Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.089,69 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit (Vorstellungs-)Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Kitzbühel vom 26. April 2001 wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 24 Abs. 1 Z. 1 Führerscheingesetz - FSG die Lenkberechtigung für die Klassen A, B, C, F und G für die Dauer von 12 Monaten (gerechnet ab der vorläufigen Abnahme des Führerscheines am 26. Dezember 2000) entzogen. Weiters wurde ihm aufgetragen, sich einer Nachschulung und "vor der Wiedererteilung der Lenkberechtigung" einer verkehrspsychologischen Untersuchung zu unterziehen.
Dagegen erhob der Beschwerdeführer die am 15. Mai 2001 bei der Bezirkshauptmannschaft Kitzbühel eingelangte Berufung.
Mit Schreiben vom 25. Oktober 2001 beantragte der Beschwerdeführer unter Hinweis auf das Verstreichen der Entscheidungsfrist für den Landeshauptmann von Tirol die Entscheidung über die Berufung durch den "Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr" als sachlich in Betracht kommende Oberbehörde. Dieser Antrag langte am 30. Oktober 2001 beim Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie ein.
Am 31. Oktober 2001 wurde dem Beschwerdeführer (zuhanden seines Vertreters) der Bescheid des Landeshauptmannes von Tirol vom 19. Oktober 2001 zugestellt, mit dem seine Berufung gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Kitzbühel vom 26. April 2001 als unbegründet abgewiesen wurde.
Gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Tirol vom 19. Oktober 2000 richtet sich die vorliegende Beschwerde.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und beantragt in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat - in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat - erwogen:
In der vorliegenden Beschwerde wird ausschließlich die Unzuständigkeit der belangten Behörde geltend gemacht, weil die Zuständigkeit mit dem Einlangen des Devolutionsantrages vom 25. Oktober 2000 auf den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie übergegangen sei.
Der für den Beschwerdefall maßgebende § 73 AVG in der Fassung
BGBl. I Nr. 158/1998 lautet wie folgt:
"4. Abschnitt: Entscheidungspflicht
§ 73. (1) Die Behörden sind verpflichtet, wenn in den Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmt ist, über Anträge von Parteien (§ 8) und Berufungen ohne unnötigen Aufschub, spätestens aber sechs Monate nach deren Einlangen den Bescheid zu erlassen.
(2) Wird der Bescheid nicht innerhalb der Entscheidungsfrist erlassen, so geht auf schriftlichen Antrag der Partei die Zuständigkeit zur Entscheidung auf die sachlich in Betracht kommende Oberbehörde, wenn aber gegen den Bescheid Berufung an den unabhängigen Verwaltungssenat erhoben werden könnte, auf diesen über (Devolutionsantrag). Der Devolutionsantrag ist bei der Oberbehörde (beim unabhängigen Verwaltungssenat) einzubringen. Er ist abzuweisen, wenn die Verzögerung nicht auf ein überwiegendes Verschulden der Behörde zurückzuführen ist.
(3) Für die Oberbehörde (den unabhängigen Verwaltungssenat) beginnt die Entscheidungsfrist mit dem Tag des Einlangens des Devolutionsantrages zu laufen."
Gemäß § 29 Abs. 1 FSG sind im Verfahren zur Entziehung der Lenkberechtigung die Behörden verpflichtet, über Anträge von Parteien und Berufungen ohne unnötigen Aufschub, spätestens aber drei Monate nach deren Einlangen einen Bescheid zu erlassen.
Der nach Ablauf der Entscheidungsfrist gemäß § 29 Abs. 1 FSG gestellte Devolutionsantrag des Beschwerdeführers hat bewirkt, dass mit dem Einlangen dieses Antrages am 30. Oktober 2001 die Zuständigkeit zur Entscheidung über die Berufung des Beschwerdeführers auf den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie übergegangen ist. Der nach diesem Zeitpunkt - nämlich durch die am 31. Oktober 2001 erfolgte Zustellung - erlassene angefochtene Bescheid ist demnach infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde rechtswidrig. Daran vermag auch das in der Gegenschrift erstattete Vorbringen der belangten Behörde, die die Zustellung des angefochtenen Bescheides erst nach dem Einlangen des Devolutionsantrages nicht bestreitet, nichts zu ändern. Es kommt nämlich im gegebenen Zusammenhang nicht darauf an, dass der angefochtene Bescheid vom zuständigen Organ noch vor der Einbringung des Devolutionsantrages unterfertigt wurde und die belangte Behörde vom Devolutionsantrag keine Kenntnis hatte. Ebenso wenig ist es Voraussetzung für den Übergang der Zuständigkeit auf die Oberbehörde, dass die Unterbehörde an der Verzögerung ein überwiegendes Verschulden trifft. Erst wenn ein Devolutionsantrag von der Oberbehörde mangels überwiegenden Verschuldens der Unterbehörde rechtskräftig abgewiesen wird, fällt die Zuständigkeit wieder an die Unterbehörde zurück (siehe zum Ganzen die bei Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze I2 (1998), unter E. Nr. 232, 234, 239, 243 und 247 zu § 73 AVG zitierte Rechtsprechung).
Aus den dargelegten Erwägungen war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 2 VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde aufzuheben.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001.
Wien, am 23. April 2002
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