Normen
KOVG 1957 §7;
KOVG 1957 §9 Abs1;
KOVG RichtsatzV 1965 §3;
KOVG 1957 §7;
KOVG 1957 §9 Abs1;
KOVG RichtsatzV 1965 §3;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 908,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der im Jahr 1939 geborene Beschwerdeführer erlitt als Kind im Jahre 1948 infolge eines Handgranatenunfalles schwere Verletzungen, für die ihm zunächst mit Bescheid des Landesinvalidenamtes vom 7. August 1957 eine Beschädigtenrente nach dem KOVG 1957 entsprechend einer Minderung der Erwerbstätigkeit (MdE) in Höhe von 30 % zuerkannt wurde.
Mit Eingabe vom 7. November 1991 beantragte der Beschwerdeführer die Neufestsetzung der Beschädigtenrente sowie die Bewilligung einer Zusatzrente nach § 12 KOVG 1957.
Mit Bescheid vom 18. August 1992 wurde dem Antrag auf Erhöhung der Beschädigtengrundrente dahingehend Folge gegeben, dass diese ab 1. November 1991 entsprechend einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von 60 % erhöht wurde.
Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer Berufung im Wesentlichen mit dem Begehren auf Zuerkennung einer Grundrente entsprechend einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von 90 %.
Mit Bescheid vom 3. April 1995 wurde der Berufung des Beschwerdeführers keine Folge gegeben, die Gesundheitsschädigungen neu bezeichnet, jedoch die Beschädigtengrundrente auch entsprechend der Neubezeichnung ausgehend von einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von 60 % bemessen.
Infolge der dagegen gerichteten Beschwerde hob der Verwaltungsgerichtshof diesen Bescheid mit seinem Erkenntnis vom 19. November 1997, Zlen. 95/09/0232, 0233, wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften auf, auf welches Erkenntnis zur ergänzenden Sachverhaltsdarstellung im Übrigen verwiesen wird. Die Aufhebung wurde in diesem Erkenntnis auf das Wesentliche zusammengefasst damit begründet, der Bescheid vom 3. April 1995 habe keine inhaltliche Auseinandersetzung betreffend die Nichtanerkennung der geltend gemachten Schwerhörigkeit als Dienstbeschädigung enthalten; auch die Einschätzung der Minderung der Erwerbsfähigkeit mit 0 % für die Dienstbeschädigung des teilweise steifen Mittelfingers sei nicht nachvollziehbar, dasselbe gelte auch für die Gesamteinschätzung der MdE nach § 7 KOVG 1957 in Höhe von 50 %.
Nach Einholung ergänzender Gutachten des Sachverständigen Dr. C., Facharzt für Unfallchirurgie, und Dr. N., Fachärztin für HNO und Phoniatrie, sowie nach zusammenfassender Stellungnahme der Chefärztin der belangten Behörde Dr. K. erließ die belangte Behörde den nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid vom 19. Jänner 2001, mit welchem der Berufung des Beschwerdeführers erneut keine Folge gegeben, jedoch die Dienstbeschädigung gemäß § 4 KOVG 1957 wie folgt neu beschrieben wurde:
"1. Zahlreiche blande Narben im Bereich der oberen und unteren Extremitäten und Stamm mit reaktionslos eingeheilten Stecksplittern
- 2. Blande Narben an der Nasenwurzel und linker Unterkiefer
- 3. Stecksplitter im rechten Knie mit radiologisch sichtbarer Arthrose
4. 25 schillinggroße, stark druckschmerzhafte Narbe im Bereich des rechten Unterschenkels
- 5. Geringe Bewegungseinschränkung rechter Mittelfinger
- 6. Kausale Erblindung des linken Auges bei akausaler Myopie und Alterssichtigkeit rechts
- 7. Chronischer Reizzustand der Bindehaut beiderseits
- 8. Splitter eingebettet in der linken Pectoralis-Muskulatur ohne Gewebsreaktion
9. Geringgradige Schwerhörigkeit rechts."
Die belangte Behörde kam sodann nach Darstellung des Verfahrensganges und wörtlicher Wiedergabe der ergänzend eingeholten Gutachten zu nachfolgenden Richtsatzeinschätzungen:
1. Zahlreiche blande Narben im Bereich der oberen und unteren Extremitäten und Stamm mit reaktionslos eingeheilten Stecksplittern
RSP (Richtsatzposition) | 702 | 1/1 | 0 v.H. und |
RSP | 205 | 1/1 | 0 v.H |
2. Blande Narben an der Nasenwurzel und linker Unterkiefer (zwar reaktionslos abgeheilt, jedoch im Gesicht)
RSP | 702 | 1/1 | 10 v.H. |
3. Stecksplitter im rechten Knie mit radiologisch sichtbarer Arthrose; bei freier Beweglichkeit subjektive Schmerzen
RSP | 418 | 1/1 | 20 v.H. |
4. 25-Schillingstück große stark druckschmerzhafte Narbe im Bereich des rechten Unterschenkels
RSP | 702 | 1/1 | 10 v.H. |
5. Geringe Bewegungseinschränkung rechter Mittelfinger bei schmerzhaftem Streckdefizit
RSP | 90 | 1/1 | 5 v.H. |
6. kausale Erblindung des linken Auges bei akausaler Myopie und Altersichtigkeit rechts
RSP | 637 | 1/1 | 30 v.H. |
7. Chronischer Reizzustand der Bindehaut beidseits durch verdickte narbenverzogene Bindehaut
RSP | 613 | 1/1 | 5 v.H. |
8. Splitter eingebettet in der linken Pectoralis-Muskulatur ohne Gewebsreaktion, wobei intrathoracal keine Verletzungen erkennbar sind
RSP | 298 | 1/1 | 0 v.H. |
9. Geringgradige Schwerhörigkeit (keine kausale Hörminderung, da laut Gutachten 1957 auch normales Hörvermögen festgestellt worden sei)
RSP | 743 | 1/1 | 0 v.H. |
Nach Zitierung der in Anwendung gebrachten gesetzlichen Bestimmungen führte die belangte Behörde im Rahmen der rechtlichen Beurteilung aus, nach diesen Gesetzesstellen und dem Ergebnis des Ermittlungsverfahrens habe sich infolge des Zusammenwirkens der einzelnen Gesundheitsschädigungen eine Gesamtminderung der Erwerbsfähigkeit (in der Folge: MdE) von 50 v.H. als gerechtfertigt ergeben. Maßgebend hiefür sei gewesen, dass die MdE der Dienstbeschädigung bezüglich der Augen durch die MdE - Richtsatzwerte des rechten Mittelfingers, des rechten Knies und der Narben - um zwei Stufen erhöht würde. Die Gutachten seien als schlüssig erkannt und in freier Beweiswürdigung der Entscheidung zugrunde gelegt worden. Die belangte Behörde kam sodann nach wörtlicher Wiedergabe des darüber hinaus gemäß § 8 KOVG 1957 eingeholten berufskundlichen Gutachtens zu dem zusammenfassenden Ergebnis, es sei zwar die geringe Bewegungseinschränkung des rechten Mittelfingers auf Grund der nunmehr feststellbaren arthrotischen Veränderungen mit 5 v.H. eingeschätzt und die geringgradige Schwerhörigkeit rechts als Dienstbeschädigung mit einer MdE von 0 v.H. anerkannt worden, diese Änderungen im medizinischen Bereich hätten jedoch keine Änderung in der Beurteilung der MdE nach den berufskundlichen Einschätzungsmaßstäben bewirkt. Die Festsetzung der MdE nach § 8 KOVG 1957 mit (lediglich) 60 v.H. bleibe daher aufrecht. Diese sei höher als die nach § 7 KOVG 1957 richtsatzmäßig ermittelte MdE, weshalb unter Bedachtnahme auf § 8 KOVG 1957 der Bemessung der Grundrente eine MdE von 60 v.H. zugrunde zu legen gewesen sei. Da in dem nach § 7 KOVG 1957 erhobenen (ärztlichen) Befund gegenüber dem Vergleichsbefund aus dem Jahre 1957 eine maßgebliche Änderung eingetreten sei und auch die beruflichen Verhältnisse (gemäß § 8 KOVG 1957) eingeschätzt worden seien, seien die Voraussetzungen für die vorgenommene Neubemessung der Grundrente gemäß § 52 KOVG 1957 gegeben gewesen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.
Der Beschwerdeführer erachtet sich in seinem subjektiven öffentlichen Recht auf richtige Einstufung der Minderung der Erwerbsfähigkeit auf Grund der Dienstbeschädigungen und Gesundheitsbeschädigungen nach den Bestimmungen des KOVG verletzt. Entgegen der Einschätzung der belangten Behörde liege bei ihm ein höherer Grad der MdE vor als lediglich die festgestellten 60 v.H.
In Ausführung der Beschwerde macht der Beschwerdeführer zunächst geltend, auf Grund der eingeholten Gutachten ergäbe sich unter Berücksichtigung der aktuellen Befunde auch nach Berechnung der belangten Behörde ein Gesamtleidenszustand im Ausmaß von 80 % MdE. Trotzdem sich der Gesamtleidenszustand des Beschwerdeführers nach den im Berufungsverfahren beigezogenen Sachverständigengutachten um weitere 15 Prozentpunkte erhöht habe, gehe die belangte Behörde ohne jede weitere Begründung wiederum davon aus, dass eine Einschätzung der Gesamt-MdE infolge des Zusammenwirkens der einzelnen Gesundheitsschädigungen mit 50 v.H. gerechtfertigt sei. Dieses Ergebnis sei nicht nachvollziehbar und finde weder im Sachverhalt noch in den eingeholten Gutachten Deckung. Die belangte Behörde lege auch in keiner Weise dar, wie sie zum Ergebnis dieser Gesamteinschätzung gelangt sei. Insbesondere sei diese nicht als Resultat aus den Sachverständigengutachten ableitbar, da sich die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid ausschließlich auf die wörtliche Wiederholung derselben beschränkt habe, ohne des Weiteren eine Beweiswürdigung vorzunehmen. Das vorgelegte Gutachten des Sachverständigen Dr. H. vom 6. April 1995 sei überhaupt nicht erwähnt worden. Dieser Sachverständige sei zum Ergebnis gelangt, dass der Beschwerdeführer zumindest seit dem 1. Juli 1993 folgende Gesundheitsstörungen aufweise:
"Diabetes melitus, Typ II, mit Verdacht auf diabetische
Polyneuropathie und diabetische Angiopathie;
Adipositas;
Hyperlipidämien;
arterielle Verschlusskrankheit, Grad I, an beiden Beinen;
Gonarthrose beiderseits, rechts stärker als links;
Multiple metalldichte Fremdkörper im Bereich des Gesichtes, der Thoraxwand, im Bereich der Hüften, beider Unterarme sowie im Bereich der linken Schulter und des linken Ellbogens und der linken Hand. An beiden Beinen im Oberschenkel/Kniebereich sowie im Unterschenkelbereich beidseits zahlreiche bis zu 7 mm große Metallsplitter. Zustand nach Verletzung des rechten Hodens durch Granatsplitter;
Amaurosis links;
Periarthritis humero scapularis beidseits;
Cervicalsyndrom;
rezidivierende Lumbalgien;
Innenohrschwerhörigkeit rechts und Hochtoninnenohrschwerhörigkeit links bei Zustand nach Schalltrauma."
Auf Grund dieses Befundes habe der genannte Sachverständige festgestellt, dass für den Beschwerdeführer schwere oder mittelschwere Arbeiten nicht in Betracht und selbst leichte Arbeiten nur eingeschränkt zumutbar seien. Eine Tätigkeit im Gehen oder Stehen scheide aus, höchstens eine sitzende Tätigkeit könne ihm zugemutet werden, wobei nach jeweils einer Stunde eine Unterbrechung von fünf bis zehn Minuten notwendig sei. Arbeiten im Freien seien nur bei trockener und warmer Witterung möglich. Eine Arbeitszeit von acht Stunden täglich sei zumutbar, wenn außer einer Mittagspause von einer Stunde die geforderten Unterbrechungen von jeweils fünf bis zehn Minuten nach einer Stunde möglich seien. Das Heben und Tragen jeglicher Lasten sei ebenso zu vermeiden wie häufiges Bücken. Arbeiten auf Leitern seien nicht möglich, ebenso wenig häufigeres Treppen steigen. Wegen der funktionellen Einäugigkeit sei verantwortungsvolles Arbeiten an Maschinen ebenso wenig möglich wie Fließbandarbeit. Wegen der Behinderung am rechten Knie sei ein längerer Anmarschweg zu Fuß nicht zumutbar. Der Beschwerdeführer könne eine Wegstrecke von 500 m derzeit nicht in einem Zuge bewältigen, während mit einer Pause von einigen Minuten diese Wegstrecke zumutbar sei. Öffentliche Verkehrsmittel könnten benützt werden. Auf Grund dieser multiplen Behinderungen sei der Beschwerdeführer auf dem Arbeitsmarkt unter den üblichen Bedingungen eines Arbeitsverhältnisses nicht vermittelbar.
Mit Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 19. Dezember 1995 sei dem Beschwerdeführer im Übrigen auch eine Erwerbsunfähigkeitspension gemäß § 132 GSVG im gesetzlichen Ausmaß zuerkannt worden.
Die belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt, und legte die Verwaltungsakten vor.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 52 Abs. 2 des Kriegsopferversorgungsgesetzes 1957 (KOVG 1957), BGBl. Nr. 152, ist unter anderem die Beschädigtenrente neu zu bemessen, wenn eine für die Höhe der Leistung maßgebende Veränderung eintritt.
Gemäß § 4 Abs. 1 KOVG 1957 ist eine Gesundheitsschädigung als Dienstbeschädigung im Sinne des § 1 Abs. 1 leg. cit. anzuerkennen, wenn und insoweit die festgestellte Gesundheitsschädigung zumindest mit Wahrscheinlichkeit auf das schädigende Ereignis oder die der Dienstleistung eigentümlichen Verhältnisse ursächlich zurückzuführen ist.
Gemäß § 7 Abs. 1 KOVG 1957 hat der Beschädigte Anspruch auf Beschädigtenrente, wenn und insolange seine Erwerbsfähigkeit infolge Dienstbeschädigung um mindestens 25 v.H. vermindert ist. Unter MdE im Sinne dieses Bundesgesetzes ist die durch die Dienstbeschädigung bewirkte körperliche Beeinträchtigung im Hinblick auf das allgemeine Erwerbsleben zu verstehen.
Nach dem Abs. 2 der genannten Gesetzesstelle ist die MdE im Sinne des Abs. 1 nach Richtsätzen einzuschätzen, die den wissenschaftlichen Erfahrungen entsprechen.
Nach § 2 Abs. 1 zweiter Satz der auf Grund des § 7 Abs. 2 des KOVG 1957 erlassenen Verordnung des Bundesministeriums für soziale Verwaltung vom 9. Juni 1965, BGBl. Nr. 150, über die Richtsätze für die Einschätzung der Minderung der Erwerbsfähigkeit nach den Vorschriften des Kriegsopferversorgungsgesetzes 1957 (Richtsatz-VO) hat sich die Festsetzung des Grades der MdE innerhalb eines Rahmensatzes nach der Schwere des Leidenszustandes zu richten, für den der Rahmensatz aufgestellt ist. Das Ergebnis einer Einschätzung innerhalb eines Rahmensatzes ist im Bescheid über den Anspruch auf Beschädigtenrente jedenfalls auch in medizinischer Hinsicht zu begründen. Nach § 3 der genannten Verordnung ist bei der Einschätzung der Minderung der Erwerbsfähigkeit dann, wenn mehrere Leiden zusammen treffen, zunächst von der Gesundheitsschädigung auszugehen, die die höchste Minderung der Erwerbsfähigkeit verursacht. Sodann ist zu prüfen, ob und inwieweit der durch die Gesamteinschätzung zu erfassende Gesamtleidenszustand infolge des Zusammenwirkens aller gemäß § 4 KOVG zu berücksichtigenden Gesundheitsschädigungen eine höhere Einschätzung der Minderung der Erwerbsfähigkeit rechtfertigt.
Der Beschwerdeführer wendet sich gegen die Gesamteinschätzung der nach § 7 KOVG festgestellten MdE mit 50 v.H. und meint, die Addition aller festgestellten, als kausal anerkannten Leidenszustände ergäbe bereits eine MdE von 80 v.H. Dem ist zwar zunächst entgegen zu halten, dass nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes die Gesamteinschätzung nach § 7 KOVG nicht auf der (rein rechnerischen) Summe der einzelnen MdE -
mit einem gewissen Abzug - zu erstellen und auch nicht von einer wechselseitigen Leidensbeeinflussung abhängig ist, sondern von einem Zusammenwirken aller Dienstbeschädigungen in Bezug auf die Erwerbsfähigkeit. Dem lag der Gedanke zugrunde, dass mehrere Dienstbeschädigungen, auch wenn sie sich nicht gegenseitig beeinflussen, in ihrer Gesamtheit auf die Erwerbsfähigkeit nachteiliger einwirken als eine Dienstbeschädigung für sich allein. Gegenstand der Gesamteinschätzung ist daher die durch das Zusammenwirken mehrer, wenn auch voneinander unabhängiger Dienstbeschädigungen bewirkte Beeinträchtigung der gesamten körperlichen und seelischen Beschaffenheit des Geschädigten in Hinsicht auf das allgemeine Erwerbsleben (vgl. auch das hg. Erkenntnis vom 19. November 1997, Zl. 95/09/0232).
Im Sinne des § 3 erster Satz der Richtsatz-VO ist die belangte Behörde zunächst von der kausalen Erblindung des linken Auges (Punkt 6.) mit einer MdE von 30 v.H. als derjenigen Gesundheitsschädigung, die die höchste MdE verursacht, ausgegangen und hat - im Hinblick auf die weiteren Leidenszustände - eine Erhöhung dieser MdE um 2 Stufen vorgenommen. Abgesehen davon, dass für den Verwaltungsgerichtshof nicht nachvollziehbar ist, aus welchen Gründen die Richtsatzposition 637 (Störungen des zentralen Sehens) und nicht die RSP 617 (Erblindung eines Auges) herangezogen wurde, ist die von der belangten Behörde vorgenommene Erhöhung der nach dieser Richtsatzposition anzunehmenden MdE von 30 v.H. um (lediglich) 2 Stufen unbegründet geblieben. Hiezu ist insbesondere festzuhalten, dass bereits mit dem erstinstanzlichen Bescheid vom 18. August 1992 eine MdE in eben dieser Höhe (nämlich 30 v.H.) festgestellt worden war, nach dem Ergebnis der von der belangten Behörde auf Grund der vom Verwaltungsgerichtshof in seinem bereits zitierten Vorerkenntnis vom 19. November 1997, Zl. 95/09/0232,0233, überbundenen Rechtsansicht vorgenommenen Ergänzungen des Ermittlungsverfahrens durch Einholung von weiteren medizinischen Gutachten aber die anerkannten weiteren Leidenszustände des Beschwerdeführers nach Punkt 3 und 5 der vorgenommenen Neubeschreibung (mit einem jeweiligen Kausalanteil von 1/1) die nach § 7 KOVG 1957 MdE - zumindest rein rechnerisch - um 15 v.H. erhöht haben. Dass dies im Zusammenwirken der Gesundheitsschädigungen insgesamt keine weitere Erhöhung der MdE mehr hätte bewirken können, hätte die Behörde zu begründen gehabt. Eine derartige Begründung fehlt sowohl im angefochtenen Bescheid als auch in der zusammenfassenden Stellungnahme der Leitenden Ärztin Dr. K.
Auch fehlt eine inhaltliche Auseinandersetzung mit dem Gutachten des Sachverständigen Dr. H., welches - dies macht der Beschwerdeführer zutreffend geltend - in den Begründungserwägungen der belangten Behörde überhaupt keinen Niederschlag gefunden hat, obwohl der Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang schon jetzt darauf hinzuweisen ist, dass in die nach § 3 der Richtsatz-VO vorzunehmende Gesamtschau nur jene Leidenszustände einbezogen werden können, die auch im Sinne des § 4 KOVG als (kausale) Dienstbeschädigungen anerkannt wurden (was nicht auf alle der in dem Gutachten Dris. H. genannten zutrifft).
Des Weiteren erweist sich auch das berufskundliche Gutachten insoweit als unvollständig und nicht ohne weiteres nachvollziehbar, als dem Leidenszustand nach Position 5 der Neubeschreibung (betreffend die geringe Bewegungseinschränkung des rechten Mittelfingers) mangels eines praktischen Krankheitswertes keine berufsstörende Bedeutung beizumessen sein soll, owohl im Berufsbild eines selbständigen Gastwirtes u.a. auch "gute bis sehr gute Arm-, Hand- und Fingerbeweglichkeit und ebensolche Griffsicherheit beiderseits" als erforderlich erachtet wurde. Auch hier hätte es im Rahmen der Einschätzung nach § 8 KOVG einer ergänzenden Stellungnahme des berufskundlichen Sachverständigen bedurft, inwieweit die festgestellte, wenn auch nur geringe Bewegungseinschränkung des rechten Mittelfingers das berufskundliche Kalkül hätte beeinflussen können.
Bereits diese Begründungsmängel hätten zur Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Verletzung von Verfahrensvorschriften führen müssen.
Als inhaltlich rechtswidrig erweist sich der angefochtene Bescheid weiters auch deshalb, weil die belangte Behörde die Bestimmung des § 9 Abs. 1 KOVG 1957 unrichtig angewendet hat. Nach dieser Bestimmung wird die Minderung der Erwerbsfähigkeit nach durch zehn teilbare Hundertsätze festgestellt, die Durchschnittssätze darstellen. Eine um fünf v.H. geringere MdE wird von ihnen mitumfasst, was nichts anderes bedeutet, als dass die Richtsätze der MdE in Schritten von unter 10 % grundsätzlich aufzurunden sind. Dabei hatte die Leitende Ärztin in ihrer Stellungnahme vom 3. Juni 1992 dem Kalkül des medizinischen Gutachtens des Sachverständigen Dr. G. vom 10. April 1992 zwar zugestimmt, in welchem unter Anwendung der Richtsatzpositionen 617 und 613 für die Erblindung des linken Auges und den chronischen Reizzustand der Bindehaut beiderseits eine Gesamt-MdE von 35 v.H. angenommen wurde, entgegen diesem Kalkül des Sachverständigen Dr. G. die bestehende MdE jedoch als "nicht weiter erhöht" einstuft. (Auf die Gutachten aus dem Jahr 1992 ist deshalb Bezug zu nehmen, weil sich die im Jahr 1999 erstellten Gutachten als Ergänzungsgutachten verstehen.)
Ginge man aber in Einklang mit dem Gutachten Dris. G. von einer Gesamtminderung der Erwerbsfähigkeit in Hinblick auf die Augenleiden von 35 v.H. aus, so wäre diese Einschätzung unter Beachtung des § 9 Abs. 1 KOVG 1957 mit einer MdE von 40 v.H. anzusetzen. Berücksichtigt man sodann im Rahmen einer Gesamtbetrachtung gemäß § 3 der Richtsatz-VO die weiteren kausalen Leidenszustände, so ergäbe dies bereits unter der Annahme der Begründetheit der (lediglich) zweistufigen Erhöhung des Kalküls infolge der weiteren Leidenszustände eine (medizinische) Gesamt-MdE nach § 7 KOVG 1957 von (zumindest) 60 v.H., die sodann durch das berufskundliche Kalkül gemäß § 8 KOVG 1957 um eine weitere Stufe anzuheben wäre.
Dies hat die belangte Behörde unberücksichtigt gelassen, weshalb ihr Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufzuheben war, da diese der Aufhebung wegen ebenfalls vorliegender Verletzungen von Verfahrensvorschriften prävaliert.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001.
Wien, am 14. November 2002
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