit am heutigen Tage, festgestellt, dass auf Grund dieses außergewöhnlichen, nicht vorhersehbaren Ereignisses Gründe für die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand vorliegen."

2. Das Finanzamt wies mit Bescheid vom 28. Jänner 2002 diesen Antrag ab. Die Krankheit sei nur dann ein Wiedereinsetzungsgrund, wenn sie die Dispositionsfähigkeit ausschließe. Dies treffe bei einer Erkrankung dann zu, wenn sie so plötzlich und so schwer auftrete, dass der Erkrankte nicht mehr in der Lage sei, die nach der Sachlage gebotenen Maßnahmen zu treffen. Eine derartige Erkrankung sei im Antrag gar nicht behauptet worden.

Es sei weiters davon auszugehen, dass in einer Steuerberatungskanzlei dafür Vorsorge getroffen werde, dass bei plötzlich auftretenden Behinderungsfällen dennoch der reibungslose Ablauf der Büroorganisation gegeben sei.

3. In der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung führte der Beschwerdeführer aus, Frau D. sei am 24. August 2001 schwer erkrankt. Bewiesen werde dies durch eine Erklärung der Frau D., dass sie während dieser Zeit so schwer krank gewesen sei, dass sie "die Dispositionsfähigkeit nicht gehabt habe". Besonders berücksichtigungswürdig sei hiebei die kurze Zeit der Fristversäumnis. Bereits im Antrag auf Bewilligung der Wiedereinsetzung sei festgehalten worden, dass auf Grund der Erkrankung die Fristwahrung nicht möglich gewesen sei.

Im vorliegenden Fall besuche der Geschäftsführer der Vertretung die Kanzlei in einem 10-Tage-Abstand. Die Kanzlei werde von einer Kanzleileiterin, nämlich Frau D., geführt. Diese habe ihre Aufgaben äußerst gewissenhaft wahrgenommen. Die Ordnungsmäßigkeit der Kanzleiorganisation sei dadurch nachgewiesen, dass die steuerliche Vertretung nach den ISO-Richtlinien zertifiziert worden sei. Dies bedeute, dass sämtliche Betriebsabläufe diversen Regelungen unterlägen. Auch der Fristenvormerk und die Fristenwahrung seien hiebei geregelt. Diese Regeln sehen vor, dass bei Erkrankung eines Mitarbeiters eine entsprechende Stellvertretung deren Aufgaben wahrnehme. In der Kanzlei würden einschließlich der Kanzleileiterin vier Mitarbeiter beschäftigt. Die Fristenwahrung werde EDV-mäßig durchgeführt. Bei Posteingang würden sämtliche Fristen EDV-mäßig erfasst. Jeder Mitarbeiter habe im Rahmen des internen Organisationssystemes einen Tagestermin. Im Rahmen dieses Tagestermines werde die Frist gewahrt. Dies habe dazu geführt, dass Frau D. sofort nach Wiederkehr bei Aufnahme ihrer Tätigkeit die versäumte Frist erkannt und sofort wahrgenommen habe. Die versäumte Handlung sei sofort nachgeholt worden. Das interne Organisationssystem sehe Stellvertreter vor. Dies bedeute, dass fachlich ausgebildete Personen mit gleichem oder ähnlichem Ausbildungsgrad die Stellvertretung im Krankheitsfalle übernehmen. Für die Kanzleileiterin D. sei eine fachlich gleich ausgebildete Person nicht vorhanden, sodass eine Stellvertretung nicht möglich sei. Der Umstand, dass eine Stellvertretung im Krankheitsfalle bei vorhandenen Terminen nicht gegeben sei, führe aber nicht zu einem Verschulden des Vertreters.

4. Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung als unbegründet ab. In der Begründung wurde ausgeführt, der Beschwerdeführer habe in der Berufung ausgeführt, dass die Kanzleileiterin D. am 24. August 2001 schwer erkrankt sei und dadurch die Dispositionsfähigkeit verloren habe. Dem müsse entgegengehalten werden, dass kein Nachweis für die Dispositionsunfähigkeit der Kanzleileiterin erbracht worden sei. Die behauptete Dispositionsunfähigkeit werde lediglich in Form einer Erklärung der Kanzleileiterin behauptet. Die Dispositionsunfähigkeit der Erkrankten sei von einem Arzt zu bestätigen. Eine derartige Bestätigung über die behauptete Dispositionsunfähigkeit der Kanzleileiterin D. sei im Verfahren nicht vorgelegt worden. Dazu komme, dass das Datum der Erkrankung der Kanzleileiterin einmal mit 24. und einmal mit 27. August 2001 angegeben worden sei.

Wenn der Beschwerdeführer behaupte, es sei auf Grund der geringen Anzahl an Beschäftigten nicht möglich, dass eine andere Arbeitskraft mit derselben fachlichen Qualifikation vorhanden sei, lägen in der Kanzlei Organisationsmängel vor. Es sei gegen die Versäumung von Verfahrenshandlungen nicht entsprechend vorgesorgt worden. Es liege in der Natur der Sache, dass Krankheiten unvorhergesehen und unabwendbar auftreten und dennoch müsse der reibungslose Ablauf der Kanzleiorganisation gegeben sein. Es könne daher nicht mehr von einem bloß minderen Grad des Versehens gesprochen werden. Das Verschulden des Vertreters des Beschwerdeführers sei seinem eigenen Verschulden gleichzuhalten.

5. Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde erwogen:

Gemäß § 308 Abs. 1 BAO ist gegen die Versäumung einer Frist (§§ 108 bis 110) auf Antrag der Partei, die durch die Versäumung einen Rechtsnachteil erleidet, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn die Partei glaubhaft macht, dass sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert war, die Frist einzuhalten. Dass der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.

Die zitierte Vorschrift entspricht inhaltlich den Bestimmungen des § 46 VwGG, § 71 AVG und § 167 FinStrG; die für die Auslegung dieser Vorschrift in der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes entwickelten Grundsätze können daher auch hier zur Anwendung kommen (vgl. etwa die hg. Erkenntnisse vom 21. Oktober 1993, 92/15/0100, und vom 27. Jänner 1995, 94/17/0486).

Ein Verschulden der Partei an der Fristversäumung, das über einen minderen Grad des Versehens hinausgeht, schließt die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand aus. Der Begriff des minderen Grades des Versehens ist als leichte Fahrlässigkeit im Sinne der §§ 1324, 1332 ABGB zu verstehen. Der Wiedereinsetzungswerber darf also nicht auffallend sorglos gehandelt, d.h. die im Verkehr mit Behörden und für die Einhaltung von Terminen und Fristen erforderliche und ihm nach seinen persönlichen Fähigkeiten zumutbare Sorgfalt außer Acht gelassen haben. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist das Verschulden des Vertreters einer Partei an der Fristversäumung dem Verschulden der Partei selbst gleichzuhalten, nicht jedoch ein Verschulden eines Kanzleibediensteten des Vertreters. Wer einen Wiedereinsetzungsantrag auf das Verschulden einer Kanzleibediensteten stützt, hat schon im Antrag darzulegen, aus welchen Gründen ihn selbst kein die Wiedereinsetzung ausschließendes Verschulden trifft. Dies erfordert ein substanziiertes Vorbringen darüber, dass und in welcher Weise der Wiedereinsetzungswerber oder sein bevollmächtigter Vertreter die erforderliche Kontrolle ausgeübt hat (vgl. auch hiezu den hg. Beschluss vom 23. September 2005, 2005/15/0083, 0084).

Nach dem Vorbringen des Beschwerdeführers war sein im Beschwerdeverfahren einschreitender Vertreter als Geschäftsführer einer Steuerberatungsgesellschaft mbH mit der Ausarbeitung der Berufung, wofür die Frist versäumt wurde, betraut (vgl. das Ansuchen um Erstreckung der Berufungsfrist sowie die Ausführungen im Antrag auf Wiedereinsetzung). Dass dieser durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis an der Ausarbeitung der Berufung verhindert war, wird nicht dargetan, sodass schon aus diesem Grund die Abweisung des Antrages auf Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht rechtswidrig ist.

Die Ausführungen, es liege kein Organisationsmangel im Kanzleiablauf vor, zeigen keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf. Nach den Behauptungen des Beschwerdeführers habe die Kanzleileiterin die Berufungsfrist ordnungsgemäß vorgemerkt. Außer ihr würden drei weitere Angestellte in der Kanzlei arbeiten, die jedoch nicht zur Vertretung der Kanzleileiterin bestellt worden seien. Diese hätten daher während der Abwesenheit der Kanzleileiterin den von ihr vorgenommenen Fristvormerk nicht beachten können.

Nach ständiger Rechtsprechung hat ein berufsmäßiger Parteienvertreter die Organisation seines Kanzleibetriebes so einzurichten, dass auch die richtige Vormerkung von Terminen und damit die fristgerechte Vornahme von Prozesshandlungen gesichert erscheint. Liegen Organisationsmängel vor, wodurch die Erreichung dieses Zieles nicht gewährleistet ist, ist das Kontrollsystem in diesem Sinne unzureichend, kann nicht mehr von einem bloß minderen Grad des Versehens des Parteienvertreters gesprochen werden. Im Sinne dieser Rechtsprechung gehört es zu den Organisationserfordernissen, dass in einer Kanzlei eines berufsmäßigen Parteienvertreters eine Endkontrolle stattfindet, die sicherstellt, dass fristwahrende Schriftsätze tatsächlich verfasst, gefertigt und abgesandt werden. Für diese Ausgangskontrolle ist ein Fristenkalender unabdingbar, in dem das Fristende vermerkt und diese Fristeintragung erst gestrichen wird, wenn die fristwahrende Maßnahme durchgeführt, der Schriftsatz also verfasst, gefertigt und abgesandt oder zumindest postfertig gemacht worden ist. Eine derartige End- oder Ausgangskontrolle gehört zu den Organisationserfordernissen, die zur Vermeidung von Fehlerquellen bei der Behandlung von Fristsachen unumgänglich sind (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 21. Oktober 1993, 92/15/0100, m. w.N.).

Nach dem Beschwerdevorbringen kommt einerseits der Geschäftsführer der bevollmächtigten Steuerberatungsgesellschaft mbH selbst nur in Abständen von zehn Tagen in die Kanzlei und andererseits haben die neben der Kanzleileiterin beschäftigten drei Personen auf den Fristenvormerk der Kanzleileiterin keinen Zugriff. Wenn die belangte Behörde bei dieser Sachlage von Organisationsmängeln in der Kanzlei des Vertreters des Beschwerdeführers ausgegangen ist, ist dies ebenfalls nicht rechtswidrig.

Die Beschwerde erweist sich daher als unbegründet und war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i. V.m. der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am 22. Dezember 2005

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