VwGH 2002/14/0114

VwGH2002/14/011426.3.2007

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Steiner und die Hofräte Mag. Heinzl, Dr. Fuchs, Dr. Zorn und Dr. Robl als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Pfau, über die Beschwerde des H K in N, vertreten die durch Anwaltspartnerschaft Dr. Karl Krückl und Dr. Kurt Lichtl, Rechtsanwälte in 4020 Linz, Harrachstraße 14/1, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Oberösterreich vom 24. Juli 2002, Zl. RV 1402/1-10/2001, betreffend Haftung gemäß § 14 Abs. 1 BAO, zu Recht erkannt:

Normen

BAO §14 Abs1;
BAO §14;
BAO §14 Abs1;
BAO §14;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit handschriftlichem Kaufvertrag vom 10. Juli 2000 erwarb der Beschwerdeführer von Ingrid H "das ges. Inventar (ausgenommen Kaffee-Maschine, drei Kühlschränke)" eines namentlich bezeichneten "Cafe-Pubs" (in der Folge nur: Cafe) um S 300.000.-- exklusive Umsatzsteuer. Festgehalten wurde, dass der Beschwerdeführer auch einen bestehenden Brauereivertrag übernehme.

Im Februar 2001 wurde über das Vermögen der Verkäuferin Ingrid H Konkurs eröffnet. Dieses wurde nach rechtskräftiger Bestätigung des im April 2001 angenommenen Zwangsausgleiches (Quote 32 %) im Mai 2001 aufgehoben. Im Konkurs hatte das Finanzamt unter anderem Umsatzsteuer für 07/2000 im Ausmaß von rund S 67.000,-- angemeldet.

Anlässlich durchgeführter Erhebungen zur allfälligen Heranziehung des Beschwerdeführers zur Haftung gemäß § 14 BAO gab dieser an, er habe weder ein Warenlager, Personal noch einen sonstigen Unternehmenswert übernommen. Auch der Mietvertrag über das Geschäftslokal hätte neu abgeschlossen werden müssen. Einige für die Geschäftstätigkeit unbedingt notwendige Maschinen (Kaffeemaschine, Kühlschränke) seien nicht übernommen worden, sodass zum Zeitpunkt der Übernahme keine unmittelbare Weiterführungsmöglichkeit bestanden habe. Im Zeitpunkt des Kaufes seien ihm Steuerschulden der Verkäuferin nicht bekannt gewesen. Die Verkäuferin habe zur steuerlichen Situation keinerlei Angaben gemacht. Dies sei für den Beschwerdeführer auch nicht notwendig gewesen, weil er nicht ein in ähnlicher Weise weiterzuführendes Unternehmen habe erwerben wollen. Seine Absicht habe lediglich in der Übernahme der Einrichtungsgegenstände bestanden, um seine eigenen Pläne verwirklichen zu können. Es seien daher keine Auskünfte über Umsatzmöglichkeit, Kosten bzw. Gewinnsituation eingeholt bzw. von der Verkäuferin vorgelegt worden. Zum Zeitpunkt des Kaufvertrages habe es für den Beschwerdeführer keine Anzeichen dafür gegeben, dass Finanzierungsprobleme auf Seiten der Verkäuferin bestanden hätten.

Mit Bescheid vom 12. März 2001 zog das Finanzamt den Beschwerdeführer zur Haftung für aushaftende Abgabenschuldigkeiten der Ingrid H im Ausmaß von rund S 68.000,-- (80 % der Umsatzsteuerverbindlichkeiten, insbesondere für Juli 2000) heran.

In einer dagegen erhobenen Berufung wurde ausgeführt, dass kein "Unternehmen im Sinne des § 14 BAO" übereignet worden sei. Zu den wesentlichen Grundlagen des Unternehmens zählten bei Gastronomiebetrieben das Grundstück, das Gebäude und die Einrichtung. Diese Voraussetzungen seien nicht erfüllt gewesen, weil einerseits der Mietvertrag nicht hätte übernommen werden können, sondern mit dem Vermieter neu hätte ausverhandelt werden müssen, sodass zum Zeitpunkt der Übertragung der Wirtschaftsgüter aus diesem Grunde bereits eine unmittelbare Weiterführung ausgeschlossen gewesen sei. Weiters seien wesentliche und für den Betrieb eines Gastgewerbes unbedingt notwendige Wirtschaftsgüter im Zuge des Kaufes der übrigen Einrichtung nicht miterworben worden. Hiebei handle es sich um eine Musikanlage, Kühlschränke, eine Kaffeemaschine, einen Geschirrspüler, einen Toaster, einen Griller und Getränkeportionierer. Durch das Fehlen dieser zwangsweise benötigten Geräte seien wesentliche Grundlagen des Unternehmens nicht auf den Erwerber übergegangen, sodass dem Beschwerdeführer die Fortführung des Unternehmens nicht ermöglicht worden sei.

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der Berufung insoweit Folge gegeben, als der Betrag, für welchen der Beschwerdeführer zur Haftung herangezogen worden war, betragsmäßig auf 58 % der Umsatzsteuer für Juli 2000 (rund 3.300,-- EUR) eingeschränkt wurde. Im Übrigen wurde die Berufung abgewiesen. Zwar habe der Beschwerdeführer ausgeführt, dass die erworbenen Gegenstände teilweise nicht gebrauchsfähig gewesen seien, wobei die Mängel erst nach Übernahme des Lokales hätten festgestellt werden können, während die Verkäuferin angegeben habe, dass sie ein nicht übermäßig beanspruchtes Inventar übergeben habe und zum Zeitpunkt der Übernahme durch den Beschwerdeführer keine Investitionen notwendig gewesen seien. Die Höhe des Kaufpreises und der Umstand, dass der Betrieb des Beschwerdeführers nur drei Wochen nach der Übereignung der Lokaleinrichtung eröffnet worden sei, sprächen jedoch dafür, dass ein gebrauchsfähiges Lokal übereignet worden sei. Dass der Beschwerdeführer nach Eröffnung des gastgewerblichen Betriebes Investitionen zu tätigen gehabt habe, habe die Verkäuferin damit erklärt, dass ein Nachbar einen Wasserschaden verursacht habe. Diese Feststellungen der Auskunftsperson seien vom Beschwerdeführer unwidersprochen geblieben. Bemerkenswert sei auch, dass in dem im Zuge der Einkommensteuerveranlagung für das Jahr 2000 vorgelegten Anlagenverzeichnis der Wert des von Ingrid H übernommenen Inventars in höherem Wert als den im Kaufvertrag vom 10. Juli 2000 angeführten Anschaffungskosten angesetzt worden seien. Auch sei für das Jahr 2000 keine besondere Abschreibung für das Inventar vorgenommen worden, obwohl nach den Ausführungen des Beschwerdeführers die übernommenen Gegenstände entsprechend mangelhaft gewesen seien. Aus dem Gesamtbild dieser Umstände ergebe sich, dass der Aussage der Verkäuferin, sie habe ein nicht übermäßig beanspruchtes Inventar übergeben, eher plausibel sei. Nicht vom Kaufvertrag umfasst seien die Kühlschränke gewesen. Diese seien von der Vertragsbrauerei der Verkäuferin zur Verfügung gestellt worden. Auch der Beschwerdeführer habe die Kühlanlagen übernommen, als er in den Bierbezugsvertrag "eingestiegen" sei. Hinsichtlich der Kaffeemaschine habe an Hand des Anlagenverzeichnisses festgestellt werden können, dass diese vom Beschwerdeführer bei Betriebseröffnung in den Betrieb eingebracht worden sei. Deren Wert sei im Anlageverzeichnis mit S 12.000,-- beziffert worden. Eine Espressomaschine sei zwar eine wichtige Geschäftsausstattung in einem gastgewerblichen Betrieb, jedoch stelle diese Anschaffung in Relation zum übrigen übernommenen Inventar eine nicht bedeutende Investition dar. Der Gläserspüler sei laut Anlageverzeichnis erst am 4. Oktober 2000 angeschafft worden. Demnach sei der Betrieb des Lokales zwei Monate lang ohne dieses Gerät möglich gewesen. Die Musikanlage sei vom Beschwerdeführer angeschafft worden. Diese stelle jedoch für einen gastgewerblichen Betrieb nicht unbedingt einen notwendigen Betriebsgegenstand dar. Außerdem seien die Anschaffungskosten im Verhältnis zum Wert des Inventars relativ gering gewesen, sodass es sich auch diesbezüglich um eine nicht bedeutende Investition gehandelt habe. Der Umstand, dass der Beschwerdeführer einen neuen Mietvertrag mit den Eigentümern der Liegenschaft abgeschlossen habe und nicht unmittelbar in die Mietrechte der Verkäuferin eingetreten sei, sei für die Annahme eines Unternehmenserwerbes nicht schädlich, weil die zivilrechtliche Gestaltung des Erwerbsvorganges nicht relevant, sondern lediglich der Übergang der wirtschaftlichen Verfügungsmacht entscheidend sei. Für den Übergang der wirtschaftlichen Verfügungsmacht am gastgewerblichen Lokal sei sicherlich der Mietvertrag mit den Eigentümern der Liegenschaft eine wesentliche Voraussetzung gewesen. § 14 Abs. 1 BAO setze aber nur den "Erwerb" schlechthin voraus und verlange nicht den "Erwerb" des Eigentums. Maßgebend sei somit der - wenn auch nicht unmittelbare - Übergang der wirtschaftlichen Verfügungsmacht vom Vorgänger auf den Erwerber. Von einem solchen Übergang könne auch dann gesprochen werden, wenn der Erwerber des Unternehmens einen neuen Mietvertrag mit dem Bestandgeber abschließe. Sei die wirtschaftliche Verfügungsmacht über das Lokal verschafft worden und könne der Erwerber den Betrieb des Vorgängers in diesen Geschäftsräumen und mit dem gekauften Inventar fortführen, dann könne von einer Übereignung des Unternehmens nach § 14 Abs. 1 BAO auch dann ausgegangen werden, wenn der Erwerber die Einrichtungsgegenstände und die Mietrechte über das Geschäftslokal von unterschiedlichen Personen erhalten habe. Da der Beschwerdeführer von Ingrid H unmittelbar das Eigentum am Inventar und von den Vermietern die Bestandrechte am Gastlokal und somit die wirtschaftliche Verfügungsmacht übernommen habe, sei vom Erwerb eines Unternehmens im Ganzen im Sinne des § 14 Abs. 1 BAO auszugehen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die dagegen erhobene Beschwerde erwogen:

§ 14 Abs. 1 BAO lautet:

Wird ein Unternehmen oder ein im Rahmen eines Unternehmens gesondert geführter Betrieb im Ganzen übereignet, so haftet der Erwerber

a) für Abgaben, bei denen die Abgabepflicht sich auf den Betrieb des Unternehmens gründet, soweit die Abgaben auf die Zeit seit dem Beginn des letzten, vor der Übereignung liegenden Kalenderjahres entfallen;

b) für Steuerabzugsbeträge, die seit dem Beginn des letzten, vor der Übereignung liegenden Kalenderjahres abzuführen waren.

Dies gilt nur insoweit, als der Erwerber im Zeitpunkt der Übereignung die in Betracht kommenden Schulden kannte oder kennen musste und insoweit, als er an solchen Abgabenschuldigkeiten nicht schon so viel entrichtet hat, wie der Wert der übertragenen Gegenstände und Rechte (Besitzposten) ohne Abzug übernommener Schulden beträgt.

Übereignung des Unternehmens im Ganzen bzw. Veräußerung des ganzen Betriebes liegt vor, wenn der Erwerber ein lebendes bzw. lebensfähiges Unternehmen übernimmt; dabei müssen nicht alle zum Unternehmen gehörigen Wirtschaftsgüter übereignet werden, sondern nur jene, welche die wesentliche Grundlage des Unternehmens bilden und den Erwerber in die Lage versetzen, das Unternehmen fortzuführen. Die Frage, welche Wirtschaftsgüter die wesentliche Grundlage des Unternehmens bilden, ist in funktionaler Betrachtungsweise nach dem jeweiligen Betriebstypus zu beantworten (vgl. für viele das hg Erkenntnis vom 15. November 2005, 2004/14/0046).

Bei Gastronomieunternehmen, wie Kaffeehäusern und Konditoreien, zählen zu den wesentlichen Grundlagen des Unternehmens das Grundstück, das Gebäude und die Einrichtung. Demgegenüber sind der Kundenstock, Lieferverträge und das Personal nicht den wesentlichen Unternehmensgrundlagen zuzurechnen und somit für die Frage, ob ein Unternehmensübergang im Sinne des § 14 BAO stattgefunden hat, nicht von Bedeutung. Hinsichtlich der tragenden Unternehmensgrundlagen Lokal und Geschäftseinrichtung muss der Erwerber in der Lage sein, in den vorhandenen Betriebsräumen ohne wesentliche Unterbrechung einen dem vorangegangenen gleichwertigen Gewerbebetrieb fortzuführen (vgl. abermals das hg Erkenntnis vom 15. November 2005 und die dort zitierte Vorjudikatur).

Unter "Übereignung" ist im hier maßgebenden Zusammenhang die Verschaffung der wirtschaftlichen Verfügungsmacht anzusehen. Es kommt nicht auf eine besondere zivilrechtliche Gestaltung an (vgl. Stoll, BAO, Kommentar, 164 f). Maßgebend ist somit der Übergang der wirtschaftlichen Verfügungsmacht vom Vorgänger auf den Erwerber. Ein solcher Übergang liegt auch dann vor, wenn der Erwerber des Unternehmens mit dem Bestandgeber der Geschäftsräumlichkeiten einen neuen Mietvertrag abschließt. Wurde die wirtschaftliche Verfügungsmacht über das Lokal verschafft und kann der Erwerber den Betrieb des Vormieters in diesen Geschäftsräumen und mit dem gekauften Inventar fortführen, dann kann von einer Übereignung des Unternehmens ausgegangen werden (vgl. abermals das zitierte Erkenntnis vom 15. November 2005).

Im gegenständlichen Fall ist die belangte Behörde insbesondere im Hinblick auf die Höhe des Kaufpreises und den Umstand, dass der Beschwerdeführer nur drei Wochen nach Übereignung der Lokaleinrichtung den Betrieb in den gleichen Räumlichkeiten eröffnet hat, den Angaben der Ingrid H. gefolgt, dass ein "gebrauchsfähiges Lokal" erworben worden sei. Der Beschwerdeführer wendet dagegen lediglich ein, dass gerade im Gastronomiebereich bei einer Schließung von drei Wochen nicht von einer unwesentlichen Unterbrechung gesprochen werden könne. Er zeigt aber nicht auf, welche entscheidungswesentlichen Umstände in diesen Zeitraum gefallen oder welche entscheidenden Maßnahmen in diesem Zeitraum vom Beschwerdeführer getroffen worden wären. Den Berufungseinwendungen des Beschwerdeführers, er habe konkret angeführte Betriebsgegenstände, die für die Führung eines Gastgewerbebetriebes unbedingt erforderlich seien, nicht (in gebrauchsfähigem Zustand) mitübernommen, hat die belangte Behörde in nicht zu beanstandender Weise im Wesentlichen entgegengehalten, dass eine Musikanlage für einen gastgewerblichen Betrieb nicht unbedingt notwendig sei, die (unbestritten nicht miterworbenen) Kühleinrichtungen ebenso wie der Ingrid H. auch dem Beschwerdeführer von der Vertragsbrauerei zur Verfügung gestellt worden seien, und ein Gläserspüler erst zwei Monate nach Betriebseröffnung angeschafft worden sei, woraus zu schließen sei, dass das Lokal auch ohne ein solches Gerät zu führen sei. Hinsichtlich des in der Beschwerde diesbezüglich erstmals erwähnten Pizzaofens ist abgesehen davon, dass dessen Erwähnung im Hinblick auf das im verwaltungsgerichtlichen Verfahren geltende Neuerungsverbot unbeachtlich ist, nicht zu erkennen, inwiefern ein Pizzaofen ein wesentlicher Betriebsgegenstand eines Cafes wäre. Auch der Beurteilung der belangten Behörde, die vom Beschwerdeführer in das Betriebsvermögen eingebrachte Kaffeemaschine im Wert von rund S 12.000,-- sei zwar eine für einen Gastgewerbebetrieb wichtige Geschäftsausstattung, im Vergleich zum Wert des übernommenen Inventar aber zu vernachlässigen, kann nicht als unschlüssig entgegengetreten werden.

Soweit der Beschwerdeführer auch eine Verletzung von Verfahrensvorschriften dahin rügt, dass von der belangten Behörde der Grundsatz der Wahrung des rechtlichen Gehörs verletzt worden sei, "da Aussagen Dritter dem Beschwerdeführer nicht zur Klärung vorgelegt" worden seien, ist nicht zu erkennen, auf welche "Aussagen Dritter" sich der Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang bezieht und worin somit die Relevanz des behaupteten Verfahrensfehlers gelegen wäre.

Unberechtigt ist die Rüge des dem angefochtenen Bescheides anhaftenden Begründungsmangels, die belangte Behörde sei auf den Umstand, dass vom Beschwerdeführer weder ein Warenlager noch Personal übernommen worden sei, nicht eingegangen. Zutreffend hat der Beschwerdeführer in seiner Berufung die oben angeführte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes wiedergegeben, wonach zu den wesentlichen Grundlagen des Unternehmens bei Gastronomiebetrieben das Grundstück, das Gebäude und die Einrichtung zählen. Es ist daher nicht zu beanstanden, wenn sich die belangte Behörde mit der Frage, ob allenfalls ein Warenlager oder Personal übernommen worden sei, nicht beschäftigt hat.

Die Beschwerde erweist sich somit als unbegründet und war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am 26. März 2007

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