Normen
EnergiewirtschaftsG 1935 §11 Abs1;
Energiewirtschaftsrecht EV 02te 1940 Art4;
GWG 2000 §44;
GWG 2000 §45;
GWG 2000 §67;
GWG 2000 §76 Abs4;
EnergiewirtschaftsG 1935 §11 Abs1;
Energiewirtschaftsrecht EV 02te 1940 Art4;
GWG 2000 §44;
GWG 2000 §45;
GWG 2000 §67;
GWG 2000 §76 Abs4;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird im Umfang seines Spruchteiles I. wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat der beschwerdeführenden Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Mit Bescheid des Bundesministers für Wirtschaft und Arbeit vom 27. September 2000 wurden im Spruchteil I. folgende Feststellungen getroffen:
"1. Der Bestand der Erdgashochdruckleitung Mattersburg - Eisenstadt, welche auf Grundstück Nr. 3646/4, EZ 2374, KG Eisenstadt annähernd parallel zum Grundstück Nr. 3648 (Eisbach) auf einer Strecke von rund 32 m ca. 4 m innerhalb des Grundstückes verläuft, dient der öffentlichen Versorgung mit Erdgas und dem allgemeinen Besten im Sinne des Gesetzes zur Förderung der Energiewirtschaft (Energiewirtschaftsgesetz).
2. Zu Gunsten der genannten Erdgashochdruckleitung, welche im Eigentum der Burgenländischen Erdgasversorgungs AG (BEGAS) steht, ist die Enteignung durch zwangsweise Einräumung von Dienstbarkeitsrechten hinsichtlich des im Eigentum von Herrn R, PStraße 1, W, stehenden Grundstücks Nr. 3646/4, EZ 2374, KG 30003 Eisenstadt, zulässig.
3. Der Landeshauptmann von Burgenland kann auf Grund dieser Zulässigkeitsfeststellung Dienstbarkeitsrechte zwangsweise einräumen, die Höhe der angemessenen Entschädigung für die Dienstbarkeitseinräumung festsetzen und allenfalls über die Besitzeinweisung entscheiden."
Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, die Erdgashochdruckleitung Mattersburg - Eisenstadt sei auf Grund des Bescheides des Amtes der Burgenländischen Landesregierung vom 19. August 1970, Zl. VI/1-1350/6-1970, gewerbebehördlich genehmigt worden. Der der gewerberechtlichen Genehmigung zu Grunde liegende Projektplan habe einen Trassenverlauf vorgesehen, durch den das verfahrensgegenständliche Grundstück nicht berührt worden wäre. Infolge einer leichten Trassenverschwenkung gegenüber dem Einreichplan sei letztlich das Grundstück des Beschwerdeführers benützt worden; es sei im vorliegenden Verfahren nicht erforderlich, die Gründe für diese Trassenverschwenkung zu ermitteln. Die Erdgashochdruckleitung Mattersburg - Eisenstadt diene der öffentlichen Versorgung im Sinne des § 2 EnWG. Sie stelle eine wichtige Versorgungsschiene für den Zentralraum Eisenstadt dar. Um den Bestand einer derartigen Leitungsanlage auf Dauer zu sichern, sei es - neben der Einholung der notwendigen verwaltungsrechtlichen Genehmigungen - erforderlich, das Projekt durch entsprechende Privatrechtstitel (Dienstbarkeitsrechte) abzusichern. Eine privatrechtliche Vereinbarung zwischen der beschwerdeführenden Partei und der mitbeteiligten Partei sei nicht zu Stande gekommen, weil die Vorstellungen über eine angemessene Entschädigung zu weit auseinander klafften. Die mitbeteiligte Partei habe daher den Antrag gestellt, die Zulässigkeit der Enteignung im Sinne des § 11 EnWG festzustellen. § 11 Abs. 1 EnWG stelle auf die Erforderlichkeit für Zwecke der öffentlichen Energieversorgung ab; ob es sich um zu errichtende oder bereits bestehende Erdgasversorgungseinrichtungen handle, sei nicht entscheidend. Wenn daher der Bestand eines konkreten Projektes (bzw. einer konkreten Einrichtung) energiewirtschaftlich notwendig sei und dafür Grundstücke beansprucht würden, die nicht im Eigentum des Erdgasversorgungsunternehmens stünden, und über deren Benützung trotz ernsthafter Bemühungen des Erdgasversorgungsunternehmens keine privatrechtlichen Verträge abgeschlossen werden konnten bzw. auch sonst keine Rechtsgrundlagen für eine Grundstücksinanspruchnahme zur Verfügung stünden, so sei eine Enteignung zur privatrechtlichen Absicherung des Projektes bzw. der Einrichtung erforderlich. Angesichts der - in der Präambel zum EnWG erhobenen - Forderung nach einer möglichst kostengünstigen Energieversorgung müssten in die Beurteilung der Erforderlichkeit der Enteignung immer auch Wirtschaftlichkeitsüberlegungen und insbesondere Kosten der Umverlegung einer bestehenden Leitung einbezogen werden. Eine Umverlegung der bestehenden Erdgashochdruckleitung (entsprechend der ursprünglichen Trassierung) würde Kosten in Höhe von zumindest 550.000,-- ATS verursachen; gleichwohl sei zweifelhaft, ob die beschwerdeführende Partei dadurch die von ihr angestrebte Nutzung ihres Grundstückes verwirklichen könne. Sei aber festzustellen, dass ein konkreter Bedarf vorliege, dessen Deckung im öffentlichen Interesse liege, so müsse geprüft werden, ob das Grundstück der beschwerdeführenden Partei geeignet sei, diesen Bedarf zu decken. Diese Frage könne schon im Hinblick darauf, dass die Erdgashochdruckleitung hier schon seit ca. 30 Jahren bestehe, bejaht werden. Der Bedarf könne auch nicht anders als durch Enteignung gedeckt werden, weil die Einigungsbemühungen zwischen beschwerdeführender Partei und mitbeteiligter Partei zu keinem Ergebnis geführt hätten. Schließlich sei noch festzustellen, dass zur privatrechtlichen Absicherung der Erdgashochdruckleitung keine Enteignung im engeren Sinn einer völligen Entziehung von Grundeigentum notwendig sei, sondern dass mit der Einräumung von Dienstbarkeitsrechten das Auslangen gefunden werden könne.
Die gegen diesen Bescheid an den Verfassungsgerichtshof erhobene Beschwerde wurde, nachdem dieser deren Behandlung mit Beschluss vom 6. Dezember 2001, B 2075/00, abgelehnt hatte, gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof abgetreten.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die beschwerdeführende Partei erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid im "Recht auf Unterbleiben der Zulässigerklärung der Enteignung durch zwangsweise Einräumung von Dienstbarkeiten" hinsichtlich der in ihrem Eigentum stehenden Liegenschaft verletzt. Sie bringt hiezu im Wesentlichen vor, die für zulässig erklärte Enteignung könne nicht erforderlich im Sinne des § 11 EnWG sein, weil "eine rechtskräftige abweichende Trassenführung" vorliege, die das Grundstück der beschwerdeführenden Partei nicht betreffe. Es sei nicht einsichtig, warum erst in einem weiteren Verfahrensabschnitt vor dem Landeshauptmann von Burgenland "der Einwand einer bestehenden Trassenführung" zu überprüfen sei. Durch die bestehende Trassenführung sei geradezu dokumentiert, dass die Enteignung des Grundstücks der beschwerdeführenden Partei nicht erforderlich sei. Es könne nicht energiewirtschaftsrechtlich zulässig sein, was in der konkreten Ausführung nicht notwendig sei. Die öffentliche Gasversorgung sei über die bestehende Erdgashochdruckleitung seit Jahrzehnten gewährleistet. In Wahrheit gehe es nur um die mangelnde Bereitschaft der mitbeteiligten Partei, die ursprünglich bewilligte Trassenführung herzustellen, weil sie den Weg der Enteignung für die billigere Lösung halte.
Der angefochtene Bescheid stützt sich auf § 11 des Gesetzes zur Förderung der Energiewirtschaft (Energiewirtschaftsgesetz, EnWG), DRGBl. 1935 I 1451, eingeführt durch GBl. f.d. Land Österreich Nr. 156/1939 i.d.F. GBl. f.d. Land Österreich Nr. 1381/1939 sowie auf die Zweite Verordnung über die Einführung des Energiewirtschaftsrechts, GBl. f.d. Land Österreich Nr. 18/1940. Nach diesen, im vorliegenden Fall gemäß der Übergangsbestimmung des § 76 Abs. 4 Gaswirtschaftsgesetz anzuwendenden Bestimmungen stellt der Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit die Zulässigkeit der Enteignung fest, soweit für Zwecke der öffentlichen Energieversorgung die Entziehung oder die Beschränkung von Grundeigentum oder Rechten am Grundeigentum im Wege der Enteignung erforderlich werden (§ 11 Abs. 1 leg. cit.). Auf die Durchführung von Enteignungsverfahren für Zwecke der öffentlichen Energieversorgung finden die Vorschriften des Eisenbahnenteignungsgesetzes nach Maßgabe einzelner Sonderregelungen sinngemäße Anwendung (Art. 4 der genannten Verordnung).
Die Regelung sieht zwei Phasen des Verfahrens vor, nämlich zunächst die Feststellung der Zulässigkeit der Enteignung durch den Minister und sodann die Durchführung des eigentlichen Enteignungsverfahrens in erster Instanz durch den Landeshauptmann. In der ersten Phase des Verfahrens wird abschließend über die Frage entschieden, auf die sich die Feststellung nach § 11 Abs. 1 EnWG bezieht, das ist, ob eine öffentliche Energieversorgung vorliegt und inwieweit für deren Zwecke die Enteignung erforderlich ist. Wird in diesem Sinne die Zulässigkeit der Enteignung festgestellt, so wird dadurch die Frage, inwieweit für Zwecke der öffentlichen Energieversorgung die Enteignung erforderlich ist, mit für das anschließende Enteignungsverfahren bindender Wirkung entschieden (vgl. z.B. das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 9. Oktober 1968, Slg. 5801, sowie das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 21. Mai 1975, Zlen. 1555/74, 1556/74).
Mit Spruchteil I. des angefochtenen Bescheides hat die belangte Behörde festgestellt, die auf einer Strecke von ca. 32 m über das Grundstück der beschwerdeführenden Partei verlaufende Erdgashochdruckleitung diene der öffentlichen Versorgung mit Erdgas und im Sinne des Energiewirtschaftsgesetzes dem allgemeinen Besten; eine Enteignung der beschwerdeführenden Partei durch zwangsweise Einräumung von Dienstbarkeitsrechten sei zulässig und könne vom Landeshauptmann vorgenommen werden.
Nun steht zwischen den Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens unbestritten fest, dass die Trassenführung der Erdgashochdruckleitung über das Grundstück der beschwerdeführenden Partei in Abweichung von der der mitbeteiligten Partei erteilten Genehmigung erfolgt ist. Soweit die Leitung über das Grundstück der beschwerdeführenden Partei verläuft, vermag sie sich auf keinen energiewirtschaftsrechtlichen Konsens zu stützen; ein Abspruch über die in der abweichenden Trassenführung gelegene Änderung der Anlage im Sinne des §§ 44 f Gaswirtschaftsgesetz und deren Übereinstimmung mit dem öffentlichen Interesse liegt nicht vor.
Es ist nicht zweifelhaft, dass der Bestand einer Erdgashochdruckleitung Mattersburg - Eisenstadt der öffentlichen Erdgasversorgung dient und solcherart dem allgemeinen Besten im Sinn des Energiewirtschaftsgesetzes. Allerdings spricht der angefochtene Bescheid nicht über das öffentliche Interesse am Bestand der Erdgashochdruckleitung Mattersburg - Eisenstadt insgesamt ab, sondern stellt fest, dass zur Führung dieser Leitung konkret über das Grundstück der beschwerdeführenden Partei deren Enteignung erforderlich und daher zulässig ist.
Gerade für diese - von der ursprünglich erteilten Genehmigung abweichende - Trassenführung besteht jedoch keine Genehmigung, die im Sinn des § 44 f bzw. § 67 Abs. 3 Gaswirtschaftsgesetz deren Zulässigkeit begründen würde; vielmehr ist die ursprüngliche, rechtsverbindliche Festlegung der das Grundstück der beschwerdeführenden Partei nicht berührenden Trassenführung aufrecht.
Dieser Mangel ist für die Rechtmäßigkeit der im angefochtenen Bescheid spruchgemäß vorgenommenen Feststellung nicht unerheblich. Kann doch unter dem Gesichtspunkt des Allgemeininteresses bei Beurteilung der Erforderlichkeit, den Eigentümer eines bestimmten Grundstückes für Zwecke der öffentlichen Energiewirtschaft zu enteignen, nicht außer Betracht bleiben, ob der die Enteignung unter energiewirtschaftsrechtlichen Gesichtspunkten erfordernde Grund einer Trassenführung über dieses Grundstück auch den energiewirtschaftsrechtlichen Bedingungen seines Bestandes entspricht. So lange die geänderte Trassenführung daher nicht als im Sinne des an die Stelle des EnWG getretenen Gaswirtschaftsgesetzes zulässig angesehen werden kann, mangelt der Feststellung, zur öffentlichen Energieversorgung werde diese (und nicht die genehmigte) Leitungsführung benötigt, diese diene daher dem allgemeinen Besten und es sei zu ihrer Ausführung eine Enteignung zulässig, eine wesentliche Voraussetzung.
Indem die belangte Behörde dies verkannte, belastete sie den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes. Dieser war daher im angefochtenen Ausmaß (Spruchteil I.) gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.Das Umsatzsteuer betreffende Mehrbegehren war abzuweisen, weil diese im zuerkannten Pauschbetrag bereits enthalten ist.
Wien, am 25. Februar 2004
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