VwGH 2002/05/0809

VwGH2002/05/080916.9.2003

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident DDr. Jakusch und die Hofräte Dr. Giendl, Dr. Kail, Dr. Pallitsch und Dr. Waldstätten als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Thalhammer, über die Beschwerde 1. des Werner Ressl und 2. der Gerda Ressl, beide in Wien, vertreten durch Prader & Plaz OEG, Rechtsanwälte in 1070 Wien, Seidengasse 28, gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 10. April 2002, Zl. RU1-V-01188/00, betreffend Kanalanschlussverpflichtung (mitbeteiligte Partei: Gemeinde Stössing, vertreten durch Dr. Robert Müller, Rechtsanwalt in 3170 Hainfeld, Hauptstrasse 35), zu Recht erkannt:

Normen

31991L0271 Abwasser-RL Art12 Abs1;
31991L0271 Abwasser-RL Art3;
BauO NÖ 1976 §56 Abs2;
BauO NÖ 1996 §62 Abs2;
B-VG Art140;
EURallg;
VwRallg;
31991L0271 Abwasser-RL Art12 Abs1;
31991L0271 Abwasser-RL Art3;
BauO NÖ 1976 §56 Abs2;
BauO NÖ 1996 §62 Abs2;
B-VG Art140;
EURallg;
VwRallg;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführer haben dem Land Niederösterreich insgesamt Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 und der mitbeteiligten Gemeinde in der Höhe von EUR 991,20 jeweils binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Gemeinde vom 20. Juli 2001 wurde den Beschwerdeführern als Eigentümern eines näher bezeichneten Grundstückes gemäß § 17 des NÖ Kanalgesetzes 1977 und § 62 NÖ Bauordnung 1996 der Anschluss an den in der Straße neu gelegten Schmutzwasserkanal aufgetragen. Gleichzeitig wurde ausgesprochen, dass die Herstellung des Anschlusses nach den Richtlinien (Hinweis auf eine Beilage) für die Herstellung der Hauskanalleitung, die einen wesentlichen Bestandteil dieses Bescheides bildet, zu erfolgen hat.

In der dagegen erhobenen Berufung führten die Beschwerdeführer aus, sie hätten auf der betroffenen Liegenschaft eine Biokläranlage errichtet; hierbei handle es sich um ein Pilot- und Musterprojekt für die Umgebung. Diese Kläranlage sei mit Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Gemeinde vom 26. Juni 1997 baubehördlich genehmigt worden und sei voll funktionstüchtig. Der Anschluss an den öffentlichen Kanal wäre unverhältnismäßig, da für die Errichtung der Biokläranlage bereits mehr als S 50.000,-- bezahlt worden sei.

Diese Berufung wurde mit Bescheid des Gemeindevorstandes der mitbeteiligten Gemeinde vom 3. Oktober 2001 als unbegründet abgewiesen. Im Wesentlichen wurde dies damit begründet, dass die Möglichkeit, Abwässer auf andere Art zu entsorgen (hier: Biokläranlage) die Anschlusspflicht an den öffentlichen Kanal nicht hindere. Die Biokläranlage sei zwar baubehördlich, nicht jedoch wasserrechtlich genehmigt; es könne dabei von keinem geschlossenen System ausgegangen werden. Die nachträglich genehmigte Biokläranlage sei bereits 1994 errichtet worden. Es sei daher von einer Benützung dieser Anlage in den Jahren 1994 bis 2001, also ca. 8 Jahren, auszugehen. Die Errichtungskosten hätten sich daher bereits "gerechnet".

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wurde der Berufungsbescheid insoweit behoben, als damit auch der Spruchteil bestätigt worden ist, dass die Herstellung des Anschlusses nach den Richtlinien für die Herstellung der Hauskanalleitung zu erfolgen habe; im Übrigen wurde jedoch die Vorstellung als unbegründet abgewiesen. Die belangte Behörde führte in der Begründung dieses Bescheides aus, dass die NÖ Bauordnung 1996 grundsätzlich die Entsorgung der Schmutzwässer über einen bestehenden öffentlichen Kanal normiere; auf Grund des Gedankens des umfassenden Grundwasserschutzes bestünden keinerlei Ausnahmen weder aus technischen noch aus kostenwirtschaftlichen Gründen. Auch das Vorhandensein einer bewilligten und voll funktionstüchtigen (privaten) Kläranlage vermöge die Anschlussverpflichtung nicht zu verdrängen.

Die Behandlung der dagegen an den Verfassungsgerichtshof gerichteten Beschwerde wurde mit Beschluss des Verfassungsgerichtshofes vom 26. Juni 2002, B 951/02-4, abgelehnt und die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG abgetreten. Im Ablehnungsbeschluss führte der Verfassungsgerichtshof aus:

"Die Beschwerde behauptet die Verletzung in Rechten wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes, nämlich des § 62 Abs. 2 NÖ BauO 1996. Im Hinblick darauf, dass der Verfassungsgerichtshof diese Bestimmung mit Erkenntnis vom 12. Juni 2002, G 322, 360, 361/01, als verfassungswidrig aufgehoben hat, dass die vorliegende Beschwerde jedoch erst nach Beginn der öffentlichen Beratung im Gesetzesprüfungsverfahren - dies war der 5. März 2002 - beim Verfassungsgerichtshof eingelangt ist, sodass die aufgehobene Bestimmung aus Sicht des Beschwerdeverfahrens unangreifbar geworden ist, lässt ihr Vorbringen die behaupteten Rechtsverletzungen, aber auch die Verletzung eines anderen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes oder die Verletzung in einem sonstigen Recht wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm als so wenig wahrscheinlich erkennen, dass sie keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat. Die Sache ist auch nicht von der Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofes ausgeschlossen."

Vor dem Verwaltungsgerichtshof erachten sich die Beschwerdeführer durch den angefochtenen Bescheid in ihrem Recht auf Nichterteilung einer Anschlussverpflichtung an das öffentliche Kanalnetz verletzt. Sie machen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.

Die belangte Gemeinde erstattete ebenfalls eine Gegenschrift mit dem Antrag auf kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

In seinem Erkenntnis vom 12. Juni 2002, G 322/01, hat der Verfassungsgerichtshof § 62 Abs. 2 erster und zweiter Satz der NÖ Bauordnung 1996, LGBl. 8200-3, als verfassungswidrig aufgehoben und ausgesprochen, dass die Aufhebung mit Ablauf des 30. April 2003 in Kraft tritt. Frühere gesetzliche Bestimmungen treten nicht wieder in Wirksamkeit. Der Verfassungsgerichtshof hat in diesem Erkenntnis ausdrücklich jene - bei ihm anhängige - Verfahren angeführt, auf die die aufgehobenen Bestimmungen nicht anzuwenden sind. Wie auch dem eingangs zitierten Ablehnungsbescheid des Verfassungsgerichtshofes vom 26. Juni 2002, B 951/02-4, zu entnehmen ist, ist damit die zitierte aufgehobene Bestimmung aus der Sicht des Beschwerdeverfahrens unangreifbar geworden und daher für den Beschwerdefall maßgeblich.

Gemäß § 62 Abs. 2 NÖ Bauordnung 1996 in der hier maßgeblichen Fassung sind die auf einer Liegenschaft anfallenden Schmutzwässer, wenn eine Anschlussmöglichkeit besteht, in den öffentlichen Kanal abzuleiten.

Diese Bestimmung enthält somit die Regelung über die Verpflichtung zum Anschluss einer Liegenschaft an den öffentlichen Kanal. Für das Vorliegen der Anschlusspflicht kommt es nicht darauf an, ob eine andere Möglichkeit der Abwasserbeseitigung besteht. § 62 Abs. 2 NÖ Bauordnung 1996 geht von einer ausnahmslosen Anschlusspflicht für den Fall aus, dass eine Anschlussmöglichkeit besteht. Es kommt daher - entgegen der früheren Rechtslage - nicht mehr darauf an, ob eine Ableitung in den öffentlichen Kanal ohne Pumpvorgang möglich ist bzw. ob die Anschlussleitung nicht länger als 50 m ist (siehe das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 12. Juni 2002, G 322/01, und die dort referierte hg. Rechtsprechung, insbesondere das hg. Erkenntnis vom 30. Jänner 2001, Zl. 2000/05/0246).

Die Beschwerdeführer führen in ihrem Beschwerdeschriftsatz aus, dass die Anschlussverpflichtung erst dann entstehe, wenn die Baubehörde nachweisen könne, dass ein öffentlicher Kanal errichtet worden ist und dieser auch geeignet ist, die am betroffenen Grundstück entstehenden Schmutzwässer zu entsorgen. Von den Behörden sei nicht festgestellt worden, wann der öffentliche Kanal der mitbeteiligten Gemeinde errichtet worden und seit wann er in Betrieb genommen worden ist. Das Verfahren sei daher diesbezüglich ergänzungsbedürftig.

Weder in ihrer Berufung noch in ihrer Vorstellung haben die Beschwerdeführer das Vorhandensein eines öffentlichen Kanalnetzes bestritten. In ihrer Vorstellung gehen sie vielmehr selbst davon aus, dass eine öffentliche Kanalanlage vorhanden ist. Der behauptete Verfahrensmangel und die in diesem Zusammenhang relevierte Verletzung des rechtlichen Gehörs liegen daher nicht vor.

Die Beschwerdeführer meinen, der in § 62 Abs. 2 NÖ Bauordnung 1996 geregelte absolute Anschlusszwang widerspreche der Richtlinie 91/271/EWG des Rates vom 21. Mai 1991 über die Behandlung von kommunalen Abwässern.

Auch mit diesem Vorbringen zeigen die Beschwerdeführer keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf. Die genannte Richtlinie des Rates vom 21. Mai 1991 über die Behandlung von kommunalem Abwasser soll verhindern, dass die Umwelt durch die Einleitung von unzureichend gereinigtem kommunalen Abwasser geschädigt wird. Sie enthält keine Regelung über den Anschlusszwang. Im Artikel 3 dieser Richtlinie wird vielmehr festgehalten, dass die Mitgliedstaaten dafür Sorge zu tragen haben, dass alle Gemeinden bis zu näher genannten Zeitpunkten mit einer Kanalisation ausgestattet werden und für den Fall, dass die Einrichtung einer Kanalisation nicht gerechtfertigt ist, individuelle Systeme oder andere geeignete Maßnahmen erforderlich sind, die das gleiche Umweltschutzniveau gewährleisten. Der Verfassungsgerichtshof hat unter Hinweis auf diese Regelung und den Art 12 Abs. 1 der Richtlinie, der offenbar den Vorrang nachhaltiger Bewirtschaftung gereinigten Abwassers zum Ausdruck bringt, in seinem Erkenntnis vom 12. Juni 2002 ausgeführt, dass er nicht finden könne, dass der absolute Anschlusszwang, wie ihn § 62 Abs. 2 NÖ Bauordnung 1996 vorsieht, durch die Richtlinie erzwungen würde. Die maßgebliche europarechtliche Regelung steht aber einem absoluten Anschlusszwang auch nicht im Weg.

Der angefochtene Bescheid erweist sich sohin frei von Rechtsirrtum.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am 16. September 2003

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