VwGH 2002/06/0201

VwGH2002/06/020131.3.2004

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Giendl und die Hofräte Dr. Händschke, Dr. Bernegger, Dr. Waldstätten und Dr. Rosenmayr als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Hofer, über die Beschwerde des Dr. H H in W, gegen den Bescheid des Ausschusses der Rechtsanwaltskammer Wien vom 5. November 2002, Zl. 03/01 2002/3673, betreffend Gewährung einer Altersrente, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §58 Abs2;
AVG §60;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
AVG §58 Abs2;
AVG §60;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Die Rechtsanwaltskammer Wien hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit Antrag vom 22. Mai 2002 beantragte der Beschwerdeführer die Zuerkennung einer Altersrente aus der Versorgungseinrichtung Teil B "Zusatzpension neu".

Mit dem als Beschluss bezeichneten Bescheid der Abteilung 1b des Ausschusses der Rechtsanwaltskammer Wien vom 27. August 2002 wurde diesem Antrag insoweit Folge gegeben, als dem Beschwerdeführer eine Altersrente aus der Versorgungseinrichtung der Rechtsanwaltskammer Wien, Teil B, "Zusatzpension neu" mit Wirkung vom 1. Juni 2002 in der Höhe von brutto EUR 3.025,38 per anno (S 41.630,14 per anno) zahlbar in 14 monatlichen Teilbeträgen a EUR 216,10 (S 2.973,60) stattgegeben wurde.

In der Begründung verwies die Behörde erster Instanz lediglich auf die Satzung der Versorgungseinrichtung, Teil B, sowie darauf, dass die festgestellte Altersrente von der W Management und Consulting AG auf Basis des auf dem Konto des Antragstellers verbuchten Guthabens und des erfolgten Nachkaufes von zehn Versicherungsjahren mit der Variante der maximalen Altersrente mit Stand per 30. Juni 2002 gemäß § 3 Abs. 1 und 2 der Satzung sowie unter Berücksichtigung der in der Umlagen- und Leistungsordnung festgelegten Verwaltungskosten errechnet worden sei.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer insoweit Vorstellung, als ihm eine jährliche Altersrente in Höhe von lediglich EUR 3.025,38 (S 41.630,14 per anno) und nicht von mindestens EUR 3.780,59 per anno (S 52.022,--) zuerkannt worden sei und die Berechnungsgrundlagen nicht offengelegt worden seien.

Mit dem nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid (des Plenums) des Ausschusses der Rechtsanwaltskammer Wien vom 5. November 2002 wurde dieser Vorstellung keine Folge gegeben.

Die belangte Behörde wiederholte in ihrer Bescheidbegründung lediglich die Begründung der Behörde erster Instanz und fügte dem hinzu, die Höhe der Rente sei daher rechnerisch richtig und entspreche der Rechtslage. Die vom Beschwerdeführer vorgebrachten Einwendungen und Vorbehalte gegen die Höhe der Altersrente würden den Rahmen des Rechtsmittelverfahrens sprengen, weil die Anlagepolitik der Rechtsanwaltskammer Wien nicht Gegenstand des Verfahrens sein könne. Gleiches gelte für die vom Beschwerdeführer in den Raum gestellte Frage, ob dieser anlässlich seines Neukaufes von Versicherungszeiten im Irrtum geführt worden sei. Der bekämpfte Bescheid sei auch formal nicht mangelhaft, weil entgegen den Behauptungen des Beschwerdeführers dieser nicht nur eine Begründung aufweise, sondern auch deutlich mache, auf Grund welcher Berechnungskriterien sich die festgestellte Altersrente ergebe. Eine Wertsicherung der Altersrente sei beschlussmäßig nicht festzusetzen gewesen, weil dies im Gesetz nicht vorgesehen sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in welcher die Rechtswidrigkeit des Inhalts sowie die Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.

Der Beschwerdeführer erachtet sich in seinem Recht auf Gewährung einer jährlich wertgesicherten "Leibrente" in der Höhe von EUR 3.837,05 (S 52.799,--), in seinem Recht auf Bescheidbegründung, ordnungsgemäßer Abrechnung der von ihm geleisteten Zahlungen sowie in seinem Recht, den von der belangten Behörde veranlassten Irrtum geltend zu machen, verletzt.

Die belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt, und legte die Verwaltungsakten vor.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

In Ausführung der Beschwerde bringt der Beschwerdeführer im Einzelnen vor, im Jahr 1997 habe die Rechtsanwaltskammer Wien neben der bisherigen Altersversorgung eine sogenannte "Zusatzpension neu" beschlossen und die Rechte und Pflichten aus dieser "Zusatzpension neu" in der Satzung der Versorgungseinrichtung, Teil B, niedergelegt. Dieses System sei im Jahre 1998 in Kraft getreten. Dabei sei es möglich geworden, zehn Beitragsjahre nachzukaufen. Unter der Voraussetzung einer prognostizierten Altersrente ab dem 65. Lebensjahr in Höhe von jährlich S 52.727,--, auf Grund der Mitteilung der "Firma W" Management & Consulting AG allerdings mit jährlich nur S 52.022,-- bekannt gegeben, habe er zehn Beitragsjahre nachgekauft und alle sonstigen, jeweils mit Bescheid vorgeschriebenen Zahlungen pünktlich geleistet. Im Mai 2002 habe er auf Grund der erreichten Altersgrenze ein Recht auf Auszahlung der Altersrente gemäß der "Zusatzpension neu" erworben und die Auszahlung derselben begehrt. Er habe insgesamt Zahlungen von S 581.456,38 geleistet, worüber in keiner Weise abgerechnet worden sei. Vielmehr enthielten beide behördlichen Bescheide keinerlei Begründung zur Errechnung der Höhe der ihm gewährten Altersrente. Die Veranlagung der Zusatzpension sei nach den Grundsätzen des Pensionskassengesetzes durchzuführen gewesen, es sei daher prüffähig darzustellen gewesen, ob diese Bestimmungen jeweils eingehalten worden seien. Die "Firma W" sei als Versicherung zur Veranlagung beigezogen worden, um sicherzustellen, dass im Falle einer schlechten Veranlagung die Fehlbeträge durch die Versicherung gedeckt würden. Mangels einer Abrechnung könne dies nicht kontrolliert werden. Nach den ihm zugekommenen Mitteilungen hätte er auf Grund der von ihm geleisteten Gesamtzahlungen eine jährlichen Rente von S 52.799,--, nach den Berechnungen der "Firma W" mit wenigstens S 52.022,--, zu erwarten gehabt. Entgegen diesen Mitteilungen werde nunmehr ohne Berücksichtigung einer in Aussicht gestellten kontinuierlichen und kalkulierbaren Pensionserhöhung lediglich ein Betrag von EUR 3.025,38 (dies entspreche einem Schilling-Betrag von 41.630,14) zuerkannt. Die Art der Berechnung sowie die Höhe der Beträge, von der die Altersrente berechnet worden sei, sei nicht bekannt gegeben worden. Die Behörde gehe auch auf seine Behauptung, er sei in Irrtum geführt worden, mit keinem Hinweis ein.

Mit diesem Vorbringen zeigt der Beschwerdeführer eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf.

Nach § 1 der Satzung der Versorgungseinrichtung der Rechtsanwaltskammer Wien, Teil B, betreffend die "Zusatzpension neu", werden im Rahmen der Zusatzpension (Teil B der Satzung der Versorgungseinrichtung) Zusatzleistungen als ergänzende Versorgungseinrichtung zur Grundleistung (Teil A) festgelegt. Die dort definierten allgemeinen Voraussetzungen und die Voraussetzungen für die Gewährung von Altersrenten, Berufsunfähigkeitsrenten, Witwen-/Witwer-Renten und Waisenrenten, ausgenommen die Wartezeiten, sind anzuwenden, sofern im Folgenden nichts anderes bestimmt wird.

Nach § 2 Abs. 1 lit. a der Satzung der Versorgungseinrichtung der Rechtsanwaltskammer Wien, Teil B, wird die Altersrente als Zusatzleistung erbracht.

Die Altersrente und deren Gewährung wird im § 3 leg. cit. näher umschrieben, welcher wie folgt lautet:

"(1) Altersrenten werden über Antrag Rechtsanwälten oder emeritierten Rechtsanwälten ab Vollendung des 65. Lebensjahres gewährt. Der Verzicht auf die Ausübung der Rechtsanwaltschaft ist nicht Voraussetzung für die Inanspruchnahme der Altersrente.

(2) Die Altersrente errechnet sich wie folgt: Aus den zum Zeitpunkt der Inanspruchnahme der Altersrente auf dem Konto des Rechtsanwaltes für die Zusatzpension verbuchten Beiträgen und erzielten Veranlagungsüberschüssen ist über den Verrentungsfaktor gemäß Geschäftsplan (§ 18) zum Pensionsantrittsalter die Altersrente zu ermitteln.

(3) Die Witwen-/Witwer-Rente nach einem verstorbenen Bezieher einer Altersrente beträgt 60 % der Altersrente. Die Waisenrente beträgt 10 %, bei Vollwaisen 20 % der Altersrente.

(4) Hinsichtlich der Anspruchsvoraussetzungen gelten die §§ 7,7a und 8 des Teiles A".

Gemäß § 11 Abs. 1 der Satzung der Versorgungseinrichtung der Rechtsanwaltskammer Wien, Teil B, "Zusatzpension neu" erfolgt die Finanzierung der Zusatzleistung nach dem Kapitaldeckungsverfahren.

Die Berechnung der Leistungen ist im Geschäftsplan festgehalten.

Nach Abs. 2 dieser Bestimmung erfolgt die Veranlagung des

Vermögens gemäß § 25 Pensionskassengesetz in der jeweiligen Fassung.

Nach § 3 dieser Bestimmung legt der Ausschuss der

Rechtsanwaltskammer, die Depotbank oder die Depotbanken fest.

Nach Abs. 4 leg. cit. wählt der Ausschuss der

Rechtsanwaltskammer jeweils für die Dauer von drei Jahren einen Prüfaktuar, für seine Aufgaben ist der § 21 Pensionskassengesetz sinngemäß anzuwenden.

§ 17 der Satzung der Versorgungseinrichtung der Rechtsanwaltskammer Wien, Teil B "Zusatzpension neu" sieht vor, dass für jeden Rechtsanwalt in sinngemäßer Anwendung des § 18 Pensionskassengesetz ein Pensionskonto (Alterskonto) zu führen ist. Die Rechtsanwälte sind zumindest einmal jährlich bis zum 30. Juli eines jeden Jahres über die Beiträge, Anwartschaften, Pensionsleistungen und allfälligen Änderungen des Geschäftsplanes zu informieren.

Gemäß § 18 leg. cit. ist für die Zusatzpension ein Geschäftsplan im Sinne des § 20 Pensionskassengesetz zu erstellen und ein Prüfaktuar zu bestellen, der den Geschäftsplan und allfällige Änderungen zu genehmigen hat. Darüber hinaus hat der Prüfaktuar zumindest einmal jährlich bis 30. April eines jeden Jahres über die Verwaltung der Zusatzpension, die Einhaltung der in dieser Satzung festgelegten Regelungen und der versicherungsmathematischen Grundsätze zu berichten sowie den Jahresabschluss zu prüfen.

Nach § 19 leg. cit. ist das Vermögen der Versorgungseinrichtung nach dem Tageswertprinzip zu bewerten. Die nach der Ertragsverteilung verbleibende Gewinnreserve darf höchstens 15 % des Guthabens (Deckungsrückstellung) betragen und darf minus 10 % des Guthabens (Deckungsrückstellung) nicht unterschreiten. Die Gewinnreserve ist auszuweisen. Für die Zusatzpension ist ein Rechenschaftsbericht im Sinne des § 30 Abs. 3 Pensionskassengesetz jährlich bis 30. April eines jeden Jahres zu erstellen und vom Prüfaktuar zu bestätigen.

Gemäß § 20 leg. cit. ist für die Kontrolle der Verwaltung der Zusatzpension und der Veranlagung der Beiträge ein Beirat zu bestellen, dem ein Mitglied des Ausschusses jeder Rechtsanwaltskammer angehört, welche dem Verwaltungsübereinkommen vom 26. September 1997 beigetreten ist. Der Beirat hat zumindest einmal jährlich bis 30. Juni eines jeden Jahres den einzelnen Rechtsanwaltskammern, die der Verwaltungsvereinbarung beigetreten sind, über seine Prüfungshandlungen und deren Ergebnis zu berichten. Der Beirat ist berechtigt, zu seiner Beratung qualifizierte Experten beizuziehen, deren Honorare ebenso wie das Honorar des Prüfaktuar zu den Kosten der Verwaltung (§ 16) zählen.

Nach § 21 Abs. 2 leg. cit. kann jeder Rechtsanwalt Versicherungszeiten im Ausmaß von höchstens zehn Jahren nachkaufen. Dadurch darf sich jedoch keine längere Gesamtversicherungszeit ergeben als jene, die sich vom Zeitpunkt der Ersteintragung bis 31.12.1997 ergeben würde. Der Antrag auf Nachkauf kann bei sonstigem Verlust dieses Rechtes bis längstens 31.12.2007 gestellt werden. Falls ein Rechtsanwalt von der Nachkaufsmöglichkeit Gebrauch macht, hat er jährlich spätestens ab dem der Antragstellung folgenden Jahr mindestens einen zusätzlichen Beitrag in Höhe des für 1998 vorgeschriebenen Jahresbeitrages zu leisten. Bei der Berechnung aller Leistungen im Rahmen der Zusatzpension sind nachgekaufte Versicherungszeiten soweit zu berücksichtigen, als bis zum Zeitpunkt des Versicherungsfalles Einzahlungen geleistet wurden.

Die belangte Behörde stellte sich hinsichtlich des Begehrens des Beschwerdeführers um nachvollziehbare Abrechnung der von ihm auf sein Pensionskonto (Alterskonto) geleisteten Zahlungen auf den Standpunkt, eine Offenlegung der "Anlagepolitik" der Rechtsanwaltskammer würde den Rahmen des Rechtsmittelverfahrens "sprengen".

Nach § 58 Abs. 2 und § 60 in Verbindung mit § 67 AVG haben Berufungsbescheide eine Begründung zu enthalten, in der die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammenzufassen sind. In der Bescheidbegründung ist in einer eindeutigen, die Rechtsverfolgung durch die Partei ermöglichenden und einer nachprüfenden Kontrolle durch die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts zugänglichen Weise darzutun, welcher Sachverhalt der Entscheidung zu Grunde gelegt wurde, aus welchen Erwägungen die Behörde zur Ansicht gelangte, dass gerade dieser Sachverhalt vorliege und aus welchen Gründen sie die Subsumtion dieses Sachverhalts unter einen bestimmten Tatbestand als zutreffend erachtete (vgl. dazu die bei Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens, 6. Auflage, Entscheidung 8 zu § 67 AVG und Entscheidungen 1 bis 9 zu § 60 AVG nachgewiesene Rechtsprechung). Sind die einen tragenden Teil der Begründung darstellenden Ausführungen für den Verwaltungsgerichtshof nicht nachvollziehbar und somit nicht überprüfbar, so liegt ein wesentlicher Verfahrensfehler vor, der zur Aufhebung des Bescheides führt (vgl. dazu etwa das Erkenntnis vom 20. Juni 1995, Zl. 94/13/0201).

Diesen Anforderungen wird der angefochtene Bescheid nicht gerecht, weil dieser unüberprüfbar bleibt, wenn sich die Behörde zur Begründung ihrer Entscheidung lediglich auf die rechnerische Richtigkeit der von der W Management und Consulting AG errechneten Beträge und auf die "Berücksichtigung" der "in der Umlagen- und Leistungsordnung festgelegten Verwaltungskosten" beruft, ohne im Einzelnen darzulegen, aus welchen zahlenmäßig konkreten Positionen sich das Endergebnis zusammensetzt. Dem Erfordernis einer nachvollziehbaren Bescheidbegründung haben sich auch Aspekte der Verfahrensökonomie unterzuordnen.

Aus diesen Gründen war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung BGBl. II Nr. 333/2003 insbesondere dessen § 3 Abs. 2. Umsatzsteuer konnte nicht zuerkannt werden, weil diese in dem für Schriftsatzaufwand enthaltenen Pauschalbetrag bereits enthalten ist.

Wien, am 31. März 2004

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