VwGH 2002/05/0336

VwGH2002/05/033630.7.2002

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident DDr. Jakusch und die Hofräte Dr. Giendl, Dr. Kail, Dr. Pallitsch und Dr. Waldstätten als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Kante, über die Beschwerde der Dr. Gunda Schöfberger in Wolkersdorf, vertreten durch Kadlec & Weimann, Rechtsanwälte Partnerschaft OEG in Wien I, Schwarzenbergstraße 8, gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 5. Februar 2002, Zl. RU1-V-01057/01, betreffend Einwendungen gegen ein Bauvorhaben (mitbeteiligte Parteien: 1. Gemeinnützige Bau-, Wohn- und Siedlungsgen. Alpenland reg. Gen.m.b.H. in St. Pölten, vertreten durch Dr. Josef Schima, Rechtsanwalt in Wien I, Graben 28, 2. Stadtgemeinde Wolkersdorf, vertreten durch den Bürgermeister), zu Recht erkannt:

Normen

BauO NÖ 1996 §53 Abs5;
BauO NÖ 1996 §53;
B-VG Art119a Abs5;
GdO NÖ 1973 §61 Abs4;
GdO NÖ 1973 §61 Abs5;
BauO NÖ 1996 §53 Abs5;
BauO NÖ 1996 §53;
B-VG Art119a Abs5;
GdO NÖ 1973 §61 Abs4;
GdO NÖ 1973 §61 Abs5;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Niederösterreich hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.088,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Auf Grund eines Ansuchens der erstmitbeteiligten Partei vom 23. August 2000 erteilte ihr der Bürgermeister der mitbeteiligten Stadtgemeinde mit Bescheid vom 28. August 2000 die baubehördliche Bewilligung für die Errichtung einer Wohnhausanlage und den Umbau des Gasthauses in Wolkersdorf, Wiener Straße 15, auf den Grundstücken Nr. 212/1, 57/5, 57/6, EZ 2155, KG Wolkersdorf. Die Beschwerdeführerin erhob als Nachbarin Berufung, die mit Bescheid des Gemeindevorstandes vom 26. Februar 2001 abgewiesen wurde.

In der gegen diesen Bescheid erhobenen Vorstellung brachte die Beschwerdeführerin im Wesentlichen vor, das beantragte Gebäude überschreite die zulässige Gebäudehöhe und verursache unzulässige Emissionen.

Mit Bescheid vom 30. April 2001 hat die belangte Behörde der Vorstellung der Beschwerdeführerin insoweit Folge gegeben, als der Berufung gegen den Bescheid des Bürgermeisters bezüglich der bewilligten Gebäudehöhe nicht Folge gegeben worden war. Diesbezüglich wurde der Bescheid zur neuerlichen Entscheidung an die Gemeinde zurückverwiesen. Im Übrigen wurde die Vorstellung als unbegründet abgewiesen. Hinsichtlich der Gebäudehöhe führte die belangte Behörde aus, nach den Einreichplänen vom 11. August 2000 handle es sich beim gegenständlichen Straßentrakt an der Wiener Straße um ein Gebäude mit einem Walmdach. Somit habe dieses Gebäude nur Traufenfronten und keine Giebelfronten. Aus diesem Grunde sei nach § 53 der NÖ Bauordnung 1996 die mittlere Höhe der Gebäudefront für alle Fronten ohne Anwendung des § 53 Abs. 5 desselben Gesetzes zu ermitteln. Auf Grund der Kotierung der Brandwand (im Plan als Feuermauer bezeichnet) zur Wiener Straße ONr 13 ergebe sich eine mittlere Gebäudehöhe von 11,79 m (gerundet von 11,787 m). Dadurch sei die Gebäudehöhe größer als sie in der Bauklasse III zulässig sei.

In der Folge hat der Gemeindevorstand der mitbeteiligten Gemeinde die Berufung der Beschwerdeführerin gegen den erstinstanzlichen Bescheid neuerlich als unbegründet abgewiesen. Ausgeführt wurde, im zweiten Rechtsgang sei eine Stellungnahme des bautechnischen Sachverständigen eingeholt worden, dieser habe dargelegt, wie die Gebäudehöhe zu berechnen sei (wird näher ausgeführt), demnach ergebe sich eine mittlere Gebäudehöhe von 10,056 m. Die vorgelegte Berechnung bestätige somit die Feststellung im Baubewilligungsbescheid, dass die mittlere Gebäudehöhe der Gebäudefront zur Beschwerdeführerin unter den in der Bauklasse III zulässigen 11 m zu liegen komme.

Die gegen diesen Bescheid erhobene Vorstellung der Beschwerdeführerin hat die belangte Behörde mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid als unbegründet abgewiesen. Hinsichtlich der Frage der tragenden Aufhebungsgründe eines aufhebenden Bescheides der Gemeindeaufsichtsbehörde bestehe für das fortgesetzte Verfahren vor der Gemeinde, vor der Aufsichtsbehörde und vor dem Verwaltungsgerichtshof bindende Wirkung. Der tragende Aufhebungsgrund im Bescheid vom 30. April 2001 sei die unrichtige Berechnung der Front des Straßentraktes des gegenständlichen Bauvorhabens an der Wiener Straße. Es habe sich insoweit die Sachlage geändert, als lediglich die Beurteilung der erwähnten Gebäudefront der aufsichtsbehördlichen Aufhebung zu Grunde gelegt worden sei. Eine Bindungswirkung an diesen lediglich eine Aussage über eine Teilgebäudehöhe betreffenden Aufhebungsgrund sei entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin jedoch zu verneinen. Wie dem vollständigen und schlüssigen Gutachten über die Berechnung der Gebäudehöhe des Bauvorhabens zu entnehmen sei, betrage diese Höhe an der Grundstücksgrenze zum Grundstück der Beschwerdeführerin 10,06 m und sei somit in der Bauklasse III zulässig. Die Berufung der Beschwerdeführerin sei somit zu Recht von der Stadtgemeinde Wolkersdorf abgewiesen worden.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten mit einer Gegenschrift vorgelegt und ebenso wie die erstmitbeteiligte Partei die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Die Beschwerdeführerin erstattete eine Replik zu den Gegenschriften.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die Aufsichtsbehörde hat den mit einer Vorstellung angefochtenen Bescheid einer Gemeinde in einer Angelegenheit des eigenen Wirkungsbereiches dahingehend zu überprüfen, ob durch ihn Rechte der Vorstellungswerber verletzt wurden. Trifft dies nicht zu, hat sie die Vorstellung als unbegründet abzuweisen; trifft dies zu, hat sie den Bescheid zu beheben und die Angelegenheit an die Gemeinde zurückzuverweisen (§ 61 Abs. 4 der NÖ Gemeindeordnung 1973, LGBl. 1000-12).

Nach Abs. 5 dieser Bestimmung ist die Gemeinde bei der neuerlichen Entscheidung an die Rechtsansicht der Aufsichtsbehörde gebunden.

An die die Aufhebung tragenden Gründe des aufsichtsbehördlichen Bescheides sind in der Folge aber nicht nur die Gemeinde und die Aufsichtsbehörde sondern auch der Verwaltungsgerichtshof gebunden. Eine Partei des Verfahrens kann gegen einen aufsichtsbehördlichen Bescheid auch dann, wenn ihrer Vorstellung stattgegeben worden ist, Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof erheben, wenn ihrem Rechtsstandpunkt nicht voll entsprochen worden ist, allerdings nur insoweit, als damit eine die Aufhebung tragende Rechtsansicht bekämpft wird. Wenn die Aufsichtsbehörde einen die Aufhebung tragenden Grund anders beurteilt hat als eine der Verfahrensparteien, so ist diejenige Verfahrenspartei berechtigt und zur Wahrung ihres Rechtsstandpunktes genötigt, diesen Bescheid anzufechten (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 20. Jänner 1998, Zl. 97/05/0304, u.v.a.).

Die Bindungswirkung tritt dann nicht ein, wenn sich der Sachverhalt (in einem wesentlichen Punkt) oder die Rechtslage geändert haben.

Die Rechtslage hat sich im vorliegenden Fall nicht geändert und auch der Sachverhalt hat sich nicht geändert, weil am eingereichten Projekt keinerlei Veränderungen vorgenommen wurden.

Die Rechtskraft des aufsichtsbehördlichen Bescheides würde nur einen Sachverhalt nicht erfassen, der sich nach der Erlassung des aufgehobenen gemeindebehördlichen Bescheides geändert hat. Eine Verbreiterung der Beurteilungsgrundlage ist jedoch keine Änderung des Sachverhaltes, die die Bindungswirkung ausschalten würde. "Sache" der Entscheidung der Vorstellungsbehörde ist nämlich die Baubewilligung für das eingereichte Bauprojekt und nicht die rechtliche Beurteilung durch die Behörde.

Die Rechtsansicht, wonach die Aufsichtsbehörde im ersten Rechtsgang aus welchen Gründen immer zur Beurteilung gelangte, dass die Gebäudehöhe des Projektes zu hoch sei, hätte primär durch die erstmitbeteiligte Partei aber auch durch die mitbeteiligte Gemeinde beim Verwaltungsgerichtshof angefochten werden können bzw. müssen.

Da der Bescheid jedoch unbekämpft in Rechtskraft erwachsen ist, ist die Bindungswirkung des tragenden Aufhebungsgrundes, der darin liegt, dass auf Grund der Kotierung der Brandwand eine mittlere Gebäudehöhe von 11,79 m vorliegt, wodurch die Gebäudehöhe größer als in der Bauklasse III zulässig ist, gegeben.

Auch die Beurteilung durch die belangte Behörde, sie habe nur eine Aussage über eine "Teilgebäudehöhe" getroffen, kann nicht geteilt werden, die Aussage im Bescheid vom 30. April 2001 ist eindeutig. Die in diesem Zusammenhang von der belangten Behörde zitierten hg. Erkenntnisse vom 20. Jänner 1998, Zl. 97/05/0304, und vom 30. Jänner 2001, Zl. 98/05/0127, enthalten keinerlei Aussagen hinsichtlich einer Verneinung der Bindungswirkung bezüglich eines eine "Teilgebäudehöhe" betreffenden Aufhebungsgrundes.

Die belangte Behörde hat somit dadurch, dass sie die Bindungswirkung, die der tragende Aufhebungsgrund ihres Bescheides vom 30. April 2001 bildete, nicht beachtet hat, den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastet.

Ein Eingehen auf die nunmehr vorgenommene Berechnungsmodalität erübrigt sei, weil, wie bereits ausgeführt, auch der Verwaltungsgerichtshof die Bindungswirkung zu berücksichtigen hat.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001.

Wien, am 30. Juli 2002

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