Normen
AlVG 1977 §1 Abs1 lita;
ASVG §4 Abs1 Z1;
ASVG §4 Abs2;
AlVG 1977 §1 Abs1 lita;
ASVG §4 Abs1 Z1;
ASVG §4 Abs2;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.
Der Bund (Bundesminister für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz) hat der beschwerdeführenden Gebietskrankenkasse Aufwendungen in der Höhe von EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde in Abänderung des Einspruchbescheides festgestellt, dass der Zweitmitbeteiligte und die Dritt- und Viertmitbeteiligte auf Grund ihrer Tätigkeit als Musiklehrer für den erstmitbeteiligten Elternverein, die Erstgenannte auch auf Grund ihrer administrativen Tätigkeit für diesen Elternverein, in näher genannten Zeiträumen zwischen dem 1. Jänner 1992 und dem 30. Juni 1995 nicht der Voll- und Arbeitslosenversicherungspflicht gemäß § 4 Abs. 1 Z 1 und Abs. 2 ASVG und § 1 Abs. 1 lit. a AlVG unterlegen seien.
In der Begründung gab die belangte Behörde den wesentlichen Inhalt der erst- und zweitinstanzlichen Bescheide wieder, in denen die Frage der Versicherungspflicht der genannten Musiklehrer bejaht worden war.
Nach Wiedergabe einschlägiger Gesetzesbestimmungen stellte die belangte Behörde folgenden Sachverhalt fest (Unterstreichungen im Original):
"Der Elternverein der Volksschule O hat ab dem Jahre 1992 begonnen, eine Musikschule in O zu betreiben. Zu diesem Zwecke wurde zuerst mit (der Drittmitbeteiligten), die auch die administrativen Tätigkeiten des Musikbetriebes übernahm, ein sogenannter Werkvertrag abgeschlossen. Die Zunahme der Zahl der Schüler machte es in der Folge notwendig, dass weitere Musiklehrer aufgenommen wurden. Auch mit diesen wurde ein gleich lautender 'Vertrag' abgeschlossen, dessen wesentlichste Punkte unten angeführt werden.
'Werkvertrag
Zu Punkt 1:
'Der gen. Elternverein hat die Errichtung eines kursmäßigen
Musikunterrichtes beschlossen. Diese Einrichtung wird in der Folge
'Musikschule O' genannt.'
Zu Punkt 3:
'Der Musiklehrer ist im Rahmen dieser vertraglichen Unterrichtstätigkeit ohne Zustimmung des Elternvereines nicht berechtigt, privaten Unterricht in den selben Räumlichkeiten zu geben.'
Zu Punkt 4:
'Der Unterrichtsort sind die Räumlichkeiten des Kindergartens
P, bzw. der Volksschule O und des Musikheimes S.'
Zu Punkt 5:
'Der Musiklehrer als Vertragspartner erklärt sich bereit, den
Musikunterricht für das/die Instrument(e)..... auf unbestimmte
Zeit an den als Schultage festgelegten Tagen stundenplanmäßig
zum vereinbarten Honorar von derzeit .... zu übernehmen. Er
verpflichtet sich den Unterricht gut vorbereitet und gewissenhaft durchzuführen. Im Übrigen gelten für die gegenseitigen Rechte und Pflichten die Bestimmungen betreffend den Werkvertrag gemäß § 1165
ABGB.'
Zu Punkt 6:
'Sollte der Lehrer aus dem Vertragsverhältnis aussteigen, so
hat er rechtzeitig Vorschläge für die Nachbesetzung seines
Antrages einzubringen.'
Zu Punkt 8:
'Im Falle einer Verhinderung ist der Lehrer verpflichtet, eine geeignete Ersatzkraft zu bestellen, wenn ansonsten der geordnete Unterricht gefährdet wäre. Dies darf jedoch nur im Einverständnis mit der Leitung der Musikschule erfolgen.'
(Die Drittmitbeteiligte) hat diesen Werkvertrag mit 6.12.1991 unterschrieben und war darüber hinaus auch die 'Leiterin' dieser Musikschule.
(Die Viertmitbeteiligte) war ab Jänner 1992 als Musiklehrerin für den Elternverein der Volksschule O tätig, wobei sie den oben angeführten Werkvertrag mit 4.12.1991 unterschrieb.
(Der Zweitmitbeteiligte) hat ebenfalls oben angeführten Werkvertrag unterschrieben und ab Jänner 1992 den Blechbläserunterricht übernommen.
Im Krankheitsfalle oder im Falle einer Verhinderung der Musiklehrer wurden die Unterrichtsstunden entweder von den Musiklehrern selbst zu einem späteren Zeitpunkt nachgeholt, bzw. hätten sich diese nur nach Rücksprache mit der Leitung der Musikschule (gemäß Punkt 8 des Vertrages) das heißt mit (der Drittmitbeteiligten), vertreten lassen können und das nur wenn ansonsten der geordnete Unterricht gefährdet wäre.
Ab Beginn des Schuljahres 1995/96 wurde die Tätigkeit der Musiklehrer auf eine andere vertragliche Basis gestellt."
Im Folgenden führte die belangte Behörde aus, dass dieser Sachverhalt unbestritten sei; die vertragliche Gestaltung und die konkrete Ausübung der Beschäftigung stimmten überein.
In rechtlicher Hinsicht beurteilte die belangte Behörde die als Werkvertrag bezeichnete Vereinbarung als Dienstvertrag, weil die Musiklehrer keinen bestimmten Erfolg, sondern die Erbringung von Dienstleistungen schulden würden. Aus der einschlägigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zur persönlichen und wirtschaftlichen Abhängigkeit hob die belangte Behörde das Erkenntnis vom 22. Oktober 1996, Zl. 94/08/0118, hervor, das sich mit der Frage beschäftigt, in welchen Fällen eine generelle Befugnis, sich vertreten zu lassen, vorliegt. Wende man die Rechtssätze dieses Erkenntnisses auf den Beschwerdefall an - so die belangte Behörde resümierend -, ergäbe das hier vertraglich vereinbarte Vertretungsrecht, wonach im Krankheitsfall oder bei einer sonstigen Verhinderung die Unterrichtsstunde entweder nachzuholen oder in einer geeigneten Form zu ersetzen sei (wenn auch die Entsendung eines geeigneten Vertreters nach Rücksprache mit (der Drittmitbeteiligten), der Leiterin der Musikschule erfolgt sei), eine generelle Vertretungsbefugnis. Allein aus diesem Grund sei eine persönliche Abhängigkeit der Musiklehrer auszuschließen, weshalb auch keine Vollversicherungspflicht in den genannten Zeiträumen in Frage komme.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes erhobene Beschwerde, zu der der erstmitbeteiligte Elternverein eine Gegenschrift erstattet hat, in der er die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und - ebenso wie die mitbeteiligte Pensionsversicherungsanstalt und die mitbeteiligte Unfallversicherungsanstalt - von der Erstattung einer Gegenschrift Abstand genommen. Die übrigen mitbeteiligten Parteien haben sich am verwaltungsgerichtlichen Verfahren nicht beteiligt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
In seinen Erkenntnissen vom 25. Jänner 1994, Zl. 92/08/0226 (Slg. Nr. 13987/A) und Zl. 93/08/0154, hat der Verwaltungsgerichtshof ausführlich dargelegt, dass schon die Berechtigung eines Beschäftigten, die übernommene Arbeitspflicht generell durch Dritte vornehmen zu lassen, - unabhängig davon, ob er von dieser Berechtigung auch tatsächlich Gebrauch macht - wegen des in dieser Berechtigung zum Ausdruck kommenden Fehlens der für die persönliche Abhängigkeit wesentlichen (grundsätzlich) persönlichen Arbeitspflicht und damit der Ausschaltung seiner Bestimmungsfreiheit durch die übernommene Arbeitspflicht seine persönliche Abhängigkeit vom Empfänger der Arbeitsleistung und damit ein Beschäftigungsverhältnis im Sinne des § 4 Abs. 2 ASVG ausschließt. Ob dann hinsichtlich der Beschäftigung selbst, sofern sie der Verpflichtete unter Verzicht auf seine Berechtigung, sich generell vertreten zu lassen, ausübt, ohne Bedachtnahme auf die genannte Berechtigung die sonstigen Merkmale persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit überwiegen, ist wegen der schon in dieser Berechtigung zum Ausdruck kommenden fehlenden Ausschaltung seiner Bestimmungsfreiheit bedeutungslos. Es ist auch unmaßgeblich, dass der Beschäftigte nur geeignete Dritte als Vertreter stellig machen darf, weil es ja bei der Vertretungsberechtigung immer um eine solche in Bezug auf eine übernommene Arbeitspflicht und daher durch eine Person geht, die in der Lage ist, diese Arbeitspflichten gegenüber dem Empfänger der Arbeitsleistung zu erfüllen (vgl. das Erkenntnis vom 19. Juni 1990, Zl. 88/08/0200).
Die belangte Behörde ist im Beschwerdefall von einem den zweit- bis viertmitbeteiligten Parteien eingeräumten generellen Vertretungsrecht ausgegangen und hat "allein aus diesem Grunde" die persönliche Abhängigkeit und demnach auch die Vollversicherungspflicht der Genannten verneint. Strittig ist somit, ob den Genannten ein die Versicherungspflicht ausschließendes generelles Vertretungsrecht eingeräumt worden ist.
Von einer generellen Vertretungsbefugnis kann nur dann gesprochen werden, wenn der Beschäftigte berechtigt ist, jederzeit (wenn auch "nach Rücksprache" oder - unter bestimmten eingeschränkten Umständen - sogar nach Zustimmung des Empfängers der Arbeitsleistung) und nach Gutdünken (d.h. ohne bestimmten Grund) irgendeinen geeigneten Vertreter zur Erfüllung der von ihm übernommenen Arbeitspflicht heranzuziehen (vgl. das Erkenntnis vom 21. November 2001, Zl. 2001/08/0086).
Keine generelle Vertretungsberechtigung stellt die bloße Befugnis dar, sich im Falle der Verhinderung in bestimmten Einzelfällen, z.B. im Falle einer Krankheit oder eines Urlaubes oder bei bestimmten Arbeiten innerhalb der umfassenderen Arbeitspflicht vertreten zu lassen; ebenso wenig die bloße wechselseitige Vertretungsmöglichkeit mehrerer vom selben Vertragspartner beschäftigter Personen (vgl. aus der ständigen Rechtsprechung das eben zitierte Erkenntnis mit weiteren Judikaturhinweisen).
Ausgangspunkt der Beurteilung, ob eine generelle Befugnis, sich vertreten zu lassen, eingeräumt wurde, ist die vertragliche Vereinbarung. Diese hat zunächst die Vermutung der Richtigkeit (im Sinne einer Übereinstimmung mit der Lebenswirklichkeit) für sich (vgl. das Erkenntnis vom 8. Oktober 1991, Zl. 90/08/0057).
Die belangte Behörde stützt sich bei der Annahme einer generellen Vertretungsberechtigung der zweit- bis viertmitbeteiligten Parteien unter Heranziehung der im Erkenntnis vom 22. Oktober 1996, Zl. 94/08/0118, dargelegten Grundsätze allein auf die vertragliche Bestimmung, wonach die Musiklehrer im Falle einer Verhinderung verpflichtet sind, eine geeignete Ersatzkraft zu bestellen, wenn ansonsten der geordnete Unterricht gefährdet wäre; dies dürfe jedoch nur im Einverständnis mit der Leitung der Musikschule erfolgen.
Diese isolierte Betrachtungsweise erweist sich im Ergebnis als rechtswidrig. Das von der belangten Behörde für ihren Rechtsstandpunkt ins Treffen geführte Erkenntnis vom 22. Oktober 1996 ist nämlich mit dem Beschwerdefall - worauf die beschwerdeführende Gebietskrankenkasse zutreffend hinweist - insofern nicht vergleichbar, als in diesem Erkenntnis die dem Musiklehrer eingeräumte Befugnis, sich bei "Krankheit oder sonstiger Verhinderung, ... vertreten zu lassen bzw. die Stunde nachzuholen" in Verbindung mit der Befugnis, die Unterrichtszeit selbst zu bestimmen, zur Verneinung eines Verhältnisses persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit geführt hat. Der vorliegende Fall unterscheidet sich von jenem, der dem genannten Erkenntnis vom 22. Oktober 1996 zu Grunde gelegen ist, somit schon vom Sachverhalt her, weil hier im "Werkvertrag" die Verpflichtung der Musiklehrer festgeschrieben wurde, den Musikunterricht "stundenplanmäßig" zu übernehmen; Letzteres spricht aber für eine Bindung an bestimmte Arbeitszeiten. Eine Gesamtbetrachtung aller für das Beschäftigungsbild wesentlicher Faktoren hat die belangte Behörde im Beschwerdefall nicht vorgenommen, sondern - ungeachtet auch des Fehlens der vertraglichen Möglichkeit der Nachholung einer Unterrichtsstunde - "allein" aus der Vertretungsregelung im Vertrag auf die in Rede stehende Befugnis geschlossen. Diese Regelung räumt aber keineswegs eine uneingeschränkte Vertretungsbefugnis ein, sondern setzt einerseits eine Verhinderung des Musiklehrers und andererseits das Einverständnis mit der Musikschulleitung voraus. In den Fällen einer derart eingeschränkten Befugnis kann aber ohne Bedachtnahme auf das gesamte Beschäftigungsbild nicht gesagt werden, ob diese Berechtigung zumindest im Ergebnis einer generellen Vertretungsbefugnis im obgenannten Sinne (unter dem Gesichtspunkt der fehlenden Ausschaltung seiner Bestimmungsfreiheit durch die übernommene Arbeitspflicht) gleichzuhalten ist. Denn diese auf "Verhinderung" eingeschränkte Befugnis berechtigte die zweit- bis viertmitbeteiligten Parteien nach dem Wortlaut der Vereinbarung nicht, sich jederzeit und nach Gutdünken durch eine geeignete Person vertreten zu lassen (vgl. dazu grundlegend das Erkenntnis vom 16. Mai 2001, Zl. 96/08/0200).
Durch die Annahme einer nur auf (dem Wortlaut von) Punkt 8) des "Werkvertrages" begründeten generellen Befugnis der zweit- bis viertmitbeteiligten Parteien, sich vertreten zu lassen, hat die belangte Behörde den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastet, weshalb er schon aus diesem Grund gemäß § 42 Abs. 1 VwGG aufzuheben war.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung BGBl. II Nr. 333/2003.
Wien, am 26. Mai 2004
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)