VwGH 2000/15/0118

VwGH2000/15/011818.3.2004

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Sulyok, Dr. Fuchs, Dr. Zorn und Dr. Mairinger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Reinisch, über die Beschwerde der G Handels-GmbH in Z, vertreten durch Mag. Dr. Franz Deutsch, Wirtschaftsprüfer in 1080 Wien, Pfeilgasse 16/23, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 25. Mai 2000, Zl. RV/34-16/13/2000, betreffend Haftung für Abgabenschuldigkeiten für den Zeitraum 1. Jänner 1994 bis 31. Dezember 1997, zu Recht erkannt:

Normen

BAO §28;
BAO §29;
DBAbk Schweiz 1975 Art14 Z1;
DBAbk Schweiz 1975 Art14;
DBAbk Schweiz 1975 Art5 Z1;
DBAbk Schweiz 1975 Art5;
DBAbk Schweiz 1975 Art7 Z1;
DBAbk Schweiz 1975 Art7;
EStG 1988 §98 Z3;
BAO §28;
BAO §29;
DBAbk Schweiz 1975 Art14 Z1;
DBAbk Schweiz 1975 Art14;
DBAbk Schweiz 1975 Art5 Z1;
DBAbk Schweiz 1975 Art5;
DBAbk Schweiz 1975 Art7 Z1;
DBAbk Schweiz 1975 Art7;
EStG 1988 §98 Z3;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von 381,90 EUR binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Im Bericht über eine am 21. Dezember 1998 bei der Beschwerdeführerin (eine inländische GmbH mit dem Sitz in Z.) abgeschlossene abgabenbehördliche Prüfung ("Lohnsteuerprüfung" über den Zeitraum 1. Jänner 1994 bis 31. Dezember 1997) vertrat der Prüfer die Ansicht, es sei für den Streitzeitraum eine Nachversteuerung der Bezüge von R. gemäß § 99 EStG 1988 (mit dem Satz von 20 %) vorzunehmen (Abgabenbetrag insgesamt 60.762 S). In der Begründung zu dem auf Grund des Prüfungsberichtes ergangenen Haftungs- und Abgabenbescheid vom 21. Dezember 1998 wird ausgeführt, nach Art. 14 des Doppelbesteuerungsabkommens zwischen der Republik Österreich und der Schweiz (im Folgenden: DBA-Schweiz) habe jener Staat das Besteuerungsrecht für Einkünfte aus einer sonstigen selbständigen Tätigkeit, in welchem die Tätigkeit ausgeübt werde, sofern die Person für die Ausübung ihrer Tätigkeit regelmäßig über eine feste Einrichtung verfüge. Der Schweizerische Staatsangehörige R. sei im Prüfungszeitraum Berater der Beschwerdeführerin gewesen. Für die Ausübung dieser Tätigkeit seien ihm Räumlichkeiten der Beschwerdeführerin zur Verfügung gestanden. Von dort aus habe er seine Termine koordiniert, Besprechungen mit den Arbeitnehmern der Beschwerdeführerin durchgeführt, bei der Be- und Verarbeitung der Produkte mitgewirkt und seine Dienstreisen angetreten. Die darüber vom Finanzamt angefertigte Niederschrift sei der Beschwerdeführerin zur Kenntnis gebracht worden. Die Steuer sei gemäß § 99 Abs. 1 Z 5 EStG 1988 iVm § 100 Abs. 1 leg. cit. in Höhe von 20 % der Honorare vorzuschreiben gewesen.

In der im Bescheid des Finanzamtes angesprochenen Niederschrift vom 19. Oktober 1998 hatte der Betriebsführer der Beschwerdeführerin angegeben, R. seien zur Ausübung seiner Tätigkeit die Betriebsräumlichkeiten der Beschwerdeführerin (Telefon, Büro etc.) zur Verfügung gestanden. Die Dienstreisen habe er vom Büro oder fallweise von seinem Quartier (Gasthaus) aus angetreten. R. habe den Betrieb aufgebaut und auch geleitet. Er sei zur Ausübung seiner Tätigkeit (vor allem Managementaufgaben) nicht nur fallweise im Büro gewesen, sondern auch "Tage".

In der Berufungsschrift vom 29. Jänner 1999 wurde die Aufhebung des Haftungs- und Abgabenbescheides vom 21. Dezember 1988 beantragt (es solle auch nach § 284 BAO eine mündliche Berufungsverhandlung durchgeführt werden). Zum Sachverhalt wurde ausgeführt, die Beschwerdeführerin erzeuge in Österreich im großen Ausmaß "Blütenpollen". Diese Blütenpollen würden an ein ausländisches (schwedisches) pharmazeutisches Unternehmen als Rohmaterial geliefert. Die "industrielle" Produktion von Blütenpollen erfordere ein großes Fachwissen etwa hinsichtlich des richtigen Zeitpunktes der Ernte, der technischen Möglichkeiten betreffend Trocknung der Ähren oder Qualität der gewonnenen Pollen sowie der Vorgangsweise bei der industriellen Verpackung der Blütenpollen und der Lagerung im Kühlhaus. Geschäftsführer bzw. Betriebsleiter sei ein österreichischer Angestellter. Das Unternehmen werde in einer gemieteten Scheune betrieben, in der die Produktionsanlagen (Trocknungskästen, Kran, Siebanlage, Kühlhaus) stünden. Vor der Scheune stehe ein Container (fix montiert), der während der Kampagne als Büro diene. Im "Bürocontainer" befinde sich ein Telefon und ein Schreibtisch (seit 1998 auch ein Fax). Die Kampagne dauere von Mai bis August eines Jahres. In dieser Zeit würden bis zu zehn Arbeitnehmer beschäftigt. Danach würden ein bis zwei Monate zwei Arbeiter für Wartungsarbeiten beschäftigt; in der restlichen Zeit stehe der Betrieb still. In den Jahren 1994 bis 1997 (nicht mehr 1998) sei ein Schweizer Agraringenieur (Wohnsitz und unbeschränkt steuerpflichtig in der Schweiz) als Berater bzw. Konsulent beschäftigt gewesen. R. habe während der begrenzten Inlandsaufenthalte (jeweils weniger als sechs Monate im Jahr) in einem Gasthof genächtigt, über kein eigenes Büro verfügt, seine Arbeit teils auf den Feldern, teils in der als Bearbeitungsbetrieb eingerichteten Scheune, teils in dem der Beschwerdeführerin als Büro dienenden Container ausgeübt. Rechtlich sei der Sachverhalt dahingehend zu beurteilen, dass es sich um grundsätzlich der beschränkten Steuerpflicht nach § 98 Z 3 EStG 1988 unterliegende Einkünfte aus technischer Beratung im Inland gehandelt habe. Zwischenstaatlich sei aber nach Art. 7 DBA-Schweiz dieses Besteuerungsrecht nicht auszuüben, weil das Tatbestandsmerkmal einer festen Einrichtung in Österreich nicht gegeben gewesen sei. Bloße Mitbenützungsmöglichkeiten eines vorhandenen Büros reichten für eine Betriebsstätte nicht aus. Auch die Scheune mit den Produktionsanlagen habe keine feste Geschäftseinrichtung des Schweizer Konsulenten dargestellt.

Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung keine Folge. Nach den niederschriftlichen Angaben des Betriebsleiters vom 19. Oktober 1998 seien R. jedenfalls der Bürocontainer sowie die Betriebsräumlichkeiten der Beschwerdeführerin für Besprechungen und Terminvereinbarungen zur Verfügung gestanden. Als Betriebsstätte sei nicht nur eine feste örtliche Einrichtung anzusehen, in der der Steuerpflichtige regelmäßig seine Tätigkeit ausübe, sondern auch eine solche, von der aus er die Tätigkeit ausübe. Auch eine Wohnung als Kontaktadresse für eine gewerbliche Tätigkeit reiche beispielsweise für die Annahme einer Betriebsstätte aus. Im Beschwerdefall sei unbestritten, dass R. der Bürocontainer (ebenso wie das darin befindliche Telefon) zur Mitbenützung zur Verfügung gestanden sei. Im Berufungsverfahren sei im Übrigen der Nachweis einer ausländischen Besteuerung nicht erbracht worden, sodass auch nicht von einer Doppelbesteuerung ausgegangen werden könne. Im Rahmen der freien Beweiswürdigung könne der Abgabenbehörde erster Instanz nicht entgegengetreten werden, wenn sie die Voraussetzungen für die Einbehaltung der Abzugssteuer nach § 99 EStG 1988 als gegeben erachtet habe.

In der Beschwerde sieht die Beschwerdeführerin die Rechtsverletzung darin, "dass mit Rücksicht auf das zwischen der Republik Österreich und der Schweiz zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen abgeschlossene Abkommen keine Verpflichtung der Beschwerdeführerin zum Steuerabzug gemäß § 99 Einkommensteuergesetz 1998 in Verbindung mit § 100 Einkommensteuergesetz 1998 besteht".

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Nach § 98 Z 3 EStG 1988 zählen zu den der beschränkten Einkommensteuerpflicht (§ 1 Abs. 3) unterliegenden Einkünften aus Gewerbebetrieb u.a. die Einkünfte aus kaufmännischer oder technischer Beratung im Inland. Diese sind auch dann steuerpflichtig, wenn keine inländische Betriebsstätte unterhalten wird.

Bei Einkünften aus im Inland ausgeübter kaufmännischer oder technischer Beratung wird die Einkommensteuer nach § 99 Abs. 1 Z 5 EStG 1988 durch Steuerabzug mit einem Satz von 20 % (§ 100 Abs. 1 EStG 1988) erhoben.

In der Beschwerde wird vorgebracht, die Honorarzahlungen an den Schweizer Agraringenieur stellten Einkünfte aus Gewerbebetrieb dar und unterlägen gemäß § 98 Z 3 EStG 1988 der beschränkten Einkommensteuerpflicht in Österreich. Es handle sich um Einkünfte aus technischer Beratung im Inland. Die technische Beratung im Inland sei grundsätzlich auch ohne Vorliegen einer inländischen Betriebsstätte in Österreich steuerpflichtig. Diese im nationalen Steuerrecht festgelegte Steuerpflicht müsse allerdings gemäß Art. 7 bzw. 14 DBA-Schweiz "aufgegeben werden".

Nach Art. 7 Z 1 DBA-Schweiz, BGBl. Nr. 64/1975, dürfen Gewinne eines Unternehmens eines Vertragstaates nur in diesem Staat besteuert werden, es sei denn, dass das Unternehmen seine Tätigkeit im anderen Vertragstaat durch eine dort gelegene Betriebsstätte ausübt. "Betriebsstätte" im Sinne des Abkommens bedeutet nach Art. 5 Z 1 DBA-Schweiz eine feste Geschäftseinrichtung, in der die Tätigkeit des Unternehmens ganz oder teilweise ausgeübt wird.

Gemäß Art. 14 Z 1 DBA-Schweiz dürfen Einkünfte, die eine in einem Vertragstaat ansässige Person aus einem freien Beruf oder aus sonstiger selbständiger Tätigkeit ähnlicher Art bezieht, nur in diesem Staat besteuert werden, es sei denn, dass die Person für die Ausübung ihrer Tätigkeit in dem anderen Vertragstaat regelmäßig über eine feste Einrichtung verfügt. Der Ausdruck "freier Beruf" umfasst nach Art. 14 Z 2 DBA-Schweiz u.a. die selbständige Tätigkeit der Ärzte, Rechtsanwälte, Ingenieure, Architekten, Zahnärzte, Wirtschaftstreuhänder, Bücherrevisoren und Steuerberater.

Da für das Vorliegen einer Betriebsstätte im Sinne des Art. 7 Z 1 i.V.m. Art. 5 Z 1 DBA-Schweiz und einer festen Einrichtung nach Art. 14 Z 1 DBA-Schweiz idente Voraussetzungen gelten (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes 21. Mai 1997, 96/14/0084, m.w.N.), kann es aus der Sicht der im Beschwerdefall strittigen zwischenstaatlichen Zuteilung des Besteuerungsrechtes an den im Inland erzielten Einkünften des R. dahingestellt bleiben, ob diese Prüfung auf der Grundlage des Art. 7 Z 1 DBA-Schweiz oder Art. 14 Z 1 DBA-Schweiz (an Hand dieser Bestimmung prüfte offenbar die belangte Behörde, weil sie von einer Tätigkeit des R. als "Ingenieur" nach Art. 14 Z 2 DBA-Schweiz ausging) erfolgt.

Der Begriff der festen (Geschäfts)Einrichtung ist betriebsbezogen zu sehen und erfordert, dass darin die Tätigkeit ganz oder teilweise ausgeübt wird (vgl. die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 25. November 1992, 91/13/0144, Slg. Nr. 6734/F, und vom 21. Mai 1997, 96/14/0084). Die Anforderungen an den Umfang der betrieblichen Handlungen, die zur Begründung einer Betriebsstätte erforderlich sind, sind auch umso geringer, je mehr sich die eigentliche Tätigkeit außerhalb einer festen örtlichen Anlage vollzieht (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 1. Oktober 1991, 90/14/0257). Den Beschwerdeausführungen, einer Betriebsstättenannahme im "Bürocontainer" stehe entgegen, dass in diesem nicht "der Kern" der Tätigkeit des R. vollzogen worden sei, kann damit nicht gefolgt werden.

In der Beschwerde wird im Wesentlichen vorgebracht, von der "Lohnsteuerprüfung" sei in der Begründung zum Haftungsbescheid angeführt worden, dass R. "von dem" ihm von der Beschwerdeführerin zur Verfügung gestellten Räumlichkeiten ("gemeint ist offenbar der Bürocontainer") seine Termine koordiniert, Besprechungen mit den Arbeitnehmern abgehalten und von dort seine Dienstreisen angetreten habe. Durch diese Formulierung werde der Eindruck erweckt, dass R. für seine Beratungstätigkeit in Österreich eine fixe "Freiberuflerbetriebsstätte" errichtet gehabt habe. Dies stimme jedoch mit der Wirklichkeit nicht überein.

Zu diesem Vorbringen ist zu sagen, dass in der Beschwerde nicht aufgezeigt wird, warum der von der Beschwerdeführerin eingeräumte Eindruck des Bestehens einer Betriebstätte für R. in Österreich unzutreffend gewesen sein sollte. Dass es sich nur um begrenzte Inlandsaufenthalte (jeweils weniger als sechs Monate im Jahr) gehandelt habe, ist im Hinblick auf die ohnedies nur weitgehend auf die jährliche Erntekampagne von Mai bis August beschränkte Tätigkeit der Beschwerdeführerin nicht wesentlich. Da es zur Annahme einer Verfügungsmacht nicht erforderlich ist, dass Anlagen, Einrichtungen usw. im Eigentum des Unternehmers stehen oder von diesem gemietet wurden, sondern es vielmehr genügt, dass sie für die Zwecke seines Unternehmens ständig zur Verfügung stehen (vgl. nochmals das bereits zitierte Erkenntnis Slg. Nr. 6734), und auch in der Beschwerde ausgeführt wird, R. - dem unbestritten eine maßgebende Stellung in der Führung der betrieblichen Tätigkeit der Beschwerdeführerin zukam - habe seine Tätigkeit u.a. teils in der als Bearbeitungsbetrieb eingerichteten Scheune, teils in dem der Beschwerdeführerin als Büro dienenden Container ausgeübt, kann die Annahme des Bestehens einer festen (Geschäfts)Einrichtung für R. im Sinne des DBA-Schweiz nicht als unschlüssig erkannt werden.

Ob der Nachweis einer ausländischen Besteuerung erbracht werden konnte, war - worauf die Beschwerde zutreffend hinweist - für die gegenständliche Beurteilung nicht maßgebend. Mit der Rüge einer trotz Antragstellung nach § 284 BAO unterbliebenen Berufungsverhandlung zeigt die Beschwerdeführerin keinen Verfahrensmangel auf, weil mündliche Verhandlungen im Sinne des § 284 BAO nur im Verfahren vor dem Berufungssenat (§ 270 BAO idF vor der Änderung durch das AbgRmRefG) vorgesehen waren und die Entscheidung über die gegenständliche Berufung nach § 260 Abs. 2 BAO nicht einem Berufungssenat oblag.

Die Beschwerde war somit gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG i. V.m. der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am 18. März 2004

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