VwGH 2001/03/0453

VwGH2001/03/04531.7.2005

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sauberer und die Hofräte Dr. Handstanger, Dr. Berger, Dr. Lehofer und Mag. Samm als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Zeleny, über die Beschwerde des J S in D, vertreten durch Mag. Dr. Rudolf Gürtler, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Seilergasse 3, gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 5. November 2001, Zl LF1-J-104/002-2001, betreffend Genehmigung der Verpachtung einer Genossenschaftsjagd (mitbeteiligte Parteien:

1. Jagdgenossenschaft D, vertreten durch Dr. Leopold Boyer, Rechtsanwalt in 2225 Zistersdorf, und 2. Jagdgesellschaft D, vertreten durch Jagdleiter R K, in D), zu Recht erkannt:

Normen

JagdG NÖ 1974 §21 Abs3;
JagdG NÖ 1974 §22 Abs1;
JagdRallg;
VerfGG 1953 §6 Abs2;
JagdG NÖ 1974 §21 Abs3;
JagdG NÖ 1974 §22 Abs1;
JagdRallg;
VerfGG 1953 §6 Abs2;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Niederösterreich hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.172,88 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1. Mit dem angefochtenen im Instanzenzug ergangenen Bescheid wurde der Beschluss des Jagdausschusses D über die Verpachtung des Genossenschaftsjagdgebietes an die Jagdgesellschaft D, Jagdleiter

R K, um einen jährlichen Pachtschilling von S 21.000,--, gemäß §§ 18, 21, 22 und 39 Abs 3 und 5 des NÖ Jagdgesetzes 1974, LGBl 6500-15, genehmigt.

Begründend wird im Wesentlichen Folgendes ausgeführt: Mit Bescheid der Erstbehörde vom 28. Mai 2001 sei der Antrag der Jagdgenossenschaft D vom 7. Mai 2001, die Verpachtung der Genossenschaftsjagd D im Wege des freien Übereinkommens an die Jagdgesellschaft D, Jagdleiter H B, für die Jagdperiode vom 1. Jänner 2001 bis zum 31. Dezember 2010 um einen jährlichen Pachtschilling von S 21.000,-- zu genehmigen, abgewiesen worden. Mit Bescheid vom 31. Mai 2001 habe die Erstbehörde den Obmann des Jagdausschusses D, J K, seines Amtes enthoben. Die beiden genannten Bescheide seien rechtskräftig.

Mit erstinstanzlichem Bescheid vom 9. August 2001 sei der Beschluss des Jagdausschusses D vom 29. Juni 2001 über die Verpachtung des Genossenschaftsjagdgebietes an die Jagdgenossenschaft D, Jagdleiter R K, um einen jährlichen Pachtschilling von S 21.000,-- genehmigt worden.

In seiner gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung vom 23. August 2001 habe der Beschwerdeführer unter anderem vorgebracht, der Bürgermeister von D hätte es verabsäumt, die Wahl eines neuen Obmannes für die Jagdgenossenschaft D innerhalb der Fristen des § 24 der NÖ Jagdausschusswahlordnung durchzuführen, durch diese Unterlassung hätte er die Jagdvergabe zugunsten der Jagdgesellschaft D, die am 29. Juni 2001 den Zuschlag bekommen hätte, beeinflusst. Der Jagdausschuss hätte somit am 29. Juni 2001 ohne einen gewählten Obmann rechtswidrig agiert. Weiters wäre auf eine andere Bietergruppe, der auch der Beschwerdeführer angehört habe, Druck ausgeübt worden, ihr Angebot zurückzuziehen. Zwischen der Einladung zur Sitzung des Jagdausschusses und der Sitzung selbst wäre keine ganze Woche gelegen, weil die Einladung vor Mitternacht des 22. Juni 2001 erfolgt wäre, die Sitzung aber bereits für den 29. Juni 2001, um 9 Uhr früh, anberaumt gewesen wäre. Bei der Abstimmung hätten ferner mehrere Mitglieder des Jagdausschusses mitgewirkt, obwohl sie befangen gewesen wären. Der ehemalige Obmann J K wäre auf Grund seiner Feindschaft zum Beschwerdeführer befangen, ferner weil er Druck auf den Beschwerdeführer ausgeübt hätte, sein Angebot zurückzuziehen. Der Obmannstellvertreter Ing. H F wäre stiller Pächter der Jagdgesellschaft D und seine Ehefrau wäre Dienstnehmerin des Bürgermeisters H B und des Jagdgesellschafters A S. Der Jagdleiter R K wäre wegen seiner Stellung als derzeitiger Pächter befangen gewesen. Das Jagdausschussmitglied F S wäre befangen, weil es vom Jagdgesellschafter A S einen Weingarten gepachtet hätte.

Die Erstbehörde habe dazu bereits Folgendes ermittelt: Ing. H F sei nicht als befangen anzusehen, weil ihm kein Ausgehrecht oder eine Position als stiller Pächter in der kommenden Jagdperiode in Aussicht gestellt worden sei. Seine Stimmabgabe am 29. Juni 2001 stehe auch in keinem Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis seiner Frau für A S. F S sei nicht als befangen anzusehen, weil die Tatsache, dass er von A S zwei Weingärten gepachtet habe, in keinem Zusammenhang mit seinem Stimmverhalten am 29. Juni 2001 stehe. R K sei zwar befangen gewesen, habe aber laut Protokoll vom 29. Juni 2001 vor Beratung und Abstimmung des Jagdausschusses über die Verpachtung der Genossenschaftsjagd D das Sitzungszimmer verlassen.

Am 8. August 2001 sei ferner eine Stellungnahme des Bezirksjagdbeirates Mistelbach eingeholt worden, welche ergeben habe, dass die Verpachtung weder dem Interesse der Land- und Forstwirtschaft noch jenem der Jagdwirtschaft widersprechen würde und die im Protokoll der Jagdausschusssitzung angeführten Gründe stichhaltig wären. Auch der Jagdpachtschilling wäre angemessen.

Durch die Enthebung als Obmann des Jagdausschusses mit Bescheid der Erstbehörde vom 31. Mai 2001 sei J K nicht seines Mandats als Jagdausschussmitglied verlustig gegangen. Er sei berechtigt und verpflichtet gewesen, als normales Mitglied des Jagdausschusses sein Mandat auszuüben. Gründe für den Verlust des Mandats seien nicht gegeben gewesen. Die Wahl des neuen Obmanns sei vom Bürgermeister sofort nach Rechtskraft des Enthebungsbescheids vom 31. Mai 2001 in die Wege geleitet worden. Sie sei am 6. Juli 2001 erfolgt. § 21 Abs 3 des NÖ Jagdgesetzes 1974 enthalte eine detaillierte Regelung zur Vertretung des Obmanns, die im konkreten Fall bei der Sitzung am 29. Juni 2001 auch eingehalten worden sei. Diese Bestimmung soll nach Auffassung der belangten Behörde zu jedem Zeitpunkt die Handlungsunfähigkeit des Jagdausschusses verhindern, weil ja der Impuls für das Tätigwerden dieses Ausschusses vom Obmann bzw dessen Vertretern gesetzt werden müsse.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes, in eventu wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, zu der der Beschwerdeführer eine Äußerung abgab. Auch die erstmitbeteiligte Partei erstattete eine Gegenschrift.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Die vorliegend maßgeblichen Regelungen des NÖ Jagdgesetzes 1974 (NÖ JG), LGBl 6500, in der im vorliegenden Fall anzuwendenden Fassung vor der 11. Novelle, LGBl 6500-16, lauten (auszugsweise) wie folgt:

"Verwaltung der Genossenschaftsjagd

§ 18

Jagdgenossenschaften

(1) Die Eigentümer jener Grundstücke, welche zu einem nach den Bestimmungen des § 12 Abs. 4 lit. b festgestellten Genossenschaftsjagdgebiete gehören, bilden eine Jagdgenossenschaft. Diese ist nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen zur Ausübung der Jagd auf dem Genossenschaftsjagdgebiet (Genossenschaftsjagd) befugt.

..."

"§ 19

Jagdausschuss

(1) Der Jagdausschuss hat die ihm in diesem Gesetz aufgetragenen Aufgaben zu besorgen.

..."

"§ 21

Aufgaben, Vertretung und Enthebung des Obmannes

(1) Der Obmann des Jagdausschusses hat die Jagdgenossenschaft zu vertreten. Urkunden, durch welche Verbindlichkeiten gegen dritte Personen begründet werden, hat der Obmann gemeinsam mit einem Jagdausschussmitglied zu unterfertigen.

...

(3) Der Obmann wird im Falle seiner Verhinderung durch den Obmannstellvertreter vertreten. Wenn sowohl der Obmann als auch sein Stellvertreter an der Ausübung ihres Amtes verhindert sind, hat das an Jahren älteste Jagdausschussmitglied die Vertretung des Obmannes zu übernehmen.

..."

"§ 22

Beschlussfassung des Jagdausschusses

(1) Zur Gültigkeit eines Beschlusses des Jagdausschusses ist erforderlich, dass die Jagdausschussmitglieder vom Obmann nachweislich schriftlich unter Bekanntgabe der Verhandlungsgegenstände, im Falle einer Beschlussfassung über eine Jagdverpachtung im Weg des freien Übereinkommens außerdem auch unter Anführung der Pachtwerber, eine Woche vorher zur Ausschussitzung eingeladen wurden und außer dem Vorsitzenden mindestens drei Ausschussmitglieder an der Beschlussfassung teilgenommen haben. Die Sitzungen des Jagdausschusses sind nicht öffentlich; die Mitglieder der Jagdgenossenschaft dürfen während der Beratungen anwesen sein, es sei denn, dass sie als Pachtwerber für sich oder Dritte auftreten. Der Obmann kann jedoch den Sitzungen Auskunftspersonen beiziehen. Er hat dies zu tun, wenn es von mindestens zwei Mitgliedern des Jagdausschusses verlangt wird. Nehmen an der Beratung oder Beschlussfassung des Jagdausschusses andere Personen teil, so sind die über diesen Gegenstand gefassten Beschlüsse ungültig.

..."

2.1. Die Beschwerde wendet (ua) ein, § 21 Abs 3 NÖ JG sehe lediglich vor, dass der Obmann eines Jagdausschusses im Fall seiner Verhinderung durch seinen Stellvertreter vertreten werde, diese Vertretungsregelung aber dann, wenn ein Obmann gar nicht bestellt sei, nicht zum Tragen kommen könne. Der Bürgermeister habe die Nachwahl des Obmanns des Jagdausschusses D verzögert und am 29. Juni 2001 die Verpachtung der Genossenschaftsjagd D an seine Jagdgesellschaft bzw seine Jagdfreunde unter seinem Freund Ing. H F als Jagdausschussobmann-Stellvertreter durchführen lassen. Dadurch sei gegen die in § 21 Abs 3 NÖ JG getroffene Vertretungsregelung verstoßen worden.

2.2. Schon dieses Vorbringen führt zur Aufhebung des angefochtenen Bescheides. Eine Verhinderung eines Obmannes im Sinn des § 21 Abs 3 NÖ JG kann nämlich nur dann gegeben sein, wenn ein im Amt stehender Obmann die Ausübung seines Amtes nicht wahrzunehmen vermag. Dies zeigt auch ein Vergleich mit der Regelung des § 6 Abs 2 VfGG, die durch die Novelle BGBl Nr 311/1976 gerade deshalb, weil sie in ihrer früheren Fassung die Ladung eines Ersatzmitgliedes nur für den Fall der Verhinderung, nicht aber für den der Vakanz einer Stelle vorsah, dahingehend ergänzt wurde, dass sie auch anwendbar ist, wenn die Stelle eines Mitglieds frei geworden ist (vgl die Erläuterungen der RV 96 BlgNR XIV.GP). Vorliegend ist unbestritten, dass zum Zeitpunkt der Ladung zu der in Rede stehenden Sitzung des Jagdausschusses und dieser Sitzung selbst ein neuer Obmann nach der Enthebung des früheren Obmannes mit dem eingangs genannten Bescheid der Erstbehörde vom 31. Mai 2001 noch nicht bestellt worden war. Somit lag aber ein Fall der Verhinderung des Obmanns im Sinn des § 21 Abs 3 NÖ JG, der es erlaubt hätte, dass anstelle des Obmannes der Obmann-Stellvertreter tätig wird, wie dies tatsächlich bei der Ladung zur und der Beschlussfassung bei der in Rede stehenden Sitzung geschah, nicht vor. Da § 22 Abs 1 NÖ JG für die Gültigkeit eines Beschlusses des Jagdausschusses eine Ladung durch den Obmann des Jagdausschusses fordert, eine solche im Beschwerdefall aber nicht gegeben war, weil damals ein Obmann nicht bestellt war und die Ladung vom Obmann-Stellvertreter mangels Vertretungsfalles in einer rechtlich wirksamen Weise nicht bewerkstelligt werden konnte, ist der in Rede stehende Beschluss des Jagdausschusses schon deshalb nicht gültig zustande gekommen. Dies hat die belangte Behörde verkannt.

3. Bei diesem Ergebnis war es nicht erforderlich, auf das weitere Vorbringen der Beschwerde einzugehen.

4. Der angefochtene Bescheid war daher wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

5. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl II Nr 333.

Wien, am 1. Juli 2005

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