VwGH 2002/11/0092

VwGH2002/11/009221.1.2003

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldner und die Hofräte Dr. Graf, Dr. Gall, Dr. Pallitsch und Dr. Schick als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Runge, über die Beschwerde des Dr. B in W, vertreten durch Dr. Friedrich H. Knöbl, Rechtsanwalt in 1120 Wien, Meidlinger Hauptstraße 28, gegen den Bescheid des Vorstandes der Ärztekammer für Wien vom 9. April 2002, ohne Zahl, betreffend Kammerumlage für die Jahre 1975 bis 1990, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §66 Abs1;
AVG §66 Abs2;
AVG §66 Abs1;
AVG §66 Abs2;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Die Ärztekammer für Wien hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.088,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Zur Vorgeschichte des Beschwerdefalles wird auf das hg. Erkenntnis vom 26. Februar 2002, Zl. 2001/11/0205, hingewiesen. Mit diesem Erkenntnis wurde der im Instanzenzug ergangene Bescheid der belangten Behörde vom 11. Februar 1998, soweit mit ihm der Sache nach der Antrag des Beschwerdeführers vom 5. Dezember 1996 auf Festsetzung der Kammerumlage für die Jahre 1975 bis 1990 (wegen Verjährung) abgewiesen worden war, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Mit (Ersatz-)Bescheid vom 9. April 2002 hob die belangte Behörde den Bescheid des Präsidenten der Ärztekammer für Wien vom 4. Juni 1997 auf und verwies die Angelegenheit gemäß § 66 Abs. 2 AVG zur "ergänzenden Sachverhaltsdarstellung" und neuerlichen Entscheidung an den Präsidenten der Ärztekammer für Wien als erste Instanz zurück. In der Begründung führte die belangte Behörde aus, "da im fortgesetzten Verfahren umfangreiche Sachverhaltsfeststellungen notwendig sind, wird aus Gründen der Verwaltungsökonomie der Präsident der Ärztekammer für Wien als erste Instanz mit der neuerlichen Entscheidung betraut".

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde beantragt in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Beschwerdeführer hat dazu gemäß § 36 Abs. 8 zweiter Satz

VwGG eine schriftliche Äußerung erstattet.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

§ 66 Abs. 1 und 2 AVG lautet:

§ 66. (1) Notwendige Ergänzungen des Ermittlungsverfahrens

hat die Berufungsbehörde durch eine im Instanzenzug untergeordnete Behörde durchführen zu lassen oder selbst vorzunehmen.

(2) Ist der der Berufungsbehörde vorliegende Sachverhalt so mangelhaft, dass die Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung unvermeidlich erscheint, so kann die Berufungsbehörde den angefochtenen Bescheid beheben und die Angelegenheit zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an eine im Instanzenzug untergeordnete Behörde zurückverweisen."

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 66 Abs. 2 AVG ist eine Behebung des angefochtenen Bescheides und Zurückverweisung der Angelegenheit an eine im Instanzenzug untergeordnete Behörde nur dann zulässig, wenn die Durchführung einer mündlichen Verhandlung unvermeidlich scheint. In allen anderen Fällen hat die Berufungsbehörde immer in der Sache selbst zu entscheiden und die dafür notwendigen Ergänzungen des Ermittlungsverfahrens entweder gemäß § 66 Abs. 1 AVG durch eine im Instanzenzug untergeordnete Behörde durchführen zu lassen oder selbst vorzunehmen (siehe dazu die bei Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze I2 (1998) unter E. Nr. 355 bis 361 zu § 66 AVG zitierte Rechtsprechung). Die Notwendigkeit umfangreicher Beweisaufnahmen oder umfangreicher Berechnungen machen die Zurückverweisung nicht zulässig (vgl. dazu die bei Walter/Thienel, a.a.O., unter E. Nr. 375 zu § 66 AVG zitierte Rechtsprechung).

Warum im Beschwerdefall die Durchführung einer mündlichen Verhandlung unvermeidlich sein soll, wird im angefochtenen Bescheid nicht begründet und ist auch nach der Aktenlage für den Verwaltungsgerichtshof nicht erkennbar. Die belangte Behörde hat die Zurückverweisung nach § 66 Abs. 2 AVG allein mit der Notwendigkeit umfangreicher Sachverhaltsfeststellungen begründet. Sie hat damit die zuvor dargestellte Rechtslage verkannt und ihren Bescheid mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet.

Soweit sich die belangte Behörde in der Gegenschrift auf das hg. Erkenntnis vom 28. Juni 1992, Zl. 90/18/0255, beruft, ist ihr zu erwidern, dass sich der diesem Erkenntnis zu Grunde liegende Sachverhalt insofern grundlegend vom vorliegenden Beschwerdefall unterscheidet, als dort der Beschwerdeausschuss des Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Wien als Berufungsbehörde erstmals Beitragsrückstände festgestellt und Beiträge zum Wohlfahrtsfonds vorgeschrieben hat, ohne dass eine entsprechende Entscheidung der Erstbehörde (des Verwaltungsausschusses des Wohlfahrtsfonds) vorgelegen war; deshalb wurden auch die diesbezüglichen Absprüche wegen Unzuständigkeit des Beschwerdeausschusses des Wohlfahrtsfonds aufgehoben. Im vorliegenden Fall hat hingegen die Erstbehörde (der Präsident der Ärztekammer für Wien) den Antrag des Beschwerdeführers wegen Verjährung der Sache nach abgewiesen (siehe dazu die Ausführungen auf Seite 4 des eingangs genannten Erkenntnisses vom 26. Februar 2002), sodass die belangte Behörde auf Grund des vom Beschwerdeführer erhobenen Rechtsmittels zur Entscheidung über seinen Antrag funktionell zuständig ist. Eine Berechtigung zum Vorgehen gemäß § 66 Abs. 2 AVG ist somit aus dem von der belangten Behörde genannten Erkenntnis vom 28. Juni 1991 nicht abzuleiten.

Aus den genannten Erwägungen war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001.

Wien, am 21. Jänner 2003

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