VwGH 2002/08/0132

VwGH2002/08/013226.1.2005

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bernard und die Hofräte Dr. Müller, Dr. Sulyok, Dr. Strohmayer und Dr. Köller als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Müller, über die Beschwerde des H in W, vertreten durch Dr. Georg Klein, Rechtsanwalt in 1170 Wien, Mariengasse 11, gegen den auf Grund eines Beschlusses des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Wien vom 19. Februar 2002, Zl. LGSW/Abt. 10-AlV/1218/56/2001-7196, betreffend Anspruch auf Arbeitslosengeld, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §39 Abs2;
B-VG Art130 Abs2;
AVG §39 Abs2;
B-VG Art130 Abs2;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund (Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit) Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Am 14. August 2001 stellte der Beschwerdeführer den Antrag auf Gewährung von Arbeitslosengeld.

Mit Bescheid der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice vom 28. August 2001 wurde diesem Antrag gemäß § 7 Abs. 1 Z. 2 i.V.m. § 14 AlVG keine Folge gegeben. In der Begründung wurde ausgeführt, der Beschwerdeführer könne in der gesetzlichen Rahmenfrist keinen Tag arbeitslosenversicherungspflichtiger Beschäftigung bzw. anwartschaftsbegründender Zeit nachweisen.

In seiner Berufung gegen diesen Bescheid führte der Beschwerdeführer aus, er sei von 26. September 1991 bis 7. Juli 1998 bei nur einem Arbeitslosengeldbezug vom 20. Dezember 1996 bis 12. Jänner 1997 ununterbrochen beschäftigt und "dem österreichischen Arbeitsmarkt angehörig gewesen". Mit Bescheid vom 22. Mai 1997 sei über ihn ein Aufenthaltsverbot gemäß § 18 Abs. 1 FrG wegen Eingehens einer Scheinehe verhängt worden. Dieser Bescheid sei mit Berufungsbescheid der zuständigen Sicherheitsdirektion vom 1. August 1997 bestätigt worden. Trotz seines Auftrages habe sein damaliger Rechtsanwalt den Berufungsbescheid unbekämpft gelassen und ihn auch nicht über die Notwendigkeit einer Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof aufgeklärt. Sein Rechtsanwalt habe zudem die Bestimmung des § 114 Abs. 3 FrG übersehen, wonach die bloße Anfechtung bei Erfüllung der formalen Erfordernisse genügt hätte, um den Bescheid außer Kraft zu setzen. Die Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof samt Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung, welcher Folge gegeben worden wäre, hätte sowohl die Schubhaft als auch die Abschiebung verhindert. Stattdessen sei der Beschwerdeführer infolge seiner Unkenntnis auf Grund des inzwischen rechtskräftigen Aufenthaltsverbotes am 23. November 1997 in Schubhaft genommen und in weiterer Folge in die Türkei abgeschoben worden. Auf Grund nicht von ihm verschuldeter Umstände habe der Beschwerdeführer in der Folge keine Niederlassungsbewilligung erhalten und sei "aus dem Arbeitsmarkt herausgefallen".

Der Beschwerdeführer führte weiters aus, er habe am 25. November 1999 bei der Bundespolizeidirektion Wien einen Antrag auf Aufhebung des Aufenthaltsverbotes gestellt. Mit Berufungsbescheid der Sicherheitsdirektion Wien vom 8. März 2001 sei das Aufenthaltsverbot gemäß § 114 Abs. 3 FrG 1997 aufgehoben worden. Begründend habe die Sicherheitsdirektion ausgeführt, dass der Behörde bei der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes nach der geltenden Rechtslage eine Ermessensübung zukomme und diese Ermessensübung zu seinen Gunsten ausfallen müsse. Mit dieser Begründung habe die Sicherheitsdirektion zum Ausdruck gebracht, dass einer seinerzeitigen Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof Erfolg beschieden gewesen wäre. Erst nach Aufhebung des Aufenthaltsverbotes sei der Beschwerdeführer wieder in der Lage gewesen, eine Niederlassungsbewilligung zu erlangen. Er sei somit einerseits durch das schuldhafte rechtswidrige Verhalten seines Rechtsvertreters im Verfahren betreffend Erlassung des Aufenthaltsverbotes, nämlich Absehen von der Erhebung einer Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof, und andererseits zwischen dem 1. Jänner 2000 und dem 3. Februar 2000 durch die rechtswidrige Entscheidung erster Instanz im Verfahren betreffend Aufhebung des Aufenthaltsverbotes an der früheren Antragstellung auf Zuerkennung von Arbeitslosengeld gehindert worden.

Der Beschwerdeführer verweist in seiner Berufung auf das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 9. Juni 1999, B 1045/98, in welchem dieser aussprach, dass Zeiten, in denen die Erfüllung der Voraussetzung des § 14e AuslBG durch ein rechtswidriges Verhalten staatlicher Behörden von vornherein unmöglich gemacht worden sei, bei der Berechnung der Fristen außer Betracht zu lassen seien. Die in diesem Erkenntnis entschiedene Fallkonstellation gleiche jener des Beschwerdeführers, weshalb auch hinsichtlich der Fristen nach § 14 Abs. 1 und 2 AlVG jene Zeiträume außer Betracht zu lassen seien, in denen "ihre Erfüllung" durch rechtswidriges Verhalten staatlicher Behörden unmöglich gemacht worden sei.

Mit dem nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid wurde der Berufung des Beschwerdeführers keine Folge gegeben und der erstinstanzliche Bescheid bestätigt.

In der Begründung führte die belangte Behörde aus, der Beschwerdeführer könne nachstehende Beschäftigungszeiten nachweisen :

"14.8.1997 bis 31.10.1997 Dienstverhältnis bei der Firma O. Bau GmbH (79 Tage) ...

5.11. bis 28.11.1997 Dienstverhältnis bei der Firma K (24 Tage) zuzüglich 2 Tage Urlaubsabfindung vom 29. bis 30.11.1997.

9.5. bis 1.7.1998 Urlaubsabfindung der Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungskasse (54 Tage)."

Da der Beschwerdeführer bereits Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung bezogen habe, sei für die Wiedergewährung ein Nachweis von 28 Wochen anwartschaftsbegründender Zeiten innerhalb von einem Jahr bzw. von 52 Wochen innerhalb von 24 Monaten, gerechnet ab Antragstellung, zu erbringen. Aus in § 15 AlVG taxativ aufgezählten Gründen könnten diese Rahmenfristen erstreckt werden. Eine Bestimmung, wonach Zeiten, während derer es dem Beschwerdeführer "rechtswidrigerweise von Seiten der zuständigen Aufenthaltsbehörden sowie (seines) damaligen Rechtsfreundes" unmöglich gemacht worden sei, einen rechtzeitigen Antrag zu stellen, nicht in die Rahmenfristen einzurechnen seien, fände sich nicht unter den in § 15 AlVG genannten Gründen. Die Zeiten, in denen der Beschwerdeführer wegen eines Aufenthaltsverbotes nach seiner Abschiebung in der Türkei aufhältig gewesen sei, könnten somit nicht als Rahmenfristerstreckungsgründe herangezogen werden.

Da der Beschwerdeführer weder innerhalb der Rahmenfrist von einem Jahr 28 Wochen noch innerhalb von zwei Jahren 52 Wochen arbeitslosenversicherungspflichtiger Beschäftigungszeiten vorweisen könne, sei dem Beschwerdeführer der Anspruch auf Arbeitslosengeld zu versagen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde mit dem Begehren, ihn kostenpflichtig aufzuheben.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Dem Beschwerdevorbringen, die belangte Behörde habe es unterlassen, eine mündliche Berufungsverhandlung zur erschöpfenden Sachverhaltsfeststellung durchzuführen, und somit das Recht des Beschwerdeführers auf Parteiengehör verletzt, ist Folgendes entgegenzuhalten:

Die Behörde kann gemäß § 39 Abs. 2 AVG eine mündliche Berufungsverhandlung durchführen, sie ist dazu jedoch im Allgemeinen nicht verpflichtet. Es steht grundsätzlich im Ermessen der Behörde, eine mündliche Verhandlung durchzuführen (vgl. die bei Walter/Thienel, Die österreichischen Verwaltungsverfahrensgesetze, I. Band, zweite Auflage, 1998, auf Seite 546 unter E Nr. 61 und E Nr. 62 angeführte hg. Rechtsprechung). Im Verfahren wurde dem Beschwerdeführer ausreichend Gelegenheit zur Stellungnahme eingeräumt. Vom Beschwerdeführer wird auch nicht dargelegt, was von ihm nur im Rahmen einer mündlichen Verhandlung hätte vorgebracht werden bzw. zu welchen anderen Sachverhaltsfeststellungen die belangte Behörde im Rahmen einer mündlichen Verhandlung hätte kommen können. Der Beschwerdeführer vermag mit seinem Vorbringen daher einen Verfahrensfehler der belangten Behörde nicht aufzuzeigen.

Bezüglich der Behauptung des Beschwerdeführers, er habe die vorgeschriebenen Anwartschaftszeiten für die Gewährung von Arbeitslosengeld lediglich auf Grund des rechtswidrigen Verhaltens der Behörden nicht erfüllen können, ist Folgendes auszuführen:

Nach seinem Vorbringen im Verwaltungsverfahren sei der Beschwerdeführer vom 23. November 1997 (Beginn der Schubhaft) bis 31. Dezember 1999 durch rechtswidriges Handeln der Behörden und durch Fehler seines Rechtsfreundes an der Antragstellung auf Zuerkennung von Arbeitslosengeld gehindert worden.

Unstrittig ist, dass der Beschwerdeführer den gegenständlichen Antrag auf Gewährung von Arbeitslosengeld am 14. August 2001 gestellt und er bereits vor seinem Auslandsaufenthalt Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung bezogen hat; nach seinen Angaben zuletzt bis 12. Jänner 1997.

Der Beschwerdeführer hätte unter einer von zwei Voraussetzungen Anspruch auf Arbeitslosengeld:

1. wenn er in der Dreijahresfrist des § 19 Abs. 1 lit. a AlVG einen Fortbezugsanspruch geltend machen könnte oder

2. wenn er eine neue Anwartschaft erlangt hätte.

Gemäß § 14 Abs. 2 AlVG ist bei jeder weiteren Inanspruchnahme des Arbeitslosengeldes die Anwartschaft erfüllt, wenn der Arbeitslose in den letzten zwölf Monaten vor Geltendmachung des Anspruches (Rahmenfrist) insgesamt 28 Wochen im Inland arbeitslosenversicherungspflichtig beschäftigt war.

Innerhalb der so gegebenen Rahmenfrist vom 14. August 2001 rückgerechnet bis 14. August 2000 hat der Beschwerdeführer weder die erforderlichen Anwartschaftszeiten erworben noch lag der von ihm geltend gemachte Hinderungsgrund zur Antragstellung vor.

Gemäß § 14 Abs. 2 zweiter Satz AlVG ist die Anwartschaft im Falle einer weiteren Inanspruchnahme auch dann erfüllt, wenn der Arbeitslose die Anwartschaft gemäß § 14 Abs. 1 erster Satz erfüllt. Demnach ist die Anwartschaft erfüllt, wenn der Arbeitslose in den letzten 24 Monaten vor Geltendmachung des Anspruches (Rahmenfrist) insgesamt 52 Wochen im Inland arbeitslosenversicherungspflichtig beschäftigt war.

Diese Rahmenfrist erstreckte sich daher vom 14. August 2001 rückgerechnet bis 14. August 1999 und somit auf den Zeitraum, in dem der behauptete Hinderungsgrund gegeben gewesen sei.

Der Anspruch auf Fortbezug gemäß § 19 AlVG wäre gegeben gewesen, wenn innerhalb von 3 Jahren ab Ende des Arbeitslosengeldanspruches am 12. Jänner 1997 eine diesbezügliche Antragstellung vorgenommen wäre. Wenn der Zeitraum (23. November 1997 bis 31. Dezember 1999), in dem der behauptete Hinderungsgrund gegeben gewesen sei, nicht mitgerechnet wird, wäre der Antrag vom 14. August 2001 fristgerecht.

Der Beschwerdeführer meint, die Rahmenfrist des § 14 AlVG bzw. die dreijährige Frist des § 19 leg. cit. seien um den Zeitraum zu verlängern, während dessen er durch rechtswidriges Handeln der Behörden und seines Rechtsfreundes an einer Antragstellung gehindert gewesen sei.

Der Verfassungsgerichtshof hat im Erkenntnis vom 9. Juni 1999, VfSlg. 15504/1999, ausgeführt, dass rechtswidriges staatliches Verhalten nicht etwa fehlende Tatsachen (indem eine Beschäftigung fingiert würde, die möglicherweise doch nicht ausgeübt worden wäre) ersetzt, sondern es wird nur die bestehende Gesetzeslücke auf eine Weise geschlossen, die dem Gesetzeszweck den gegebenen Umständen entsprechend Rechnung trägt und doch vermeidet, dass rechtswidriges behördliches Verhalten schon erworbene Rechtspositionen vernichtet. Eine rechtswidrige Behinderung durch staatliches Handeln, sei es an der Antragstellung oder an einem Inlandsaufenthalt, kann daher nur einen bestehenden Anspruch aufrecht erhalten, nicht aber einen neuen begründen. Eine Verlängerung der Frist des § 19 Abs. 1 lit. a AlVG bzw. des § 14 AlVG käme daher nur dann in Betracht, wenn der Beschwerdeführer durch rechtswidrige staatliche Maßnahmen an der Antragstellung gehindert worden wäre. Dies ist aber durch den Umstand, dass das Aufenthaltsverbot nach § 114 Abs. 3 FrG aufgehoben wurde, nicht dargetan. Dass die Verhängung des Aufenthaltsverbotes von Anfang an rechtswidrig gewesen wäre, behauptet der Beschwerdeführer selbst nicht. Der behauptete Fehler seines Rechtsanwaltes, auch wenn dessen Unterbleiben zu einer Verzögerung seiner Abschiebung hätte führen können, geht zu seinen Lasten und würde die Abschiebung auch nicht rechtswidrig machen. Die Voraussetzungen für eine Verlängerung der genannten Fristen liegen daher nicht vor.

Die Beschwerde erweist sich daher als unbegründet und war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i. V.m. der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am 26. Jänner 2005

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