VwGH 2000/13/0133

VwGH2000/13/013321.10.2004

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bernard und die Hofräte Dr. Hargassner, Dr. Fuchs, Dr. Büsser und Dr. Mairinger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Seidl LL.M., über die Beschwerde der M Company Inc. in W, vertreten durch Exinger GmbH, Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaft in 1010 Wien, Friedrichstraße 10, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 21. Juni 2000, Zl. AO 720/2-11/06/2000, betreffend Bescheidbehebung nach § 299 BAO, zu Recht erkannt:

Normen

EStG 1988 §14 Abs7;
EStG 1988 §14 Abs7;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von 381,90 EUR binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem angefochtenen Bescheid hob die belangte Behörde in Ausübung des Aufsichtsrechtes die an die Beschwerdeführerin ergangenen Körperschaftsteuerbescheide für die Jahre 1995 bis 1997 nach § 299 Abs. 2 BAO wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie gemäß § 299 Abs. 1 lit. b und c BAO wegen unrichtiger Sachverhaltsfeststellung und Verletzung von Verfahrensvorschriften auf. Zur Begründung wurde ausgeführt, die Beschwerdeführerin habe in den Jahren 1995 bis 1997 aufwandswirksam auf Basis einer Pensionsregelung vom 3. Jänner 1994 Pensionsrückstellungen gebildet. Nach Punkt 1 dieser Pensionsregelung habe die Pensionszusage für alle Mitarbeiter der Beschwerdeführerin Gültigkeit, die länger als sechs Monate bei ihr beschäftigt seien. Die Pensionsregelung sei mit 1. Jänner 1994 an Stelle aller bisherigen Pensionszusagen der Beschwerdeführerin getreten. Seitens des Finanzamtes seien auf der Grundlage einer durchgeführten Betriebsprüfung Körperschaftsteuerbescheide für die Jahre 1995 bis 1997 erlassen und am 30. Juli 1999 zugestellt worden, die "solche Pensionsrückstellungsdatierungen steuerlich beinhalteten". Das Einlangen einer am 14. Juni 1999 angeforderten Stellungnahme der "Systemprüfung" zur Überprüfung der Pensionsrückstellungen sei seitens des Finanzamtes nicht abgewartet worden. In eingelangten Bericht der "Systemprüfung" vom 6. Dezember 1999 sei die Zulässigkeit der Bildung der Pensionsrückstellungen dem Grunde nach verneint worden, weil nach der Pensionsregelung primär ein Kapitalbetrag und erst sekundär ein Rentenbetrag zugesagt werde. Selbst bei Anerkennung der Pensionsrückstellung wäre in den Bilanzen eine niedrigere Pensionsrückstellung auszuweisen gewesen, weil nach den versicherungsmathematischen Berechnungen keine Verminderung des Kapitalbetrages (bzw. der Pension) um die gesetzliche Abfertigung vorgenommen worden sei.

Nach einer zusammenfassenden Wiedergabe einer Stellungnahme der steuerlichen Vertreterin der Beschwerdeführerin zu den Argumenten der "Systemprüfung" vertrat die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid den Standpunkt, steuerlich abzugsfähige Rückstellungen für Pensionszusagen nach § 14 Abs. 7 EStG 1988 hätten auf "Rente" zu lauten. Dieser Grundsatz sei in die Neufassung des § 14 Abs. 7 EStG 1988 durch das BGBl. Nr. 818/1993 ab 1994 auch im Gesetzestext ausdrücklich festgelegt und "sehr wohl dem Wortlaut zu entnehmen". Die gegenständliche Pensionsregelung vom 3. Jänner 1994 bestimme grundsätzlich unter Punkt 4a, dass die Altersversorgung bzw. die Leistung an Hinterbliebene bei Eintritt des Versicherungsfalles in der Auszahlung eines Kapitalbetrages bestehe, wobei nach Punkt 8a nach Vollendung von drei Dienstjahren die Leistungen fällig würden. Lediglich auf Antrag von Mitarbeitern, die bereits sechs Jahre bei der Beschwerdeführerin beschäftigt gewesen seien, könne an Stelle des Kapitalbetrages eine entsprechende lebenslängliche Rente gewährt werden, wobei das Optionsrecht bis spätestens drei Monate nach Eintritt des Versorgungsfalles oder nach Austritt des Beschäftigten (bei unverfallbaren Ansprüchen) ausgeübt werden müsse. Da die Pensionsregelung grundsätzlich auf eine Einmalabfindung laute, widerspreche eine "solche erfolgswirksame Rückstellung der gesetzlichen Formulierung und ist schon aus diesem Grunde nicht zulässig". Reine Kapitalzusagen auf den Todesfall fielen ebenso wie Einmalzahlungszusagen unter den Begriff der freiwilligen Abfertigung, die allerdings mangels einer gesetzlichen oder kollektivvertraglichen Grundlage auch nicht nach § 14 Abs. 1 EStG 1988 rückstellungsfähig sei. Der Charakter einer "Einmalkapitalabfindung" werde durch den gesamten Aufbau der gegenständlichen Pensionsregelung bekräftigt, wobei z.B. für den Mitarbeiter ein Kapital angesammelt werde, aus dem auch Abfertigungszahlungsansprüche zu befriedigen seien. Die Ausübung des Optionsrechtes auf Rentenzahlung für Mitarbeiter, die mindestens sechs Jahre im Unternehmen gearbeitet hätten, müsse innerhalb einer Frist ausgeübt werden und habe somit den Charakter einer Ausnahmeregelung. Vergleichsweise sei für Mitarbeiter, die mindestens drei Jahre im Unternehmen tätig seien, bereits eine einmalige "Pensionsabfindung" (zwingend als Kapitalbetrag) möglich. Die Altersvorsorge sei nach § 4a der Pensionsregelung generell als Kapitalbetrag definiert (nach dem für die Steuerbilanz zum 31. Dezember 1995 erstellten versicherungsmathematischen Gutachten handle es sich um eine "beitragsorientierte Kapitalzusage mit Rentenoption"). Aus erlassmäßigen Regelungen, wonach eine Pensionszusage auch dann vorliege, wenn der Arbeitgeber sich vorbehalte, die zugesagte Pension durch eine Einmalzahlung abzufinden, oder dem Arbeitnehmer ein diesbezügliches Wahlrecht eingeräumt sei, könne unter dem Gesichtspunkt einer geltend gemachten Verletzung von Treu und Glauben schon angesichts der gesetzlichen Regelung in § 14 Abs. 7 EStG 1988, die die "Rentenform" normiere, nichts gewonnen werden (zudem sei - nach im angefochtenen Bescheid näher dargestellten Überlegungen - u.a. wegen geänderter Rechtslage die Berufung auf seinerzeitige erlassmäßige Regelungen nicht zielführend).

Selbst bei einer (fiktiven) Anerkennung der Pensionsrückstellungen wären von den angesammelten Kapitalkonten und bei der Berechnung der Pensionsrückstellungen die Abfertigungsansprüche auszuscheiden gewesen (vgl. Punkt 5 und 8a der Pensionsregelung, wonach der Kapitalbetrag bzw. Auszahlungsbetrag Abfertigungsbeträge beinhalte), zumal die Beschwerdeführerin zusätzlich gesondert Abfertigungsrückstellungen gebildet habe. Nach einer aktenkundigen Stellungnahme des Versicherungsmathematikers vom 24. September 1999 werde auftragsgemäß der "Aufschub der Pensionszahlungen während des Abfertigungszeitraumes nicht berücksichtigt" (die Pensionszusage werde in Österreich analog der Pensionszusage in Deutschland entwickelt, wobei in Deutschland eine Abfertigung unbekannt sei).

Das Finanzamt sei bei Erlassung der Bescheide im Sinne des § 299 Abs. 1 lit. b und c sowie Abs. 2 BAO von unrichtigen Sachverhaltsannahmen ausgegangen, habe Verfahrensvorschriften außer Acht gelassen und zusätzlich das Gesetz unrichtig ausgelegt. Die angeforderte Stellungnahme der "Systemprüfung" sei nicht abgewartet worden. Auf Grund der Aktenlage wäre begründeter Anlass zu weiteren Ermittlungen gegeben gewesen. Die Rechtswidrigkeit sei nicht bloß geringfügig und habe wesentliche betragliche und grundsätzliche Folgen, wobei eine Beibehaltung der Rechtswidrigkeit auch für die Folgejahre bedeutende Auswirkungen haben würde.

In der Beschwerde erachtet sich die Beschwerdeführerin in ihrem Recht verletzt, dass es ohne die Erfüllung der gesetzlichen Tatbestandsvoraussetzungen nicht zu einer Aufhebung der Körperschaftsteuerbescheide für die Jahre 1995 bis 1997 hätte kommen dürfen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

In Ausübung des Aufsichtsrechtes konnte ein Bescheid gemäß § 299 Abs. 1 BAO idF vor dem AbgRmRefG BGBl. I 2002/97 von der Behörde aufgehoben werden,

a) wenn er von einer unzuständigen Behörde, von einem hiezu nicht berufenen Organ oder von einem nicht richtig zusammengesetzten Kollegialorgan einer Behörde erlassen wurde, oder

b) wenn der dem Bescheid zu Grunde liegende Sachverhalt in einem wesentlichen Punkt unrichtig festgestellt oder aktenwidrig angenommen wurde oder

c) wenn Verfahrensvorschriften außer Acht gelassen wurden, bei deren Einhaltung ein anders lautender Bescheid hätte erlassen oder eine Bescheiderteilung hätte unterbleiben können.

Nach § 299 Abs. 2 BAO konnte ein Bescheid ferner von der Oberbehörde wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben werden.

Wie der Verwaltungsgerichtshof zu der zitierten Bestimmung des § 299 BAO wiederholt ausgesprochen hat, kommt es bei der Überprüfung eines Aufhebungsbescheides nur darauf an, ob die belangte Behörde überhaupt berechtigt gewesen ist, einen solchen im Aufsichtsweg zu erlassen oder nicht, weil nicht erkannt werden kann, in welchem subjektiv-öffentlichen Recht eine beschwerdeführende Partei dadurch verletzt sein soll, dass der Aufhebungstatbestand statt richtig auf § 299 Abs. 1 BAO auf § 299 Abs. 2 BAO oder umgekehrt und statt auf die richtige litera des Abs. 1 dieser Gesetzesstelle auf eine andere gestützt wurde; ob die Aufsichtsbehörde eine dem aufgehobenen Bescheid anhaftende Rechtswidrigkeit dem Aufhebungsgrund nach § 299 Abs. 1 lit. b oder c BAO oder jenem nach § 299 Abs. 2 BAO zu unterstellen hatte, ist für die Beurteilung einer durch einen Aufhebungsbescheid nach § 299 BAO dem Adressaten des aufgehobenen Bescheides widerfahrene Verletzung subjektiv-öffentlicher Rechte irrelevant (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 2. Juli 2002, 2002/14/0029).

Festzuhalten ist, dass die belangte Behörde die Bescheidbehebung auch damit begründet hat, dass selbst bei grundsätzlicher Anerkennung einer Möglichkeit zur Bildung einer Pensionsrückstellung nach § 14 Abs. 7 EStG 1988 die aufgehobenen Körperschaftsteuerbescheide jedenfalls deshalb rechtswidrig seien, weil bei der Berechnung der Pensionsrückstellungen die Abfertigungsansprüche, für die im Rahmen einer gesonderten Abfertigungsrückstellung vorgesorgt worden sei, auszuscheiden gewesen seien. Wie die belangte Behörde in der Gegenschrift zutreffend ausführt, wird in der Beschwerde zwar der Beweggrund für die von der Beschwerdeführerin vorgenommene Berechnung der Pensionsrückstellungen erläutert (die Pensionszusage sei in Österreich analog der Pensionszusage in Deutschland entwickelt worden, wobei in Deutschland eine Abfertigung unbekannt sei), ohne allerdings die im angefochtenen Bescheid angesprochene mehrfache Berücksichtigung der Abfertigungsansprüche sowohl im Rahmen der Bildung der Pensions- als auch der Abfertigungsrückstellungen konkret in Zweifel zu ziehen. Bereits deshalb kann die vorliegende Bescheidbehebung nicht als rechtswidrig erkannt werden.

Der belangten Behörde ist aber auch darin zu folgen, wenn sie die Rechtsansicht vertritt, zur Bildung einer Pensionszusage nach § 14 Abs. 7 EStG 1988 sei u.a. Voraussetzung, dass eine Zusage auf Leistungen in Rentenform vorliege (vgl. Doralt, EStG4, § 14 Tz 45, und Bednar/Reisch, Abfindung bei Pensionszusagen, RdW 1995/7, 277).

Nach § 14 Abs. 7 EStG 1988 können Steuerpflichtige, die ihren Gewinn gemäß § 4 Abs. 1 oder § 5 ermitteln, für schriftliche, rechtsverbindliche und unwiderrufliche Pensionszusagen und für direkte Leistungszusagen im Sinne des Betriebspensionsgesetzes in Rentenform Pensionsrückstellungen bilden. Als Bildungsvoraussetzung ist u.a. in § 14 Abs. 7 Z 5 vorgesehen, dass die zugesagte Pension 80 % des letzten laufenden Aktivbezuges nicht übersteigen darf.

Mit dem StReformG 1993, BGBl. 1993/818, wurden in die Bestimmung des § 14 Abs. 7 EStG 1988 die Worte "in Rentenform" eingefügt. Selbst wenn lt. Ansicht der Beschwerdeführerin diese Worte nur im Zusammenhang mit den Leistungszusagen im Sinne des Betriebspensionsgesetzes zu lesen wären, könnte daraus noch nicht der Schluss gezogen werden, dass unter Pensionszusagen beispielsweise auch Zusagen einmaliger Kapitalbeträge zu verstehen wären. Grundsätzlich trägt der unter "Pensionszusagen" angesprochene Begriff der "Pension" (im Sinne einer Leistungszusage) als Tatbestandsmerkmal bereits nach dem allgemeinen Sprachgebrauch die "Rentenform" als Wesensmerkmal in sich und aus dem Regelungszusammenhang lässt sich auch kein Anhaltspunkt dafür entnehmen, dass bei den Pensionszusagen - anders als bei den direkten Leistungszusagen im Sinne des Betriebspensionskassengesetzes - andere als solche in Rentenform gemeint sein könnten. Dass die Vorschrift des § 14 Abs. 7 EStG 1988 insgesamt laufende Bezugszahlungen vor Augen hat, ergibt sich etwa auch aus dem in der Z 5 leg.cit. angesprochenen Konnex der zugesagten Pension mit den letzten laufenden Aktivbezügen.

Solange von der den Mitarbeitern in der vorliegenden Pensionsregelung eingeräumten Option auf Leistung einer Rente an Stelle des (primär) zugesagten Kapitalbetrages kein Gebrauch gemacht wurde, kann angesichts des aufgezeigten Wortlautes und Regelungszusammenhanges des § 14 Abs. 7 EStG 1988 von einer Pensionsrückstellung im Sinne dieser Gesetzesbestimmung keine Rede sein. Bei ihrer Argumentation zur "Rentenoption" übersieht die Beschwerdeführerin im Übrigen auch, dass den Mitarbeitern nach der in Rede stehenden Vereinbarung erst nach einer Beschäftigungsdauer von sechs Jahren ein Antragsrecht auf Gewährung einer Rente an Stelle des Kapitalbetrages zukommt, sodass es vor Ablauf dieser Beschäftigungsdauer jedenfalls bei der Auszahlung des zugesagten Kapitalbetrages bleibt. Die Zusage eines (primären) Kapitalanspruches ist auch nicht mit der Abfindung eines Anspruches auf rentenmäßige Zahlung gleichzusetzen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 19. März 1998, 97/15/0219), zumal es sich bei einer Pensionsabfindung um die Abgeltung eines - auf Renten lautenden - bereits entstandenen Anspruches (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 18. Dezember 2001, 2001/15/0190) handelt. Die von der Beschwerdeführerin - auch unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben - ins Treffen geführten (u.a. auf erlassmäßige Aussagen gestützten) Überlegungen, wonach Pensionsablösen der Bildung von Pensionsrückstellungen nicht entgegen stünden, sind daher nicht tragfähig.

Das Vorbringen der Beschwerdeführerin in einem ergänzenden Schriftsatz zur Beschwerde, auch wenn die von der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid vertretene Ansicht, wonach es sich bei der Pensionsregelung der Beschwerdeführerin nicht um eine Zusage im Sinne des § 14 Abs. 7 EStG 1988, sondern um die Zusage einer freiwilligen Abfertigung handle, zutreffend sein sollte, sei dennoch nach dem mittlerweile ergangenen Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 11. Dezember 2002, B 1609/01, eine Rückstellungsbildung für sonstige ungewisse Verbindlichkeiten nach § 9 Abs. 1 Z 3 EStG 1988 möglich, ändert nichts an der im angefochtenen Bescheid zutreffend festgestellten Rechtswidrigkeit in Bezug auf die den aufgehobenen erstinstanzlichen Bescheiden zu Grunde liegende Rückstellungsbildung im Regelungsbereich der Bestimmung des § 14 Abs. 7 EStG 1988.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Entscheidung über den Kostenersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am 21. Oktober 2004

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