Normen
GewO 1994 §124 Z11;
GewO 1994 §13 Abs1;
GewO 1994 §87 Abs1 Z1;
StGB §146;
StGB §147 Abs1 Z1;
StGB §147 Abs2;
StGB §15;
StGB §43 Abs1;
GewO 1994 §124 Z11;
GewO 1994 §13 Abs1;
GewO 1994 §87 Abs1 Z1;
StGB §146;
StGB §147 Abs1 Z1;
StGB §147 Abs2;
StGB §15;
StGB §43 Abs1;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.088,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid des Magistrates der Stadt Wien (Magistratisches Bezirksamt für den 3. Bezirk) vom 11. Juni 2002 wurde gemäß § 87 Abs. 1 Z. 1 in Verbindung mit § 13 Abs. 1 GewO 1994 der Beschwerdeführerin die Gewerbeberechtigung "Handelsgewerbe gemäß § 124 Z. 11 GewO 1994" im näher bezeichneten Standort entzogen.
In der Begründung dieses Bescheides wird darauf hingewiesen, dass die Beschwerdeführerin mit Urteil des Landesgerichtes Wien vom 13. Juli 2001 wegen des Vergehens nach den §§ 146, 147 Abs. 1 Z. 1 und Abs. 2 in Verbindung mit § 15 StGB zu einer bedingten Freiheitsstrafe von fünf Monaten verurteilt worden sei. Sie sei laut diesem Urteil schuldig gesprochen worden, in Wien mit dem Vorsatz, durch das Verhalten der Getäuschten sich unrechtmäßig zu bereichern, Angestellte von Versicherungsgesellschaften durch Täuschung über Tatsachen zu Handlungen, die jene Versicherungsgesellschaften in insgesamt S 25.000,-- übersteigender Höhe an Vermögen schädigten und schädigen sollten, wobei sie zur Täuschung jeweils ein falsches Beweismittel, und zwar eine Rechnung über angebliche Kfz-Reparaturleistungen, welche jeweils durch die nicht protokollierte Firma C ausgestellt worden sei, benützt habe und sie jeweils Ansprüche aus einem Kfz-Kasko-Versicherungsvertrag geltend gemacht habe.
In ihrer Berufung bringt die Beschwerdeführerin im Wesentlichen vor, dass sie sich auf Drängen ihres Rechtsanwaltes habe schuldig bekannt, sie habe aber keine wie immer geartete betrügerische Handlung gesetzt, nur aus ihrer Kaskoversicherung für ihr eigenes Auto einen Schadenersatz mit Rechnungslegung gefordert und diesen Betrag nicht erhalten, weil die Versicherung einen von ihr gemeldeten Wildschaden angezweifelt habe. Die Versicherung habe auch aus ihrer Vollkaskoversicherung den Schaden nicht bezahlt. Sie sei seit 1959 in dieser Branche tätig und habe sich nie das Geringste zu Schulden kommen lassen.
Mit dem vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid wurde der Berufung keine Folge gegeben (mit einer für die Beurteilung des Beschwerdefalles nicht bedeutsamen Ergänzung der Spruchfassung des erstinstanzlichen Bescheides).
In der Begründung dieses Bescheides heißt es hinsichtlich der Erfüllung der Tatbestandsmerkmale des § 87 Abs. 1 Z. 1 GewO 1994, es sei, was die Eigenart der strafbaren Handlung anlange, im vorliegenden Fall davon auszugehen, dass das gegenständliche Gewerbe Gelegenheit zur Begehung der gleichen oder ähnlichen Straftat biete. Dies ergebe sich bereits daraus, dass das Vergehen des teils vollendeten und teils versuchten schweren Betruges im Zusammenhang mit der Gewerbeausübung stehe, in dem fingierte Rechnungen ausgestellt worden seien. Weiters biete die Ausübung eines Gewerbes vielfältige Möglichkeiten zur Begehung eines Betrugsdeliktes z.B. Kunden, Lieferanten, Sozialversicherungsträgern und Versicherungen aus Versicherungsverträgen den Gewerbebetrieb betreffend. Damit lägen mit Rücksicht auf die Art der Straftat Umstände vor, die die Annahme der Befürchtung der Begehung gleichen oder ähnlicher Straftaten hinsichtlich der durch das in Rede stehende Gewerbe gebotenen Gelegenheit rechtfertigten. Was weiters die erforderliche Würdigung der Persönlichkeit der Beschwerdeführerin anlange, so sei aus der Vorgangsweise, der Höhe des Schadensbetrages und dem Alter bei den Tatbegehungen (67 Jahre), "wo die Persönlichkeitsentwicklung bereits abgeschlossen ist und unbesonnene Handlungen wie in der Jugend nicht mehr vorkommen, weil man in der Lage ist, alle Konsequenzen der eigenen Handlungen klar zu erkennen und dieser Erkenntnis gemäß zu handeln", ein Persönlichkeitsbild zu gewinnen, das die Begehung der gleichen oder ähnlichen Straftat bei Ausübung des Gewerbes befürchten lasse. Was das Wohlverhalten seit den Tathandlungen betreffe, so könne nach allgemeinen Erfahrungsgrundsätzen dem relativ kurzen Zeitraum von nicht einmal drei Jahren nicht jenes Gewicht beigemessen werden, das die in Rede stehende Annahme unberechtigt erscheinen lasse.
Der Verfassungsgerichtshof lehnte die Behandlung der gegen diesen Bescheid zunächst vor ihm erhobenen Beschwerde mit Beschluss vom 9. Oktober 2002, B 1492/02-3, ab; antragsgemäß trat er die Beschwerde gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag auf kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 87 Abs. 1 Z. 1 GewO 1994 ist die Gewerbeberechtigung von der Behörde (§ 361) zu entziehen, wenn auf den Gewerbeinhaber die Ausschlussgründe gemäß § 13 Abs. 1 oder 2 zutreffen und nach der Eigenart der strafbaren Handlung und nach der Persönlichkeit des Verurteilten die Begehung der gleichen oder einer ähnlichen Straftat bei Ausübung des Gewerbes zu befürchten ist.
In der Beschwerde wird unter anderem geltend gemacht, die Beschwerdeführerin sei seitens des Strafgerichtes (ohne Setzung weiterer Maßnahmen insbesondere ohne die Erteilung von Weisungen) die Rechtswohltat der so genannten unechten bedingten Verurteilung gemäß § 43 Abs. 1 StGB zuteil geworden. Diesen Umstand habe die belangte Behörde vollkommen ignoriert.
Schon mit diesem Vorbringen ist die Beschwerdeführerin im Ergebnis im Recht:
Es trifft nun zwar zu, dass nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. zuletzt das Erkenntnis vom 2. Juni 1999, Zl. 99/04/0093) die Gewerbebehörde bei der Erstellung der ihr in § 87 Abs. 1 Z. 1 GewO 1994 aufgetragenen Prognose nicht an die Beurteilung des Strafgerichtes nach § 43 StGB gebunden ist.
Nach § 43 Abs. 1 StGB ist die Art der Tat, die Person des Rechtsbrechers, der Grad seiner Schuld, sein Vorleben und sein Verhalten nach der Tat zu berücksichtigen und kann es sich dabei im Einzelfall durchwegs um Umstände handeln, die für die im § 87 Abs. 1 Z. 1 GewO 1994 genannten Wertungskriterien von Bedeutung sein können. Die Erteilung der bedingten Strafnachsicht gemäß § 43 Abs. 1 StGB hat ja gerade die Annahme des Gerichtes zur Voraussetzung, "dass die bloße Androhung der Vollziehung ... genügen werde, um ...(den Rechtsbrecher) von weiteren strafbaren Handlungen abzuhalten" (vgl. auch die zur Verkehrszuverlässigkeit ergangene - neuere - Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, wie etwa das Erkenntnis vom 23. April 2002, Zl. 2001/11/0406, und die dort zitierte Vorjudikatur). Das bedeutet, dass die Überlegungen des Gerichtes bei der Anwendung der bedingten Strafnachsicht gemäß § 43 Abs. 1 StGB nicht schematisch außer Betracht bleiben können. Im Hinblick darauf hätte es im Entziehungsverfahren näherer Erörterungen bedurft, weshalb ungeachtet der günstigen Prognose durch das Strafgericht die (weiteren) gesetzlichen Voraussetzungen der Entziehung nach § 87 Abs. 1 Z. 1 GewO 1994 (Befürchtung der Begehung der gleichen oder einer ähnlichen Straftat bei Ausübung des Gewerbes) erfüllt seien.
Im vorliegenden Fall hat sich die belangte Behörde bei der erforderlichen Würdigung der Persönlichkeit der Beschwerdeführerin damit begnügt, auf die Vorgangsweise, die Höhe des Schadensbetrages und das Alter bei den Tatbegehungen (67 Jahre), "wo die Persönlichkeitsentwicklung bereits abgeschlossen ist und unbesonnene Handlungen wie in der Jugend nicht mehr vorkommen, weil man in der Lage ist, alle Konsequenzen der eigenen Handlungen klar zu erkennen und dieser Erkenntnis gemäß zu handeln" hinzuweisen. Dass eine solche Begründung hinreichend wäre, ungeachtet des Ausspruches des Strafgerichtes betreffend die bedingte Strafnachsicht gemäß § 43 Abs. 1 StGB die Erfüllung der Tatbestandsmerkmale des § 87 Abs. 1 Z. 1 GewO 1994 darzutun, ist für den Verwaltungsgerichtshof nicht zu finden. Dies vor allem vor dem Hintergrund, dass die Beschwerdeführerin nach ihrem unbestritten gebliebenen Vorbringen seit 1959 in dieser Branche tätig ist und sich "nie das Geringste zuschulden kommen lassen" hat.
Der angefochtene Bescheid war daher schon deshalb gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG aufzuheben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. II Nr. 501/2001.
Von der beantragten mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 1 Z. 3 VwGG abgesehen werden.
Wien, am 22. Mai 2003
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