VwGH 2001/16/0472

VwGH2001/16/047224.1.2002

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldner und die Hofräte Dr. Steiner, Dr. Fellner, Dr. Höfinger und Dr. Kail als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Valenta, über die Beschwerden 1.) der M in S, Tanzania, 2.) der M in D, Deutschland, 3.) der M in W und 4.) der

M in W, alle vertreten durch Dr. Peter Fichtenbauer, Dr. Klaus Krebs und Dr. Edeltraud Fichtenbauer, Rechtsanwälte in Wien I, Kärntner Ring 10, gegen die Bescheide der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland je vom 13. August 2001,

  1. 1.) GZ RV/122-09/97, 2.) RV/121-09/97, 3.) GZ RV/123-09/97 und
  2. 4.) RV/120-09/97, betreffend je Grunderwerbsteuer, zu Recht erkannt:

Normen

BAO §19;
BAO §200 Abs1;
BAO §200 Abs2;
BAO §289 Abs2;
BAO §19;
BAO §200 Abs1;
BAO §200 Abs2;
BAO §289 Abs2;

 

Spruch:

Die Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführer haben dem Bund Aufwendungen in der Höhe von je 332 EUR bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Gegenstand der vorliegenden Beschwerden sind der Grunderwerbsteuer unterliegende Erwerbsvorgänge, zu denen das hg Erkenntnis vom 27. Jänner 2000, Zl 98/16/0244, ergangen ist, auf dessen Sachverhaltsdarstellung verwiesen wird. Die nunmehrigen Beschwerdeführerinnen sind Erbinnen nach Franz Josef S, die mittels Schiedssprüchen vom 30. November 1989 zur Übertragung ihrer Miteigentumsanteile an bestimmten Grundstücken verpflichtet wurden. In dem genannten, an die insgesamt neun Erwerber der Grundstücksanteile ergangenen Erkenntnis wurde ausgesprochen, dass damit der Steuertatbestand im Sinne des § 1 Abs 1 Z 2 GrEStG 1987 verwirklicht worden ist.

Für die nunmehrigen Beschwerdefälle ist wesentlich, dass das Finanzamt für Gebühren und Verkehrsteuern in Wien am 18. Dezember 1989 an die Erwerber der in Rede stehenden Liegenschaftsanteile Grunderwerbsteuerbescheide erlassen hat. Die Vorschreibung erfolgte vorläufig, weil der Umfang der Abgabepflicht noch ungewiss sei.

Am 28. Juli 1995 erließ das Finanzamt an die vier Beschwerdeführerinnen - also die Veräußerer der Liegenschaftsanteile - Grunderwerbsteuerbescheide, die ausdrücklich als "endgültig gem § 200 (2) BAO" bezeichnet wurden.

In den gegen diese Bescheide erhobenen Berufungen wurde gleichlautend eingewendet, durch die Erlassung des vorläufigen Bescheides entstehe eine Bindungswirkung für die Behörde. Der Adressat könne in ein und demselben Vorgang nicht ausgewechselt werden. Überdies unterliege die Grundstückstransaktion überhaupt nicht der Grunderwerbsteuer.

Mit gleichlautenden Berufungsbescheiden vom 13. Dezember 1995 wurde über diese Berufungen entschieden. Im Spruchteil dieser Bescheide wurde jeweils ausgeführt:

Der Berufung wird Folge gegeben und der angefochtene Bescheid aufgehoben. Vorbehalten bleibt die Festsetzung der Grunderwerbsteuer, soweit sie unter Beachtung des Ermessens (§ 20 BAO) gegenüber den Erwerbern nicht festgesetzt werden kann.

In der Begründung dieser Bescheide verwies die Berufungsbehörde auf den Umstand, dass die vorläufigen Bescheide nur an die Erwerber, nicht aber an die Beschwerdeführerinnen gerichtet worden seien. Die Gründe, weshalb der vorläufige Bescheid nur an die Erwerber und der endgültige Bescheid nur an die Veräußerer der Liegenschaft(santeile) ergangen ist, seien aus dem Akt nicht zu ersehen. Diese Vorgangsweise entspreche nicht dem Gesetz. Im Übrigen wurde in den Berufungsbescheiden darauf hingewiesen, dass die in Rede stehenden Vorgänge dem Grunde nach der Grunderwerbsteuer unterlägen.

In weiterer Folge erließ das Finanzamt gegenüber den Beschwerdeführerinnen am 6. Februar 1997 jeweils einen neuen Bescheid über die Vorschreibung von Grunderwerbsteuer.

In der Berufung gegen die letztgenannten Bescheide vom 6. Februar 1997 wurde geltend gemacht, die Bescheiderlassung verstoße gegen den Grundsatz "res iudicata", weil in dieser Sache, die einen identen Gegenstand zum Inhalt habe, bereits mit den Berufungsentscheidungen vom 13. Dezember 1995 entschieden worden sei.

Mit den nunmehr angefochtenen Bescheiden wurden die Berufungen als unbegründet abgewiesen. In der Begründung dieser Bescheide wurde insbesondere ausgeführt, die Bezeichnung eines Bescheides als "vorläufig" bzw als "endgültig" sei Spruchbestandteil. Dieser Teil des Spruches sei "Sache". Identität der Sache liege nicht mehr vor, wenn erstmals einerseits über den nunmehr gewissen Umfang der Abgabepflicht abgesprochen und andererseits ein anderer Bescheidadressat herangezogen werde. Unter anderem wurde in der Begründung der angefochtenen Bescheide auch darauf hingewiesen, dass der "Mehrbetrag" der den Erwerbern vorgeschriebenen Steuerschuldigkeiten bisher nicht entrichtet worden sei. Das Finanzamt habe daher die Beschwerdeführerinnen aus Zweckmäßigkeitsgründen "im Sinne einer reibungsloseren und rascheren Hereinbringung" als Gesamtschuldner herangezogen.

In den Beschwerden gegen diese Bescheide erachten sich die Beschwerdeführerinnen dadurch in ihren Rechten verletzt, dass in einer bereits erledigten Sache neuerlich entschieden worden sei.

Die belangte Behörde erstattete Gegenschriften und legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor.

Der Verwaltungsgerichtshof hat die Beschwerden im Hinblick auf ihren persönlichen und sachlichen Zusammenhang zur gemeinsamen Beratung und Beschlussfassung verbunden und darüber erwogen:

Gemäß § 200 Abs 1 BAO kann die Abgabenbehörde die Abgabe vorläufig festsetzen, wenn nach den Ergebnissen des Ermittlungsverfahrens die Abgabepflicht zwar noch ungewiss, aber wahrscheinlich oder wenn der Umfang der Abgabepflicht noch ungewiss ist. Nach Abs 2 dieser Gesetzesstelle ist die vorläufige Abgabenfestsetzung durch eine endgültige Festsetzung zu ersetzen, wenn die Ungewissheit beseitigt ist.

Nach § 289 Abs 1 BAO hat die Abgabenbehörde zweiter Instanz, sofern die Berufung nicht zurückzuweisen ist, immer in der Sache selbst zu entscheiden. Dabei ist die Abgabenbehörde zweiter Instanz berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung ihre Anschauung an die Stelle jener der Abgabenbehörde erster Instanz zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern, aufzuheben oder die Berufung als unbegründet abzuweisen (§ 289 Abs 2 BAO).

Nach der letztgenannten Gesetzesstelle ist die Rechtsmittelbehörde berechtigt und verpflichtet, sich auf die Aufhebung des mit Berufung angefochtenen Bescheides zu beschränken, wenn sie zu dem Ergebnis kommt, dass der angefochtene Bescheid ersatzlos aufzuheben ist (vgl das hg Erkenntnis vom 19. Dezember 1990, Zl 86/13/0136). Waren die Voraussetzungen für die Erlassung des erstinstanzlichen Bescheides nicht erfüllt, so ist dieser (ersatzlos) aufzuheben (vgl das hg Erkenntnis vom 25. April 1996, Zl 96/16/0059).

Wurde eine Abgabe im Sinne des § 200 Abs 1 BAO vorläufig festgesetzt, so kann es keinem Zweifel unterliegen, dass der Ersatz der vorläufigen Festsetzung durch eine endgültige Festsetzung nach dem ersten Satz des § 200 Abs 2 BAO allein gegenüber dem vorläufig zur Abgabenleistung herangezogenen Abgabenschuldner - oder allenfalls gegenüber dessen Rechtsnachfolger (vgl § 19 BAO) -, keinesfalls aber gegenüber einem Dritten - mag dieser auch als Gesamtschuldner in Betracht kommen - erfolgen kann. Die belangte Behörde hat daher in ihren Bescheiden vom 13. Dezember 1995 die damals angefochtenen erstinstanzlichen "endgültigen" Bescheide zutreffend - und dem Berufungsbegehren folgend - aufgehoben, da die Voraussetzungen für die Erlassung solcher Bescheide gegenüber den Beschwerdeführerinnen nicht gegeben waren. Eine andere Sachentscheidung, mit der die Rechtswidrigkeit der erstinstanzlichen Bescheide durch eine "Abänderung" dieser Bescheide hätte behoben werden können, ist bei dieser Konstellation nicht vorstellbar. Aus der Begründung der Berufungsbescheide vom 13. Dezember 1995 - die zur näheren Erläuterung des Bescheidspruches herangezogen werden kann - ist ersichtlich, dass die Berufungsbehörde allein über die Voraussetzungen der Erlassung eines endgültigen Bescheides entschieden hat. Mit aller Deutlichkeit kommt dies auch aus dem als Spruchbestandteil angeführten Ausspruch über einen Vorbehalt der Grunderwerbsteuerfestsetzung - wenn auch unter einer bestimmten Bedingung - , aber auch darin zum Ausdruck, dass die belangte Behörde auf die grundsätzliche Steuerpflicht der vorliegenden Erwerbsvorgänge hingewiesen hat. Aus all dem folgt somit, dass mit den aufhebenden Berufungsbescheiden vom 13. Dezember 1995 kein Abspruch über das Bestehen oder Nichtbestehen einer Grunderwerbsteuerschuld der Beschwerdeführerinnen erfolgt ist. Eine Identität der Sache zwischen den Berufungsbescheiden vom 13. Dezember 1995 und den nunmehr angefochtenen, ein Leistungsgebot enthaltenden Bescheiden ist somit entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerinnen nicht gegeben.

Die Beschwerden erweisen sich somit als unbegründet, sodass sie gemäß § 42 Abs 1 VwGG abzuweisen waren. Dabei war von der Durchführung der beantragten Verhandlung aus den Gründen des § 39 Abs 2 Z 6 VwGG abzusehen.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl II Nr 501/2001.

Wien, am 24. Jänner 2002

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