Normen
FrG 1997 §36 Abs1;
FrG 1997 §36 Abs2 Z1;
FrG 1997 §37 Abs2;
VwGG §42 Abs2 Z1;
FrG 1997 §36 Abs1;
FrG 1997 §36 Abs2 Z1;
FrG 1997 §37 Abs2;
VwGG §42 Abs2 Z1;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.089,68 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem zitierten, im Instanzenzug ergangenen Bescheid erließ die belangte Behörde gegen den Beschwerdeführer, einen jugoslawischen Staatsangehörigen, gemäß § 36 Abs. 1 und Abs. 2 Z. 1 des Fremdengesetzes 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, ein auf zehn Jahre befristetes Aufenthaltsverbot.
Zur Begründung dieser Maßnahme führte sie nach Wiedergabe der anzuwendenden Gesetzesbestimmungen im Wesentlichen aus: Der Beschwerdeführer sei im August 1991 nach Österreich eingereist und habe seit 18. Februar 1992 Sichtvermerke, Aufenthaltsbewilligungen und zuletzt eine Niederlassungsbewilligung erhalten. Weiters verfüge er über einen bis 7. Juli 2003 gültigen Befreiungsschein.
Mit Urteil des Landesgerichtes Wiener Neustadt vom 7. April 1999 sei er unter Anwendung des § 28 Abs. 1 StGB und § 5 Z. 4 Jugendgerichtsgesetz nach § 129 StGB zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe in der Dauer von drei Monaten rechtskräftig verurteilt worden. Dem Urteil sei im Wesentlichen zu Grunde gelegen, dass der Beschwerdeführer - teilweise im Zusammenwirken mit Anderen - Mitte November und Ende November 1998 durch Aufbrechen eines Behältnisses bzw. Öffnen eines Behältnisses mit einem widerrechtlich erlangten Schlüssel Bargeld von S 500,-- und S 90,-- gestohlen habe. Weiters habe er am 10., 11., 16., 23. und 30. Oktober 1998 sowie am 6. und 8. November 1998 Kennzeichentafeln weggenommen und verwendet. In der Zeit zwischen Juni und November 1998 habe er sich in zahlreichen Angriffen Freispiele an Tischfußballautomaten verschafft, ohne das Entgelt dafür zu entrichten. Am 8. Februar 1998 habe er ein Fahrzeug ohne Einwilligung der Berechtigten in Gebrauch genommen. Dadurch habe er das Verbrechen des Diebstahls durch Einbruch nach den §§ 127, 129 Z. 2 StGB, das Vergehen der Urkundenunterdrückung nach § 229 Abs. 1 StGB, das Vergehen der Erschleichung einer Leistung nach § 149 Abs. 2 StGB und das Vergehen des unbefugten Gebrauchs von Fahrzeugen nach § 136 Abs. 1 StGB begangen.
Am 9. August 1999 sei er mit Urteil des Landesgerichtes Wiener Neustadt wegen des Vergehens des unbefugten Gebrauchs von Fahrzeugen nach § 136 Abs. 1 und Abs. 2 StGB zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe in der Dauer von sechs Monaten verurteilt worden. Demnach habe er am 19. April 1999 ein Fahrzeug ohne Einwilligung des Berechtigten in Gebrauch genommen, indem er sich die Gewalt über das Fahrzeug durch Eindringen mit einem widerrechtlich erlangten Schlüssel verschafft habe. Weiters sei vom Widerruf der bedingten Strafnachsicht betreffend das erstgenannte Urteil abgesehen und die Probezeit auf fünf Jahre verlängert worden.
Wegen Übertretung nach § 1 Abs. 3 und § 37 Abs. 1 und Abs. 3 Z. 1 Führerscheingesetz sei der Beschwerdeführer rechtskräftig zu einer Geldstrafe von S 5.000,-- bestraft worden.
Der Beschwerdeführer sei in keiner Weise bereit, Rechtsnormen, die das Rechtsgut Vermögen schützten, zur Kenntnis zu nehmen. Die Vielzahl der von ihm schon im jugendlichen Alter begangenen strafbaren Handlungen zeigten, dass er keinerlei Hemmschwelle habe, Straftaten gegen das Rechtsgut Vermögen zu begehen. Auf Grund der Vielzahl der strafbaren Handlungen und der "erschreckenden Regelmäßigkeit der Begehungen" habe der Beschwerdeführer seine kriminelle Energie eindrucksvoll unter Beweis gestellt. Er habe eindeutig gezeigt, dass er eine Gefährdung für die "vermögensrechtliche Integrität anderer Personen" darstelle. Er gelte als Wiederholungstäter und es sei von einer äußerst sozialschädlichen Neigung des Beschwerdeführers auszugehen. Die schweren kriminellen Handlungen könnten durch den Umstand der Minderjährigkeit in keiner Weise entschuldigt werden. Im Rahmen der gemäß § 36 Abs. 1 FrG zu erfolgenden Gefährdungsprognose sei es notwendig, zukünftiges schwerwiegendes Unrechtsverhalten zu verhindern. Die Annahme der Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit nach § 36 Abs. 1 FrG sei gerechtfertigt.
Da sich der Beschwerdeführer während seines Aufenthalts in keiner Weise integrationswillig und integrationsfähig gezeigt habe, könne die Behörde von ihrem Ermessen nicht zu Gunsten des Beschwerdeführers Gebrauch machen.
Es sei zwar die Familie des Beschwerdeführers in Österreich wohnhaft, dieser habe aber mittlerweile ein Alter erreicht, in dem er durch eigenen Erwerb seinen Lebensunterhalt bestreiten könnte. Die öffentlichen Interessen an der Verhinderung von weiteren strafbaren Handlungen seien im Vergleich mit den privaten und familiären Interessen des Beschwerdeführers am Verbleib in Österreich schwerer zu gewichten. Der Beschwerdeführer habe bereits mit 16 Jahren Straftaten in einer Häufigkeit und in einem Umfang begangen, wie man es nur von einem "Berufskriminellen" erwarten müsse. Sein Verhalten lasse eindeutig den Schluss zu, dass ihm die kriminellen Aktivitäten wesentlich wichtiger gewesen seien als die Möglichkeit eines Zusammenlebens mit seinen Eltern in Österreich. Er habe nämlich damit rechnen müssen, dass seine Straftaten auch fremdenrechtliche Konsequenzen haben würden. Am gravierendsten sei die Tatsache, dass der Beschwerdeführer nur kurze Zeit nach der ersten Verurteilung wieder straffällig geworden sei. Wegen der massiven Gewichtung seines Unrechtsverhaltens und der damit skizzierten Gefahr für die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit sei das Aufenthaltsverbot dringend geboten und nach § 37 FrG zulässig.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde nach Vorlage der Verwaltungsakten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen:
Die Beschwerde bestreitet nicht die im angefochtenen Bescheid enthaltenen Feststellungen der belangten Behörde und wendet sich auch nicht gegen deren Ansicht, dass durch die festgestellten Verurteilungen der Tatbestand des § 36 Abs. 2 Z. 1 (vierter Fall) FrG erfüllt sei. Die Beschwerde bekämpft auch nicht die - zutreffende - Ansicht der belangten Behörde, dass durch das Fehlverhalten des Beschwerdeführers die in § 36 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme gerechtfertigt sei.
Die Beschwerde macht geltend, dass dem Aufenthaltsverbot der Tatbestand des § 38 Abs. 1 Z. 4 FrG entgegenstünde. Diesem zufolge darf ein Aufenthaltsverbot nicht erlassen werden, wenn der Fremde von klein auf im Inland aufgewachsen und hier langjährig rechtmäßig niedergelassen ist. Die Wendung "von klein auf" ist so zu deuten, dass sie für eine Person, die erst im Alter von vier Jahren oder später nach Österreich eingereist ist, nicht zum Tragen kommen kann, weil es maßgeblich auf die grundsätzlich etwa nach Vollendung des dritten Lebensjahres beginnende soziale Integration ankomme (vgl. für viele das hg. Erkenntnis vom 27. Februar 2001, Zl. 2000/21/0181). Vorliegend erfüllt somit der erst im Alter von ca. acht Jahren eingereiste Beschwerdeführer nicht die erstgenannte Voraussetzung der zitierten Bestimmung, die somit dem Aufenthaltsverbot nicht entgegensteht.
Letztlich wendet sich die Beschwerde gegen das Ergebnis der von der belangten Behörde nach § 37 FrG vorgenommenen Beurteilung und verweist darauf, dass sich der noch minderjährige Beschwerdeführer seit August 1991 mit seinen Eltern in Österreich aufhalte, bei Begehung der Straftaten erst gerade 15 Jahre alt gewesen sei und sich seit seiner letzten Verurteilung wohlverhalten habe. Diese Umstände des langen inländischen Aufenthalts bei seiner Familie und der Minderjährigkeit des Beschwerdeführers hat die belangte Behörde berücksichtigt und ist zutreffend zur Ansicht gelangt, dass mit dem Aufenthaltsverbot ein relevanter Eingriff in sein Privat- und Familienleben verbunden sei. Ebenso zutreffend hat sie auch auf das große öffentliche Interesse an der Unterbindung strafbarer Handlungen gegen fremdes Vermögen und darauf verwiesen, dass der Beschwerdeführer in wiederholter Weise gegen dieses Interesse gehandelt habe. Bei der Gewichtung des öffentlichen Interesses ist wohl zu berücksichtigen, dass der Beschwerdeführer im Zeitraum Februar bis November 1998 in mehrfacher Weise (Einbruchsdiebstähle, Urkundenunterdrückung, Erschleichung einer Leistung und unbefugter Gebrauch von Fahrzeugen) Straftaten gegen fremdes Vermögen gesetzt hat. Mit der belangten Behörde ist ferner darauf zu verweisen, dass er wenige Tage nach seiner ersten gerichtlichen Verurteilung am 7. April 1999, nämlich am 19. April 1999 wieder gegen fremdes Vermögen straffällig geworden ist. Angesichts der Minderjährigkeit des Beschwerdeführers im maßgeblichen Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides und des Familienverbandes mit seinen Eltern müssen jedoch seine persönlichen Interessen an einem Verbleib in Österreich höher gewichtet werden als das besagte öffentliche Interesse an der Erlassung des Aufenthaltsverbotes, zumal die Straftaten des Beschwerdeführers nicht dem Bereich der Schwerkriminalität zugeordnet werden können. Indem die belangte Behörde zu einer gegenteiligen Beurteilung nach § 37 Abs. 2 FrG gelangt ist und dabei den Beschwerdeführer sogar als "Berufskriminellen" eingestuft hat, hat sie den angefochtenen Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet.
Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2001.
Wien, am 30. Jänner 2003
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