VwGH 2001/16/0005

VwGH2001/16/000526.2.2004

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Steiner und die Hofräte Dr. Fellner, Dr. Höfinger, Dr. Kail und Dr. Köller als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Siegl, über die Beschwerde der B GmbH in K, vertreten durch Dr. Gerhard Folk und Dr. Gert Folk, Rechtsanwälte in 8605 Kapfenberg, Lindenplatz 4a, gegen den Bescheid des Berufungssenates II der Region Wien bei der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 1. Dezember 2000, Zl. ZRV/9-W 2/00, betreffend Erstattung von Eingangsabgaben, zu Recht erkannt:

Normen

31992R2913 ZK 1992 Art239;
31993R2454 ZKDV 1993 Art407 Abs1;
31993R2454 ZKDV 1993 Art408 Abs1;
31993R2454 ZKDV 1993 Art409 Abs1;
31993R2454 ZKDV 1993 Art899;
31992R2913 ZK 1992 Art239;
31993R2454 ZKDV 1993 Art407 Abs1;
31993R2454 ZKDV 1993 Art408 Abs1;
31993R2454 ZKDV 1993 Art409 Abs1;
31993R2454 ZKDV 1993 Art899;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid vom 14. Februar 1996 erteilte das Hauptzollamt Graz der Beschwerdeführerin gemäß Art. 406 Abs. 1 ZK-DVO die Bewilligung, die von den Österreichischen Bundesbahnen in vereinfachten gemeinschaftlichen Versandverfahren beförderten Waren bei bestimmten Bahnhöfen zu übernehmen ("Zugelassener Empfänger"). In Anwendung der Art. 408 und 409 ZK-DVO in Verbindung mit § 28 ZollR-DG wurde u.a. bestimmt:

"Der Eingang der Waren ist spätestens am 7. Tag nach der Übernahme dem Zollamt anzuzeigen, ist dies nicht möglich, ist das Zollamt zu verständigen und, soferne keine Erstreckung der Anzeigefrist erfolgt, die Ware zum Zollamt zu verbringen; bis zur Anzeige dürfen Verschlüsse und Nämlichkeitszeichen nicht beschädigt, entfernt oder unwirksam gemacht werden, Umschließungen nicht geöffnet und Waren weder benutzt noch verändert werden. Dass Zollamt behält sich vor, die Entfernung von Verschlüssen jeder Art und die Entladung von Waren auf Antrag zu gestatten, wenn auch danach die Nämlichkeit und Unverändertheit der Waren ohne weitere Ermittlungen feststellbar sind."

Aus Anlass von Ermittlungen gemäß § 24 ZollR-DG wurde am 25. März 1998 im Betrieb der Beschwerdeführerin eine Niederschrift aufgenommen. Darin wird festgestellt, dass am 20. Jänner 1997 die Beschwerdeführerin drei Anmeldungen zur Abfertigung zum zollrechtlich freien Verkehr beim Zollamt Leoben eingebracht hätte, die nach Durchsicht nicht angenommen worden seien, da die Gestellungsfrist bei sämtlichen Vorpapieren bereits verstrichen gewesen sei (Anlieferung der Waren in den Monaten Mai bis Dezember 1997). Da eine "Nichtannahme" der Anmeldungen erfolgt sei, sei auch keine Beschau durchgeführt worden. Am 13. Februar 1998 sei von der Beschwerdeführerin eine weitere Anmeldung dem Hauptzollamt Graz zugesendet worden, mit dem Ersuchen, die Abgaben für nichtgestellte und unverzollte Waren vorzuschreiben.

Bei dieser Prüfung wurden Feststellungen hinsichtlich des nicht gestellten Warenumfanges getroffen; als Prüfungsergebnis wurde festgehalten, dass rund 85 % der im Zeitraum Mai bis Dezember 1997 importierten Stahlwaren bereits verbraucht bzw. verarbeitet worden waren.

Mit Bescheid vom 31. März 1998 stellte das Hauptzollamt Graz fest, dass für die Beschwerdeführerin die Einfuhrzollschuld gemäß Art. 203 Abs. 1 ZK-DVO hinsichtlich der im genannten Zeitraum importierten Stahlwaren (Herkunfts- und Ursprungsland Ukraine) in Höhe von S 2,066.947,-- für Zoll sowie die Einfuhrumsatzsteuer entstanden sei. Die Beschwerdeführerin habe im genannten Zeitraum insgesamt 3,109.040 kg dieser Waren von den ÖBB übernommen und in ihren Betrieb verbracht, ohne die Übernahme gemäß der Bewilligungsverpflichtung dem Zollamt anzuzeigen. Rund 85 % davon seien bereits der betriebseigenen Produktion zugeführt worden und somit im Wirtschaftskreislauf untergegangen.

Die Berufungsvorentscheidung des Hauptzollamtes Graz vom 25. Jänner 1999, mit der eine dagegen erhobene Berufung der Beschwerdeführerin abgewiesen worden war, erwuchs in Rechtskraft.

Hier gegenständlich ist der Antrag der Beschwerdeführerin vom 11. März 1999 auf "Erstattung/Erlass" eines Zollbetrages von S 1,041.971,97. In der Begründung dieses Antrages führte die Beschwerdeführerin aus, dass die mit der Eisenbahn transportierten Waren an der slowakischen Grenze wegen der unterschiedlichen Spurweite von ukrainischen Waggons auf österreichische umgeladen werden mussten, sodass oft ein Teil der Lieferung an der Grenze verblieb und dort nach Entsprechung freier Kapazitäten weiter transportiert wurde. Da sich die Lieferpapiere auf die Beladung in der Ukraine bezogen hätten, stimmte die eintreffende Ware nicht mit den Lieferpapieren überein, sondern konnte erst nach mehreren Lieferungen eine vollständige Zuordnung der Ware zu den Lieferpapieren vorgenommen werden. Dieser Umstand hätte schon in der Vergangenheit zu einer Überschreitung der Gestellungsfrist geführt, da erst dann die Hausbeschau erbeten wurde, wenn ein lückenloser Zusammenhang zwischen den Lieferpapieren und der angelieferten Ware hergestellt werden konnte. Diese Praxis sei vom zuständigen Zollamt in Leoben bis zum gegenständlichen Fall nie kritisiert worden. Erschwerend hätte sich noch ergeben, dass für die Abfertigung einzelner Positionen ein Ursprungszeugnis zwingend vorgeschrieben worden sei, was sich im Nachhinein als unrichtig herausgestellt habe. Ursprungszeugnisse konnten erst Mitte Dezember 1997 erlangt werden. Nach Aufbereitung der Zollunterlagen sei die Hausbeschau erbeten worden und die Zollpapiere zur Abfertigung vorgelegt worden. Die Meldungen vom 20. Jänner und 13. Februar 1998 hätten die gesamte angelieferte Ware erfasst, ein Teil der Ware sei zwar bereits der Produktion zugeführt worden, die Überprüfbarkeit sei aber erhalten geblieben.

Diesem Antrag gab das Hauptzollamt Graz mit Bescheid vom 22. Juli 1999 nicht statt. Das Liegenlassen einer im vereinfachten Verfahren im Eisenbahnverkehr eingeführten Nichtgemeinschaftsware und das bewusste Verstreichenlassen der Anschreibefrist gemäß Art. 76 Abs. 1 lit. c ZK stelle ein absichtliches Handeln dar. Jedenfalls werde der im Art. 239 Abs. 1 zweiter Anstrich erster Satz ZK enthaltene Tatbestand der groben Fahrlässigkeit erfüllt.

Nach aufhebender Berufungsvorentscheidung durch das Hauptzollamt Graz vom 3. November 1999, weil im erstinstanzlichen Bescheid über den beantragten Tatbestand des Art. 900 Abs. 1 lit. o ZK-DVO nicht abgesprochen worden war, gab das Hauptzollamt Graz mit Bescheid vom 4. November 1999 dem Antrag neuerlich nicht statt. Die dagegen erstattete Berufung wurde mit Berufungsvorentscheidung des Hauptzollamtes Graz vom 13. Dezember 1999 als unbegründet abgewiesen.

In ihrer an die belangte Behörde gerichteten Beschwerde führte die Beschwerdeführerin zur Frage ihrer Erfahrung und Sorgfalt als Wirtschaftsteilnehmer aus, dass sie nach Schwierigkeiten mit dem bisher herangezogenen Spediteur im Frühjahr 1997 eine eigene Zollabteilung aufgebaut und sodann ab 1. Mai 1997 einen neuen Spediteur mit der Abwicklung der Einfuhrverzollung beauftragt hätte. Durch die zuständige Behörde sei die Überschreitung der Stellungsfrist immer wieder toleriert worden, sodass auf Seiten der Beschwerdeführerin kein Unrechtsbewusstsein vorlag. Es sei keine Abgabenverkürzung erfolgt und eine solche auch nie beabsichtigt gewesen.

Über Anfrage der belangten Behörde berichtete das Zollamt Leoben im Schreiben vom 30. August 2000, dass es eine regelmäßige Toleranz von Fristüberschreitungen, wie in der Beschwerde angeführt, beim Zollamt Leoben nie gegeben hätte. Stellungsfristen seien nur in Einzelfällen unter Beachtung der Bestimmungen des Zollkodex unter der Voraussetzung toleriert worden, dass die Ware noch vorhanden war bzw. infolge der Abstandnahme von der Beschau das Vorhandensein angenommen werden konnte. Das Zollamt Leoben habe die vorangegangenen Abfertigungen der Monate März und April 1997 vollständig und weitere Abfertigungen stichprobenweise überprüft und es hätten, wie auch in den Monaten Juli und September 1997, keine Überschreitungen der Gestellungsfrist aufgefunden werden können.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die an sie gerichtete Beschwerde als unbegründet ab. Sie ging nicht darauf ein, ob einer der in den Art. 900 bis 903 ZK-DVO beschriebenen Tatbestände erfüllt sei, weil sie den durch offensichtliche Fahrlässigkeit gegebenen Ausschluss für einen Erlass bejahte. Die Beschwerdeführerin habe die ihr aufgetragenen Pflichten in der Zeit von Mai bis Dezember 1997 wiederholt verletzt, indem sie eingangsabgabenpflichtige Waren von den Österreichischen Bundesbahnen übernommen habe, ohne diese Übernahme im Sinne der sich aus der Bewilligung als zugelassener Empfänger ergebenden Verpflichtung dem Zollamt anzuzeigen. Unter Hinweis darauf, dass eine Verletzung der den zugelassenen Empfänger betreffenden Bestimmungen letztendlich zum Widerruf der erteilten Bewilligung führen könne, verwies die belangte Behörde auf die Pflicht des Bewilligungsinhabers, ihm bekannte Mängel in der Durchführung des Verfahrens sofort und ohne Aufforderung der Behörde von sich aus abzustellen. Das Übertragen der Verfahrensabwicklung an Dritte, z.B. eine Spedition, enthebe ihn nicht von dieser Sorgfaltspflicht. Das monatelange Unterlassen der Anzeige und damit jeglicher Zollbehandlung der Waren könne nur als auffallende Sorglosigkeit gewertet werden. Die Behauptung, das zuständige Zollamt habe von der gewählten Praxis gewusst und bis zum Anlassfall toleriert, habe nicht verifiziert werden können. Nur in Einzelfällen sei im Rahmen der in "Art. 204 ZK in Verbindung mit Art. 859 ZK-DVO" enthaltenen Bestimmungen Fristüberschreitungen nachgesehen worden. Hier handelt es sich aber um eine gemäß Art. 203 ZK entstandene Zollschuld. Eine regelmäßige Toleranz in Kenntnis der von der Beschwerdeführerin dargelegten Umstände durch das Zollamt Leoben und eine daraus für die Beschwerdeführerin ableitbare Minderung der Sorgfaltsverletzung könne nicht festgestellt werden. Da der Beschwerdeführerin als Beteiligte ein offensichtlich fahrlässiges Verhalten vorzuwerfen sei, sei ein Tatbestand für die Erstattung im Sinne des Art. 239 ZK nicht erfüllt.

In ihrer dagegen erhobenen Beschwerde erachtet sich die Beschwerdeführerin in ihrem Recht auf Abgabenerstattung verletzt. Sie beantragt die Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Beschwerdeführerin war mit Bescheid vom 14. Februar 1996 der Status eines "zugelassenen Empfängers" im Sinne des Art. 406 ZK-DVO bewilligt worden, sodass die Waren direkt zu ihrem Betrieb befördert werden durften und von dort aus erst die Bestimmungszollstelle einzuschalten war. Die Art. 406 - 409 ZK-DVO (Stammfassung; Verordnung EWG Nr. 2454/93 ) lauten auszugsweise:

"Artikel 406

(1) Die Zollbehörden jedes Mitgliedstaats können zulassen, dass im gemeinschaftlichen Versandverfahren beförderte Waren der Bestimmungsstelle nicht gestellt werden, wenn sie für eine Person bestimmt sind, die die Voraussetzungen nach Artikel 407 erfüllt - nachstehend "zugelassener Empfänger" genannt - und der von den Zollbehörden des Mitgliedstaats, zu dem die Bestimmungsstelle gehört, eine entsprechende Bewilligung erteilt worden ist.

(2) ...

(3) ...

Artikel 407

(1) Die Bewilligung nach Artikel 406 wird nur Personen erteilt, a) die laufend Waren im gemeinschaftlichen Versandverfahren erhalten; b) deren Anschreibungen es den zuständigen Behörden ermöglichen, die Vorgänge zu kontrollieren;

c) die keine schweren oder wiederholten Zuwiderhandlungen gegen die Zoll- oder Steuervorschriften begangen haben.

(2) Die zuständigen Behörden können die Bewilligung widerrufen, wenn der zugelassene Empfänger die Voraussetzungen nach Absatz 1 nicht mehr erfüllt oder die Vorschriften dieses Unterabschnitts oder der Bewilligung nicht einhält.

Artikel 408

(1) In der von den Zollbehörden zu erteilenden Bewilligung wird Folgendes festgelegt: a) die Zollstellen, die als Bestimmungsstellen für die Sendungen zuständig sind, die der zugelassene Empfänger erhält; b) die Frist sowie die sonstigen Einzelheiten der Anzeige des Eingangs der Sendungen durch den zugelassenen Empfänger bei der Bestimmungsstelle, damit diese gegebenenfalls bei Eintreffen der Waren eine Kontrolle vornehmen kann.

(2) Vorbehaltlich des Artikels 410 bestimmen die Zollbehörden in der Bewilligung, ob der zugelassene Empfänger ohne Mitwirkung der Bestimmungsstelle über die eingetroffenen Waren verfügen kann.

Artikel 409

(1) Für die in seinem Betrieb oder an den in der Bewilligung näher bezeichneten Orten eingetroffenen Sendungen muss der zugelassene Empfänger a) die Bestimmungsstelle nach den in der Bewilligung enthaltenen Vorschriften unverzüglich über etwaige Mehrmengen, Fehlmengen, Vertauschungen und sonstige Unregelmässigkeiten wie verletzte Verschlüsse unterrichten; b) der Bestimmungsstelle unverzüglich die Exemplare des gemeinschaftlichen Versandpapiers, die die Sendung begleitet haben, zusenden und gleichzeitig das Ankunftsdatum und den Zustand etwa angelegter Verschlüsse mitteilen.

(2) ..."

Im Beschwerdefall ist unstrittig, dass die Beschwerdeführerin als zugelassener Empfänger in der Zeit vom Mai bis Dezember 1997 aus der Ukraine stammende, im gemeinschaftlichen Versandverfahren beförderte Waren nicht fristgerecht der Bestimmungszollstelle angezeigt hat. Sie hat vielmehr erst am 20. Jänner 1997 und am 13. Februar 1998 Anmeldungen zur Abfertigung zum zollrechtlich freien Verkehr beim Zollamt Leoben gestellt. Dies führte dazu, dass mit Bescheid vom 31. März 1998 die Entstehung der Einfuhrabgabenschuld gemäß Art. 203 Abs. 1 ZK festgestellt wurde.

Ihren Erstattungsantrag gründet die Beschwerdeführerin auf Art. 239 ZK. Diese Bestimmung lautet:

"Artikel 239

(1) Einfuhr- oder Ausfuhrabgaben können in anderen als den in den Artikeln 236, 237 und 238 genannten Fällen erstattet oder erlassen werden; diese Fälle

(2) Die Erstattung oder der Erlass der Abgaben aus den in Absatz 1 genannten Gründen erfolgt auf Antrag; dieser ist innerhalb von zwölf Monaten nach der Mitteilung der Abgaben an den Zollschuldner bei der zuständigen Zollstelle zu stellen. Jedoch können

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