VwGH 2002/10/0242

VwGH2002/10/024219.12.2005

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Novak und Dr. Mizner als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Hofer, über die Beschwerde des M S in O, vertreten durch Onz Onz Kraemmer Hüttler Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Schwarzenbergplatz 16, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates im Land Niederösterreich vom 20. November 2002, Zl. Senat-AM-01/0079, betreffend Übertretung des Niederösterreichischen Naturschutzgesetzes 2000, zu Recht erkannt:

Normen

NatSchG NÖ 2000 §36 Abs1 Z6;
NatSchG NÖ 2000 §7 Abs1 Z4;
VwGG §42 Abs2 Z1;
NatSchG NÖ 2000 §36 Abs1 Z6;
NatSchG NÖ 2000 §7 Abs1 Z4;
VwGG §42 Abs2 Z1;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Niederösterreich hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid vom 20. November 2002 wurde dem Beschwerdeführer zur Last gelegt, er habe im Zeitraum vom 20. April 2001 bis 23. April 2001 auf dem Grundstück Nr. 794/I der KG O. außerhalb vom Ortsbereich eine Abgrabung vorgenommen, welche sich auf eine Fläche von mehr als 1000 m2, nämlich rund 1.500 m2, erstrecke und durch die eine Änderung des bisherigen Niveaus um mehr als einen Meter erfolgt sei (bereichsweise bis zu 2 Meter), ohne die hiefür gemäß § 7 Abs. 1 Z. 4 des Niederösterreichischen Naturschutzgesetzes 2000, LGBl. 5500-0 (NÖ NSchG 2000), notwendige naturschutzrechtliche Bewilligung erwirkt zu haben.

Als Übertretungs- bzw. Strafnormen wurden § 36 Abs. 1 Z. 6 in Verbindung mit § 7 Abs. 1 Z. 4 sowie § 36 Abs. 1 Einleitungssatz NÖ NSchG 2000 genannt.

Über den Beschwerdeführer wurde eine Geldstrafe in Höhe von EUR 1.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe in der Dauer von 2 Tagen) verhängt.

Nach der Begründung - soweit für den vorliegenden Beschwerdefall von Bedeutung - habe der Beschwerdeführer nicht bestritten, eine Abgrabung vorgenommen zu haben. Ebenso wenig sei der Umstand bestritten worden, dass es sich dabei um eine Fläche von mehr als 1.000 m2 gehandelt habe. Nach Auffassung des Beschwerdeführers würden jedoch für das Vorliegen des Tatbestandsmerkmales - Änderung des Niveaus um mehr als einen Meter - im Bescheid der Behörde erster Instanz die erforderlichen Feststellungen fehlen. Es sei nur ausgeführt worden, dass die Abgrabungen "bereichsweise bis 2 Meter unter der Geländeoberkante gereicht" hätten. Einzelne Vertiefungen über einen Meter hinaus würden zur Begründung des Bewilligungstatbestandes des § 7 Abs. 1 Z. 4 NÖ NSchG 2000 nicht ausreichen, da gesetzlich gefordert sei, dass die Abgrabung auf insgesamt mehr als 1.000 m2 über einen Meter hinaus reiche; dies sei allerdings nicht der Fall gewesen.

Die belangte Behörde - so heißt es in der Begründung des angefochtenen Bescheides weiter - habe am 7. November 2002 eine öffentliche mündliche Verhandlung durchgeführt, in der der Beschwerdeführer unter anderem angegeben habe, die Fläche, welche von den Entnahmearbeiten betroffen gewesen sei, habe ein Ausmaß von rund 1.500 m2 gehabt. Die Abbaufläche sei vor Beginn der Arbeiten wellig gewesen. Die Höhe der Wellen habe rund 1/2 Meter bis 1 Meter betragen. Die Wellen seien durch das Anschwemmen von Schotter und Sand durch die benachbarte Ybbs entstanden. Im Zuge der Arbeiten sei vorerst der Humus abgeschoben und für spätere Verwendung gelagert worden. Anschließend sei die Schotterentnahme erfolgt, wobei der Schotter dazu verwendet worden sei, das Grundstück einzuebnen. Das dabei überzählige Schottermaterial sei für den Bau einer Forststraße verwendet worden. Die Entnahme habe rund 1.500 m3 an verwertbarem Schottermaterial betragen.

Der Zeuge Ing. Franz K. habe im Rahmen der mündlichen Verhandlung angegeben, dass die Bodenwellen nach seiner Erinnerung nach tatsächlich eine Höhe von rund 1/2 Meter bis 1 Meter aufgewiesen hätten. Die Abbaufläche habe nach seiner damaligen Schätzung ca. 1.500 m2 betragen. Nach einer sehr groben Schätzung könnte auf einer Fläche von rund 500 m2 tiefer als 1 Meter abgebaggert worden sein.

Der Amtssachverständige für Wasserbautechnik habe unter anderem angegeben, dass der Bereich, wo nach seiner damaligen Schätzung bis zu 2 Meter unter der Geländeoberkante abgebaut gewesen sei, jedenfalls nicht den gesamten Bereich der Erdarbeiten betroffen habe. Vereinzelt seien tiefere Stellen im Umfang von rund 15 bis 20 m2 vorhanden gewesen. Eine Vermessung habe jedoch nicht stattgefunden.

Nach Auffassung der belangten Behörde stehe auf Grund des durchgeführten Verfahrens fest, dass im Auftrag des Beschwerdeführers im Zeitraum vom 20. April 2001 bis 23. April 2001 auf dem genannten Grundstück Abgrabungen stattgefunden hätten. Diese hätten sich auf eine Fläche von rund

1.500 m2 erstreckt. Durch die Abgrabungen sei zumindest teilweise eine Änderung des Niveaus um mehr als einen Meter erfolgt. Auf einer Fläche von ca. 500 m2 sei eine Tiefe von ca. 2 Meter erreicht worden. Aus den Angaben des Beschwerdeführers über die entnommenen bzw. abgeschobenen Materialien ergebe sich in Verbindung mit der außer Streit stehenden Abbaufläche von 1.500 m2 zwingend, dass die Abgrabungen jedenfalls mehr als einen Meter unter der Geländeoberkante erfolgt seien. Wenngleich mangels Vermessung nicht einwandfrei festgestellt werden könne, auf welchen Teilflächen jedenfalls tiefer als 1 Meter abgegraben worden sei, so ergebe sich jedoch zweifelsfrei, dass entweder auf den angeführten Teilflächen wesentlich tiefer als 1 Meter abgegraben worden sei, oder dass die Abgrabungen auf der gesamten Fläche eine Ausmaß von mehr als 1 Meter erreicht hätten.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsstrafakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wird.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Nach § 7 Abs. 1 Z. 4 NÖ NSchG 2000 bedürfen außerhalb vom Ortsbereich, das ist ein baulich oder funktional zusammenhängender Teil eines Siedlungsgebietes (z.B. Wohnsiedlungen, Industrie- oder Gewerbeparks), der Bewilligung durch die Behörde Abgrabungen oder Anschüttungen, die nicht im Zuge anderer nach diesem Gesetz bewilligungspflichtiger Vorhaben stattfinden, sofern sie außer bei Hohlwegen sich auf eine Fläche von mehr als 1.000 m2 erstrecken und durch die eine Änderung des bisherigen Niveaus um mehr als einen Meter erfolgt.

Nach § 36 Abs. 1 Z. 6 NÖ NSchG 2000 begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe bis zu EUR 14.500,--, im Falle der Uneinbringlichkeit mit einer Ersatzfreiheitsstrafe bis zu sechs Wochen, zu bestrafen, wer ohne Bewilligung der Behörde Abgrabungen oder Anschüttungen gemäß § 7 Abs. 1 Z. 4 vornimmt.

Dem angefochtenen Bescheid liegt im Wesentlichen die Auffassung zu Grunde, dass bereits dann, wenn lediglich in einem Teilbereich (im Beschwerdefall: "von rund 500 m2") einer Fläche von mehr als 1000 m2 eine Änderung des Niveaus um mehr als einen Meter erfolgt, eine Bewilligung nach § 7 Abs. 1 Z. 4 NÖ NSchG 2000 erforderlich ist. Mangels einer solchen Bewilligung liege daher ein Verstoß gegen § 36 Abs. 1 Z. 6 NÖ NSchG 2000 vor.

Diese Auffassung widerspricht allerdings dem Wortlaut des § 7 Abs. 1 Z. 4 leg. cit., da sich die Abgrabungen oder Anschüttungen -

abgesehen von im Beschwerdefall unbestritten gegebenen Voraussetzungen - auf eine Fläche von mehr als 1.000 m2 erstrecken müssen und (Hervorhebung nicht im Original) durch die eine Änderung des bisherigen Niveaus um mehr als einen Meter erfolgt. Die im Gesetz umschriebene Niveauveränderung muss daher - worauf der Beschwerdeführer zutreffend verweist - auf der gesamten Fläche von mehr als 1.000 m2 gegeben sein.

Da die belangte Behörde dies verkannt hat, belastete sie ihren Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes, weshalb dieser schon deshalb gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war, ohne dass auf das weitere Beschwerdevorbringen einzugehen war.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003.

Wien, am 19. Dezember 2005

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