VwGH 2001/06/0049

VwGH2001/06/004922.1.2004

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Giendl und die Hofräte Dr. Bernegger, Dr. Waldstätten, Dr. Rosenmayr und Dr. Bayjones als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Hofer, über die Beschwerde 1. der GM und 2. des FM, beide in F, beide vertreten durch Dr. Klaus Nuener, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Anichstraße 40, gegen den Bescheid der Tiroler Landesregierung vom 20. März 2001, Zl. Ve1- 550-2778/1-6, betreffend Beseitigungsauftrag gemäß § 37 Abs. 1 TBO (mitbeteiligte Partei: Gemeinde F, vertreten durch Dr. Christian Kurz, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Kaiser-Josefstraße 13),

Normen

AVG §38;
AVG §68 Abs1;
BauO Tir 1998 §20 Abs2 litd;
BauO Tir 1998 §37 Abs1;
BauO Tir 1998 §37 Abs2;
BauRallg;
AVG §38;
AVG §68 Abs1;
BauO Tir 1998 §20 Abs2 litd;
BauO Tir 1998 §37 Abs1;
BauO Tir 1998 §37 Abs2;
BauRallg;

 

Spruch:

1. den Beschluss gefasst:

Die Beschwerde des Zweitbeschwerdeführers wird zurückgewiesen.

Der Zweitbeschwerdeführer hat dem Land Tirol Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Im Übrigen

2. zu Recht erkannt:

Der angefochtene Bescheid wird, soweit mit ihm die Vorstellung der Erstbeschwerdeführerin im Hinblick auf Spruchpunkt a) des Berufungsbescheides abgewiesen wurde, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben, im Übrigen wird die Beschwerde der Erstbeschwerdeführerin als unbegründet abgewiesen.

Das Land Tirol hat der Erstbeschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.172,88 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Gemeinde vom 12. Juli 1999 wurde das Bauansuchen der Erstbeschwerdeführerin vom 28. April 1999 zur Errichtung eines Heustadels auf dem Grundstück. Nr. 765, KG F, gemäß § 26 Abs. 3 lit. a Tir Bauordnung 1998 (TBO 1998) abgewiesen.

Die dagegen erhobene Berufung der Erstbeschwerdeführerin wurde mit Bescheid des Gemeindevorstandes der mitbeteiligten Gemeinde vom 9. September 1999 als unbegründet abgewiesen.

Die dagegen erhobene Vorstellung der Erstbeschwerdeführerin wurde mit Bescheid der belangten Behörde vom 15. Februar 2000 als unbegründet abgewiesen.

Die dagegen beim Verwaltungsgerichtshof erhobene Beschwerde der Erstbeschwerdeführerin wurde mit dem Erkenntnis vom 29. Juni 2000, Zl. 2000/06/0043, als unbegründet abgewiesen.

Mit Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Gemeinde vom 15. März 2000 wurde der Erstbeschwerdeführerin der "Abbruch des Heustadels auf der GP 765 innerhalb einer Frist von zwei Monaten ab Zustellung dieses Bescheides" aufgetragen. Diese Entscheidung wurde im Wesentlichen damit begründet, dass mit Bescheid vom 12. Juli 1999 das Ansuchen der Erstbeschwerdeführerin um die Erteilung der baubehördlichen Bewilligung zur Errichtung eines Heustadels auf der GP 765 abgewiesen worden sei, da das Bauvorhaben der Flächenwidmung "Sonderfläche Schiübungswiese" widersprochen habe. Das Gebäude habe bereits vor Einreichung des Ansuchens bestanden. Es habe daher ein baupolizeilicher Auftrag gemäß § 37 Abs. 1 TBO 1998 dahin zu ergehen, den konsenslosen Bau zur Gänze zu entfernen.

Die dagegen erhobene Berufung der Beschwerdeführer wurde mit Bescheid des Gemeindevorstandes der mitbeteiligten Gemeinde vom 21. September 2000 als unbegründet abgewiesen (Spruchpunkt a)) und die von den Beschwerdeführern in der Berufung beantragte Wiederaufnahme des Baubewilligungsverfahrens betreffend die Errichtung eines Heustadels auf dem verfahrensgegenständlichen Grundstück "abgelehnt" (Spruchpunkt b)). Dieser Bescheid wurde nur an die Erstbeschwerdeführerin zu Handen ihres Rechtsvertreters zugestellt.

Die dagegen erhobene Vorstellung der Beschwerdeführer wurde mit dem angefochtenen Bescheid als unbegründet abgewiesen. Diese Entscheidung wurde im Hinblick auf den im Lichte der Beschwerde relevanten Spruchpunkt a) des Berufungsbescheides im Wesentlichen damit begründet, aus den Verwaltungsakten ergebe sich, dass das Bauansuchen der Erstbeschwerdeführerin vom 28. April 1999 betreffend die Erteilung der Bewilligung für die Errichtung eines Heustadels auf dem näher angeführten Grundstück letztlich mit Bescheid des Gemeindevorstandes der mitbeteiligten Gemeinde vom 9. September 1999 rechtskräftig als unbegründet abgewiesen worden sei. Die dagegen erhobene Vorstellung wie die in der Folge erhobene Beschwerde beim Verwaltungsgerichtshof seien von der belangten Behörde bzw. vom Verwaltungsgerichtshof als unbegründet abgewiesen worden. Es sei somit in rechtskräftiger Weise die Erteilung der baubehördlichen Bewilligung zur Errichtung des Heustadels versagt worden. Dem erstmals in den Vorstellungen erhobenen Einwand, dass der vorliegende Heustadel unter die Kategorie eines ortsüblichen Stadels im Sinne des § 20 Abs. 2 lit. d TBO 1998 falle, seine Errichtung daher gemäß § 20 Abs. 2 lit. d TBO 1998 bloß anzeigepflichtig wäre, daher richtigerweise die Bestimmung des § 37 Abs. 2 und nicht § 37 Abs. 1 TBO 1998 angewendet hätte werden müssen, sei daher entgegenzuhalten, dass in rechtskräftiger Weise über die Bewilligungspflicht der gegenständlichen baulichen Anlage abgesprochen worden sei.

Abschließend wurde festgestellt, dass die Berufung und der Wiederaufnahmeantrag des Zweitbeschwerdeführers richtigerweise mangels Parteistellung zurückzuweisen gewesen wären, da dieser nicht Eigentümer des verfahrensgegenständlichen Grundstückes und nicht Bauwerber gewesen sei. Durch die Abweisung seiner Berufung und des "Wiedereinsetzungsantrages" (richtig wohl: Wiederaufnahmeantrages) werde er jedoch nicht in seinen Rechten verletzt.

In der dagegen erhobenen Beschwerde wird Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und - wie die mitbeteiligte Partei - eine Gegenschrift samt Antrag auf kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde erstattet.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1.) Zur Beschwerde des Zweitbeschwerdeführers:

Die Beschwerde des Zweitbeschwerdeführers ist nicht zulässig:

Der Zweitbeschwerdeführer ist unbestritten weder Eigentümer des verfahrensgegenständlichen Grundstückes noch Eigentümer der baulichen Anlage noch Bauwerber des vom Wiederaufnahmeverfahren betroffenen Baubewilligungsverfahrens. Wie dies die belangte Behörde zutreffend festgestellt hat, hatte der Zweitbeschwerdeführer daher in den beiden vorliegenden Verwaltungsverfahren keine Parteistellung (weder auf Grund ausdrücklicher gesetzlicher Regelung noch auf Grund einer allfälligen sonstigen unmittelbaren Wirkung der Bescheide für den Zweitbeschwerdeführer) und konnte durch die Entscheidungen (einschließlich des angefochtenen Bescheides) in keinen Rechten verletzt sein.

Mangels Rechtsverletzungsmöglichkeit war daher die Beschwerde des Zweitbeschwerdeführers gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.

2.) Zur Beschwerde der Erstbeschwerdeführerin:

Gemäß § 1 Abs. 3 lit. k der Tiroler Bauordnung 1998, LGBl. Nr. 15 (TBO 1998), gilt dieses Gesetz nicht für folgende bauliche Anlagen:

"k) Heupillen, Hainzenhütten, Harpfen, Stanggerhütten und dergleichen sowie sonstige bauliche Anlagen im Rahmen land- und forstwirtschaftlicher Betriebe wie Düngerstätten, Fahrsilos, nicht begehbare Folientunnels, ortsübliche Umzäunungen landwirtschaftlicher Flächen, Weidezäune und dergleichen; ..."

Gemäß § 20 Abs. 1 lit. a TBO 1998 bedürfen einer Baubewilligung, soweit sich aus den Abs. 2 und 3 nichts anderes ergibt:

"a) der Neu-, Zu- und Umbau von Gebäuden;"

Gemäß § 20 Abs. 2 lit. d TBO 1998 sind die sonstige Änderung von Gebäuden sowie die Errichtung und die Änderung von sonstigen baulichen Anlagen, sofern sie nicht in Abs. 1 lit. b oder e einer Baubewilligung bedürfen, der Behörde anzuzeigen. Jedenfalls sind der Behörde anzuzeigen:

"d) die Errichtung und Änderung von ortsüblichen Städeln in Holzbauweise, die landwirtschaftlichen Zwecken dienen, und von Bienenhäusern in Holzbauweise sowie die Aufstellung von Folientunnels, soweit diese nicht nach § 1 Abs. 3 lit. k vom Geltungsbereich dieses Gesetzes ausgenommen sind;"

Gemäß § 22 Abs. 1 TBO 1998 ist die Bauanzeige bei der Behörde schriftlich einzubringen.

Gemäß § 22 Abs. 2 erster Satz leg. cit. sind der Bauanzeige die Planunterlagen (§ 23) in zweifacher Ausfertigung anzuschließen.

Gemäß § 22 Abs. 3 TBO 1998 hat die Behörde das angezeigte Bauvorhaben zu prüfen. Ergibt sich dabei, dass das angezeigte Bauvorhaben bewilligungspflichtig ist, so hat die Behörde dies innerhalb eines Monats nach Vorliegen der vollständigen Bauanzeige mit schriftlichem Bescheid festzustellen. Ist das angezeigte Bauvorhaben nach den bau- oder raumordnungsrechtlichen Vorschriften unzulässig, so hat die Behörde dessen Ausführung innerhalb derselben Frist mit schriftlichem Bescheid zu untersagen.

Gemäß § 22 Abs. 4 leg. cit. darf ein angezeigtes Bauvorhaben, das innerhalb der im Abs. 3 genannten Frist weder als bewilligungspflichtig festgestellt noch dessen Ausführung untersagt wird oder die Behörde der Ausführung des angezeigten Bauvorhabens ausdrücklich zustimmt, ausgeführt werden.

§ 37 Abs. 1 und Abs. 2 TBO 1998 sehen für die Herstellung des gesetzmäßigen Zustandes betreffend einerseits bewilligungspflichtige bauliche Anlagen, andererseits anzeigepflichtige bauliche Anlagen Folgendes vor:

"(1) Wurde eine bewilligungspflichtige bauliche Anlage ohne die nach diesem Gesetz erforderliche Baubewilligung errichtet oder geändert, so hat die Behörde dem Eigentümer der baulichen Anlage eine angemessene Frist zu setzen, innerhalb der nachträglich um die Erteilung der Baubewilligung anzusuchen ist. Verstreicht diese Frist ungenützt oder wird (bzw. wurde) die Baubewilligung versagt, so hat die Behörde dem Eigentümer der baulichen Anlage deren Beseitigung aufzutragen. Dies gilt auch, wenn eine solche bauliche Anlage abweichend von der Baubewilligung ausgeführt wurde und diese Abweichung eine Änderung der baulichen Anlage darstellt, zu deren selbstständigen Vornahme eine Baubewilligung erforderlich wäre. Dem Eigentümer der betreffenden baulichen Anlage kann jedoch auf sein begründetes Verlangen statt der Beseitigung der baulichen Anlage die Herstellung des der Baubewilligung entsprechenden Zustandes aufgetragen werden.

(2) Wurde eine anzeigepflichtige bauliche Anlage ohne die nach diesem Gesetz erforderliche Bauanzeige errichtet oder geändert, so hat die Behörde dem Eigentümer der baulichen Anlage eine angemessene Frist zu setzen, innerhalb der die Bauanzeige nachzuholen ist. Verstreicht diese Frist ungenützt oder wird (bzw. wurde) das Bauvorhaben nach § 22 Abs. 3 dritter Satz untersagt, so hat die Behörde dem Eigentümer der baulichen Anlage deren Beseitigung aufzutragen. Dies gilt auch, wenn eine solche bauliche Anlage erheblich abweichend von der Bauanzeige ausgeführt wurde."

Die Erstbeschwerdeführerin macht geltend, es liege keine rechtskräftige Entscheidung dahingehend vor, dass es sich bei dem vorliegenden Heustadel um eine bewilligungspflichtige und nicht um eine anzeigepflichtige Anlage handle. Es liege nur eine rechtskräftige Entscheidung dahingehend vor, dass für diese bauliche Anlage die Baubewilligung versagt worden sei. Es handle sich bei dem vorliegenden Heustadel nach Auffassung der Erstbeschwerdeführerin um ein bloß anzeigepflichtiges Vorhaben gemäß § 20 Abs. 2 lit. d TBO 1998. Es sei daher im baupolizeilichen Verfahren zu Unrecht § 37 Abs. 1 TBO 1998 betreffend bewilligungspflichtige bauliche Anlagen, die ohne Baubewilligung ausgeführt werden, herangezogen worden. Es hätte vielmehr § 37 Abs. 2 TBO 1998 angewendet werden müssen. In dieser Hinsicht sei der Erstbeschwerdeführerin nie eine Frist zur Nachholung der Anzeige gemäß dieser Bestimmung gesetzt worden, daher könne gemäß dieser Bestimmung auch keine Beseitigung aufgetragen werden.

Diesem Vorbringen der Erstbeschwerdeführerin kommt Berechtigung zu. In einem Baubewilligungsverfahren stellt sich die Frage der Bewilligungspflicht einer beantragten baulichen Anlage als Vorfrage im Sinne des § 38 AVG. Gegenstand des Baubewilligungsverfahrens und damit Hauptsache, über die in bindender Weise durch eine rechtskräftige Entscheidung abgesprochen wird, ist der Antrag auf Erteilung der Baubewilligung für das jeweils antragsgegenständliche Projekt. Die belangte Behörde hat daher zu Unrecht die Auffassung vertreten, dass über die Frage der Bewilligungspflicht des tatsächlich errichteten verfahrensgegenständlichen Heustadels bereits im Baubewilligungsverfahren bindend abgesprochen wurde. Nur nach und auf Grund einer Prüfung, ob der vom Beseitigungsauftrag erfasste, tatsächlich errichtete Heustadel eine bewilligungspflichtige bauliche Anlage oder nur eine anzeigepflichtige bauliche Anlage im Sinne des § 20 Abs. 2 lit. d TBO 1998 ist und nach allenfalls erforderlichen ergänzenden Ermittlungen dazu kann die weitere Frage beantwortet werden, ob von den Gemeindebehörden und der belangten Behörde § 37 Abs. 1 TBO 1998, der sich ausschließlich auf ohne Bewilligung errichtete bewilligungspflichtige bauliche Anlagen bezieht, zu Recht im vorliegenden baupolizeilichen Verfahren angewendet wurde.

Der angefochtene Bescheid war daher, soweit die Vorstellung der Erstbeschwerdeführerin betreffend Spruchpunkt a) des Berufungsbescheides abgewiesen wurde, gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben, im Übrigen war die Beschwerde der Erstbeschwerdeführerin, die zur Abweisung der Vorstellung in Bezug auf Spruchpunkt b) des Berufungsbescheides keine Ausführungen enthält, abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i.V.m. der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am 22. Jänner 2004

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