VwGH 2001/16/0404

VwGH2001/16/040416.5.2002

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldner und die Hofräte Dr. Steiner und Dr. Fellner als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Valenta, über die Beschwerde des D in W, vertreten durch Dr. Johannes Hübner, Rechtsanwalt in Wien IV, Brucknerstraße 8/3, gegen den Bescheid der Abgabenberufungskommission der Bundeshauptstadt Wien vom 26. Juni 2001, MD-VfR-H 59/99, betreffend Wiederaufnahme des Verfahrens hinsichtlich Getränkesteuer, zu Recht erkannt:

Normen

BAO §303;
BAO §303;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat der Stadt Wien Aufwendungen in Höhe von 332 EUR binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Im Jahre 1995 wurde in dem vom Beschwerdeführer betriebenen Gastronomieunternehmen eine abgabenbehördliche Prüfung hinsichtlich Getränkesteuer für die Jahre 1991 bis 1994 vorgenommen. In dem darüber erstellten Prüfungsbericht waren die Bemessungsgrundlagen aufgegliedert nach Jahren und einzelnen Gruppen von Getränken und Gefrorenem dargestellt.

Mit Bescheid des Magistrates der Stadt Wien vom 20. Februar 1996 wurde die Getränkesteuer für die angeführten Zeiträume festgesetzt. In der Berufung gegen diesen Bescheid wurde insbesondere die Schätzungsberechtigung und die Richtigkeit der vom Prüfer vorgenommenen Kalkulation der Bemessungsgrundlagen bestritten.

In einer die Berufung als unbegründet abweisenden Berufungsvorentscheidung wurde auf eine - nicht in den dem Verwaltungsgerichtshof vorgelegten Akten enthaltene - Niederschrift über die Prüfungsfeststellungen verwiesen. Darin seien die gravierenden Mängel der Buchhaltung dargestellt worden. Eine (angekündigte) "Nachkalkulation" des Beschwerdeführers sei nicht eingebracht worden.

In dem hierauf am 1. Oktober 1996 erhobenen Antrag auf Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz wurde unter anderem ausgeführt, eine berechtigte Schätzung müsse durch eine nachvollziehbare Darlegung der Mängel und durch Anführung der Schätzungsmethode begründet werden. Die Unterlagen hätten bisher nicht vorgelegt werden können, da sie anlässlich der unerwartet schnellen Räumung des Kursalons infolge eines unerwartet ausgehenden Gerichtsverfahrens "durcheinander" gekommen seien und erst wieder aufgefunden und geordnet hätten werden müssen. Im Übrigen wurde mit näherer Begründung eine Verminderung des vom Prüfungsorgan angenommenen Wareneinsatzes sowie der angewandten Rohaufschläge begehrt. Entsprechende detaillierte Aufstellungen waren der Eingabe angeschlossen.

Nach einem länger andauernden Berufungsverfahren, in dessen Verlauf auch zahlreiche Zeugeneinvernahmen bei Vertragspartnern durchgeführt wurden, wurde dem Beschwerdeführer mit einem Schreiben der Abgabenbehörde erster Instanz vom 17. November 1997 eine revidierte Schätzung der Bemessungsgrundlagen zur Kenntnis gebracht.

Mit einem Schreiben des Beschwerdeführers vom 25. November 1997 wurde dieses Schreiben "zur Kenntnis genommen". Mit der Neuberechnung des Nachzahlungsbetrages von S 640.000,-- seien sämtliche Einwände des Beschwerdeführers berücksichtigt. Weder gegen die Schätzungsmethode noch gegen die bei der Schätzung getroffenen Annahmen bestünden Einwände. Diese Erklärung werde "im Übrigen auch nur wegen Beweisnotstand auf Seiten des Abgabepflichtigen" abgegeben.

Mit Bescheid der belangten Behörde vom 27. März 1998 wurde der Berufung teilweise stattgegeben.

Mit einer Eingabe vom 7. Juni 1999 wurde die Wiederaufnahme des mit dem letztgenannten Bescheid abgeschlossenen Verfahrens beantragt. Am 26. Mai 1999 seien zufälligerweise nach längerem Suchen doch Unterlagen über die Reservierungen, Kellnerabrechnungen und Losungsabrechnungen über die betreffenden Zeiträume gefunden worden. Damit werde ein Nachweis über die tatsächlichen Konsumationen erbracht, der die Entscheidungsgrundlagen verändere. Diese neuen Tatsachen hätten im Verfahren ohne Verschulden der Partei nicht geltend gemacht werden können, weil anlässlich der binnen drei Tagen überraschend angesetzten Delogierung des Kursalons und im Zuge der übereilten Übersiedlung der Büros vom Kursalon in die Meierei die dort vorhandenen Unterlagen durch einen trotz aller Überwachung unterlaufenen Fehler des Transportunternehmens in Verstoß geraten seien. Sie seien abseits aller übrigen Unterlagen durch die den Transport durchführenden Arbeiter "versteckt" gelagert worden. Nach deren Auffindung werde nunmehr eine lückenlose Widerlegung der Argumente der damaligen Betriebsprüfung erbracht. Nach der Aktenlage waren dem Antrag keine Beilagen angeschlossen.

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der Wiederaufnahmeantrag abgewiesen. In der Begründung wurde insbesondere ausgeführt, es sei nicht plausibel dargetan worden, wie es möglich sei, dass wichtige Unterlagen erst 14 Monate nach Abschluss des Abgabenverfahrens zufällig entdeckt worden wären. Selbst bei einer "überraschenden Delogierung" (die idR sehr wohl angekündigt werde und eine gewisse Vorbereitung zulasse) sei es dem Abgabepflichtigen durchaus zumutbar, zumindest die in einem Abgabenverfahren benötigten Bücher und Unterlagen entsprechend sorgfältig zu ordnen, zu verwahren und zu transportieren. Die auch in einer solchen Situation gebotene Sorgfalt eines Abgabepflichtigen hätte jedenfalls das Verschwinden der Unterlagen oder zumindest deren dermaßen spätes Auffinden verhindern können. Den Beschwerdeführer treffe daher zumindest ein fahrlässiges Verschulden an der nachträglichen Geltendmachung des Beweismittels. Im Übrigen habe der Beschwerdeführer bereits in der Eingabe vom 27. September 1996 vorgebracht, dass die Unterlagen "erst wieder aufgefunden und geordnet werden mussten", was auf einen bereits damals abgeschlossenen Such- und Ordnungsvorgang schließen lasse. Der nunmehr behauptete Zufall des Entdeckens dieser Unterlagen erscheine daher nicht glaubhaft.

In der Beschwerde gegen diesen Bescheid erachtet sich der Beschwerdeführer in seinem Recht auf Bewilligung der Wiederaufnahme des Verfahrens verletzt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Der Beschwerdeführer bringt unter dem Gesichtspunkt einer Verletzung von Verfahrensvorschriften vor, die belangte Behörde hätte durch entsprechende Vorhalte vom Beschwerdeführer eine nähere Aufklärung der Umstände des Transports verlangen müssen. Mit diesem Vorbringen verkennt der Beschwerdeführer, dass der Wiederaufnahmswerber behauptungs- und beweispflichtig für das Vorliegen eines Wiederaufnahmsgrundes und auch für fehlendes Verschulden ist. Für die Beurteilung der Frage, ob einem Wiederaufnahmsantrag stattzugeben ist, sind allein die innerhalb der Antragsfrist vorgebrachten Wiederaufnahmsgründe maßgebend (vgl Ritz, BAO-Kommentar2, § 302 Rz 31 f, und die dort wiedergegebene Rechtsprechung).

Daraus folgt also, dass der Sachverhalt, der nach Auffassung des Wiederaufnahmswerbers einen tauglichen Wiederaufnahmsgrund darstellen soll, deutlich und unter Ausschluss von Zweifeln darzulegen ist. Demgegenüber sind die näheren Umstände des im ursprünglichen Verfahren behaupteten Verlustes der für die Ermittlung der Umsätze an der Getränkesteuer unterliegenden Getränken und Speiseeis maßgeblichen "Unterlagen" und das im Wiederaufnahmeantrag behauptete Wiederauffinden im Dunkeln geblieben. Weder ist in zeitlicher Hinsicht angegeben worden, wann es tatsächlich zur Räumung der seinerzeit genützten Büroräumlichkeiten gekommen ist und wie lange die dafür bestandene Frist tatsächlich gedauert hat. In örtlicher Hinsicht wurde nicht dargestellt, in welche Räumlichkeiten der Betrieb, insbesondere die Geschäftsleitung des Unternehmens verlegt worden ist, wo sich die Bücher und Aufzeichnungen tatsächlich befunden haben und in welchen Räumlichkeiten die "Unterlagen" - nach dem Antrag Hilfsaufzeichnungen - sodann am 26. Mai 1999 "zufälligerweise nach längerem Suchen" wiederaufgefunden wurden. Die behaupteten Umstände über Verlust und Wiederauffinden der Hilfsaufzeichnungen erscheinen dabei schon im Hinblick auf die lange Dauer des Abgabenverfahrens von der abgabenbehördlichen Prüfung im Jahre 1995 bis zur Erlassung des Berufungsbescheides vom 27. März 1998 ungewöhnlich. Dabei hat die belangte Behörde dem Vorbringen im Antrag auf Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz vom 1. Oktober 1996 zu Recht entscheidende Bedeutung beigemessen. Darin wurde ausdrücklich vorgebracht, nach der raschen Räumung der Büroräumlichkeiten seien die Unterlagen durcheinander gekommen und hätten erst wieder aufgefunden und geordnet werden müssen. Trotz der Wiederauffindung dieser Unterlagen ging der Beschwerdeführer in dieser Eingabe deutlich erkennbar davon aus, dass die in Rede stehenden Umsätze durch eine kalkulatorische Schätzung auf der Grundlage des ermittelten Wareneinsatzes und der für die einzelnen Warengruppen anzuwendenden Rohaufschläge zu berechnen waren. Die Angaben im Wiederaufnahmeantrag über ein Auffinden der Unterlagen am 26. Mai 1999 sind mit den Angaben in der Eingabe vom 1. Oktober 1996, wonach die Unterlagen schon damals aufgefunden wurden, nicht in Einklang zu bringen. Wenn die belangte Behörde im nunmehr angefochtenen Bescheid sinngemäß zu der Auffassung gelangte, die behaupteten Wiederaufnahmsgründe seien nicht glaubhaft, so entspricht eine solche Schlussfolgerung sowohl den Denkgesetzen als auch dem Ergebnis des Verwaltungsverfahrens.

Daraus folgt aber, dass das Vorliegen eines tauglichen Wiederaufnahmsgrundes vom Beschwerdeführer nicht bewiesen werden konnte. Die Beschwerde erweist sich schon deswegen als unbegründet, sodass sie gemäß § 42 Abs 1 VwGG abzuweisen war. Damit erübrigte sich eine Auseinandersetzung mit der von beiden Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens relevierten Frage, ob dem Beschwerdeführer ein Verschulden an dem behaupteten Umstand, dass die Unterlagen während des Abgabenverfahrens nicht vorgelegt werden konnten, anzulasten war oder nicht.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001.

Wien, am 16. Mai 2002

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