VwGH 2001/01/0592

VwGH2001/01/059214.5.2002

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kremla und die Hofräte Dr. Nowakowski und Dr. Köller als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Schimetits, über die Beschwerden 1) des E X in A, geboren am 18. April 1974, vertreten durch Dr. Christian Falkner, Rechtsanwalt in 2500 Baden, Biondekgasse 4, 2) der N X, geboren am 13. November 1976, 3) der E X, geboren am 27. Jänner 1997, sowie

4) des E X, geboren am 12. August 1999, alle in M E, Drittbeschwerdeführerin und Viertbeschwerdeführer vertreten durch die Zweitbeschwerdeführerin als gesetzliche Vertreterin, diese vertreten durch Dr. Gottfried Forsthuber, Rechtsanwalt in 2500 Baden, Kaiser-Franz-Josef-Ring 5, gegen die Bescheide des unabhängigen Bundesasylsenates vom 10. Oktober 2001, Zl. 223.504/0- V/14/01 (Erstbeschwerdeführer), sowie Zl. 223.299/0-V/14/01 (zweitbis viertbeschwerdeführende Parteien), betreffend Zurückweisung von Berufungen in Asylangelegenheiten (weitere Partei: Bundesminister für Inneres), zu Recht erkannt:

Normen

AsylG 1997 §29 Abs1;
AVG §61 Abs3;
AsylG 1997 §29 Abs1;
AVG §61 Abs3;

 

Spruch:

Die angefochtenen Bescheide werden wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat einerseits dem Erstbeschwerdeführer und andererseits den zweit- bis viertbeschwerdeführenden Parteien Aufwendungen in der Höhe von je EUR 908,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Erstbeschwerdeführer ist der Ehegatte der Zweitbeschwerdeführerin und der Vater der dritt- und viertbeschwerdeführenden Parteien. Mit Bescheiden des Bundesasylamtes vom 12. Juni 2001 wurden der Asylantrag des Erstbeschwerdeführers, eines jugoslawischen Staatsangehörigen, gemäß § 7 AsylG abgewiesen und seine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in die Bundesrepublik Jugoslawien, Provinz Kosovo, für zulässig erklärt und die Asylerstreckungsanträge der zweit- bis viertbeschwerdeführenden Parteien gemäß § 10 iVm § 11 AsylG abgewiesen. Diese Bescheide wurde nach zwei Zustellversuchen an der Anschrift "Pension E, A" am 29. Juni 2001 beim Postamt A hinterlegt; die Abholfrist begann am selben Tag.

Gegen diese Bescheide erhoben die Beschwerdeführer Berufungen. Jene des Erstbeschwerdeführers, in welcher er unter anderem darauf hinwies, dass er den erstinstanzlichen Bescheid am 5. Juli 2001 behoben hätte, langte am 17. Juli 2001 beim Bundesasylamt ein. Die zweit- bis viertbeschwerdeführenden Parteien gaben ihre Berufung, die am 20. Juli 2001 beim Bundesasylamt einlangte, am 18. Juli 2001 zur Post.

In den den beschwerdeführenden Parteien wegen der von der belangten Behörde angenommenen Verspätung der Berufungen ermöglichten Stellungnahmen führten die beschwerdeführenden Parteien gleichlautend aus, dass nach der den erstinstanzlichen Bescheiden beigegebenen Rechtsmittelbelehrungen in albanischer Sprache der Berufungswerber "innerhalb von zwei Wochen Berufung erheben kann, nachdem der BW (Berufungswerber( den Bescheid (tatsächlich) bekommen hat". Gemäß § 61 Abs. 3 AVG - so die beschwerdeführenden Parteien weiter in den Stellungnahmen - gelte ein innerhalb der in der Rechtsmittelbelehrung angegebenen Frist eingebrachtes Rechtsmittel als rechtzeitig, auch wenn in der Rechtsmittelbelehrung eines Bescheides eine längere als die gesetzliche Frist angegeben worden sei. Die beschwerdeführenden Parteien hätten den Bescheid am 5. Juli 2001 tatsächlich bekommen und hätten auf Grund der Rechtsmittelbelehrung in albanischer Sprache davon ausgehen können, dass die Rechtsmittelfrist am 19. Juli 2001 geendet habe und somit die Berufungen vom 17. bzw. 18. Juli 2001 nicht verspätet eingebracht worden seien. Den Berufungen legten die beschwerdeführenden Parteien Abschriften der Rechtsmittelbelehrungen der erstinstanzlichen Bescheide in albanischer Sprache bei.

In beiden Berufungsverfahren hielt das zur Entscheidung berufene Mitglied der belangten Behörde in Aktenvermerken vom 28. August 2001 fest:

"Übersetzung der RMB durch Herr Mag. Gjergj MISHA:

Gegen diesen Bescheid kann man innerhalb von zwei Wochen appellieren nach Erhalt (kann auch übersetzt werden ..."Erhalt durch die Post.") dieses Bescheides vom Bundesasylamt."

Mit den angefochtenen Bescheiden wies die belangte Behörde die Berufungen als verspätet zurück. Ihre Entscheidungen begründete sie nach kurzer Darstellung des Verwaltungsgeschehens und Wiedergabe der Stellungnahmen der beschwerdeführenden Parteien zum Verspätungsvorhalt gleichlautend damit, dass der erstinstanzliche Bescheid jeweils am 29. Juni 2001 zur Abholung bereit gehalten worden sei, weshalb er mit diesem Tag als zugestellt gelte. Die in den Stellungnahmen vorgebrachten Gründe könnten allenfalls im Rahmen einer Wiedereinsetzung in den vorigen Stand von Bedeutung sein; für die Frage der Verspätung der Berufungen hätten sie außer Betracht zu bleiben.

Über die gegen diese Bescheide erhobenen Beschwerden, die wegen ihres sachlichen, persönlichen und rechtlichen Zusammenhanges zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung verbunden wurden, hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:

Gemäß § 29 Abs. 1 erster Satz AsylG haben Bescheide den Spruch, die Rechtsmittelbelehrung und den Hinweis nach § 61a AVG in einer dem Asylwerber verständlichen Sprache zu enthalten.

Gemäß § 61 Abs. 3 AVG gilt dann, wenn in dem Bescheid eine längere als die gesetzliche Frist angegeben ist, das innerhalb der angegebenen Frist eingebrachte Rechtsmittel als rechtzeitig.

Der zuletzt genannten Bestimmung hat der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom 27. September 2001, Zl. 2001/20/0435, einen Fall unterstellt, in dem ebenfalls in einer Asylangelegenheit die dem erstinstanzlichen Bescheid beigefügte Rechtsmittelbelehrung in russischer Sprache unter anderem den Hinweis enthielt "die Einspruchsfrist beginne erst, wenn die Berufungswerberin den gegenständlichen Bescheid in Händen halte". Eine solche in der Übersetzung der Rechtsmittelbelehrung angegebene längere als die gesetzlich normierte Rechtsmittelfrist - so der Verwaltungsgerichtshof in dem genannten Erkenntnis, auf das gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird - habe die in § 61 Abs. 3 AVG normierten Folgen.

Diese Rechtslage verkannte die belangte Behörde, wenn sie die auf den Inhalt der fremdsprachigen Rechtsmittelbelehrungen abzielenden Vorbringen der beschwerdeführenden Parteien als für die Beurteilung der Rechtzeitigkeit der Berufungen unbeachtlich fand und daher auf das Vorbringen der beschwerdeführenden Parteien in ihren Stellungnahmen zum Verspätungsvorhalt nicht eingegangen ist. Trotz wörtlicher Wiedergabe dieser Stellungnahmen in den angefochtenen Bescheiden und in Kenntnis der Aktenvermerke über die (Rück-)Übersetzung eines Teiles der Rechtsmittelbelehrung der erstinstanzlichen Bescheide kann den angefochtenen Bescheiden nicht entnommen werden, von welchem Verständnis der Rechtsmittelbelehrung in albanischer Sprache die belangte Behörde ausging. Legt man die von den beschwerdeführenden Parteien vorgebrachte Übersetzung zu Grunde, wonach die Berufungsfrist beginne, wenn ein Berufungswerber den Bescheid "(tatsächlich) bekommen hat", ist als Beginn der Rechtsmittelfrist der Tag des tatsächlichen Erhaltes, somit der Tag der Abholung des hinterlegten Bescheides, maßgeblich. Nicht ganz eindeutig lässt sich dieses Ergebnis aus der von der belangten Behörde veranlassten Übersetzung ableiten, weil unklar ist, was mit der Wendung "Erhalt durch die Post" gemeint ist, während die dem Text auch beigegebene Bedeutung "nach Erhalt dieses Bescheides" wiederum ohne Zweifel die körperliche Empfangnahme des Bescheides zum Ausdruck bringt.

Die Beantwortung der Frage der Rechtzeitigkeit der von den beschwerdeführenden Parteien am 17. Juli 2001 dem Bundesasylamt gefaxten bzw. am 18. Juli 2001 zur Post gegebenen Berufungen hängt nach dem Gesagten somit davon ab, ob die albanische Übersetzung der Rechtsmittelbelehrungen den von den beschwerdeführenden Parteien genannten Inhalt hatte und, bejahendenfalls, wann den beschwerdeführenden Parteien die am 29. Juni 2001 hinterlegten Bescheide des Bundesasylamtes tatsächlich zugekommen sind. Solche Feststellungen hat die belangte Behörde wegen ihrer unzutreffenden Rechtsauffassung unterlassen. Der darin gelegene sekundäre Verfahrensmangel belastet die angefochtenen Bescheide mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben waren.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2001.

Wien, am 14. Mai 2002

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