VwGH 2000/15/0014

VwGH2000/15/00147.10.2003

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Karger und die Hofräte Dr. Sulyok, Dr. Fuchs, Dr. Zorn und Dr. Mairinger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Reinisch, über die Beschwerde des R in R, vertreten durch Dr. Wolfgang Blum, Dr. Michael Brandauer und Mag. Johannes Blum, Rechtsanwälte in 6800 Feldkirch, Liechtensteinerstraße 76, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Vorarlberg (Berufungssenat) vom 23. November 1999, GZ. RV 912/1-V6/99, betreffend Einkommensteuer 1998, zu Recht erkannt:

Normen

EStG 1988 §16 Abs1 Z9;
EStG 1988 §67 Abs11;
EStG 1988 §67 Abs12;
EStG 1988 §67;
EStG 1988 §16 Abs1 Z9;
EStG 1988 §67 Abs11;
EStG 1988 §67 Abs12;
EStG 1988 §67;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von 1.172,88 EUR binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer ist in Vorarlberg wohnhaft und bezieht Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit als technischer Angestellter seines im Fürstentum Liechtenstein ansässigen Arbeitgebers. Der Beschwerdeführer wird mit seinen Einkünften als Grenzgänger zur Einkommensteuer im Inland veranlagt. Im Verwaltungsverfahren war strittig, ob bei der Ermittlung der Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit eine Aufteilung der Sozialversicherungsbeiträge aliquot auf laufende und sonstige Bezüge zu erfolgen hat und ob dem Beschwerdeführer weiters für seine im Auftrag des Dienstgebers getätigten Reisen so genannte Differenzreisekosten von 23.639 S (für Reisen im Wesentlichen in das europäische und außereuropäische Ausland) als Werbungskosten anerkannt werden.

Zur Aufteilung der Sozialversicherungsbeiträge auf laufende und sonstige Bezüge führte die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid aus, Beiträge im Sinne des § 16 Abs. 1 Z 4 EStG 1988 seien gemäß § 62 Z 4 EStG 1988 vom Arbeitslohn abzuziehen. Ab 1. Jänner 1997 sei die Bestimmung des § 67 Abs. 12 EStG 1988 i. d.F. des Strukturanpassungsgesetzes (StruktAnpG) 1996, BGBl. 201/1996, anzuwenden, wonach Beiträge im Sinne des § 62 Z 3 bis 5 EStG 1988, soweit sie auf sonstige Bezüge entfielen, vor Anwendung des festen Steuersatzes von diesen Bezügen in Abzug zu bringen seien. Die belangte Behörde sei der Auffassung, dass eine derartige, systematisch richtige und verursachungsgerechte Aufteilung der strittigen Beiträge in solche auf laufende und sonstige Bezüge - analog der Vorgangsweise bei der laufenden Lohnverrechnung durch den Arbeitgeber - auch bei der nachträglichen (Arbeitnehmer-)Veranlagung zu erfolgen habe. § 67 Abs. 12 EStG 1988 stelle keine nur ausdrücklich das Lohnsteuerverfahren betreffende Bestimmung dar und indiziere damit keine unterschiedliche materiellrechtliche Behandlung von Veranlagten (Grenzgängern) und Lohnsteuerpflichtigen. In § 124 b Z 13 EStG 1988 (ebenfalls eingefügt durch das StruktAnpG 1996) werde ausdrücklich normiert, dass u.a. § 67 Abs. 12 EStG 1988, wenn die Einkommensteuer (Lohnsteuer) durch Abzug eingehoben oder durch Veranlagung festgesetzt werde, ab 1997 anzuwenden sei. Mit dem Vorbringen, § 67 Abs. 12 EStG 1988 fände für Grenzgänger keine Anwendung, weil diese Bestimmung in § 67 Abs. 11 EStG 1988 nicht genannt werde, sei somit für den Beschwerdeführer nichts zu gewinnen. Weiters sei in diesem Zusammenhang auch die ausdrückliche Bezugnahme auf den Abzug der in Abs. 12 genannten Beiträge in § 67 Abs. 2 EStG 1988 zu beachten.

Im Hinblick auf die strittigen Reisekosten bzw. Verpflegungsmehraufwendungen habe der Beschwerdeführer eine Bestätigung der Arbeitgeberin über die durchgeführten Dienstreisen vorgelegt. Hinsichtlich der pauschalen Regelung zum Abzug der Reisekosten nach § 16 Abs. 1 Z 9 EStG 1988 gelte die typisierende Betrachtungsweise. Der Gesetzgeber vermute, dass mit der Reise ein Mehraufwand gegenüber den normalen Verpflegungskosten verbunden sei. Die Regelung des § 16 Abs. 1 Z 9 EStG 1988 diene der Vereinfachung für den Steuerpflichtigen und für die Abgabenbehörde, indem sie den Steuerpflichtigen vom Nachweis und die Abgabenbehörde von der Überprüfung der Verpflegungsmehraufwendungen entbinde, von denen der Gesetzgeber selbst vermute, dass sie im Falle einer Reise auch ohne Nachweis bis zur Höhe der im § 26 Z 4 EStG 1988 angeführten Sätze angefallen seien. Der Gesetzgeber habe es mit der Werbungskostenpauschalierung des § 16 Abs. 1 Z 9 EStG 1988 im Sinne der Verwaltungsvereinfachung in Kauf genommen, dass der Steuerpflichtige die Sätze des § 26 Z 4 EStG 1988 auch in Anspruch nehmen könne, wenn ihm auf der Reise geringere Mehraufwendungen erwachsen seien (z.B. durch "kalte" Verpflegung). Es bedürfe also grundsätzlich keines Nachweises des Steuerpflichtigen und keiner Ermittlungen durch die Abgabenbehörde, welche Mehraufwendungen tatsächlich angefallen seien. Durch die Schaffung von Pauschalsätzen könne es somit durchaus zur Anerkennung von Werbungskosten in einer Höhe kommen, die den tatsächlichen Aufwendungen nicht entspreche. Bei der Abgeltung in Form von Pauschalsätzen sei es aber nicht möglich, Werbungskosten auch dort anzuerkennen, wo nach dem äußeren Anschein (Mehr-)Aufwendungen des Arbeitnehmers gar nicht anfielen. Die die Höhe des Aufwandes pauschalierende Regelung komme nur dann zum Zug, wenn nachweislich eine ausschließlich beruflich veranlasste Reise vorliege und (Mehr-)Aufwendungen überhaupt - dem Grunde nach - angefallen seien. Im Beschwerdefall könne davon ausgegangen werden, dass der Beschwerdeführer ausschließlich aus beruflichen Gründen die gegenständlichen Reisen getätigt habe und er keine ausreichende Kenntnis hinsichtlich günstiger Verpflegungsmöglichkeiten an den jeweiligen Ziel- bzw. Einsatzorten gehabt habe. Es wäre damit in typisierender Betrachtungsweise grundsätzlich vom Vorliegen eines beruflich bedingten Verpflegungsmehraufwandes auszugehen. Es sei im konkreten Fall allerdings noch zu prüfen gewesen, ob dem Beschwerdeführer Verpflegungsaufwendungen (zufolge des Verhaltens des Arbeitgebers) überhaupt hätten treffen können. Davon sei nach Ansicht der belangten Behörde auf Grund "der Besonderheiten des Berufungsfalles" nicht auszugehen. Dem Beschwerdeführer seien durch seine Verpflegung außerhalb des Hotels wohl Verpflegungskosten ohne Beleg (z.B. Kaffeeautomat, Imbisse, Getränke während der Bahnfahrt, Mahlzeiten bei Würstelbuden, etc.) entstanden. Diesbezüglich könne allerdings - im Vergleich zu einem Abgabepflichtigen, der aus beruflichen Gründen genötigt sei, regelmäßig einen Teil seiner Mahlzeiten außer Haus einzunehmen - nicht von einem höheren Aufwand bzw. Mehraufwand - als er ansonsten an seinem Beschäftigungsort anfallen würde - gesprochen werden. Weiters könne dem Beschwerdeführer auch deshalb kein Verpflegungsmehraufwand entstehen, weil seine Arbeitgeberin entsprechend nachgewiesene Aufwendungen (auch in Form von Eigenbelegen) an Stelle des Beschwerdeführers trage. Erfahrungsgemäß werde dies bei höheren (Restaurant-)Rechnungsbeträgen der Fall sein. Für die belangte Behörde bestehe damit kein Zweifel, dass der Beschwerdeführer anlässlich seiner beruflich veranlassten Reisen Verpflegungs(mehr)aufwendungen (dem Grunde nach) nicht selbst zu tragen "hatte bzw. auch nicht zu tragen hätte".

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Beschwerdeführer erachtet sich in seinem Recht verletzt, dass die gesamten Sozialversicherungsbeiträge als Werbungskosten bei den laufenden Bezügen anerkannt werden.

Erhält der Arbeitnehmer neben dem laufenden Arbeitslohn von demselben Arbeitgeber sonstige, insbesondere einmalige Bezüge (zum Beispiel 13. oder 14. Monatsgehalt, Belohnungen), sieht § 67 Abs. 1 EStG 1988 nach den dort näher enthaltenen Regelungen eine Besteuerung mit einem festen Steuersatz von 6 % vor.

Soweit die sonstigen, insbesondere einmaligen Bezüge (Abs. 1) vor Abzug der in Abs. 12 genannten Beträge innerhalb eines Kalenderjahres ein Sechstel der bereits zugeflossenen, auf das Kalenderjahr umgerechneten laufenden Bezüge übersteigen, sind sie gemäß § 67 Abs. 2 EStG 1988 dem laufenden Bezug des Lohnzahlungszeitraumes zuzurechnen, in dem sie ausgezahlt werden.

§ 67 Abs. 11 EStG 1988 (in der Stammfassung) normiert, dass die Abs. 1, 2, 6 und 8 auch bei der Veranlagung von Arbeitnehmern anzuwenden sind.

Mit dem StruktAnpG 1996, BGBl. 201/1996, wurde dem § 67 ein Absatz 12 hinzugefügt, nach dem die auf Bezüge, die mit einem festen Steuersatz zu versteuern sind, entfallenden Beiträge im Sinne des § 62 Z 3, 4 und 5 EStG 1988 vor Anwendung des festen Steuersatzes in Abzug zu bringen sind. Nach § 124b Z 13 EStG 1988 ist (u.a.) § 67 Abs. 12 idF BGBl. Nr. 201/1996, wenn die Einkommensteuer (Lohnsteuer) durch Abzug eingehoben oder durch Veranlagung festgesetzt wird, erstmalig für Lohnzahlungszeiträume, die nach dem 31. Dezember 1995 enden, anzuwenden.

Es ist zwar zutreffend, dass § 67 Abs. 11 EStG 1988 die Anwendung des erst durch das StrukturAnpG 1996 hinzugefügten Abs. 12 nicht ausdrücklich normiert. Aus der Gesetzessystematik ergibt sich aber, dass diese Bestimmung auch im Fall der Veranlagung von Arbeitnehmern (die im Übrigen nicht nur im Fall von Grenzgängern stattfindet) Anwendung zu finden hat. § 67 Abs. 12 EStG 1988 ordnet zum Zweck einer systematisch richtigen Zuordnung (vgl. die Erl z RV des StruktAnpG 1996, 72 BlgNR 20. GP) den Abzug der dort näher genannten Beiträge "im Sinne des" § 62 Z 3, 4 und 5 EStG 1988 vor Anwendung des festen Steuersatzes an. Damit wird aber bloß ein Berechnungsmodus für die mit einem festen Steuersatz nach § 67 EStG 1988 zu versteuernden Bezüge festgelegt, sodass davon auszugehen ist, dass etwa mit dem Verweis in § 67 Abs. 11 EStG 1988 u.a. auf die Abs. 1 und 2 leg. cit. auch die Berechnungsregel des Abs. 12 leg.cit. mitumfasst ist. Zu Recht hat die belangte Behörde in diesem Zusammenhang zudem auf den Wortlaut des § 67 Abs. 2 EStG 1988 (idF des StruktanpG 1996) hingewiesen, der die in Abs. 12 genannten Beiträge auch explizit im Rahmen der näheren Berechnung der mit dem festen Steuersatz zu versteuernden sonstigen Bezüge (im Rahmen der so genannten Sechstelüberschreitung) anspricht.

In Bezug auf die von der belangten Behörde vorgenommene aliqoute Aufteilung der vom Beschwerdeführer geleisteten Sozialversicherungsbeiträge auf die im Rahmen der Veranlagung ermittelten laufenden und sonstigen Bezüge als Grenzgänger zeigt die Beschwerde damit keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf.

Der Beschwerdeführer sieht sich weiters in seinem Recht verletzt, dass die "Differenzreisekosten" von 23.639 S als Werbungskosten abzugsfähig sind.

Zu den Werbungskosten zählen nach § 16 Abs. 1 Z 9 EStG 1988 auch Reisekosten bei ausschließlich beruflich veranlassten Reisen. Diese Aufwendungen sind nach dieser Gesetzesbestimmung ohne Nachweis ihrer Höhe als Werbungskosten anzuerkennen, soweit sie die sich aus § 26 Z 4 ergebenden Beträge nicht übersteigen. Höhere Aufwendungen für Verpflegung sind nicht zu berücksichtigen.

Im Beschwerdefall geht auch die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid davon aus, dass durch die vom Beschwerdeführer durchgeführten (Auslands-)Reisen das Tatbestandsmerkmal der Reise im Sinne des § 16 Abs. 1 Z 9 EStG 1988 jeweils erfüllt wurde (keine ausreichende Kenntnis hinsichtlich günstiger Verpflegungsmöglichkeiten an den jeweiligen Ziel- bzw. Einsatzorten). Damit greift aber grundsätzlich die in § 16 Abs. 1 Z 9 EStG 1988 vorgesehene pauschale Berücksichtigung der Reisekosten Platz. Als pauschale Regelung gilt für sie die typisierende Betrachtungsweise; der Gesetzgeber selbst vermutet, dass mit der Reise ein Mehraufwand gegenüber den normalen Verpflegungskosten verbunden ist. Nur dann, wenn Aufwendungen der fraglichen Art gar nicht anfallen können, ist trotz Nachweis über die berufliche Notwendigkeit der Reise ein Werbungskostenabzug unter dem Titel von Reisekosten nach § 16 Abs. 1 Z 9 EStG 1988 nicht möglich (vgl. das im Übrigen auch im angefochtenen Bescheid zitierte Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 27. Juni 1989, 88/14/0197, mwN).

Davon, dass im Beschwerdefall durch die Reisetätigkeit des Beschwerdeführers Aufwendungen der fraglichen Art offenkundig (etwa vergleichbar den im angefochtenen Bescheid ebenfalls zitierten Erkenntnissen vom 6. Februar 1990, 89/14/0031, vom 11. Juni 1991, 90/14/0182, und vom 15. November 1994, 90/14/0216, jeweils betreffend kostenlose Übernachtungsmöglichkeiten der Arbeitnehmer, oder vom 27. Juni 1989, 88/14/0197, betreffend die kostenlose Zurverfügungstellung der Verpflegung durch den Arbeitgeber) gar nicht anfallen konnten, kann keine Rede sein. Die im angefochtenen Bescheid von der belangten Behörde vorgenommenen Überlegungen, wonach die Ausgaben für eine Verpflegung außerhalb des Hotels ohne Beleg (z.B. Kaffeeautomat, Imbisse und Getränke) keinen Mehraufwand darstellten oder entstandener Aufwand ohnedies durch die Kostenersätze des Arbeitgebers abgedeckt sei, liefen gerade auf den Verwaltungsaufwand in Form einer Nachweisführung und Sachverhaltsermittlung für den Steuerpflichtigen und die Abgabenbehörde hinaus (vgl. dazu auch die umfangreichen Ausführungen in der Gegenschrift zur Beweiswürdigung), der durch die in Rede stehende Pauschalregelung vermieden werden sollte (vgl. dazu nochmals das Erkenntnis 88/14/0197). Durch die Nichtanerkennung der geltend gemachten "Differenzreisekosten" hat die belangte Behörde den angefochtenen Bescheid somit mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet.

Soweit der Beschwerdeführer schließlich noch eine Rechtsverletzung dahingehend geltend macht, es seien die von ihm in der Steuererklärung geltend gemachten Überstundenzuschläge von monatlich 590 S im Einkommensteuerbescheid nicht als steuerfrei ausgeschieden worden, genügt es zu diesem erstmals in der Beschwerde erstatteten Vorbringen, darauf hinzuweisen, dass nach den - in den vorgelegten Verwaltungsakten nachvollziehbaren - Ausführungen in der Gegenschrift eine diesbezügliche Berücksichtigung der Überstundenzuschläge im Einkommensteuerbescheid ohnedies stattfand (Ermittlung der im Bescheid ausgewiesenen "Einkünfte ohne inländischen Steuerabzug" von 825.131 S bereits unter Abzug der erwähnten Überstundenzuschläge).

Insgesamt war der angefochtene Bescheid somit gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am 7. Oktober 2003

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