Spruch:
Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und die Beschwerde werden zurückgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 41,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer, seinen Angaben zufolge ein Staatsangehöriger von Ruanda und am 20. April 1998 in das Bundesgebiet eingereist, beantragte die Gewährung von Asyl. Diesen Antrag wies das Bundesasylamt mit Bescheid vom 22. Mai 1998 gemäß § 7 AsylG ab; es sprach weiter gemäß § 8 AsylG aus, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers nach Ruanda nicht zulässig sei.
Der zunächst in der Betreuungsstelle Traiskirchen aufhältig gewesene Beschwerdeführer erhob gegen die Abweisung seines Asylantrages Berufung. Eingangs der von ihm selbst gefertigten Berufungsschrift vom 8. Juni 1998 waren seine persönlichen Daten wie folgt angegeben:
"(Name des Beschwerdeführers)
20.3.1978 geb., ruand. StA.
z.Hdn. Dr. (Name)
Kaunitzgasse 33/13
1060 Wien"
Mit Schriftsatz vom 29. Juni 1998 teilte der Beschwerdeführer
dem Bundesasylamt Folgendes mit:
"Betreff: Adressänderung
Hiermit gebe ich Ihnen meine neue Zustelladresse/Wohnadresse
wie folgt bekannt:
Wohnheim des Evangel. Flüchtlingsdienstes
Grimmgasse 6/3
1150 Wien"
Mit Bescheid vom 23. Februar 1999 wies der unabhängige Bundesasylsenat die Berufung des Beschwerdeführers gemäß § 7 AsylG ab. Außerdem wurde erneut festgestellt, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers nach Ruanda nicht zulässig sei. Eine Zustellung dieses Bescheides an der vom Beschwerdeführer am 29. Juni 1998 bekannt gegebenen Adresse scheiterte; die Sendung wurde mit dem Vermerk "Empfänger verzogen" an die belangte Behörde retourniert. Den weiteren Vorgang beschreibt ein im Verwaltungsakt erliegender Aktenvermerk vom 1. März 1999 wie folgt:
"Aus dem Aktenvermerk des Zustellorganes des Postamtes 1150 Wien vom 25.2.1999 ergibt sich, dass der Berufungswerber unbekannt verzogen ist.
Laut telefonischer Auskunft vom 26.2.1999 bei der Bundespolizeidirektion Wien - Zentralmeldeamt war (Beschwerdeführer) von 29.6.1998 - 28.7.1998 in 1150 Wien, Grimmgasse 6/3 aufrecht gemeldet. Weiters wurde mitgeteilt, dass (Beschwerdeführer) vom 16.7.1998 - 15.9.1998 bei der Justizanstalt Wien-Josefstadt, 1082 Wien, Wickenburggasse 18-20 aufrecht gemeldet war und zum Polizeigefangenenhaus Krems, 3500 Krems, Kasernstraße 9, überstellt wurde.
Laut telefonischer Auskunft des Magistrates Krems vom 1.3.1999 war (Beschwerdeführer) von 15.9.1998 - 13.11.1998 bei dem Polizeigefangenenhaus Krems, 3500 Krems, Kasernstraße 9 aufrecht gemeldet und ist angeblich nach 1150 Wien, Grenzgasse, unbekannt verzogen.
Da der Berufungswerber von der Anhängigkeit des gegenständlichen Verfahrens Kenntnis hatte, trotz Kenntnis seiner Mitteilungspflicht gemäß § 8 des Zustellgesetzes nicht nachgekommen ist und eine Abgabestelle nicht ohne Schwierigkeiten festgestellt werden kann, wird der Bescheid hiemit gemäß § 8 Abs. 2 des Zustellgesetzes bei der Behörde hinterlegt."
Auf Grund eines am 5. April 2002 zur Post gegebenen Antrages wurde dem Beschwerdeführer zur Erhebung einer Beschwerde gegen den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 23. Februar 1999 (allenfalls in Verbindung mit einem Wiedereinsetzungsantrag) die Verfahrenshilfe bewilligt. In der daraufhin erstatteten Beschwerde machte der Beschwerdeführer zunächst geltend, dass der Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates an den in der Berufungsschrift namhaft gemachten Zustellbevollmächtigten bzw. an der darin bekannt gegebenen "weiteren Abgabestelle" zuzustellen gewesen wäre. Außerdem hätte die belangte Behörde durch Befragung "der nachfolgenden Wohnungsbenützer/Nachbarn" ohne Schwierigkeiten die neue Abgabestelle eruieren können. Letztlich fehle eine gemäß § 23 Abs. 1 ZustG erforderliche behördliche Anordnung, "um rechtlich einwandfrei im Sinne des § 8 ZustG zuzustellen". Die Zustellung durch Hinterlegung im Akt sei daher nicht wirksam gewesen, vielmehr sei die Zustellung erst durch Aushändigung einer Kopie des Bescheides aus Anlass einer Vorsprache bei der belangten Behörde am 22. Februar 2002 rechtmäßig erfolgt. Ausdrücklich in eventu stellte der Beschwerdeführer einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Beschwerdefrist. Diesen begründete er damit, dass er - insbesondere wegen Verbüßung einer Haft - "von einem allenfalls erfolgten Zustellvorgang" im Sinne des § 8 ZustG keine Kenntnis habe erlangen können. Nach der letzten Haftentlassung mit 16. Februar 2002 habe er am 22. Februar 2002 die belangte Behörde aufgesucht und dort eine Kopie des zu bekämpfenden Bescheides ausgehändigt erhalten. Dabei sei ihm jedoch nicht mitgeteilt worden, dass der Bescheid "allenfalls" bereits zuvor durch Hinterlegung im Akt zugestellt worden sei. Er sei davon ausgegangen, dass die Zustellung durch Übergabe an ihn am 22. Februar 2002 zustande gekommen wäre. Erst nachdem er seine damalige Vertreterin, eine Mitarbeiterin der Deserteurs- und Flüchtlingsberatung, aufgesucht und diese sich mit der belangten Behörde in Verbindung gesetzt habe, habe sich herausgestellt, dass die Zustellung bereits vor dem vom Beschwerdeführer bis dato angenommenen Termin (22. Februar 2002) hätte erfolgt sein können. In der Folge habe die damalige Vertreterin des Beschwerdeführers bei der belangten Behörde zu eruieren begonnen, wann und wie allenfalls eine Zustellung vorgenommen worden wäre. Mit dem Hinweis, dass für den gegenständlichen Akt niemand zuständig sei, sei dieser Vertreterin jedoch von der belangten Behörde jegliche Auskunft verwehrt worden. Da der Beschwerdeführer als Ausländer nicht um die Rechtsfolgen einer Bescheidzustellung wisse und er nicht darüber aufgeklärt worden sei, dass gemäß § 8 ZustG - bei Vorliegen der dort normierten Voraussetzungen - zugestellt werden könne, habe für ihn "darin" ein unabwendbares/unvorhersehbares Ereignis gelegen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Dem Beschwerdeführer ist darin zuzustimmen, dass er mit den eingangs dargestellten Angaben in seiner Berufung gegen den Bescheid des Bundesasylamtes (arg.: z.Hdn.) die Bestellung eines Zustellungsbevollmächtigten bekannt gegeben hat (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 27. November 1998, Zl. 98/21/0314). Gemäß § 9 Abs. 1 ZustG hatten die Asylbehörden daher (zunächst) diese Person - zwingend - als Empfänger behördlicher Schriftstücke zu bezeichnen; für den Beschwerdeführer bestimmte Schriftstücke waren (zunächst) jedenfalls dem Zustellungsbevollmächtigten zuzustellen. Mit Mitteilung vom 29. Juni 1998 gab der Beschwerdeführer indes ausdrücklich eine neue "Zustelladresse/Wohnadresse", nämlich eine Räumlichkeit im Wohnheim des Evangelischen Flüchtlingsdienstes) bekannt. Dies konnte nur so verstanden werden, dass die mit der Berufung erteilte Zustellungsvollmacht widerrufen werde, weil (alte) Zustellungsvollmacht einerseits und neue "Zustelladresse" andererseits im Hinblick auf die vorhin dargestellte gesetzliche Anordnung des § 9 Abs. 1 ZustG nicht nebeneinander bestehen können. Die Bekanntgabe einer neuen "Zustelladresse" musste, sollte sie nicht von vornherein leer laufen, die bestehende Zustellungsvollmacht beenden und konnte daher bei verständiger Deutung nur in diesem Sinne verstanden werden. Insofern unterscheidet sich der vorliegende Fall von jenen, in denen bei vergleichbarer Ausgangslage (und Bestellung der selben Person zum Zustellungsbevollmächtigten) bloß eine neue Adresse bekannt gegeben worden war (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 22. März 2000, Zl. 99/01/0268, und den hg. Beschluss vom 29. Juni 2000, Zlen. 2000/20/0135, 0136); während eine neue Adresse des Asylwerbers für sich betrachtet die Frage der Zustellung in einem solchen Fall nicht unmittelbar tangiert, bringt die Bekanntgabe einer neuen Zustelladresse unmissverständlich das Begehren um Zustellung an eben jener Anschrift - und damit das Erlöschen einer dem widersprechenden Zustellungsvollmacht - zum Ausdruck. Die belangte Behörde hatte daher zusammenfassend zu Recht lediglich an der am 29. Juni 1998 bekannt gegebenen Adresse einen Zustellversuch vorgenommen. Angesichts der im Aktenvermerk vom 1. März 1999 dokumentierten Bemühungen kann ihr aber - nach Scheitern der (versuchten) Zustellung im Wohnheim des Evangelischen Flüchtlingsdienstes - auch nicht angelastet werden, sie habe nicht versucht, eine andere Abgabestelle festzustellen; inwieweit eine Befragung der "nachfolgenden Wohnungsbenützer/Nachbarn", wie in der Beschwerde angeführt, in Anbetracht des von der Behörde ermittelten Gefängnisaufenthaltes hätte dienlich sein können, ist für den Verwaltungsgerichtshof nicht nachvollziehbar. Dass der Beschwerdeführer der ihm obliegenden Meldepflicht nach § 8 Abs. 1 ZustG nicht nachgekommen ist, ist unstrittig. Die - entgegen der Beschwerde - ordnungsgemäß angeordnete Zustellung durch Hinterlegung per 1. März 1999 entsprach daher dem Gesetz. Davon ausgehend ist im Folgenden der bloß in eventu gestellte Wiedereinsetzungsantrag näher zu behandeln.
Als Wiedereinsetzungsgrund macht der Beschwerdeführer geltend, dass er von der - nach dem eben Gesagten am 1. März 1999 erfolgten - Zustellung keine Kenntnis erlangt habe. Erst am 22. Februar 2002 sei ihm bei der belangten Behörde eine Kopie des zu bekämpfenden Bescheides ausgehändigt worden, ohne dass man ihn über die bereits erfolgte Zustellung durch Hinterlegung in Kenntnis gesetzt habe.
Gemäß § 46 Abs. 3 VwGG ist der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand - unter Außerachtlassung des im § 46 Abs. 2 leg. cit. geregelten Sonderfalles - binnen zwei Wochen nach Aufhören des Hindernisses zu stellen. Besteht das Hindernis in einem Irrtum, so beginnt die Wiedereinsetzungsfrist mit Wegfall dieses Irrtums oder der Umstände, unter denen er nicht in einer der Wiedereinsetzung entgegenstehenden Weise vorwerfbar ist, zu laufen (vgl. etwa sinngemäß das zu § 71 AVG ergangene hg. Erkenntnis vom 21. August 2001, Zl. 2000/01/0409).
Im vorliegenden Fall wurde dem Beschwerdeführer aus Anlass seiner Vorsprache bei der belangten Behörde am 22. Februar 2002 eine Kopie des zu bekämpfenden Bescheides ausgefolgt. Dieser Bescheid ist mit 23. Februar 1999 datiert. Angesichts dessen und in Anbetracht des Umstandes, dass der Beschwerdeführer - ohne hievon die Asylbehörden zu verständigen - lange Zeit in Haft war, musste er jedenfalls, auch ohne nähere Kenntnis des österreichischen Zustellrechts, von der Möglichkeit ausgehen, dass ihm die Entscheidung mittlerweile auch ohne sein Wissen rechtswirksam zugestellt worden sei. Dies gilt umso mehr für die von ihm in der Folge beigezogene Vertreterin, eine Mitarbeiterin der Deserteurs- und Flüchtlingsberatung, deren Verschulden ihm zugerechnet werden muss (vgl. etwa den hg. Beschluss vom 9. Juli 2002, Zlen. 2002/01/0216, 0217) und die er nach seinem Vorbringen im Verfahrenshilfeantrag noch im Februar 2002 - die beigelegte Vollmacht datiert vom 27. Februar 2002 - aufgesucht hatte.
Unter den gegebenen Umständen begründete es nicht bloß leichte Fahrlässigkeit, mit der Erhebung des - in eventu gestellten - Wiedereinsetzungsantrages bis zum letzten Tag der hypothetisch ab dem 22. Februar 2002 laufenden Beschwerdefrist (bis zum 5. April 2002) zuzuwarten. Daran vermag auch der Umstand nichts zu ändern, dass der Vertreterin des Beschwerdeführers, wie behauptet, mit der Begründung, dass für den gegenständlichen Akt niemand zuständig sei, seitens der belangten Behörde jegliche Auskunft verwehrt worden sei. Gegebenenfalls hätte Akteneinsicht genommen werden müssen, was nach dem Inhalt der Verwaltungsakten der Beschwerdeführer selbst aus Anlass seiner Vorsprache bei der belangten Behörde am 22. Februar 2002 ohnehin getan hat. Dass ihm (oder seiner Vertreterin) in der Folge zur weiteren Abklärung eine solche Akteneinsicht verweigert worden wäre, wird nicht behauptet.
Nach dem Gesagten endete die gemäß § 46 Abs. 3 VwGG offen stehende Frist jedenfalls schon vor dem 5. April 2002. Da der Beschwerdeführer erst mit diesem Tag - durch Einbringung eines auch die Stellung eines Wiedereinsetzungsantrages umfassenden Verfahrenshilfeantrages - eingeschritten ist, war der Wiedereinsetzungsantrag, ebenso wie die Beschwerde (letztere gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG), in nichtöffentlicher Sitzung als verspätet zurückzuweisen. Auf die Tauglichkeit des geltend gemachten Wiedereinsetzungsgrundes unter dem Gesichtspunkt eines Verschuldens hinsichtlich der Umstände, die zur Zustellung gemäß § 8 Abs. 2 ZustG geführt haben, braucht bei diesem Ergebnis nicht mehr eingegangen zu werden.
Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff, insbesondere auf § 51 VwGG, iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2001.
Wien, am 22. Oktober 2002
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