Normen
BAO §80 Abs1;
BAO §9 Abs1;
LAO Wr 1962 §54 Abs1;
LAO Wr 1962 §7 Abs1 idF 1992/040;
BAO §80 Abs1;
BAO §9 Abs1;
LAO Wr 1962 §54 Abs1;
LAO Wr 1962 §7 Abs1 idF 1992/040;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Die Bundeshauptstadt Wien hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.172,88 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid des Magistrates der Stadt Wien vom 5. Jänner 1999 wurde der Beschwerdeführer in seiner Eigenschaft als Geschäftsführer der A. GmbH für rückständige Abgaben dieser Gesellschaft, und zwar Kommunalsteuer und Dienstgeberabgabe "Rest 5-9/1997", Mahngebühren sowie Verspätungs- und Säumniszuschläge mit einem Gesamtbetrag von S 16.408,-- zur Haftung herangezogen.
In seiner dagegen erhobenen Berufung machte der Beschwerdeführer geltend, erst ab dem 15. September 1997 zum Geschäftsführer bestellt gewesen zu sein, wobei eine Haftung für davor liegende Zeiträume nicht in Betracht komme. Seinen Informationen nach seien auch im Haftungszeitraum "erhebliche Zahlungen" an andere Gläubiger der Gesellschaft nicht geleistet worden. In der kurzen Zeit seiner Geschäftsführungstätigkeit ab dem 15. September 1997 habe der Beschwerdeführer keine abgabenrechtlichen Pflichten verletzt, zumal sämtliche Dienstverhältnisse schon vorher beendet worden seien, wofür der Beschwerdeführer entsprechende Beweise (Beischaffung von Akten und Vernehmung von Zeugen) anbot.
Mit Berufungsvorentscheidung vom 30. August 2000 wurde die Berufung vom Magistrat der Stadt Wien als unbegründet abgewiesen. Ein Geschäftsführer müsse sich bei der Übernahme seiner Tätigkeit darüber informieren, ob und in welchem Ausmaß die von ihm nunmehr vertretene Gesellschaft ihren steuerlichen Verpflichtungen bisher nachgekommen sei, wird in der Begründung dieses Bescheides ausgeführt. Anlässlich einer Revision des Unternehmens der Gesellschaft sei aus den Buchhaltungsunterlagen festgestellt worden, dass die Bezahlung der Kommunalsteuer und der Dienstgeberabgabe für Gehälter im Zeitraum Mai bis September 1997 unterblieben sei. Würden Löhne ausbezahlt, ohne die entsprechenden lohnabhängigen Abgaben abzuführen, dann werde mit einer solchen Vorgangsweise das Gebot der Gleichbehandlung aller Gläubiger verletzt. Die Schlechterstellung des Abgabengläubigers und die daraus resultierende schuldhafte Pflichtverletzung durch den Beschwerdeführer sei somit schon aus der Aktenlage ersichtlich, was die (u.a.) beantragte Beischaffung des Konkursaktes entbehrlich mache.
In seinem Antrag auf Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz brachte der Beschwerdeführer unter Aufrechterhaltung und Ergänzung seiner Beweisanträge vor, dass er nach Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft unverzüglich den Insolvenzantrag gestellt und an keinen der Gläubiger eine Zahlung geleistet habe.
Mit einem Schreiben des Magistrates der Stadt Wien vom 30. Jänner 2001 wurde der Beschwerdeführer dazu aufgefordert, binnen zwei Wochen durch eine Liquiditätsaufstellung darzulegen und zu belegen, welche Mittel im Haftungszeitraum (15. Juni 1997 bis 15. Oktober 1997) der Gesellschaft zur Bezahlung der Verbindlichkeiten zur Verfügung gestanden und welche Forderungen tatsächlich befriedigt worden seien.
Diese Aufforderung beantwortete der Beschwerdeführer durch eine Äußerung, in welcher er unter teilweiser Wiederholung seines bisherigen Vorbringens darauf hinwies, dass sich angesichts des Zeitpunktes seiner Bestellung zum Geschäftsführer der Haftungszeitraum nur auf die Zeit vom 14. September bis zum 15. Oktober 1997 erstrecken könne. Eine Verletzung von Pflichten könne dem Beschwerdeführer nicht vorgeworfen werden, weil er alle Gesellschaftsgläubiger insofern gleich behandelt habe, als er seit seiner Bestellung zum Geschäftsführer keine Zahlungen geleistet habe. Da im Haftungszeitraum keine Mittel zur Bezahlung von Verbindlichkeiten der Gesellschaft vorhanden gewesen und deshalb auch keine Zahlungen mehr erfolgt seien, liege keine Ungleichbehandlung des Abgabengläubigers vor.
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung als unbegründet ab. Unbestritten sei, dass der Beschwerdeführer ab dem 15. September 1997 Geschäftsführer und ab dem 30. September 1997 Liquidator der Gesellschaft gewesen und dass über das Vermögen der Gesellschaft der Konkurs eröffnet worden sei, in welchem keine Befriedigungsaussichten bestünden, wird in der Begründung des angefochtenen Bescheides eingangs ausgeführt. Die Pflichtverletzung durch den Beschwerdeführer ergebe sich aus der Missachtung der Vorschriften über den Zeitpunkt der Entrichtung der Abgaben. Den ihm obliegenden Nachweis der anteiligen Verwendung vorhandener Gesellschaftsmittel zur Begleichung der Schulden habe der Beschwerdeführer mit der "allgemeinen Behauptung", seit Übernahme der Geschäftsführung keine Zahlung geleistet zu haben, nicht erbracht. An Stelle der aufgetragenen Vorlage einer Liquiditätsaufstellung habe der Beschwerdeführer nur "allgemein behauptet", dass im Zeitraum vom 14. September 1997 bis zum 15. Oktober 1997 überhaupt keine Mittel zur Bezahlung von Verbindlichkeiten der Gesellschaft zur Verfügung gestanden seien, und zu dieser Behauptung Beweisanträge gestellt. Damit verkenne der Beschwerdeführer aber die Obliegenheit eines Geschäftsführers, sich bei Übernahme der Tätigkeit darüber zu unterrichten, ob und in welchem Ausmaß die von ihm nunmehr vertretene Gesellschaft ihren steuerlichen Verpflichtungen bisher nachgekommen sei. Da der - auch in dieser Hinsicht behauptungs- und beweispflichtige - Beschwerdeführer ein Vorbringen dazu, dass und weshalb er von Abgabenrückständen der Gesellschaft ohne sein Verschulden keine Kenntnis gehabt habe, nicht erstattet habe, hafte er auch für die vor seiner Bestellung zum Geschäftsführer entstandenen Abgabenrückstände. Die Verletzung des Gleichbehandlungsgebotes ergebe sich aus der Auszahlung von Löhnen für Mai bis September 1997 ohne Entrichtung der davon abhängigen Abgaben. Es entspreche die Geltendmachung der Haftung auch den Grundsätzen der Zweckmäßigkeit und Billigkeit, weil Geschäftsführer, die ihre Pflichten verletzten, nicht besser als solche gestellt werden dürften, die ihre Pflichten erfüllten. Bei der Übung des "Auswahlermessens" sei davon auszugehen gewesen, dass den Beschwerdeführer "keine geringere Verantwortung als den zweiten Geschäftsführer" treffe, der ebenfalls zur Haftung herangezogen worden sei.
Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof nach Erstattung einer Gegenschrift und Vorlage der Verwaltungsakten durch die belangte Behörde erwogen:
Gemäß § 7 Abs. 1 WAO in der im gegenständlichen Fall anzuwendenden Fassung der Novelle LGBl. Nr. 40/1992 haften die in den §§ 54 ff bezeichneten Vertreter und sonstigen Verpflichteten neben den Abgabepflichtigen für die diese treffenden Abgaben insoweit, als die Abgaben infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern und sonstigen Verpflichteten auferlegten Pflichten, sei es abgabenrechtlicher oder sonstiger Pflichten, bei den Abgabepflichtigen nicht ohne Schwierigkeiten eingebracht werden können, insbesondere im Falle der Konkurseröffnung.
Nach § 54 Abs. 1 WAO haben die zur Vertretung juristischer Personen berufenen Personen und die gesetzlichen Vertreter natürlicher Personen alle Pflichten zu erfüllen, die den von ihnen Vertretenen obliegen, und sind befugt, die diesen zustehenden Rechte wahrzunehmen. Sie haben insbesondere dafür zu sorgen, dass die Abgaben aus den Mitteln, die sie verwalten, entrichtet werden.
Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist es Aufgabe des Geschäftsführers, darzutun, weshalb er den auferlegten Pflichten nicht entsprochen habe, insbesondere nicht habe Sorge tragen können, dass die Gesellschaft die angefallenen Abgaben entrichtet hat, widrigenfalls von der Abgabenbehörde eine schuldhafte Pflichtverletzung angenommen werden darf. Hat der Vertreter schuldhaft seine Pflicht verletzt, für die Abgabenentrichtung aus den Mitteln der Gesellschaft zu sorgen, so darf die Abgabenbehörde auch davon ausgehen, dass die Pflichtverletzung ursächlich für die Uneinbringlichkeit war. Der Geschäftsführer haftet für nicht entrichtete Abgaben der Gesellschaft auch dann, wenn die Mittel, die ihm für die Entrichtung aller Verbindlichkeiten der Gesellschaft zur Verfügung gestanden sind, hiezu nicht ausreichten, es sei denn, er weist nach, dass er die Abgabenschulden im Verhältnis nicht schlechter behandelt hat als bei anteiliger Verwendung der vorhandenen Mittel für die Begleichung aller Verbindlichkeiten (siehe etwa die hg. Erkenntnisse vom 19. Jänner 2005, 2004/13/0156, vom 24. September 2003, 2001/13/0286, und vom 22. März 2000, 97/13/0080, mwN, sowie die zur Bestimmung des § 9 Abs. 1 BAO ergangenen hg. Erkenntnisse vom 21. Jänner 2004, 2002/13/0218, und vom 17. Dezember 2003, 99/13/0032, mwN).
Die qualifizierte Mitwirkungspflicht des Geschäftsführers bedeutet nicht, dass die Behörde von jeder Ermittlungspflicht entbunden wäre; entspricht der Geschäftsführer nämlich seiner Obliegenheit, das Nötige an Behauptung und Beweisanbot zu seiner Entlastung darzutun, dann liegt es an der Behörde, erforderlichenfalls Präzisierungen und Beweise vom Geschäftsführer abzufordern, jedenfalls aber konkrete Feststellungen über die von ihm angebotenen Entlastungsbehauptungen zu treffen (siehe etwa das hg. Erkenntnis vom 27. Februar 2003, 2000/15/0119, sowie das zur Bestimmung des § 9 Abs. 1 BAO ergangene hg. Erkenntnis vom 28. November 2002, 2002/13/0151, mwN, und das Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 18. Oktober 1995, 91/13/0037, 0038, Slg. N.F. Nr. 7.038/F).
Im vorliegenden Fall hat der Beschwerdeführer im Verwaltungsverfahren vorgetragen, dass schon zum Zeitpunkt seiner Bestellung zum Geschäftsführer alle Dienstverhältnisse zur Gesellschaft aufgelöst und keine Gesellschaftsmittel mehr vorhanden gewesen seien, und dass während der (kurzen) Zeit seiner Geschäftsführertätigkeit keine Zahlung für die Gesellschaft an wen immer geleistet worden sei. Mit der dem Spruch des angefochtenen Bescheides erkennbar zu Grunde liegenden Rechtsansicht, dieses Vorbringen des Beschwerdeführers sei als (bloß) "allgemeine Behauptung" nicht geeignet, die behördliche Ermittlungspflicht auszulösen und die Abgabenbehörde zu verhalten, die vom Beschwerdeführer für dieses sein Vorbringen angebotenen Beweise aufzunehmen, hat die belangte Behörde die Rechtslage verkannt.
Traf es nämlich zu, dass während des Zeitraumes ab der Bestellung des Beschwerdeführers zum Geschäftsführer mangels Vorhandenseins irgendwelcher Gesellschaftsmittel keinerlei Zahlungen für die Gesellschaft an wen immer geleistet worden waren, dann ließ sich der dem Beschwerdeführer gemachte Vorwurf einer Verletzung der ihn treffenden Pflichten mit dem von den Abgabenbehörden behaupteten Verstoß gegen das Gleichbehandlungsgebot nicht mehr begründen (siehe das bereits zitierte hg. Erkenntnis vom 21. Jänner 2004, 2002/13/0218). Eine Aktenwidrigkeit dieses Beschwerdevorbringens wirft die belangte Behörde dem Beschwerdeführer in der Gegenschrift unbegründet vor, weil die Auszahlung von Löhnen auch noch "für den Monat September 1997" nichts Verlässliches darüber aussagt, ob diese Auszahlung zur Zeit der erst Mitte des Monats September begonnenen Geschäftsführertätigkeit des Beschwerdeführers oder nicht doch schon vorher getätigt worden war. Weshalb das geschilderte Vorbringen des Beschwerdeführers im Verwaltungsverfahren zu "allgemein" gewesen sein sollte, als dass es die Abgabenbehörde hätte dazu veranlassen müssen, ihm nachzugehen, vermag der Gerichtshof nicht zu erkennen. Das vollständige Fehlen jeglicher Mittel zeitigt "im Besonderen" keine anderen Auswirkungen als "im Allgemeinen" und eine mit dem vollständigen Fehlen jeglicher Mittel begründete Zahlungsverweigerung gegenüber jedermann ist ein Sachverhalt, der seiner abgeschlossenen Beschaffenheit wegen keiner konkreteren Darstellung bedarf. Eine Verletzung von Vertreterpflichten durch den Beschwerdeführer ließe sich, unterstellt man den von ihm behaupteten und von der belangten Behörde nicht geprüften Sachverhalt, diesfalls weder aus einer "Missachtung der Vorschriften über den Zeitpunkt der Entrichtung der Abgaben" noch aus einer gegebenenfalls unzureichenden Information des Beschwerdeführers darüber ableiten, ob und in welchem Ausmaß die von ihm nunmehr vertretene Gesellschaft ihren steuerlichen Verpflichtungen zuvor nachgekommen war.
Da die belangte Behörde das Entlastungsvorbringen des Beschwerdeführers in Verkennung der Rechtslage nicht geprüft hat, war der angefochtene Bescheid schon deshalb gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben, sodass es einer Untersuchung der durch die Abgabenbehörden vorgenommenen Ermessensübung auf ihre Vereinbarkeit mit dem Gesetz im Beschwerdefall nicht mehr bedurfte.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. II Nr. 333/2003.
Wien, am 13. April 2005
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)