VwGH 2001/21/0107

VwGH2001/21/010718.5.2004

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Gruber und die Hofräte Dr. Robl, Dr. Pelant, Dr. Sulzbacher und Dr. Grünstäudl als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Thurin, über die Beschwerde des J, vertreten durch Dr. Emil Knauer, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Keesgasse 1, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Steiermark vom 13. März 2001, Zl. Fr 764/2000, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Normen

FrG 1997 §36 Abs1;
FrG 1997 §36 Abs2 Z7;
FrG 1997 §36 Abs1;
FrG 1997 §36 Abs2 Z7;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 51,50 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid erließ die belangte Behörde gegen den Beschwerdeführer, einen Staatsangehörigen von Weißrussland, gemäß § 36 Abs. 1 Z. 1 und 2 und Abs. 2 Z. 7 sowie den §§ 37, 38 und 39 des Fremdengesetzes 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, ein für die Dauer von fünf Jahren befristetes Aufenthaltsverbot.

Zur Begründung dieser Maßnahme führte sie im Wesentlichen aus: Der Beschwerdeführer sei nach seinen Angaben am 13. März 2000 illegal in einem Lkw versteckt in das Bundesgebiet eingereist. Sein Asylantrag sei rechtskräftig mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 3. April 2000, rechtswirksam erlassen am 22. April 2000, abgewiesen worden. Der Tatbestand des § 36 Abs. 2 Z. 7 FrG sei erfüllt, weil der Beschwerdeführer keine Barmittel und auch keine Ersparnisse besitze und keiner regelmäßigen Beschäftigung nachgehe. Er habe angegeben, zwei- bis dreimal in der Woche verschiedene Zeitungen als Kolporteur zu verkaufen, wüsste aber nicht, was er dabei verdiene. Mit diesem Vorbringen sei es ihm nicht gelungen, den von ihm initiativ zu erbringenden Nachweis für den Besitz der Mittel zu seinem Unterhalt zu führen. Der Umstand, dass er monatlich S 3.000,-- vom Sozialamt bekomme, bestätige eindeutig, dass er keine (eigenen) Mittel zu seinem Unterhalt habe. Es müsse von einer "tatsächlichen Mittellosigkeit" ausgegangen werden, weil nach den Bestimmungen des Steiermärkischen Sozialhilfegesetzes für einen Rechtsanspruch auf Sozialhilfe die Mittellosigkeit einer Person vorausgesetzt werde.

Der Beschwerdeführer sei am 7. Februar 2001 bei einem versuchten Diebstahl von Toiletteartikel im Wert von S 147,80 betreten worden und habe angegeben, diese Artikel deswegen stehlen zu müssen, weil er nicht genug Geld hätte. Damit werde die Tatsache seiner Mittellosigkeit und die daraus resultierende Annahme, dass sein Aufenthalt eine Gefährdung der öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicherheit darstelle, noch verstärkt. Es bestehe die Gefahr, dass er sich weiterhin durch strafbare Handlungen den nötigen Lebensunterhalt verschaffen werde.

Da der Beschwerdeführer ledig sei und keine familiären Bindungen zu in Österreich lebenden Personen habe, weiters keiner geregelten und erlaubten Berufsausübung nachgehe, werde mit dem Aufenthaltsverbot nicht in relevanter Weise in sein Privat- oder Familienleben eingegriffen. Aber selbst bei Annahme eines solchen Eingriffs sei das Aufenthaltsverbot zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit, zur Verhinderung von strafbaren Handlungen und zur "Verhinderung des Aufenthaltes undokumentierter, mittelloser, illegal ins Bundesgebiet gelangter und sich hier nicht rechtmäßig aufhaltender Fremder" dringend geboten und es überwiege das öffentliche Interesse an der Erlassung des Aufenthaltsverbotes das gegenläufige Interesse des Beschwerdeführers.

Die in der Berufung behauptete Gefahr einer Verfolgung in seinem Heimatland stehe dem Aufenthaltsverbot nicht entgegen, weil mit dem Aufenthaltsverbot nicht auch darüber abgesprochen werde, dass der Fremde in ein bestimmtes Land auszureisen habe oder dass er allenfalls dorthin abgeschoben würde. Das Vorliegen von Refoulementgründen sei bereits in einem eigenen Verfahren nach § 8 Asylgesetz geprüft worden und es habe das Bundesasylamt rechtskräftig festgestellt, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers nach Weißrussland zulässig sei.

Letztlich erachtete sich die belangte Behörde außer Stande, das ihr eingeräumte Ermessen zu Gunsten des Beschwerdeführers zu üben.

Der Verwaltungsgerichtshof hat nach Vorlage der Verwaltungsakten durch die belangte Behörde erwogen:

Voraussetzung für die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gemäß § 36 Abs. 1 FrG ist die auf bestimmte Tatsachen gegründete Prognose, dass der Aufenthalt des Fremden die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit oder andere in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannte öffentliche Interessen (die nationale Sicherheit, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung, die Verhinderung von strafbaren Handlungen, den Schutz der Gesundheit und der Moral und den Schutz der Rechte und Freiheiten Anderer) erheblich gefährdet. Daraus folgt, dass die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes nach § 36 Abs. 1 FrG nur dann in Betracht kommt, wenn ein solches erforderlich ist, um die festgestellte, vom Fremden ausgehende Gefahr im Bundesgebiet abzuwenden. In § 36 Abs. 2 FrG sind demonstrativ Sachverhalte angeführt, die als bestimmte Tatsachen im Sinn des § 36 Abs. 1 leg. cit. gelten, bei deren Verwirklichung die dort genannte Annahme gerechtfertigt sein kann. Bei der Erstellung der für jedes Aufenthaltsverbot zu treffenden Gefährlichkeitsprognose ist das Gesamtverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen und auf Grund konkreter Feststellungen eine Beurteilung dahingehend vorzunehmen, ob und im Hinblick auf welche Umstände die in § 36 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme gerechtfertigt ist. Bei der Entscheidung, ein Aufenthaltsverbot zu erlassen, ist Ermessen zu üben, wobei die Behörde vor dem Hintergrund der gesamten Rechtsordnung auf alle für und gegen das Aufenthaltsverbot sprechenden Umstände Bedacht zu nehmen hat (vgl. das hg. Erkenntnis vom 13. Dezember 2001, Zl. 99/21/0349).

Zu der von der belangten Behörde angenommenen Mittellosigkeit des Beschwerdeführers im Sinn des § 36 Abs. 2 Z. 7 FrG bringt die Beschwerde vor, der Beschwerdeführer arbeite zwei- bis dreimal wöchentlich als Zeitungskolporteur, könne gratis in einem Caritasheim wohnen und werde von einem Sozialhilfeträger mit monatlich S 3.000,-- unterstützt. Die belangte Behörde hätte feststellen müssen, über welches Einkommen der Beschwerdeführer "in Österreich zusammengezählt verfügt, um tatsächlich eine Mittellosigkeit anzunehmen bzw. zu negieren". Damit verkennt er, dass es nach ständiger hg. Rechtsprechung am Fremden liegt, von sich aus seine finanziellen Verhältnisse darzulegen und nachzuweisen, dass er über ausreichende Mittel für die beabsichtigte Dauer seines Aufenthaltes in Österreich verfüge (vgl. das hg. Erkenntnis vom 27. Februar 2001, Zlen. 98/21/0427, 0428). Dies hat der Beschwerdeführer unterlassen. Durch die behauptete Möglichkeit, in einem Caritasheim gratis zu wohnen, kann in keiner Weise die Abdeckung des gesamten Unterhaltsbedarfs eines Fremden nachgewiesen werden. Die dem Beschwerdeführer gewährten Sozialleistungen indizieren geradezu, dass er nicht über die erforderlichen finanziellen Mittel für seinen Unterhalt verfüge (vgl. das hg. Erkenntnis vom 11. Dezember 2003, Zl. 2002/21/0070). Daraus und aus der unterlassenen Bekanntgabe seines Einkommens als Zeitungskolporteur durfte die belangte Behörde die Mittellosigkeit des Beschwerdeführers annehmen und den Tatbestand des § 36 Abs. 2 Z. 7 FrG als erfüllt beurteilen.

Aus dieser Mittellosigkeit durfte sie weiters die Gefahr ableiten, dass er seinen Unterhalt im Weg strafbarer Handlungen zu finanzieren versuche und/oder die Republik Österreich finanziell belaste (vgl. für viele das hg. Erkenntnis vom 4. September 2003, Zl. 2003/21/0083). Der Bezug von Sozialhilfe und der in der Beschwerde zugegebene (nach Beschwerdeansicht als versuchte Entwendung zu qualifizierende) Diebstahlsversuch zeigen auf, dass diese grundsätzlich zu befürchtenden Nachteile auch bereits tatsächlich eingetreten sind. Demnach bestehen keine Bedenken gegen die Annahme der belangten Behörde, dass der weitere Aufenthalt des Beschwerdeführers im Sinn des § 36 Abs. 1 FrG eine Gefahr für die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit darstelle, zumal er sich auch nicht rechtmäßig im Inland aufhält.

Es kann auch nicht der weiteren Ansicht der belangten Behörde mit Erfolg entgegengetreten werden, dass angesichts des erst kurzen inländischen Aufenthalts des Beschwerdeführers bis zum maßgeblichen Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides und des Fehlens familiärer Bindungen im Inland selbst unter der Annahme eines mit dem Aufenthaltsverbot verbundenen relevanten Eingriffs in sein Privatleben das aus den genannten Umständen abzuleitende öffentliche Interesse an der Erlassung des Aufenthaltsverbotes das gegenläufige Interesse des Beschwerdeführers an einem Verbleib in Österreich überwiege. Das Aufenthaltsverbot ist wegen des aufgezeigten öffentlichen Interesses somit nicht nur nach § 37 Abs. 1 FrG dringend geboten, sondern auch nach § 37 Abs. 2 FrG zulässig.

Weiters ist kein Umstand ersichtlich, der die belangte Behörde hätte veranlassen müssen, von dem ihr eingeräumten Ermessen zu Gunsten des Beschwerdeführers Gebrauch zu machen.

Letztlich ist dem Beschwerdeführer zwar zuzustimmen, dass der angefochtene Bescheid unübersichtlich und aus Textbausteinen zusammengesetzt ist, es können ihm jedoch - was sich aus dem Vorstehenden ergibt - die von der belangten Behörde getroffenen Feststellungen und die darauf aufbauende rechtliche Beurteilung entnommen werden. Soweit die Beschwerde Fehler des Ermittlungsverfahrens anspricht, zeigt sie nicht auf, welche weiteren relevanten Feststellungen die belangte Behörde hätte treffen können.

Da somit dem angefochtenen Bescheid die behauptete Rechtswidrigkeit nicht anhaftet, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Durchführung der beantragten Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG unterbleiben.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003.

Wien, am 18. Mai 2004

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