Normen
AVG §42 Abs1 idF 1998/I/158;
AVG §8;
UmweltschutzG Stmk 1988 §6 Abs2 idF 1999/015;
AVG §42 Abs1 idF 1998/I/158;
AVG §8;
UmweltschutzG Stmk 1988 §6 Abs2 idF 1999/015;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Begründung
Mit Eingabe vom 29. Juni 2001 beantragte die S. GmbH bei der Bezirkshauptmannschaft Hartberg die Erteilung einer naturschutzbehördlichen Bewilligung für Errichtung und Betrieb einer Fernwärmeversorgungsanlage. Die Bezirkshauptmannschaft beraumte für den 26. Juli eine mündliche Verhandlung (Augenscheinsverhandlung) an. Dies wurde unter Hinweis auf § 42 AVG am 10 Juli 2001 durch Anschlag an der Amtstafel der Gemeinde kundgemacht. Dem beschwerdeführenden Umweltanwalt wurde eine persönliche Verständigung von der Verhandlung zugestellt. Am 24. Juli 2001 teilte der Umweltanwalt mittels Fax mit, dass eine Teilnahme an der Verhandlung wegen Personalmangels nicht möglich sei. Unter Hinweis auf § 2 Abs. 1 Steiermärkisches Naturschutzgesetz beantragte er, zu den wesentlichen Vorgaben ein Sachverständigengutachten einzuholen, und die Verhandlungsschrift zu übermitteln. Am 26. Juli 2001 fand die Verhandlung in Abwesenheit des beschwerdeführenden Umweltanwaltes statt. Die Verhandlungsschrift wurde diesem am 2. August 2001 übermittelt. Am 14. August 2001 wurde dem Umweltanwalt der Bescheid der Bezirkshauptmannschaft vom 6. August 2001 zugestellt, mit dem der S. GmbH die naturschutzbehördliche Bewilligung für die Fernwärmeversorgungsanlage gemäß §§ 2, 6, 21 Steiermärkisches Naturschutzgesetz erteilt wurde. Gegen diesen Bescheid erhob der Umweltanwalt am 27. August 2001 Berufung. Er rügte unter anderem, er sei im Verfahren als Partei übergangen worden, weil ihm der Bescheid zugestellt worden sei, bevor er eine detaillierte Stellungnahme habe abgeben können. Im Hinblick auf § 14 Abs. 7 AVG sei er von einer Frist von 14 Tagen ausgegangen.
Mit dem angefochtenen Bescheid wurde die Berufung "mangels Parteistellung" zurückgewiesen. Begründend vertrat die belangte Behörde nach Darlegung des Verfahrensganges und Hinweisen auf § 6 Abs. 2 des Gesetzes über Einrichtungen zum Schutz der Umwelt, LGBl. Nr. 78/1988 idF LGBl. Nr. 15/1999, und § 42 AVG idF BGBl. I Nr. 158/1998, die Auffassung, der Umweltanwalt habe mangels Erhebung von Einwendungen im Sinne des § 42 Abs. 1 AVG seine Parteistellung verloren. Der Umweltanwalt hätte in der mündlichen Verhandlung Einwendungen durch einen Vertreter vorbringen müssen. Es sei aufgrund der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht möglich, sich vor der Verhandlung in einem Fax Einwendungen zu einem späteren Zeitpunkt vorzubehalten. Der Umweltanwalt habe auch Gründe für eine "Wiedereinsetzung" im Sinne des § 42 Abs. 3 AVG nicht geltend gemacht.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die Beschwerde des Umweltanwaltes, die Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend macht.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der beantragt wird, der Beschwerde nicht Folge zu geben.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Der angefochtene Bescheid beruht auf der Auffassung, der beschwerdeführende Umweltanwalt habe mangels Erhebung von Einwendungen im Sinne des § 42 Abs. 1 AVG seine Stellung als Partei verloren.
§ 42 Abs. 1 erster Satz AVG in der im Beschwerdefall anzuwendenden Fassung der Verwaltungsverfahrens-Novellen 1998, BGBl. I Nr. 158/1998, lautet:
"Wurde eine mündliche Verhandlung gemäß § 41 Abs. 1 zweiter Satz und in einer in den Verwaltungsvorschriften vorgesehenen besonderen Form kundgemacht, so hat dies zur Folge, dass eine Person ihre Stellung als Partei verliert, soweit sie nicht spätestens am Tag vor Beginn der Verhandlung bei der Behörde oder während der Verhandlung Einwendungen erhebt."
Auszugehen ist im vorliegenden Zusammenhang zunächst vom Begriff der "Einwendungen" im Sinne der zitierten Vorschrift. Darunter ist nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. z.B. Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze I2, § 42 AVG, E 29 bis 41; Hauer/Leukauf, Verwaltungsverfahren6, § 42 AVG, E 1 bis 10) ein Vorbringen zu verstehen, das die Behauptung der Verletzung eines subjektiven Rechts durch das den Gegenstand des Verfahrens bildende Vorhaben zum Gegenstand hat.
Der Verlust der Parteistellung durch Präklusion im Sinne des § 42 Abs. 1 AVG trifft somit denjenigen, der die gehörige Geltendmachung der ihm durch die Rechtsordnung eingeräumten subjektiven Rechte unterlässt. Sie setzt voraus, dass dem Betreffenden eine Parteistellung kraft subjektiver Rechte eingeräumt war.
Der beschwerdeführende Umweltanwalt ist eine durch Gesetz (§ 6 des Gesetzes vom 21. Juni 1988 über Einrichtungen zum Schutze der Umwelt, LGBl. Nr. 78/1988, hier idF LGBl. Nr. 15/1999) "zur Wahrung der Interessen des Umweltschutzes in Vollziehungsbereich des Landes" geschaffene Einrichtung. Nach § 6 Abs. 2 erster Satz leg. cit. hat er im behördlichen Verfahren im Vollziehungsbereich des Landes, die auch eine Vermeidung einer erheblichen und dauernden Beeinträchtigung von Menschen und der Umwelt zum Gegenstand haben, Parteistellung im Sinne des § 8 AVG 1950 sowie das Recht, gegen den das Verfahren abschließenden Bescheid Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof zu erheben.
Der Verwaltungsgerichtshof vertritt dazu in ständiger Rechtsprechung die Auffassung, dass dem (Steiermärkischen) Umweltanwalt keine aus den materiell-rechtlichen Vorschriften abgeleiteten Rechte zukommen. Er übt nur formal "Rechte" aus, inhaltlich nimmt er "Kompetenzen" wahr (vgl. z.B. das Erkenntnis vom 21. März 2001, Zl. 98/10/0376, mwN).
Im Zusammenhang mit Amts- oder Organparteien hat der Verwaltungsgerichtshof mehrfach ausgesprochen, dass deren Aufgabe nicht die Vertretung eigener subjektiver Rechte in Verwaltungsverfahren ist, sondern die Wahrung der objektiven Rechtmäßigkeit des das Verfahren abschließenden Bescheides bzw. die Wahrnehmung bestimmter öffentlicher Interessen in diesem Zusammenhang (vgl. z.B. die Erkenntnisse vom 21. November 2001, Zl. 2001/08/0150, und vom 30. Juni 1999, Zl. 97/04/0230).
Gründet sich aber die Parteistellung - wie hier - nicht auf die Einräumung subjektiver Rechte, sondern auf ausdrückliche gesetzliche Anordnung, kommt die Erhebung von Einwendungen im Sinne des § 42 Abs. 1 AVG begrifflich nicht in Betracht. Organparteien sind von der Präklusionsregelung daher nicht erfasst (vgl. ebenso Hengstschläger, Verlust der Parteistellung - auch des "Übergangenen" - gemäß § 42 AVG, ÖJZ 2000, 790; derselbe, Verwaltungsverfahrensrecht, Rz 334; Ph. Pallitsch, Die Präklusion im Verwaltungsverfahren, 93; Thienel, Verwaltungsverfahrensrecht, 151; Walter/Thienel, Die Verwaltungsverfahrensnovellen 1998, 29; Wiederin, die Neuregelung der Präklusion in: Schwarzer (Hg.), Das neue Anlagenverfahrensrecht, 36).
Die belangte Behörde ist somit zu Unrecht davon ausgegangen, dass der beschwerdeführende Umweltanwalt seine Parteistellung mangels Erhebung von Einwendungen im Sinne des § 42 Abs. 1 AVG verloren hätte. Der angefochtene Bescheid war daher wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
Die im Schrifttum mehrfach angesprochene Problematik der Zuschreibung "subjektiver Rechte" an Organparteien durch den Gesetzgeber (vgl. Hengstschläger, Verlust, aaO; Ph. Pallitsch, aaO mwH in FN 365 - 368; Wiederin, aaO mwH in FN 83; vgl. dazu auch das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 16. Juni 2004, G 4/04 u.a.) war hier schon deshalb nicht zu erörtern, weil der Landesgesetzgeber davon abgesehen hat, die dem Umweltanwalt durch das Gesetz (vgl. § 6 Abs. 2 des Gesetzes über Einrichtungen zum Schutz der Umwelt) übertragenen Aufgaben als "subjektive Rechte" zu bezeichnen.
Wien, am 14. September 2004
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