Normen
B-VG Art130 Abs2;
StbG 1985 §10 Abs1 Z6;
StbG 1985 §10 Abs1;
StbG 1985 §10 Abs3;
StbG 1985 §11;
B-VG Art130 Abs2;
StbG 1985 §10 Abs1 Z6;
StbG 1985 §10 Abs1;
StbG 1985 §10 Abs3;
StbG 1985 §11;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.
Das Land Oberösterreich hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die Oberösterreichische Landesregierung (belangte Behörde) das Ansuchen des Beschwerdeführers auf Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft "gemäß §§ 10 und 11 des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1985" (StbG) ab. Die belangte Behörde begründete den angefochtenen Bescheid damit, dass "nach Durchführung eines umfangreichen Ermittlungsverfahrens" feststehe, dass der Beschwerdeführer "in strafrechtlicher Hinsicht mehrfach in Erscheinung getreten ist". Die belangte Behörde traf dazu folgende Feststellungen:
"I. Gerichtliche Vorstrafen:
1. Bezirksgericht F, Zl. U 59/90, vom 24.09.1990 (Protokolls- und Urteilsvermerk):
Verurteilung wegen des Vergehens des Diebstahls nach § 127 StGB - Geldstrafe von 40 Tagessätzen a S 80,-- (Gesamtgeldstrafe S 3.200,--); im Nichteinbringungsfall 20 Tage Ersatzfreiheitsstrafe.
2. Landesgericht L, Zl. 33 EVr 2132/91, 33 EHv 126/91, vom 15.01.1992 (Protokolls- und Urteilsvermerk):
P. hat 1991 in F eine falsche Urkunde, nämlich einen auf ihn ausgestellten, total gefälschten rumänischen Führerschein im Rechtsverkehr zum Beweis eines Rechtes und einer Tatsache gebraucht, in dem er diese bei der Bezirkshauptmannschaft F zwecks Umtausches auf einen österreichischen Führerschein vorlegte.
Vergehen der Urkundenfälschung nach § 223 Abs. 1 und Abs. 2 des Österreichischen Strafgesetzbuches.
Rechtskräftig verhängte Geldstrafe: 100 Tagessätze a S 50,-- (Gesamtgeldstrafe S 5.000,--), im Nichteinbringungsfall 50 Tage Ersatzfreiheitsstrafe.
II. Verwaltungsstrafen
1. Strafverfügung der Bezirkshauptmannschaft F vom 30.09.1996:
P. hat 1996 um 16.30 Uhr in der Gemeinde B. das Kraftfahrzeug Pkw, pol. Kennzeichen ..., auf Straßen mit öffentlichem Verkehr verwendet, ohne dass an diesem eine den Vorschriften entsprechende Begutachtungsplakette angebracht gewesen war.
Strafbare Handlung gemäß §§ 36 lit. e und 134 Abs. 1
Kraftfahrgesetz 1967.
Rechtskräftig verhängte Geldstrafe S 500,--.
2. P. wurde vom Gendarmerieposten F. am 04. März 1991 an die Bezirkshauptmannschaft F zur Anzeige gebracht, da er ein Fahrzeug in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand gelenkt hat und in der Folge die Untersuchung der Atemluft auf Alkoholgehalt verweigert hat (strafbare Handlungen gemäß § 5 Abs. 1 und Abs. 2 und § 99 Abs. 1 lit. b der Straßenverkehrsordnung 1960). Anlässlich dieser Amtshandlung wurde auch die Fälschung des rumänischen Führerscheins, für die der Antragsteller laut oben angeführten Urteil rechtskräftig verurteilt wurde, festgestellt.
III. Finanzstrafe
Der Staatsbürgerschaftswerber wurde vom Zollamt W. mit Strafverfügung gemäß § 146 des Finanzstrafvergehens vom 17.10.1998, rechtskräftig mit gleichem Datum mit einer Geldstrafe in Höhe von S 300,-- wegen des Schmuggels von Zigaretten belegt, außerdem wurde der Verfall des Schmuggelgutes ausgesprochen."
Nach Wiedergabe der vom Beschwerdeführer zu diesen Umständen abgegebenen Stellungnahme (der Beschwerdeführer hatte vorgebracht, die strafgerichtlichen Verurteilungen lägen bereits zehn Jahre zurück; bei der Verwaltungsübertretung aus dem Jahr 1996 habe es sich nur um Mängel am Kraftfahrzeug gehandelt; der Finanzstrafe vom 17. Oktober 1998 liege "der Schmuggel von sechs Packungen Zigaretten von Tschechien nach Österreich" zugrunde) führte die belangte Behörde in rechtlicher Hinsicht aus:
Bei der Übung des der Behörde in § 10 StbG eingeräumten Ermessens nach den in § 11 StbG vorgegebenen Kriterien sei aufgrund der vom Beschwerdeführer (der keinen Rechtsanspruch auf Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft habe) begangenen Vergehen des Diebstahles und der Urkundenfälschung, welche "weder als Kavaliers- noch als Bagatelldelikte abgetan werden" könnten, sowie seiner rechtskräftigen Bestrafung nach dem Finanzstrafgesetz von einem Gesamtverhalten des Beschwerdeführers auszugehen, das im Hinblick auf das allgemeine Wohl eine Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft nicht rechtfertige. Weiter führte die belangte Behörde aus:
"Grundsätzlich muss davon ausgegangen werden, dass schon aus generellen Überlegungen eine Straffreiheit des Staatsbürgerschaftswerbers in den Jahren vor Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft verlangt werden muss. Eine Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft an Personen, die in Österreich maßgeblich straffällig geworden sind, widerspricht dem allgemeinen Wohl und auch dem öffentlichen Interesse. Hinzu kommt, dass kein Mangel an Staatsbürgerschaftswerbern feststellbar ist, sodass eine Toleranz gegenüber straffällig gewordenen Ausländern schon im Hinblick auf das allgemeine Wohl nicht angebracht ist.
Weiters kann aus generalpräventiven Überlegungen dem Ansuchen des Staatsbürgerschaftswerbers nicht beigetreten werden, weil nicht einsehbar ist, aus welchem Grund ein wesentliches und strafrechtlich relevantes Verhalten bei der Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft außer Acht gelassen werden sollte. Außerdem hat die Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft am Ende eines gelungenen Integrationsprozesses zu stehen. Ein solcher ist derzeit aber nicht feststellbar."
Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:
Die belangte Behörde hat die Versagung der Verleihung der Staatsbürgerschaft nicht mit dem Mangel der Verleihungsvoraussetzung des § 10 Abs. 1 Z 6 StbG begründet (wonach der Staatsbürgerschaftswerber nach seinem bisherigen Verhalten Gewähr dafür bieten muss, dass er zur Republik bejahend eingestellt ist und weder eine Gefahr für die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit darstellt noch andere in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannte öffentliche Interesse gefährdet), sondern sich ausschließlich darauf gestützt, dass sie das ihr gemäß § 10 StbG eingeräumte Ermessen nicht zu Gunsten des Beschwerdeführers habe üben können.
§ 11 StbG lautet in der im Beschwerdefall maßgebenden Fassung BGBl. I Nr. 124/1998:
"Die Behörde hat sich unter Bedachtnahme auf das Gesamtverhalten des Fremden bei der Ausübung des ihr in § 10 eingeräumten freien Ermessens von Rücksichten auf das allgemeine Wohl, die öffentlichen Interessen und das Ausmaß der Integration des Fremden leiten zu lassen."
Hat die Behörde bei Vorliegen strafgerichtlicher Verurteilungen oder Verhängung von Verwaltungsstrafen das Vorliegen der Verleihungsvoraussetzung nach § 10 Abs. 1 Z 6 StbG stillschweigend als gegeben vorausgesetzt, so kann sie die Begehung dieser strafbaren Handlungen dennoch im Rahmen der Ausübung des freien Ermessens gemäß § 11 StbG berücksichtigen und als Grund für die Ablehnung des Antrages heranziehen (vgl. das Erkenntnis vom 17. Februar 1999, Zl. 98/01/0485).
Bei der Heranziehung von Verurteilungen bei der Ermessensübung im Grunde des § 11 StbG ist jedoch auch zu berücksichtigen, dass Taten nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes grundsätzlich dann weniger Gewicht haben, wenn sie weiter zurückliegen; dabei ist auch der Zeitraum des Wohlverhaltens nach einer Straftat zu beachten.
Im vorliegenden Fall liegen die Taten, die den von der belangten Behörde festgestellten strafgerichtlichen Verurteilungen vom 24. September 1990 und 15. Jänner 1992 zugrunde liegen, mehr als zwölf Jahre (am 6. März 1990 begangener Ladendiebstahl mit einer geringfügigen, im angefochtenen Bescheid allerdings gar nicht festgestellten Schadenssumme) bzw. mehr als elf Jahre (am 8. Februar 1991 begangenes Vergehen nach § 223 Abs. 2 StGB durch Gebrauch eines gefälschten rumänischen Führerscheines) zurück. Auch die Verwaltungsübertretung wegen Verwendung eines Kraftfahrzeuges ohne den Vorschriften entsprechender Begutachtungsplakette und die Anzeige wegen Lenkens eines Fahrzeuges in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand (die offenbar zu keiner Verwaltungsstrafe führte) liegen ca. sechs bzw. mehr als elf Jahre zurück. Das Finanzvergehen wegen Schmuggels von sechs Packungen Zigaretten beging der Beschwerdeführer etwa dreieinhalb Jahre vor Erlassung des angefochtenen Bescheides. Im Hinblick auf das zuletzt erwähnte Vergehen hat die belangte Behörde festgestellt, dass über den Beschwerdeführer eine Geldstrafe in der Höhe von S 300,-- verhängt wurde und keine Feststellungen getroffen, die der im angefochtenen Bescheid wiedergegebenen Stellungnahme des Beschwerdeführers, es habe sich dabei um den "Schmuggel von sechs Packungen Zigaretten von Tschechien nach Österreich" gehandelt, entgegenstünden.
Im Hinblick auf den langen, seit Begehung der gerichtlich strafbaren Handlungen vergangenen Zeitraum von mehr als elf Jahren und den Umstand, dass sich bezüglich der sechs bzw. dreieinhalb Jahre zurückliegenden Verwaltungsdelikte mangels entgegenstehender Feststellungen über die Umstände der Tatbegehung aus der Höhe der verhängten Verwaltungsstrafen von lediglich S 500,-- bzw. S 300,-- ergibt, dass diesen eher bloß Bagatellcharakter zukommt, reichen die erwähnten Delikte nicht ohne Weiteres aus, die zu Lasten des Beschwerdeführers erfolgte Ermessensübung zu tragen.
In Bezug auf das Ausmaß der Integration des Beschwerdeführers hat die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid lediglich ausgeführt, ein "gelungener Integrationsprozess" sei derzeit "nicht feststellbar", ohne dies durch entsprechende Feststellungen näher zu begründen.
Wie die ErläutRV zur Staatsbürgerschafts-Novelle 1998 (vgl. 1283 BlgNR XX. GP 5 und 9) festhalten, sollte - u.a. durch die Neufassung des § 11 StbG - die Integration des Fremden als das für die Verleihung der Staatsbürgerschaft maßgebliche Kriterium verankert werden, sodass die Staatsbürgerschaftsbehörde bei ihrer Entscheidung vor allem die Integration des Fremden und deren Ausmaß zu beachten hat (vgl. dazu aus der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes etwa die Erkenntnisse vom 9. September 2003, Zl. 2002/01/0026, und Zl. 2002/01/0459, mwN). Indem die belangte Behörde die Grundlagen der Ermessensübung in Bezug auf das vor allem zu berücksichtigende Ausmaß der Integration des Beschwerdeführers nicht ermittelt hat, liegt dem angefochtenen Bescheid eine mangelhafte Ermessensübung zugrunde. Anzumerken ist in diesem Zusammenhang auch, dass dem angefochtenen Bescheid nicht entnommen werden kann, seit wann der Beschwerdeführer seinen Hauptwohnsitz im Bundesgebiet hat.
Da die von der belangten Behörde vorgenommene Ermessensübung schon nach dem Gesagten nicht dem Gesetz entspricht, braucht im vorliegenden Fall nicht darauf eingegangen zu werden, ob die von der belangten Behörde angestellten "generalpräventiven Überlegungen" in die Ermessensübung nach § 11 StGB überhaupt einfließen durften.
Der angefochtene Bescheid war somit aufgrund der ihm zugrunde liegenden fehlerhaften Ermessensübung gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333.
Wien, am 21. Jänner 2004
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