Normen
AVG §18 Abs3;
AVG §56;
AVG §62 Abs1;
AVG §62 Abs3;
VwRallg;
ZustG §23;
ZustG §25 Abs1 erster Satz;
ZustG §8 Abs1;
ZustG §8 Abs2;
AVG §18 Abs3;
AVG §56;
AVG §62 Abs1;
AVG §62 Abs3;
VwRallg;
ZustG §23;
ZustG §25 Abs1 erster Satz;
ZustG §8 Abs1;
ZustG §8 Abs2;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund (Bundesminister für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz) hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 908,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse teilte der belangten Behörde in einem Begleitschreiben zur Vorlage ihrer Akten anlässlich der Erhebung des mit dem angefochtenen Bescheid zurückgewiesenen Einspruches als "kurze Zusammenfassung des Sachverhaltes" folgende - dem von der belangten Behörde dem Verwaltungsgerichtshof unvollständig vorgelegten Akt nur teilweise zu entnehmenden, jedoch unbestrittenen - Fakten mit:
"1. Einleitung des Ermittlungsverfahrens gem. § 67 Abs. 10 ASVG mit Schreiben der Kasse vom 15.9.1994.
2. Schreiben der Kasse vom 5.10.1994, womit der Geschäftsführer (Beschwerdeführer) abermals aufgefordert wurde, den Entlastungsnachweis zu erbringen.
3. Rückäußerung des (Beschwerdeführers), eingelangt am 14.10.1994; es erfolgten Einwände gegen die Richtigkeit der Beiträge.
4. Schreiben der Kasse vom 27.11.1996, womit dem (Beschwerdeführer) mitgeteilt wurde, dass die von ihm erhobenen Einwendungen gegen die Richtigkeit der Versicherungsanmeldungen nach erfolgter Überprüfung nicht zu Recht bestünden.
5. Am 27.12.1996 erfolgt die Bescheiderstellung gem. § 67 Abs. 10 ASVG mit einer Haftungssumme von S 203.337,24.
6. Eine Zustellung des Bescheides mittels RSa konnte nicht erfolgen. Der Bescheid wurde mit postalischem Vermerk 'laut Nachsendungsvormerk postlagernd 8017, unzustellbar' an die Kasse retourniert.
7. Auf Grund einer am 14.1.1997 durchgeführten Meldeanfrage bei der Bundespolizeidirektion Graz wurde der Kasse mitgeteilt, dass der (Beschwerdeführer) 'unbekannt wohin' verzogen sei.
8. Am 3.2.1997 erfolgte die öffentliche Bekanntmachung gem. § 25 Zustellgesetz und ist der Bescheid letztlich am 24.3.1997 in Rechtskraft erwachsen.
9. Mit Exekutionsantrag von 27.11.2000 wurde zur Hereinbringung der Haftungssumme von S 203.337,24 eine Fahrnisexekution beim Bezirksgericht Graz eingeleitet. Der letzte Antrag auf Neuvollzug datiert vom 30.8.2001.
Mit Telefonat vom 7.9.2001 kontaktierte der (Beschwerdeführervertreter) die Kasse und erkundigte sich über den Grund eines gegen den (Beschwerdeführer) laufenden Exekutionsverfahrens. Dem (Beschwerdeführervertreter) wurde ausdrücklich mitgeteilt, dass ein Exekutionsverfahren auf Grund eines am 24.3.1997 in Rechtskraft erwachsenen Haftungsbescheides eingeleitet worden ist. Auf Ersuchen hin wurde per Telefax vom gleichen Tage (7.9.2001) der Kanzlei der bezugnehmende Bescheid vom 27.12.1996 zur Verfügung gestellt, wobei dieser ausdrücklich als 'Abschrift' gekennzeichnet wurde. Überdies war auf Seite 4 des Bescheides die Rechtskraft- bzw. Vollstreckbarkeitsbestätigung vom 24.3.1997 angebracht."
Dem angefochtenen Bescheid zufolge - und im Übrigen unbestritten - hat die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse mit Bescheid vom 27. Dezember 1996 festgestellt, dass der Beschwerdeführer als ehemaliger Geschäftsführer der T. GmbH gemäß § 67 Abs. 10 ASVG für Beitragsrückstände hafte und zur Zahlung von insgesamt S 203.337,24 verpflichtet sei.
Den gegen diesen Bescheid erhobenen Einspruch hat die belangte Behörde mit dem angefochtenen Bescheid als verspätet zurückgewiesen. In der Begründung führte sie aus, die Zustellung des Bescheides der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse sei am 3. Februar 1997 durch öffentliche Bekanntmachung gemäß § 25 Zustellgesetz (ZustG) erfolgt; der Bescheid sei am 24. März 1997 "in Rechtskraft erwachsen". Gegen diesen Bescheid habe der Beschwerdeführer durch seinen ausgewiesenen Vertreter am 10. September 2001 Einspruch erhoben. Dem sei vorausgegangen, dass der Beschwerdeführervertreter die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse am 7. September 2001 telefonisch kontaktiert und sich nach dem Grund eines gegen den Beschwerdeführer eingeleiteten Exekutionsverfahrens erkundigt habe. Dem Beschwerdeführervertreter sei vom Haftungsbescheid Mitteilung gemacht worden; auf dessen Ersuchen sei dieser Bescheid per Telefax am selben Tag "zur Verfügung gestellt" worden, wobei der Bescheid ausdrücklich als "Abschrift" gekennzeichnet worden sei. Auf Seite 4 des Bescheides sei außerdem die Rechtskraft- bzw. Vollstreckbarkeitsbestätigung vom 24. März 1997 angebracht gewesen. Aus den Aktenunterlagen gehe hervor, dass die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse die Zustellung gemäß § 25 ZustG gewählt habe, nachdem der Beschwerdeführer nach Auskunft der Bundespolizeidirektion Graz vom 16. Jänner 1997 "unbekannt verzogen" sei. Nicht geteilt werden könne die vom Beschwerdeführer vertretene Ansicht, eine wirksame Zustellung sei erst auf Grund des mittels Telefax an den Beschwerdeführervertreter übermittelten Bescheides erfolgt. Bei der informativen Übermittlung eines bereits rechtskräftigen Bescheides handle es sich lediglich um eine Erledigung ohne neuerlichen Bescheidwillen. Mit einem entsprechenden Vermerk der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse sei zum Ausdruck gebracht worden, dass es sich nicht um einen Bescheid handle, der noch durch ein Rechtsmittel anfechtbar wäre. Die Frage einer allfälligen Unzulässigkeit oder Unwirksamkeit der gewählten Zustellform (nach § 25 ZustG) wäre aber erst im Rahmen eines mit einem Wiedereinsetzungsantrag gleichzeitig zu erhebenden Einspruches (als Nachholen der versäumten Handlung) zu klären gewesen. Das allenfalls zur Verfügung stehende Rechtsmittel der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand sei aber vom Beschwerdeführer nicht ergriffen worden.
In der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde macht der Beschwerdeführer Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend und führt aus, die Zustellung des Bescheides der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse vom 27. Dezember 1996 an den Beschwerdeführer gemäß § 25 Abs. 1 ZustG sei unwirksam gewesen, die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse hätte die Zustellung gemäß § 8 Abs. 2 ZustG anordnen müssen. Der Beschwerdeführer habe auf Grund der der Bescheiderlassung vorangegangenen Korrespondenz Kenntnis von der Einleitung des Verfahrens gehabt; die Abgabestelle sei der Behörde daher nicht unbekannt gewesen, sondern habe sich während des Verfahrens geändert. Erst durch die Übermittlung des erstinstanzlichen Bescheides mittels Telefax an den Beschwerdeführervertreter am 7. September 2001 sei der Bescheid wirksam zugestellt worden; der innerhalb der 14-tägigen Frist erhobene Einspruch sei daher rechtzeitig erhoben worden.
In ihrer Gegenschrift, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wird, hält die belangte Behörde der in der Beschwerde zur Zustellung des erstinstanzlichen Bescheides vertretenen Rechtsansicht den schon im angefochtenen Bescheid vertretenen Standpunkt entgegen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem nach § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Die genannten Bestimmungen des Zustellgesetzes lauten
auzugsweise:
"Änderung der Abgabestelle
§ 8. (1) Eine Partei, die während eines Verfahrens, von dem sie Kenntnis hat, ihre bisherige Abgabestelle ändert, hat dies der Behörde unverzüglich mitzuteilen.
(2) Wird diese Mitteilung unterlassen, so ist, soweit die Verfahrensvorschriften nicht anderes vorsehen, die Zustellung durch Hinterlegung ohne vorausgehenden Zustellversuch vorzunehmen, falls eine Abgabestelle nicht ohne Schwierigkeiten festgestellt werden kann.
Hinterlegung ohne Zustellversuch
§ 23. (1) Hat die Behörde auf Grund einer gesetzlichen Vorschrift angeordnet, dass eine Sendung ohne vorhergehenden Zustellversuch zu hinterlegen ist, so ist diese sofort beim Postamt, beim Gemeindeamt oder bei der Behörde selbst zur Abholung bereitzuhalten.
...
Zustellung durch öffentliche Bekanntmachung
§ 25. (1) Zustellungen an Personen, deren Abgabestelle unbekannt ist, oder an eine Mehrheit von Personen, die der Behörde nicht bekannt sind, können, wenn es sich nicht um ein Strafverfahren handelt, kein Zustellungsbevollmächtigter bestellt ist und nicht gemäß § 8 vorzugehen ist, durch Anschlag an der Amtstafel, dass ein zuzustellendes Schriftstück bei der Behörde liegt, vorgenommen werden. Findet sich der Empfänger zur Empfangnahme des Schriftstückes (§ 24) nicht ein, so gilt, wenn gesetzlich nicht anderes bestimmt ist, die Zustellung als bewirkt, wenn seit dem Anschlag an der Amtstafel der Behörde zwei Wochen verstrichen sind.
(2) Die Behörde kann die öffentliche Bekanntmachung in anderer geeigneter Weise ergänzen."
Eine Partei hat dann im Sinne des § 8 Abs. 1 ZustG Kenntnis von einem Verfahren, wenn sie durch eigene Prozesshandlungen (z.B. Antragstellung) oder durch Amtshandlungen (z.B. Zustellung einer Ladung) tatsächlich vom Verfahren wusste (vgl. Walter/Mayer, Zustellrecht, 44).
Die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse stellte im Zuge des erstinstanzlichen Ermittlungsverfahrens dem Beschwerdeführer Schriftstücke zu, in denen ihm bekannt gegeben wurde, dass er als Geschäftsführer einer näher genannten GmbH gemäß § 67 Abs. 10 ASVG in Anspruch genommen werde. Der Beschwerdeführer hat sich am Ermittlungsverfahren beteiligt und sich unter Anderem gegen die "Richtigkeit der Beiträge" gewandt. Er hatte somit Kenntnis vom Verwaltungsverfahren (§ 8 Abs. 2 ZustG), weshalb er die Änderung seiner Abgabestelle während des Verfahrens der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse hätte mitteilen müssen. Da er diese Mitteilung unterlassen hat und eine Abgabestelle nicht ohne Schwierigkeiten festzustellen war, lagen die Voraussetzungen für eine Zustellung gemäß § 8 Abs. 2 ZustG durch Hinterlegung ohne vorausgehenden Zustellversuch vor. Diese Art der Zustellung geht aber gemäß § 25 Abs. 1 erster Satz ZustG jener "durch Anschlag an der Amtstafel" vor. Die von § 8 Abs. 2 in Verbindung mit § 23 ZustG geforderte Hinterlegung beim Postamt, beim Gemeindeamt oder bei der Behörde kann auch nicht durch eine öffentliche Bekanntmachung gemäß § 25 ZustG ersetzt werden. Es handelt sich nämlich um völlig verschiedene Arten der Zustellung. Damit, dass diese von der Behörde auseinander gehalten werden, kann der Adressat rechnen und daher darauf vertrauen, dass er Nachforschungen über hinterlegte Sendungen lediglich bei den in § 23 ZustG genannten Stellen vornehmen muss (vgl. das Erkenntnis vom 22. Oktober 1991, Zl. 91/14/0156). Die Zustellung des Bescheides der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse vom 27. Dezember 1996 gemäß § 25 ZustellG war demnach nicht wirksam.
Es verbleibt somit zu klären, ob der erstinstanzliche Bescheid am 7. September 2001 durch Übermittlung an den Beschwerdeführervertreter mittels Telefax wirksam zugestellt, somit erlassen worden ist:
Nach der Rechtsprechung ist von einer wirksamen Zustellung auszugehen, wenn einer am Verfahren als Partei beteiligten Person von der Behörde der das Verfahren abschließende Bescheid auf eine im Zustellgesetz vorgesehene Weise übermittelt wird. Diese Rechtswirkungen treten unabhängig davon ein, ob die Behörde mit der Übermittlung des Bescheides eine Zustellung im Rechtssinn beabsichtigte (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 16. Dezember 1992, Zl. 92/02/0209, mit weiteren Judikaturnachweisen).
Selbst wenn also die belangte Behörde im Beschwerdefall von einer wirksamen Zustellung des erstinstanzlichen Bescheides gemäß § 25 Zustellgesetz ausging und auf dem Bescheid den Zusatz "Abschrift" vermerkte, ändert dies nach der zitierten Rechtsprechung nichts an der Wirkung der - zulässigen - Übermittlung des Bescheides mittels Telefax an den zu dessen Empfangnahme berechtigten Beschwerdeführervertreter als Zustellung. Auf diesem Wege ist der Bescheid dem Beschwerdeführer erstmals zugestellt worden. Dessen Einspruch war daher zulässig und rechtzeitig erhoben.
Da die belangte Behörde von der Wirksamkeit der Zustellung gemäß § 25 ZustG ausging und somit den Einspruch als verspätet erachtete, verkannte sie die Rechtslage, weshalb der angefochtene Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben war.
Wegen der sachlichen Abgabenfreiheit (vgl. § 110 ASVG) bestand auch kein Anspruch auf Stempelgebührenersatz.
Wien, am 14. Mai 2003
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)