VwGH 2002/05/0594

VwGH2002/05/059430.7.2002

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident DDr. Jakusch und die Hofräte Dr. Giendl und Dr. Kail als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Kante, über die Beschwerde der Luzia Artmüller in Wien, vertreten durch Dr. Klaus Burka, Rechtsanwalt in 1050 Wien, Hamburgerstraße 10/9, gegen den Bescheid der Bauoberbehörde für Wien vom 13. Februar 2002, Zl. MD-VfR-B XXIII-41/01, betreffend Wiedereinsetzung in einer Bausache, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §71 Abs1 Z1;
VwGG §46 Abs1;
AVG §71 Abs1 Z1;
VwGG §46 Abs1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat der Bundeshauptstadt Wien Aufwendungen in der Höhe von EUR 332,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin ist Miteigentümerin der Liegenschaft EZ 4019, Grundbuch Inzersdorf (1230 Wien, Pfarrgasse 67-73). Verbunden mit ihrem Anteil ist das Wohnungseigentum am Artriumhaus Bauteil B, Türnummer B 8.

Mit Bescheid vom 9. Juli 2001 wurde der Beschwerdeführerin vom Magistrat der Stadt Wien, Magistratsabteilung 37, der Auftrag erteilt, innerhalb einer Frist von drei Monaten nach Rechtskraft des Bescheides ohne vorher erwirkter Bewilligung durchgeführte Abänderungen, und zwar die Abtragung von Mauerteilen und einer Stiege sowie die errichtete Wendeltreppe, die begehbare Glasdecke, den ca. 8,5 m2 großen Zubau im Dachgeschoß, die lagemäßig abgeändert ausgeführten Fenster und Türen, sowie den Griller aus Fertigteilen auf der Terrassen im Obergeschoß, zu beseitigen und den konsensgemäßen Zustand laut bewilligtem Plan vom 12. November 1987 wiederherzustellen.

Dieser Bescheid wurde der Beschwerdeführerin durch Hinterlegung beim Postamt 1239 Wien zugestellt, die Abholfrist begann am 30. Juli 2001. Tatsächlich wurde der Bescheid von ihr persönlich, wie durch eine Auskunft vom Postamt 1239 Wien ersichtlich, am 9. August 2001 behoben.

Mit einem am 20. August 2001 zur Post gegebenen Schriftsatz begehrte die Beschwerdeführerin, vertreten durch ihren nunmehrigen Rechtsvertreter, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Einbringung einer Berufung. Infolge einer schweren Sommergrippe, die mit Fieber und Brechdurchfall verbunden gewesen sei, sei der Bescheid zu anderen Poststücken gelegt worden. Die Beschwerdeführerin sei aufgrund eines auf der Vorderseite des Poststückes angebrachten Stempels "14. August 2001" davon ausgegangen, dass zu diesem Zeitpunkt die Berufungsfrist zu laufen beginne. Anlässlich einer Besprechung beim Beschwerdeführervertreter nach ihrer Genesung am 16. August 2001 habe die Beschwerdeführerin festgestellt, dass die Berufungsfrist bereits abgelaufen war. Die Beschwerdeführerin sei normalerweise mit dem Fristenablauf bei derartigen Bescheiden und der Fristenberechnung vertraut, infolge ihrer Erkrankung sei jedoch die Einbringung der Berufung vergessen worden, da sie der Annahme gewesen sei, dass die Frist erst später zu laufen beginne. Dies sei nur darauf zurückzuführen gewesen, dass sie in diesem Zeitraum unter einer schweren Sommergrippe gelitten habe.

Mit Bescheid vom 23. August 2001 wies der Magistrat der Stadt Wien, Magistratsabteilung 37, den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 71 Abs. 1 Z. 1 AVG ab. Eine plötzliche Erkrankung stelle zwar ein unvorhergesehenes und unabwendbares Ereignis dar, da jedoch das Aktenstück laut eigener Angabe fristgerecht vom Postamt abgeholt und in weiterer Folge nicht beachtet worden sei, könne von einem Versehen minderen Grades nicht mehr gesprochen werden.

In ihrer Berufung machte die Beschwerdeführerin geltend, ihr Versehen sei nur auf die Erkrankung zurückzuführen gewesen und es hätte die Behörde die Beschwerdeführerin oder ihren Lebensgefährten einvernehmen müssen. Eine durch Fieber bewirkte Krankheit führe zur Schwächung und Verminderung der Konzentrationsfähigkeit, was - wie es die Beschwerdeführerin formulierte - nach ständiger Rechtsprechung einen minderen Grad des Versehens und somit einen Wiedereinsetzungsgrund darstelle.

Die belangte Behörde forderte den Beschwerdeführervertreter in der Folge auf, entsprechende Unterlagen (ärztliches Attest, medizinische Befunde) vorzulegen, aus denen sich sowohl die Tatsache ergibt, dass es sich bei der Erkrankung der Beschwerdeführer um eine die Dispositionsfähigkeit ausschließende Erkrankung gehandelt habe, als auch der Zeitraum der Dispositionsunfähigkeit ersichtlich sei.

Die ärztliche Bestätigung, die daraufhin von einem Arzt für Allgemeinmedizin, datiert mit 5. November 2001, erteilt wurde, lautet:

"Es wird bestätigt, dass Frau (Beschwerdeführerin) vom 1.8.2001 bis 15.8.2001 erkrankt ist/war. Diagnose Enterokolitis.

Hochachtungsvoll"

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde - unter Vornahme einer Modifizierung des Spruches des erstinstanzlichen Bescheides - die Berufung als unbegründet ab; unter Einem wurde die Berufung als verspätet zurückgewiesen. Eine Erkrankung sei nur dann ein Wiedereinsetzungsgrund, wenn es sich um eine die Dispositionsfähigkeit ausschließende Erkrankung handle. Die Beschwerdeführerin sei von der Berufungsbehörde aufgefordert worden, eine entsprechende ärztliche Bestätigung vorzulegen. Aus der vorgelegten Bestätigung ergebe sich lediglich, dass sie im Zeitraum vom 1. August 2001 bis 15. August 2001 an einer Darmentzündung erkrankt war. Ein Anhaltspunkt dafür, dass die Beschwerdeführerin durch diese Erkrankung gehindert war, als notwendig erkannte Handlungen zu setzen, ergebe sich daraus nicht. Es sei daher davon auszugehen, dass es sich dabei um eine die Dispositionsfähigkeit nicht ausschließende Erkrankung gehandelt habe. Dies ergebe sich insbesondere auch daraus, dass die Beschwerdeführerin imstande gewesen sei, am 9. August 2001 den Bescheid persönlich vom Postamt abzuholen. Dem Vorbringen der Beschwerdeführerin sei auch nicht zu entnehmen, dass ein Spitalsaufenthalt erforderlich gewesen wäre. Der geltend gemacht Wiedereinsetzungsgrund liege somit nicht vor.

In ihrer dagegen erhobenen Beschwerde erachtet sich die Beschwerdeführerin in ihrem Recht verletzt, dass im Sinne des § 71 Abs. 1 Z. 1 AVG die begehrte Wiedereinsetzung zu bewilligen sei und dass mangels Vorliegens der Voraussetzungen des § 129 Abs. 10 der BauO für Wien keine baubehördlichen Aufträge erteilt wurden. Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 71 Abs. 1 Z. 1 AVG ist einer Partei auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis eine Frist versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet. Eine Erkrankung kann nur dann einen Wiedereinsetzungsgrund bilden, wenn zufolge der Krankheit die Dispositionsfähigkeit der Partei ausgeschlossen wird (siehe die Nachweise bei Walter-Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze I2, 1570 ff).

Die belangte Behörde hat der Beschwerdeführerin zur Beurteilung der Frage, ob und wie lange ein die Disposition ausschließender Zustand vorgelegen sei, einen eindeutigen Auftrag erteilt. Aufgrund der Diagnose "Enterokolitis", verbunden mit dem Umstand, dass die Beschwerdeführerin am 9. August 2001 imstande war, den Bescheid bei der Post zu beheben, ist die Beurteilung der Tatfrage, dass Dispositionsunfähigkeit nicht vorlag, schlüssig und nachvollziehbar. Daran vermögen die abstrakten Erwägungen der Beschwerdeführerin, welche Krankheitsbilder bei einer Enterokolitis auftreten können, nichts zu ändern, zumal nichts dergleichen, insbesondere kein Spitalsaufenthalt, im Verwaltungsverfahren behauptet worden war.

Wie der Verwaltungsgerichtshof schon in seinem Erkenntnis vom 16. Februar 1994, Zl. 90/13/0004, dargelegt hat, schließt tatsächliches Handeln die Annahme einer Dispositionsunfähigkeit selbst dann aus, wenn eine entsprechende ärztliche Bestätigung vorliegt. Da die Beschwerdeführerin nach ihrem eigenen Vorbringen im fraglichen Zeitraum zu einem zielgerichteten Handeln, nämlich zur Abholung des Rückscheinbriefes, imstande war, vermag der Verwaltungsgerichtshof in der Annahme der belangten Behörde, die Beschwerdeführerin sei an der fristgerechten Einbringung der Berufung durch eine Krankheit nicht gehindert gewesen, eine Rechtswidrigkeit nicht zu erblicken, sodass dem Wiedereinsetzungsantrag zu Recht keine Folge gegeben wurde. Die Berufung war somit verspätet.

Die Beschwerde erweist sich daher als unbegründet, sodass sie gemäß § 42 Abs 1 VwGG abzuweisen war. Auf Basis der zitierten Rechtssprechung konnte die Entscheidung in einem gem. § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat getroffen werden.

Der Ausspruch über den Kostenersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001.

Wien, am 30. Juli 2002

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