Normen
AsylG 1997 §1 Z4;
AsylG 1997 §7;
AsylG 1997 §8;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;
VwRallg;
AsylG 1997 §1 Z4;
AsylG 1997 §7;
AsylG 1997 §8;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;
VwRallg;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 908,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die Beschwerdeführerin lebte als Tochter eines Eritreers bis zu ihrer Flucht im Jahre 1999 in Addis Abeba. Am 14. September 1999 gelangte sie in das Bundesgebiet und beantragte am darauf folgenden Tag die Gewährung von Asyl.
Im Rahmen ihrer Einvernahme vor dem Bundesasylamt am 12. Oktober 1999 gab sie als Grund für ihre Flucht und ihr Ansuchen um Asyl an:
"Mein Vater war ein Eritreer und meine Mutter war eine Äthiopierin. Aus Verzweiflung, dass die äthiopische Regierung das Vermögen meines Vater beschlagnahmt hatte, wurde dieser krank und starb in der Folge. Da mein Vater Eritreer war, sagte man mir ich hätte kein Recht in Äthiopien zu bleiben und müsste Äthiopien verlassen.
Drei Tage nach dem Tode meines Vaters kamen die Bezirksverwalter und registrierten mich als Angehöriger der Eritreer.
Die Bezirksverwalter sagten zu mir, dass ich das Land verlassen müsste. Der Freund meines Vaters organisierte mir einen Schlepper und meine Ausreise. Ich reiste dann einfach aus und ließ alles zurück."
Mit Bescheid vom 28. Februar 2000 wies das Bundesasylamt (die Erstbehörde) den Antrag auf Gewährung von Asyl gemäß § 7 des Asylgesetzes 1997 - AsylG ab und sprach aus, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung der Beschwerdeführerin nach Eritrea gemäß § 8 AsylG zulässig sei. Begründend führte die Erstbehörde zusammengefasst aus, als asylrechtlich relevante Verfolgung gelte nur zielgerichtetes Handeln des Heimatstaates, das sich direkt gegen den Einzelnen wende. Gemäß § 1 "Abs." 4 AsylG sei als Herkunftsstaat der Staat anzusehen, dessen Staatsangehörigkeit Fremde besäßen, oder im Fall der Staatenlosigkeit der Staat ihres früheren gewöhnlichen Aufenthaltes. Es sei festgestellt worden, dass die Beschwerdeführerin Staatsangehörige Eritreas sei und somit Eritrea ihr Herkunftsstaat im Sinn des § 1 "Abs." 4 AsylG sei. Das Vorbringen zur Bedrohungs- bzw. Verfolgungssituation seitens des Staates Äthiopien sei somit nicht ihrem tatsächlichen Heimatland, nämlich Eritrea, zuzurechnen und könne daher dahingestellt bleiben. Ein asylrechtlich relevantes Vorbringen habe die Beschwerdeführerin betreffend Eritrea jedoch nicht erstattet. Allein die allgemeine Lage im Heimatland stelle keinen Grund zur Asylerlangung dar.
In ihrer dagegen erhobenen Berufung wandte sich die Beschwerdeführerin insbesondere gegen die Ansicht der Erstbehörde, sie wäre Staatsangehörige Eritreas. Sie sei äthiopische Staatsbürgerin, ihr Heimatstaat sei Äthiopien. Sie sei dort geboren und habe bis zu ihrer Flucht dort gelebt.
Im Rahmen der mündlichen Verhandlung vor dem unabhängigen Bundesasylsenat (der belangten Behörde) erörterte der Verhandlungsleiter einen Bericht des Institutes für Afrikakunde vom 12. Juli 2000, wonach Personen, die einen eritreischen Elternteil hätten, jedenfalls auch die eritreische Staatsbürgerschaft besäßen. Die Behörden Äthiopiens würden die Beschwerdeführerin wohl als äthiopische Staatsangehörige ansehen, jedoch würden die Behörden Eritreas die Beschwerdeführerin jedenfalls auch als eritreische Staatsangehörige ansehen. Eine Verfolgungsgefahr sei sohin im Hinblick auf die eritreische Staatsangehörigkeit zu prüfen. Die Vertreterin der (damals minderjährigen) Beschwerdeführerin brachte hiezu vor, die angesprochenen Regelungen betreffend die Staatsangehörigkeit der Beschwerdeführerin entsprächen wohl der Richtigkeit, es sei jedoch zu befürchten, dass die eritreischen Behörden die Beschwerdeführerin deshalb nicht akzeptieren würden, weil ihr Vater eventuell das Referendum zur Unabhängigkeit Eritreas nicht unterstützt habe.
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung gemäß § 7 AsylG ab und sprach gemäß § 8 AsylG in Verbindung mit § 57 des Fremdengesetzes 1997 aus, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung der Beschwerdeführerin nach Eritrea zulässig sei. Nach Darstellung des Verfahrensganges traf die belangte Behörde die nachfolgenden Feststellungen:
"Festgestellt wird, dass der Vater der Beschwerdeführerin Eritreer war, sie in Äthiopien aufwuchs und sie Äthiopien nach dem Tod ihres Vaters deshalb verließ, da ihr äthiopische Behörden unter dem Hinweis, dass ihr Vater Eritreer gewesen sei, mitteilten, dass sie das Land verlassen müsse. Weiters wird festgestellt, dass die eritreische Verfassung allen Personen mit mindestens einem eritreisch-stämmigen Elternteil die eritreische Staatsangehörigkeit garantiert. Von den eritreischen Behörden würde die Beschwerdeführerin als Eritreerin angesehen werden. Aus dem Ausland zurückkehrende Eritreer unterliegen dort keinerlei Niederlassungsbeschränkung, das heißt es steht ihnen frei, ob sie sich in den - relativ gut versorgten - Städten oder in - teilweise von Versorgungsengpässen betroffenen - ländlichen Regionen niederlassen wollen. In den ländlichen Gebieten wird die Grundversorgung mit Nahrungsmitteln im Wesentlichen durch Hilfsorganisationen sichergestellt. Mittellose Rückkehrer oder Minderjährige können sich bei ERREC (Eritrean Relief and Refugee Commission) für eine Einbeziehung in Unterstützungsprogramme registrieren lassen. Die Grundversorgung mit Nahrungsmitteln für rückkehrende Asylwerber ist gesichert. Der Aufbau einer wirtschaftlichen Existenz ist für die Beschwerdeführerin, die nur Amharisch und nicht Tigrinya spricht, zwar erschwert, aber nicht unmöglich. Eritreischen Staatsangehörigen, die nach einem mehrjährigen Aufenthalt im Ausland nach Eritrea zurückkehren (müssen), ist die Schaffung einer Existenzgrundlage hier grundsätzlich möglich, zumal internationale sowie nichtstaatliche Organisationen (z.B. World Bank, UNHCR, WFP, IKRK, Ärzte ohne Grenzen) ihre Tätigkeit in Eritrea verstärkt haben und laufend Arbeitskräfte suchen."
Der festgestellte Sachverhalt ergebe sich hinsichtlich des individuellen Vorbringens der Beschwerdeführerin aus ihren niederschriftlichen Einvernahmen vor den Asylbehörden. Die Feststellungen zur allgemeinen Situation in Eritrea sowie die Handhabung der eritreischen Staatsbürgerschaft von Personen mit einem eritreisch-stämmigen Elternteil aus der Sichtweise der Behörden Eritreas ergäben sich aus den in der Verhandlung erörterten Beilagen A (Institut für Afrikakunde vom 12. Juli 2000), B (Auswärtiges Amt der BRD vom 26. Juli 2000) und C (Auswärtiges Amt der BRD vom 1. September 2000).
Hingegen habe nicht festgestellt werden können, dass die Beschwerdeführerin in Eritrea seitens der dortigen Behörden Schwierigkeiten bekommen würde, weil ihr Vater eventuell das Referendum zur Unabhängigkeit Eritreas nicht unterstützt habe, dass sie zum Spielball der Behörden zwischen den Staaten Äthiopien und Eritrea sowie innerhalb des Staates Eritrea selbst werden würde, und dass sie in ein eritreisches Flüchtlingslager verbracht werden würde und dort für immer bleiben müsse. Die diesbezüglich geäußerten Befürchtungen stellten lediglich vage Mutmaßungen dar, für die es keine objektiven Anhaltspunkte gebe. Die Befürchtung, zum Spielball der Behörden zu werden, sei angesichts der festgestellten Garantie der eritreischen Staatsangehörigkeit durch die Verfassung unhaltbar. Gleiches gelte - angesichts der festgestellten Niederlassungsfreiheit für Rückkehrer - für die Befürchtung, in einem Lager bleiben zu müssen.
In rechtlicher Hinsicht gelangte die belangte Behörde zur Schlussfolgerung, die asylrechtlich erforderliche Verfolgungsgefahr müsse dem Heimatstaat bzw. dem Staat des letzten gewöhnlichen Aufenthaltes zurechenbar sein. Auf Grund der "(zumindest auch vorliegenden)" eritreischen Staatsbürgerschaft der Beschwerdeführerin sei zu prüfen, ob sie in Eritrea einer asylrechtlich relevanten Verfolgungsgefahr ausgesetzt wäre. Aus dem festgestellten Sachverhalt ergäben sich jedoch keine Anhaltspunkte dafür, dass sie in Eritrea aus politischen, rassischen, religiösen oder sonstigen in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen einer staatlichen Verfolgung ausgesetzt wäre. Sie sei daher nicht Flüchtling im Sinne dieser Konvention. Betreffend die Feststellung nach § 8 AsylG führte die belangte Behörde aus, der Prüfungsrahmen sei auf den Herkunftsstaat des Fremden beschränkt. Das Vorliegen der Voraussetzungen des § 57 Abs. 2 FrG sei bereits im Zusammenhang mit der Flüchtlingseigenschaft der Beschwerdeführerin geprüft und verneint worden. Die Beschwerdeführerin habe jedoch auch keine Gefahr im Sinn des § 57 Abs. 1 FrG geltend gemacht. Es gebe auch keine Hinweise darauf, dass sie auf Grund individueller Umstände einer unmenschlichen Behandlung ausgesetzt wäre. Auch seien keine Umstände bekannt, dass in Eritrea eine solche extreme Gefährdungslage bestünde, dass gleichsam jeder, der dort Aufenthalt nehme, einer Gefahr im Sinn des Art. 3 EMRK ausgesetzt wäre.
Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:
Die Beschwerdeführerin wendet sich im Ergebnis zu Recht dagegen, dass die belangte Behörde, ausgehend von ihren Feststellungen, die Verhältnisse in Eritrea - als Herkunftsstaat der Beschwerdeführerin - einer asylrechtlichen Beurteilung zu Grunde legte.
Gemäß § 7 AsylG hat die Behörde Asylwerbern auf Antrag mit Bescheid Asyl zu gewähren, wenn glaubhaft ist, dass ihnen im Herkunftsstaat Verfolgung (Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention) droht und keiner der in Art. 1 Abschnitt C oder F der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Endigungs- oder Ausschlussgründe vorliegt.
Ist ein Asylantrag abzuweisen, so hat die Behörde gemäß § 8 AsylG von Amts wegen bescheidmäßig festzustellen, ob die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung der Fremden in den Herkunftsstaat zulässig ist (§ 57 FrG); diese Entscheidung ist mit der Abweisung des Asylantrages zu verbinden.
§ 1 Z 4 AsylG bestimmt als Herkunftsstaat den Staat, dessen Staatangehörigkeit Fremde besitzen, oder - im Falle der Staatenlosigkeit - den Staat ihres früheren gewöhnlichen Aufenthaltes.
Herkunftsstaat im Sinn des § 1 Z 4 AsylG ist somit primär jener Staat, zu dem ein formelles Band der Staatsbürgerschaft besteht; nur wenn ein solcher Staat nicht existiert, wird subsidiär auf sonstige feste Bindungen zu einem Staat in Form eines dauernden (gewöhnlichen) Aufenthaltes zurückgegriffen (vgl. Rohrböck, Das Bundesgesetz über die Gewährung von Asyl, Rz 158).
Ein - wenngleich verfassungsgesetzlich garantierter - Anspruch auf Verleihung der Staatsbürgerschaft ist jedoch der Staatsangehörigkeit im Sinn des § 1 Z 4 AsylG deshalb nicht gleichzuhalten, weil der Besitz der Staatsbürgerschaft diesfalls durch den Erwerb der Staatsangehörigkeit, sohin durch die Setzung eines Rechtsaktes, bedingt ist.
Die belangte Behörde unterzog Eritrea als Herkunftsland der Beschwerdeführerin einer asylrechtlichen Beurteilung nach § 7 und § 8 AsylG wegen "ihrer (zumindest auch vorliegenden) eritreischen Staatsbürgerschaft". Sie leitete dies aus der eingangs wiedergegebenen Feststellung ab, die eritreische Verfassung "garantiere" allen Personen mit mindestens einem eritreischstämmigen Elternteil die eritreische Staatsangehörigkeit, dies wiederum gestützt auf Berichte des Institutes für Afrikakunde vom 12. Juli 2000 sowie des Auswärtigen Amtes der Bundesrepublik Deutschland vom 26. Juli und 1. September 2000.
Abgesehen davon, dass die gegenständliche Feststellung, die eritreische Verfassung "garantiere" allen Personen mit mindestens einem eritreisch-stämmigen Elternteil die eritreische Staatsangehörigkeit, nicht zum Ausdruck bringt, dass ein Fremder allein durch die Geburt nach einem eritreisch-stämmigen Elternteil bereits im Besitz der Staatsangehörigkeit Eritreas sei und das formelle Band der Staatsbürgerschaft somit schon bestehe, ließe sich eine "Garantie der eritreischen Staatsangehörigkeit" im Sinne einer Staatsangehörigkeit kraft Geburt nach einem eritreischen Elternteil auch nicht aus den von der belangten Behörde diesbezüglich herangezogenen Beweismitteln ableiten. So führt etwa der von der belangten Behörde herangezogene Bericht des Institutes für Afrikakunde vom 12. Juli 2000 aus:
"Die eritreische Verfassung garantiert allen Personen mit mindestens einem eritreisch-stämmigen Elternteil die eritreische Staatsangehörigkeit (Art. 3). Von den eritreischen Behörden würde die Klägerin also als Eritreerin betrachtet werden.
... Nach der eritreischen Verfassung besteht das Recht auf
Staatsbürgerschaft auch bei nur einem eritreischen Elternteil. Die Aberkennung der äthiopischen Staatsbürgerschaft durch die äthiopische Regierung ergibt sich aus dem Erwerb der eritreischen.
..."
Die zitierten Aussagen im Bericht des Institutes für Afrikakunde können auch dahingehend verstanden werden, dass die eritreische Verfassung einen Anspruch auf Verleihung der eritreischen Staatsbürgerschaft ("das Recht auf Staatsbürgerschaft") einräumt, was durch den Satz indiziert wird, wonach sich die Aberkennung der äthiopischen Staatsbürgerschaft durch die äthiopische Regierung aus dem "Erwerb" der eritreischen (Staatsbürgerschaft) ergebe. Die anderen von der belangten Behörde verwerteten Beweismittel enthalten sich einer Aussage zu diesem Thema.
Da die belangte Behörde eindeutige, nachvollziehbar begründete Feststellungen über das Recht der Staatsbürgerschaft Eritreas unterließ und ohne solche Feststellungen Eritrea als Herkunftsstaat der Beschwerdeführerin in Betracht zog, belastete sie ihren Bescheid mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften, weshalb dieser gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG aufzuheben war.
Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2001.
Wien, am 22. Oktober 2002
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