VwGH 2001/03/0002

VwGH2001/03/000227.2.2002

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sauberer und die Hofräte Dr. Gall und Dr. Bernegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Schlegel, über die Beschwerde des AV in F, Deutschland, vertreten durch Dr. Ferner, Dr. Hornung und Dr. Wienerroither, Rechtsanwälte in 5020 Salzburg, Hellbrunner Straße 11, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates in Tirol vom 15. November 2000, Zl. uvs-2000/8/020-2, betreffend Übertretung des Güterbeförderungsgesetzes 1995, zu Recht erkannt:

Normen

31994R3298 idF 31996R1524 ÖkopunktesystemV Lkw Transit Österreich Art1 Abs1 lita;
31994R3298 idF 31996R1524 ÖkopunktesystemV Lkw Transit Österreich Art1 Abs1 litb;
31994R3298 idF 31996R1524 ÖkopunktesystemV Lkw Transit Österreich Art1 Abs1 litc;
B-VG Art140 Abs7;
EURallg;
GütbefG 1995 §23 Abs1 Z8 idF 1998/I/017;
GütbefG 1995 §23 Abs2 Z7 idF 1998/I/017;
GütbefG 1995 §23 Abs2 Z8 idF 1998/I/017;
GütbefG 1995 §23 Abs2 Z9 idF 1998/I/017;
VStG §5 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z1;
31994R3298 idF 31996R1524 ÖkopunktesystemV Lkw Transit Österreich Art1 Abs1 lita;
31994R3298 idF 31996R1524 ÖkopunktesystemV Lkw Transit Österreich Art1 Abs1 litb;
31994R3298 idF 31996R1524 ÖkopunktesystemV Lkw Transit Österreich Art1 Abs1 litc;
B-VG Art140 Abs7;
EURallg;
GütbefG 1995 §23 Abs1 Z8 idF 1998/I/017;
GütbefG 1995 §23 Abs2 Z7 idF 1998/I/017;
GütbefG 1995 §23 Abs2 Z8 idF 1998/I/017;
GütbefG 1995 §23 Abs2 Z9 idF 1998/I/017;
VStG §5 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z1;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird hinsichtlich des Ausspruches über die verhängte Strafe und die Kosten des Strafverfahrens wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben. Im Übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

Das Land Tirol hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.089,68 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde der Beschwerdeführer für schuldig erkannt, er habe

"als Lenker des Sattelkraftfahrzeuges mit den Kennzeichen ... am 15.12.1998 von Deutschland kommend eine ökopunktepflichtige Transitfahrt durch das Gebiet der Republik Österreich nach Italien durchgeführt und dabei weder ein ordnungsgemäß ausgefülltes Einheitsformular noch eine österreichische Bestätigung der Entrichtung von Ökopunkten für die betreffende Fahrt mitgeführt, wie anlässlich einer Kontrolle durch Bedienstete des Landesgendarmeriekommandos für Tirol, Verkehrsabteilung Zirl, am 15.12.1998 um 20.00 Uhr auf der A 13 bei km 10,8 festgestellt wurde. Der Frächter schien im Zentralrechner der Ökopunktezentrale als gesperrt auf."

Der Beschwerdeführer habe dadurch eine Verwaltungsübertretung nach § 23 Abs. 1 Z. 8 Güterbeförderungsgesetz (GütbefG), BGBl. Nr. 593/1995 i. d. F. der Novelle BGBl. I Nr. 17/1998 i. V. m. Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 lit. a und Art. 2 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 3298/94 in der Fassung der Verordnung (EG) Nr. 1524/96 begangen.

Gemäß § 23 Abs. 1 i. V. m. § 23 Abs. 2 zweiter Satz GütbefG i. d. F. der Novelle BGBl. I Nr. 17/1998 wurde über den Beschwerdeführer eine Geldstrafe von S 20.000,-- (bzw. in eventu eine Ersatzfreiheitsstrafe in der Dauer von fünf Tagen) verhängt.

In der dagegen erhobenen Beschwerde wird Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift samt Antrag auf kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde erstattet.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 23 Abs. 1 Z. 8 des Güterbeförderungsgesetzes 1995 (GütBefG), BGBl. Nr. 593 in der Fassung BGBl. I Nr. 17/1998, begeht eine Verwaltungsübertretung, die mit einer Geldstrafe bis zu S 100.000,-- zu ahnden ist, wer unmittelbar anwendbare Vorschriften der Europäischen Union über den Güterverkehr auf der Straße verletzt, sofern dies nicht nach anderen Vorschriften zu bestrafen ist.

Gemäß § 23 Abs. 2 zweiter Satz Güterbeförderungsgesetz 1995, BGBl. Nr. 593 i. d. F. der angeführten Novelle, hat bei Verwaltungsübertretungen gemäß "Abs. 1 Z 3 und Z 7 bis 9" die Geldstrafe mindestens S 20.000,-- zu betragen.

Gemäß Art. 1 des dem EU-Beitrittsakt beigefügten Protokolles über den Straßen- und Schienenverkehr sowie den kombinierten Verkehr in Österreich (BGBl. Nr. 45/95) gilt als Transitverkehr durch Österreich jeder Verkehr durch österreichisches Hoheitsgebiet, bei dem der Ausgangs- und Zielpunkt außerhalb Österreich liegen (lit. c), als Straßengütertransitverkehr durch Österreich jeder Transitverkehr, der mit Lastkraftwagen durchgeführt wird, unbeschadet ob diese Lastkraftwagen beladen oder unbeladen sind (lit. e).

Gemäß Art. 1 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 3298/94 der Kommission in der Fassung der Verordnung (EG) Nr. 1524/96 der Kommission hat der Fahrer eines Lastkraftwagens durch das Gebiet Österreich

"die nachstehenden aufgeführten Unterlagen mitzuführen und diese auf Verlangen der Aufsichtsbehörden zur Prüfung vorzulegen, entweder:

a) ein ordnungsgemäß ausgefülltes Einheitsformular oder eine österreichische Bestätigung der Entrichtung von Ökopunkten für die betreffende Fahrt; ein Muster dieser als 'Ökokarte' bezeichneten Bestätigung ist im Anhang A enthalten; oder

b) ein im Kraftfahrzeug eingebautes elektronisches Gerät, das eine automatische Entwertung der Ökopunkte ermöglicht und als 'Umweltdatenträger' ('ecotag') bezeichnet wird; oder

c) die in Art. 13 aufgeführten geeigneten Unterlagen zum Nachweis darüber, dass es sich um eine Fahrt gemäß Anhang C handelt, für die keine Ökopunkte benötigt werden; oder

d) geeignete Unterlagen, aus denen hervorgeht, dass es sich nicht um eine Transitfahrt handelt und, wenn das Fahrzeug mit einem Umweltdatenträger ausgestattet ist, dass dieser für diesen Zweck eingestellt ist. ..."

Der Beschwerdeführer macht geltend, die belangte Behörde habe im angefochtenen Bescheid überhaupt keine Ausführungen zur subjektiven Tatseite gemacht. Der Beschwerdeführer sei im gegenständlichen Fall davon ausgegangen, dass die Ökopunkte ordnungsgemäß abgebucht werden würden. Er habe nicht gewusst und habe auch nicht wissen können, dass der Ökopunktestand bereits auf Null gewesen sei. Dies sei seinem Arbeitgeber vom Bundesamt für Güterverkehr erst einen Tag nach dem vermeintlichen Deliktszeitpunkt mitgeteilt worden. Der Arbeitgeber des Beschwerdeführers selbst aber hätte ihm mitgeteilt, dass noch ausreichend Ökopunkte vorhanden wären. Eine Verifizierung dieser Angabe beim Bundesamt für Güterverkehr per Telefax sei zu diesem Zeitpunkt noch nicht möglich gewesen. Dem Beschwerdeführer falle sohin keine Fahrlässigkeit zur Last.

Dem ist entgegenzuhalten, dass die belangte Behörde dabei von der nach Auffassung des Beschwerdeführers ihn rechtfertigenden Darstellung der Umstände bei seinem Grenzübertritt ausging. Nach den Darlegungen der Rechtsvertreterin des Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung vor der belangten Behörde hat der Arbeitgeber dem Beschwerdeführer vor der gegenständlichen Fahrt auf seine diesbezügliche Frage mitgeteilt, dass er davon ausgehe, es seien genügend Ökopunkte vorhanden. Der Arbeitgeber habe ihm in diesem Gespräch aber auch erklärt, falls wider Erwarten doch noch keine Punkte aufgebucht seien, gebe er ihm eine entsprechende Anzahl von Ökopunkten samt Ökokarte mit. Dazu habe der Arbeitgeber dem Beschwerdeführer ganz konkret den Auftrag erteilt, allenfalls Ökopunkte erst dann zu kleben, wenn es zu Problemen komme. Das Verhalten des Beschwerdeführers wurde als fahrlässig qualifiziert. Der Auftrag seines Arbeitgebers, Ökopunkte erst im Problemfall zu kleben, habe ihn nicht entlasten können.

Mit dieser Qualifikation war die belangte Behörde auch im Recht: Für die Verwirklichung der vorliegenden Verwaltungsübertretung reicht gemäß § 5 Abs. 1 VStG bereits Fahrlässigkeit aus. Fahrlässigkeit ist gemäß § 5 Abs. 1 zweiter Satz VStG bei Zuwiderhandeln gegen ein Verbot oder Nichtbefolgung eines Gebotes dann ohne weiteres anzunehmen, wenn - wie im vorliegenden Fall - zum Tatbestand einer Verwaltungsübertretung der Eintritt eines Schadens oder einer Gefahr nicht gehört und der Täter nicht glaubhaft macht, dass ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft. Gemäß der hg. Judikatur (vgl. u.a das Erkenntnis vom 11. Juli 2001, Zl. 2000/03/0307) ergibt sich aus Art. 1 Abs. 1 lit. b der Verordnung (EG) Nr. 3298/94 der Kommission idF der Verordnung (EG) Nr. 1524/96 der Kommission, dass das Fahren eines Lastkraftwagens der darin statuierten Verpflichtung nur dann entspricht, wenn das mitgeführte Gerät "eine automatische Entwertung der Ökopunkte ermöglicht". Weiters hat sich der Lenker eines Kraftfahrwagens bei einer Transitfahrt vor der Einreise in das Hoheitsgebiet Österreichs im Fall der Benutzung eines Umweltdatenträgers (auf geeignete Weise) davon zu überzeugen hat, dass mit diesem eine automatische Abbuchung von Ökopunkten auch möglich ist. Unterlässt er dies, fällt ihm eine als Verschulden zu qualifizierende Sorgfaltsverletzung zur Last, zumal er eine Transitfahrt, wenn sich ein Umweltdatenträger vor der Einreise nicht als funktionstüchtig erweist, nur bei Erfüllung der Verpflichtungen gemäß Art. 1 Abs. 1 lit. a oder lit. c leg. cit. durchführen darf. Dass dem Lenker eine solche Sorgfaltsverletzung zur Last liegt, kann nicht angenommen werden, wenn ihm die Möglichkeit fehlte, unmittelbar vor der Einreise in das Bundesgebiet selbst den Ökopunktestand des in dem von ihm gelenkten Kraftfahrzeug eingebauten Ecotag abzufragen, ihm vor Durchführung der Transitfahrt von seinem Arbeitgeber das Vorhandensein einer ausreichenden Zahl von Ökopunkten (bezüglich den betreffenden Ecotag) bestätigt wurde und er keinen Grund hatte, an der Richtigkeit dieser Auskunft zu zweifeln.

Im vorliegenden Fall trifft es nicht zu, dass der Beschwerdeführer keinen Grund hatte, an der Richtigkeit der Auskunft des Arbeitgebers betreffend einen ausreichenden Ökopunktestand zu zweifeln. Auf Grund der Erklärungen seines Arbeitgebers konnte der Beschwerdeführer nicht davon ausgehen, dass jedenfalls genügend (abbuchbare) Ökopunkte für die verfahrensgegenständliche Transitfahrt vorhanden waren. Vielmehr musste er damit rechnen, dass noch keine Ökopunkte aufgebucht sein könnten, und nahm, indem er die mitgegebene Ökokarte nicht entsprechend entwertete, in Kauf, Österreich allenfalls ohne eine ordnungsgemäße Entrichtung von Ökopunkten zu durchfahren. Die belangte Behörde hat daher zutreffend vertreten, der Beschwerdeführer habe nicht glaubhaft machen können, dass ihn an der vorliegenden Verwaltungsübertretung kein Verschulden treffe. Von der Aufnahme des vom Beschwerdeführer zu seinem Vorbringen beantragten Beweises konnte sie zu Recht Abstand nehmen.

Es kann weiters der nicht näher begründeten Auffassung des Beschwerdeführers nicht gefolgt werden, dass aus dem Spruch des Bescheides nicht ersichtlich sei, welches Verhalten ihm vorgeworfen werde. Aus diesem Spruch geht vielmehr eindeutig hervor, dass ihm vorgeworfen wurde, auf der näher beschriebenen Transitfahrt weder ein ordnungsgemäß ausgefülltes Einheitsformular noch eine österreichische Bestätigung der Entrichtung von Ökopunkten für die Fahrt im Sinne des Art. 1 Abs. 1 lit. a der angeführten EG-Verordnung mitgeführt zu haben.

Im Übrigen liegt jedoch eine - vom Verwaltungsgerichtshof aufzugreifende - inhaltliche Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides vor. Mit Erkenntnis vom 14. Dezember 2001, G 181/2001 u.a., kundgemacht am 8. Feber 2002 im BGBl. I Nr. 37, stellte der Verfassungsgerichtshof nämlich fest, dass die Wortfolge "und Z 7 bis 9" im zweiten Satz des § 23 Abs. 2 des Güterbeförderungsgesetzes 1995, BGBl. Nr. 593, in der Fassung BGBl. I Nr. 17/1998, verfassungswidrig war. Der Verfassungsgerichtshof sprach in diesem Erkenntnis gemäß Art. 140 Abs. 7 zweiter Satz B-VG weiters aus, dass diese Bestimmung "insofern nicht mehr anzuwenden" ist, "als sie sich auf Z. 8 bezieht". Auch der Verwaltungsgerichtshof hat diese Bestimmung daher nicht mehr anzuwenden (vgl. das hg. Erkenntnis vom 15. September 1999, Zl. 99/03/0089). Daher ist eine maßgebliche gesetzliche Grundlage für die Bestrafung des Beschwerdeführers im vorliegenden Verwaltungsstrafverfahren weggefallen.

Der angefochtene Bescheid war daher hinsichtlich des Ausspruches über die verhängte Strafe und die Kosten des Strafverfahrens gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben. Im Übrigen war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2002.

Wien, am 27. Februar 2002

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