Normen
BAO §119 Abs1;
BAO §236 Abs1;
EMRK Art6 Abs3;
ZollG 1988 §183 Abs1;
ZustG §11 Abs1;
BAO §119 Abs1;
BAO §236 Abs1;
EMRK Art6 Abs3;
ZollG 1988 §183 Abs1;
ZustG §11 Abs1;
Spruch:
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von 623 EUR binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid des Hauptzollamtes Graz vom 9. August 1996, Zl 700/3501/96-162-167, der an insgesamt sechs Personen, darunter den Beschwerdeführer, gerichtet war, wurde im ersten Spruchteil festgestellt, dass für drei der Bescheidadressaten, darunter den Beschwerdeführer, am 30. April 1991 die Zollschuld (wegen der Einfuhr von Suchtgift) in Höhe von S 1,382.432,-- entstanden war. Der Bescheid wurde in deutscher und in holländischer Sprache ausgefertigt. Nach dem in den Akten erliegenden Zustellschein wurde die den Bescheid beinhaltende Sendung dem Beschwerdeführer durch ein Organ des Postamtes B in den Niederlanden am 27. August 1996 ausgehändigt.
In einer am 30. Juni 2000 beim Hauptzollamt Graz eingelangten Eingabe erhob der Beschwerdeführer gegen den Bescheid vom 9. August 1996 Berufung und verwies dazu auf einen zwischenzeitig an C, einen weiteren Adressaten des erstinstanzlichen Eingangsabgabenbescheides, ergangenen Berufungsbescheid der Finanzlandesdirektion für Steiermark vom 15. Mai 1997, in dessen Spruch festgestellt worden war, dass dieser nicht als Abgabenschuldner herangezogen werden könne. Eventualiter wurde beantragt, einen Erlass der Eingangsabgaben auszusprechen.
Mit Bescheid vom 1. September 2000 wurde die Berufung als verspätet zurückgewiesen. Gleichzeitig wurde der Antrag auf Zollerlass aus Billigkeitsgründen abgewiesen.
In der Berufung gegen den Zurückweisungsbescheid wurde vorgebracht, der Bescheid sei nicht in die holländische Sprache übersetzt worden. Der Bescheidinhalt sei daher für den Beschwerdeführer unverständlich gewesen.
Gegen die die Berufung als unbegründet abweisende Berufungsvorentscheidung wurde Beschwerde erhoben. Mit dem erstangeführten angefochtenen Bescheid wurde die (Administrativ-)Beschwerde als unbegründet abgewiesen. In der Begründung vertrat die belangte Behörde die Auffassung, dass die internationale Übung die Zustellung abgabenbehördlicher Schriftstücke auf dem Postweg im Ausland grundsätzlich zulasse. Auf Grund des vom Beschwerdeführer offensichtlich selbst unterfertigten internationalen Rückscheins iZm seinem eigenen Vorbringen, wonach C - anders als der Beschwerdeführer - rechtzeitig Berufung eingelegt habe, kam die belangte Behörde zu dem Schluss, dass dem Beschwerdeführer der Abgabenbescheid "zwischen dem 23. und 27. August 1996" tatsächlich zugekommen und damit eine gültige Zustellung des Bescheides erfolgt sei. Der Zurückweisungsbescheid sei auch mit seiner Übersetzung in die holländische Sprache dem damaligen Vertreter, Rechtsanwalt Corten, zugestellt worden.
In der Berufung gegen den Bescheid, mit dem der Antrag auf Zollerlass abgewiesen wurde, wurde vorgebracht, die Eingangsabgaben seien anderen Zollschuldnern, nämlich Cornelius Sterk, "erlassen" worden; im Sinne einer Gleichbehandlung könne dies der Beschwerdeführer ebenfalls in Anspruch nehmen. Überdies seien Billigkeitsgründe gegeben, weil sich die Rechtslage seither entscheidend geändert habe. Gemäß Artikel 212 Satz 2 ZK entstehe unter anderem dann keine Zollschuld, wenn Suchtstoffe vorschriftswidrig in das Gebiet der Gemeinschaft verbracht würden.
Gegen die die Berufung als unbegründet abweisende Berufungsvorentscheidung wurde ebenfalls (Administrativ-)Beschwerde erhoben. Die Beschwerde wurde mit dem zweitangefochtenen Bescheid als unbegründet abgewiesen. In der Begründung wurde ausgeführt, da eine Nachsicht das Erlöschen des Abgabenanspruches zur Folge habe, käme sie bei dem vorliegenden Gesamtschuldverhältnis auch dem Mitschuldner zu Gute. Eine solche Nachsicht komme nur dann in Betracht, wenn die Voraussetzungen bei allen Gesamtschuldnern erfüllt seien. Derartige Nachweise seien aber vom Beschwerdeführer nicht erbracht worden.
In der gegen beide Bescheide erhobenen Beschwerde wird deren inhaltliche Rechtswidrigkeit sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht.
Die belangte Behörde erstattete zwei Gegenschriften und legte die Akten der Verwaltungsverfahren vor.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
1. Zurückweisung einer Berufung
Der Beschwerdeführer erachtet sich zunächst dadurch in seinen Rechten verletzt, dass der Abgabenbescheid vom 9. August 1996 nicht in seine Muttersprache übersetzt worden sei. Dieses Vorbringen ist unrichtig, da der Bescheid sehr wohl in die holländische Sprache übersetzt worden ist. Überdies verkennt der Beschwerdeführer, dass die im Artikel 6 Abs 3 EMRK bezeichneten Rechte des Angeklagten nur im Strafverfahren gelten (vgl Mayer, B-VG3 (2002) Art. 6 MRK FI). Der in Rede stehende Bescheid erging aber in einem Verwaltungsverfahren zur Geltendmachung einer Eingangsabgabenschuld, nicht jedoch in einem Strafverfahren.
Nach § 11 Abs 1 Zustellgesetz sind Zustellungen im Ausland nach den bestehenden internationalen Vereinbarungen oder allenfalls auf dem Weg, den die Gesetze oder sonstigen Rechtsvorschriften des Staates, in dem zugestellt werden soll, oder die internationale Übung zulassen, erforderlichenfalls unter Mitwirkung der österreichischen Vertretungsbehörden, vorzunehmen.
Dem Einwand des Beschwerdeführers, die Abgabenbehörde habe die Bestimmungen des Europäischen Übereinkommens über die Zustellung von Schriftstücken in Verwaltungssachen im Ausland, BGBl. Nr. 67/1983, nicht beachtet, ist entgegenzuhalten, dass das Königreich der Niederlande dieses Abkommen nicht ratifiziert hat.
Die internationale Übung lässt die Zustellung abgabenbehördlicher Schriftstücke auf dem Postweg im Ausland grundsätzlich zu (vgl Ritz, Bundesabgabenordnung2, § 11 ZustG, Rz 3 mwH). Wie dem in den Akten erliegenden Zustellschein zu entnehmen ist, hat der Beschwerdeführer die Sendung mit dem Abgabenbescheid am 27. August 1996 in Empfang genommen.
Der weitere Einwand des Beschwerdeführers, die Zollschuld hätte zum Zeitpunkt ihrer Entstehung am 30. April 1991 im Königreich der Niederlande nicht eingebracht werden können, geht schon deswegen ins Leere, weil Gegenstand des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens nicht die Einbringung der Zollschuld, sondern die Zurückweisung der gegen die Vorschreibung der Eingangsabgaben erhobenen Berufung ist.
2. Zollerlass aus Billigkeitsgründen
Nach § 183 Abs 1 ZollG 1988 - welche Bestimmung nach Anhang VI Z 10 des Beitrittsvertrages zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Union und der Republik Österreich, BGBl. Nr. 45/1995, auf den Beschwerdefall noch anzuwenden ist - können Zollbeträge und Ersatzforderungen für einzelne Fälle auf Antrag des Zollschuldners ganz oder teilweise erlassen werden, wenn die Entrichtung nach Lage der Sache oder nach den persönlichen Verhältnissen des Zollschuldners unbillig wäre.
Abgesehen von einer Wiederholung der bereits gegen die Zurückweisung der Berufung gegen den Abgabenbescheid vorgebrachten Einwendungen bringt der Beschwerdeführer wie schon im Verwaltungsverfahren vor, der Abgabenbescheid beruhe auf einer Rechtslage, die seit dem Beitritt der Republik Österreich zur Europäischen Union nicht mehr anzuwenden sei. Damit macht der Beschwerdeführer das Vorliegen einer sachlichen Unbilligkeit geltend.
Eine sachliche Unbilligkeit der Abgabeneinhebung liegt vor, wenn im Einzelfall bei Anwendung des Gesetzes ein vom Gesetzgeber offenbar nicht beabsichtigtes Ergebnis eintritt (vgl, Ritz, aaO, § 236 BAO, Rz 11 mwH). Die sich aus einer Änderung der Gesetzeslage ergebenden Unterschiede in der Abgabenbelastung, je nachdem, ob die entsprechenden Sachverhalte vor oder nach diesen Änderungen verwirklicht wurden, treten demgegenüber allgemein ein und sind deswegen nicht als Unbilligkeit des Einzelfalls anzusehen. Daher kommt dem Umstand, dass nach der nunmehr geltenden Rechtslage ein Abgabentatbestand nicht erfüllt wäre, bei der Beurteilung der Unbilligkeit der Einhebung keine Bedeutung zu (vgl das hg Erkenntnis vom 20. September 1996, Zl 93/17/0007). Dass die Einfuhr von Suchtmitteln seit dem Beitritt Österreichs zur Europäischen Union im Allgemeinen keinen Eingangsabgaben unterliegt, macht daher die Einhebung der vordem entstandenen Eingangsabgaben nicht unbillig.
Die Ausführungen des Beschwerdeführers, sein Gesundheitszustand habe sich laufend verschlechtert, stellt ein im verwaltungsgerichtlichen Verfahren unbeachtliches neues Vorbringen dar. Im Übrigen liegt das Schwergewicht der Behauptungs- und Beweislast beim Nachsichtswerber (vgl Ritz, aaO, § 236 BAO, Rz 4 mwH). Das Vorbringen, die Behörde hätte den Beschwerdeführer dazu verhalten müssen, geeignete Anträge zu stellen, ist schon deswegen unbegründet, weil die Pflicht zur Rechtsbelehrung gemäß § 113 BAO nur gegenüber solchen Parteien besteht, die nicht durch berufsmäßige Parteienvertreter vertreten sind. Der Beschwerdeführer war aber im Verwaltungsverfahren anwaltlich vertreten.
Die Beschwerde erweist sich somit hinsichtlich beider angefochtenen Bescheide als unbegründet, sodass sie gemäß § 42 Abs 1 VwGG abzuweisen war. Dabei konnte aus den Gründen des § 39 Abs 2 Z 6 VwGG von der Durchführung der beantragten Verhandlung abgesehen werden.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001.
Wien, am 23. Oktober 2002
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