VwGH 2000/11/0292

VwGH2000/11/029220.2.2001

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldner und die Hofräte Dr. Gall und Dr. Pallitsch als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Lenhart, über die Beschwerde des Bundesministers für Wirtschaft und Arbeit gegen die Bescheide des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich vom 14. September 2000, 1) Zl. VwSen-280507/2/Kon/Pr (hg. Zl. 2000/11/0292), und 2) Zl. VwSen-280508/3/Kon/Pr (hg. Zl. 2000/11/0293), betreffend Übertretungen des Arbeitszeitgesetzes (mitbeteiligte Partei: W in L), zu Recht erkannt:

Normen

31985R3820 Harmonisierung best Sozialvorschriften Strassenverkehr Art2 Abs1;
AETR Art1 lith;
AZG §28 Abs3;
AZG §28 Abs4;
AZGNov 1994;
EURallg;
VwRallg;
31985R3820 Harmonisierung best Sozialvorschriften Strassenverkehr Art2 Abs1;
AETR Art1 lith;
AZG §28 Abs3;
AZG §28 Abs4;
AZGNov 1994;
EURallg;
VwRallg;

 

Spruch:

Die angefochtenen Bescheide werden wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes aufgehoben.

Begründung

Die Bezirkshauptmannschaft Wels-Land erließ gegen die mitbeteiligte Partei datiert mit 27. Dezember 1999 ein Straferkenntnis mit folgendem Spruch:

"Sie haben als verantwortlicher Beauftragter gemäß § 9 Abs. 2 VStG 1991 idgF. der Firma G mit dem Sitz in L, zu verantworten, dass - festgestellt (die Tachoscheibenauswertung wurde von einem Fachorgan der Bundesprüfanstalt für Kraftfahrzeuge mit einem Auswertegerät der Firma Kienzle vorgenommen) anläßlich einer am 25.8.1998 um 16.10 Uhr durch die Bundespolizei am Kontrollort 8700 Leoben, Waltenbachstraße 7, durchgeführten Kontrolle und einer am 25.9.1998 durch ein Organ des Arbeitsinspektorates Wels durchgeführten Kontrolle der Tachografenschaublätter - folgende Übertretungen nach dem AZG begangen wurden:

Der Arbeitnehmer J, geb. 5.4.1948, beschäftigt im o.a. Güterbeförderungsunternehmen als Lenker des Kraftfahrzeuges mit dem Kennzeichen RO-MZ 206 (WL-64 DX), das der Güterbeförderung dient, und dessen höchstzulässiges Gesamtgewicht 3,5 Tonnen übersteigt, wurde lt. den vorliegenden Tachografphenschaublättern zu folgenden ungesetzlichen Arbeitsleistungen herangezogen:

1. Überschreitung der täglichen Lenkzeit:

von

bis

von

bis

um

23.08.1988-

25.08.1998

20.05 Uhr

16.12 Uhr

10 Std. 36 Min.

Die Gesamtlenkzeit betrug 20 Stunden 36 Minuten. Dies stellt eine Übertretung des Artikels 6 Abs. 1 der EG-VO 3820 in Verbindung mit dem KV dar, wonach die tägliche Lenkzeit zwischen zwei Ruhezeiten maximal zehn Stunden nicht überschreiten darf.

2. Nichtgewähren der vorgeschriebenen Unterbrechung/Lenkpause:

Es wurden folgende ununterbrochene Lenkzeiten geleistet:

am

von

bis

 

24.8.1998

0.14 Uhr

6.48 Uhr

6 St. 11 Min.

3. Unterschreiten der Ruhezeit:

Beginn des 24-Stunden Zeitraumes

Dauer der Ruhezeit

23.8.1998 20.05 Uhr

von 06.48 Uhr - 09.34 Uhr2 Std. 46 Min.

Ende des 24-Stunden Zeitraumes

24.8.1998. 20.05 Uhr

Dies stellt eine Übertretung des Artikels 8 Abs.1 EG-VO 3820 in Verbindung mit dem KV dar, wonach innerhalb eines Zeitraumes von 24 Stunden eine ununterbrochene tägliche Ruhezeit von mindestens 9 (neun) Stunden zu gewähren ist.

Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschrift(en) verletzt:

1) Artikel 6 Abs. 1 der Verordnung (EWG) Nr. 3820/85 des Rates über die Harmonisierung bestimmter Sozialvorschriften im Straßenverkehr, Abl. EG Nr. L 370 vom 31. Dezember 1985, S 1 (kurz EG-VO) 3820) in Verbindung mit dem Kollektivvertrag für d. Güterbeförderungsunternehmen Österreichs (kurz KV) sowie § 28 Abs. 1a Z. 4 Arbeitszeitgesetz - AZG, BGBl. Nr. 461/1969 idgF.

2) Artikel 7 Abs. 1 der EG-VO 3820 i.V.m. dem KV sowie § 28 Abs. 1a Z. 6 AZG, BGBl. Nr. 461/1969 idgF.

3) Artikel 8 Abs. 1 der EG-VO 3820 i.V.m. dem KV sowie § 28 Abs. 1a Z. 2 AZG, BGBl. Nr. 461/1969 idgF."

Über den Mitbeteiligten wurden deshalb Geldstrafen in der Höhe von zu 1) § 12.000,--, zu 2) S 2.000,-- und zu 3) S 12.000,-- (und Ersatzfreiheitsstrafen) verhängt.

Mit dem zu 1) angefochtenen Bescheid der belangten Behörde wurde der Berufung der mitbeteiligten Partei hinsichtlich des Faktums 2 des erstinstanzlichen Straferkenntnisses Folge gegeben, mit dem zu 2) angefochtenen Bescheid einer Kammer der belangten Behörde wurde der Berufung der mitbeteiligten Partei hinsichtlich der Fakten 1 und 3 des erstinstanzlichen Straferkenntnisses Folge gegeben; das erstinstanzliche Straferkenntnis wurde behoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.

Die belangte Behörde vertrat zur Begründung ihrer Entscheidungen im wesentlichen (gleich lautend) die Auffassung, der mitbeteiligten Partei sei die Tatbegehung am 23., 24. bzw. 25. August 1998 angelastet worden, bezogen auf diese Tatzeiträume habe die Verfolgungsverjährungsfrist gemäß § 31 Abs. 2 VStG (spätestens) am 25. Feber 1999 geendet, die erste Verfolgungshandlung sei jedoch erst am 28. April 1999 gesetzt worden. § 28 Abs. 4 Arbeitszeitgesetz, wonach die Verjährungsfrist für Verstöße gegen die in § 28 Abs. 1a leg. cit. angeführten Rechtsvorschriften im "internationalen Straßenverkehr" abweichend vom § 31 Abs. 2 VStG ein Jahr betrage, sei im vorliegenden Fall nicht anzuwenden. Das Tatbestandmerkmal "internationaler Straßenverkehr" im Sinne der Abs. 3 und 4 des § 28 Arbeitszeitgesetz werde durch Art. 2 Abs. 1 der Verordnung (EWG) Nr. 3820/85 definiert. Demnach sei unter "internationaler Straßenverkehr" jener für innergemeinschaftliche Beförderung im Straßenverkehr im Sinne von Art. 1 Nr. 1 zu verstehen. Daraus folge, dass die genannte einjährige Verfolgungsfrist nur im Rahmen des innergemeinschaftlichen Güterverkehrs zum Tragen komme. Für grenzüberschreitenden Güterverkehr nach Drittländern finde nicht die Verordnung (EWG) 3820/85 Anwendung, sondern es würden die Bestimmungen des AETR gelten, sodass die sechsmonatige Verfolgungsverjährungsfrist des § 31 Abs. 2 VStG anzuwenden und damit die Verfolgungshandlungen verspätet gesetzt worden seien. Dass in den hier zu beurteilenden Fällen die Güterbeförderung nicht im Rahmen des internationalen Straßenverkehrs im Sinne der genannten EG-Verordnung erfolgt sei, ergebe sich aus der Aktenlage, insbesondere aus den darin erliegenden Tachographenschaublättern, denen zufolge von einem grenzüberschreitenden Straßenverkehr im Sinne des AETR auszugehen sei.

Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Antrag, die angefochtenen Bescheide wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes aufzuheben.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsstrafakten vorgelegt und beantragt in ihrer Gegenschrift die Abweisung der Beschwerde. Der Mitbeteiligte hat keine Gegenschrift erstattet.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Auszugehen ist im vorliegenden Fall von folgender maßgeblicher Rechtslage:

Gemäß § 31 Abs. 1 VStG ist die Verfolgung einer Person unzulässig, wenn gegen sie binnen der Verjährungsfrist von der Behörde keine Verfolgungshandlung (§ 32 Abs. 2 und 3) vorgenommen worden ist. Gemäß § 31 Abs. 2 leg. cit. beträgt die Verjährungsfrist (von hier nicht zum Tragen kommenden Abgabetatbeständen abgesehen) grundsätzlich sechs Monate. Diese Frist ist von dem Zeitpunkt zu berechnen, an dem die strafbare Tätigkeit abgeschlossen worden ist oder das strafbare Verhalten aufgehört hat; ist der zum Tatbestand gehörende Erfolg erst später eingetreten, so läuft die Frist erst von diesem Zeitpunkt.

§ 28 Abs. 1a Z. 1 bis 6 und Abs. 3 sowie Abs. 4 Arbeitszeitgesetz - AZG (Abs. 1a idF. BGBl. I Nr. 46/1997, Abs. 3 und 4 idF. BGBl. Nr. 446/1994) haben folgenden Wortlaut:

"(1a) Arbeitgeber und deren Bevollmächtigte, die

1. die tägliche Ruhezeit gemäß § 15a oder § 15b Abs. 2 und 3 nicht gewähren;

2. die tägliche Ruhezeit gemäß Art. 8 Abs. 1, 2, 6 oder 7 oder Art. 9 der Verordnung (EWG) Nr. 3820/85 nicht gewähren;

3. Lenker über die gemäß § 14a Abs. 1 und 2 zulässige Lenkzeit hinaus einsetzen;

4. Lenker über die gemäß Art. 6 Abs. 1 Unterabsatz 1 oder Abs. 2 der Verordnung (EWG) Nr. 3820/85 zulässige Lenkzeit hinaus einsetzen;

  1. 5. Lenkpausen gemäß § 15 Abs. 1 bis 4 nicht gewähren;
  2. 6. Lenkpausen gemäß Art. 7 Abs. 1, 2 oder 4 der Verordnung (EWG) Nr. 3820/85 nicht gewähren; ...

    sind, sofern die Tat nicht nach anderen Vorschriften einer strengeren Strafe unterliegt, von der Bezirksverwaltungsbehörde, soweit es sich um Betriebe handelt, die der bergbehördlichen Aufsicht unterstehen, von der Berghauptmannschaft mit einer Geldstrafe von 1.000 S bis 25.000 S zu bestrafen.

    ....

(3) Kommt im internationalen Straßenverkehr als verletzte Verwaltungsvorschrift je nach Fahrtstrecke entweder eine Bestimmung dieses Bundesgesetzes oder die entsprechende Vorschrift der Verordnung (EWG) Nr. 3820/85 in Frage, genügt abweichend von § 44a Z. 2 des Verwaltungsstrafgesetzes 1991 (VStG), BGBl. Nr. 52, als Angabe der verletzten Verwaltungsvorschrift die Angabe des entsprechenden Gebotes oder Verbotes der Verordnung (EWG) Nr. 3820/85 .

(4) Für Verstöße gegen die im Abs. 1a und 1b angeführten Rechtsvorschriften im internationalen Straßenverkehr beträgt die Verjährungsfrist abweichend von § 31 Abs. 2 VStG ein Jahr."

In den Materialien zu den Bestimmungen des § 28 Abs. 3 und 4 in der Fassung BGBl. Nr. 446/1994 (Erl zu 1596 Blg NR XVIII. GP) wurde Folgendes zum Ausdruck gebracht:

"Zu Abs. 3: Sieht das AZG strengere Vorschriften als die Verordnung (EWG) Nr. 3820/85 vor und erfolgt keine Angleichung durch Kollektivvertrag, ist verletzte Norm im Sinne des § 44a Z. 2 VStG stets das AZG. Sieht das AZG jedoch gleich strenge Vorschriften vor oder erfolgt eine Angleichung durch Kollektivvertrag, gelten je nach Fahrtstrecke entweder die Bestimmungen des AZG (als Transformation des AETR) oder der Verordnung (EWG) Nr. 3820/85 (vgl. den Allgemeinen Teil der Erläuterungen). In vielen Fällen ist in der Praxis aber nicht feststellbar, welche Fahrtstrecke tatsächlich zurückgelegt wurde und welche Vorschrift im konkreten Fall daher anwendbar ist. So gilt z.B. bei einer Fahrt von Berlin über Bayern nach Wien die Verordnung (EWG) Nr. 3820/85 , bei einer Fahrt von Berlin über Tschechien nach Wien das AZG. Aus dem Schaublatt des Kontrollgerätes geht die Fahrtstrecke jedoch nicht hervor.

Auch durch Befragung der Lenker oder Einsicht in Transportpapiere, falls diese zum Zeitpunkt der Kontrolle im Betrieb überhaupt noch zur Verfügung stehen, kann meist keine Klarheit gewonnen werden.

Somit ist aber auch eine ausreichende Konkretisierung der Tat gemäß § 44a Z. 2 VStG hinsichtlich der verletzten Norm nicht möglich. Eine entsprechende Sondernorm ist daher erforderlich.

Zu Abs. 4: Seit Jahren wird von der Arbeitsinspektion gefordert, eine Verdoppelung der Verjährungsfrist des § 31 Abs. 2 VStG von bisher sechs Monaten auf ein Jahr vorzunehmen.

Erfolgt im Ausland eine kraftfahrrechtliche Bestrafung des Lenkers eines in Österreich zugelassenen Kraftfahrzeuges wegen Übertretung der Verordnung (EWG) Nr. 3820/85 oder des AETR, sind die österreichischen Behörden zu informieren, damit diese auch den Arbeitgeber zur Verantwortung ziehen können.

Die bisherigen Erfahrungen zeigen jedoch, dass einlangende Anzeigen etwa aus dem Königreich der Niederlande oder Belgien, aber auch aus Deutschland (Bußgeldbescheide) häufig Taten betreffen, die weit über sechs Monate zurückliegen und somit auf Grund der geltenden Verjährungsbestimmungen eine Strafverfolgung nicht mehr möglich ist. In diesem Zusammenhang ist zu berücksichtigen, dass solche Mitteilungen ausländischer Behörden unter anderem auch wegen Ausschöpfung des Instanzenzuges nicht früher erfolgen können.

Es kann aber nicht im Sinne der Arbeitnehmerschutzvorschriften sein, dass nur Arbeitnehmer als Lenker, nicht aber Arbeitgeber, die ihre Kontrollpflichten verletzen, zur Verantwortung gezogen werden können."

Die Erstbehörde hatte der mitbeteiligten Partei Übertretungen der Artikel 6 Abs. 1, 7 Abs. 1 und 8 Abs. 1 der Verordnung (EWG) Nr. 3820/85 des Rates vom 20. Dezember 1985 über die Harmonisierung bestimmter Sozialvorschriften im Straßenverkehr angelastet. Der Geltungsbereich dieser Verordnung wird in deren Art. 2 normiert, der lautet:

"(1) Diese Verordnung gilt für innergemeinschaftliche Beförderungen im Straßenverkehr im Sinne von Artikel 1 Nummer 1.

(2) Das Europäische Übereinkommen über die Arbeit des im internationalen Straßenverkehr beschäftigten Fahrpersonals (AETR) gilt anstelle der vorliegenden Vorschriften für Beförderungen im grenzüberschreitenden Straßenverkehr

von und/oder nach Drittländern, die Vertragsparteien dieses Übereinkommens sind, oder im Durchgang durch diese Länder auf der gesamten Fahrstrecke, wenn die Beförderungen mit Fahrzeugen durchgeführt werden, die in einem Mitgliedstaat oder in einem dieser Drittländer zugelassen sind;

von und/oder nach einem Drittland, das nicht Vertragspartei des Übereinkommens ist, mit Fahrzeugen, die in einem solchen Drittland zugelassen sind, auf allen Fahrtstrecken innerhalb der Gemeinschaft."

Gemäß Art. 1 lit. h des Europäischen Übereinkommens über die Arbeit des im internationalen Straßenverkehr beschäftigten Fahrpersonals (AETR), BGBl. Nr. 518/1975, ist "internationaler Straßenverkehr" jeder Straßenverkehr, der mindestens einen Grenzübergang umfasst.

Der beschwerdeführende Bundesminister vertritt die Auffassung, dass die Rechtsmeinung der belangten Behörde, der Ausdruck internationaler Straßenverkehr im § 28 Abs. 4 AZG sei in Art. 2 Abs. 1 der genannten Verordnung (EWG) definiert und es sei darunter nur die innergemeinschaftliche Beförderung zu verstehen, verfehlt sei, und führt demgegenüber im Wesentlichen aus, der Verordnung (EWG) sei der Ausdruck "internationaler Straßenverkehr" nicht bekannt und Art. 2 der Verordnung treffe die Unterscheidung einerseits in "innergemeinschaftliche Beförderungen", für welche diese Verordnung gelte, und andererseits "Beförderungen im grenzüberschreitenden Straßenverkehr von und/oder nach Drittländern" für welche das AETR gelte. Das AETR sei innerstaatlich nicht unmittelbar anwendbar und eine Übertretung des AETR sei daher nicht denkbar. Vielmehr habe es zur Erfüllung des AETR der speziellen Transformation durch die Novelle des Arbeitszeitgesetzes BGBl. Nr. 446/1994 bedurft. Der Begriff "internationaler Straßenverkehr" in § 28 Abs. 3 und 4 AZG sei daher so zu verstehen, dass damit alle grenzüberschreitenden Fahrten gemeint seien, also Fahrten sowohl innerhalb der Europäischen Union als auch Fahrten von bzw. nach Drittländern. Damit betrage für Verstöße gegen die in § 28 Abs. 1a AZG angeführten Rechtsvorschriften im internationalen Straßenverkehr gemäß § 28 Abs. 4 AZG die Verjährungsfrist, abweichend von § 31 Abs. 2 VStG, ein Jahr.

Damit ist der Beschwerdeführer im Recht:

Die belangte Behörde geht in den angefochtenen Bescheiden selbst davon aus, dass den gegenständlichen Übertretungen ein "grenzüberschreitender Straßenverkehr" (nach Meinung der belangten Behörde: "im Sinne des AETR") zu Grunde lag. § 28 Abs. 3 AZG verweist auf die genannte Verordnung (EWG) Nr. 3820/85 und trifft die Unterscheidung, dass im internationalen Straßenverkehr als verletzte Verwaltungsvorschrift "je nach Fahrtstrecke" entweder eine Bestimmung des AZG oder die entsprechende Vorschrift der Verordnung (EWG) in Frage kommt. Wie ausgeführt trifft die Verordnung (EWG) ihrerseits in Art. 2 die Unterscheidung, dass diese Verordnung (nur) für innergemeinschaftliche Beförderungen im Straßenverkehr im Sinne des Art. 1 Nr. 1 gelte. Für Beförderungen im grenzüberschreitenden Straßenverkehr von und/oder nach Drittländern sei (unter den näher angeführten Voraussetzungen) das AETR anzuwenden (Art. 2 Abs. 2).

Beide Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens stimmen darin überein, dass das AETR innerstaatlich nicht unmittelbar anwendbar ist und es der Transformierung durch die Novelle zum Arbeitszeitgesetz BGBl. Nr. 446/1994 bedurfte. Der belangten Behörde kann jedoch nicht gefolgt werden, dass sich die Definition "internationaler Straßenverkehr" als Straßenverkehr, der mindestens einen Grenzübergang umfasse, nur durch systematische Gesetzesinterpretation aus Art. 1 lit. h AETR ergebe. Denn auch der Begriff "internationaler Straßenverkehr" gemäß § 28 Abs. 3 und Abs. 4 AZG kann auf Grund der zunächst gebotenen Wortinterpretation nur dahin verstanden werden, dass es sich hiebei um den Straßenverkehr, der nicht bloß innerstaatlich erfolgt, sondern bei dem zumindest eine Grenze überschritten wird, handelt. Dabei kann auch die Auffassung der belangten Behörde, dass hier nur der innergemeinschaftliche Verkehr zu verstehen sei, nicht geteilt werden, sieht doch § 28 Abs. 3 AZG unter Berücksichtigung von Art. 2 Abs. 1 der Verordnung (EWG) Nr. 3820/85 darunter sowohl den innergemeinschaftlichen Straßenverkehr als auch den Verkehr von und nach Drittländern. Für diese Auffassung sprechen auch die eingangs zitierten Gesetzesmaterialien zur Novelle des Arbeitszeitgesetzes BGBl. Nr. 446/1994.

Die von der belangten Behörde (erst in der Gegenschrift) genannten Bedenken, § 28 AZG sei nicht hinreichend determiniert und es sei nicht ausdrücklich erkennbar, wann ein Verstoß gegen die im vierten Abschnitt angeführten Bestimmungen des AZG (§§ 14 bis 17) im Rahmen des internationalen Straßenverkehrs (Abs. 3 und 4) erfolge und wann im Rahmen des innerstaatlichen Straßenverkehrs, wobei für letztere die sechsmonatige Verfolgungsverjährungsfrist gemäß § 31 Abs. 2 VStG gelte, und zu Lasten des Mitbeteiligten gegen das Günstigkeitsprinzip verstoßen werde, werden vom Verwaltungsgerichtshof im Hinblick auf den eindeutigen Gesetzeswortlaut nicht geteilt. Desgleichen kann nicht erkannt werden, dass hier eine unsachliche Schlechterstellung des Mitbeteiligten erfolge.

Aus den dargelegten Gründen hat die belangte Behörde die angefochtenen Bescheide mit Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes belastet. Die (von der belangten Behörde in der Gegenschrift aufgeworfene) Frage, ob der Erstbescheid nicht aus anderen Gründen (unzureichende Tatumschreibungen im Sinne des § 44a Z. 1 VStG) hätte aufgehoben werden müssen, ist im vorliegenden verwaltungsgerichtlichen Verfahren nicht zu beurteilen. Die angefochtenen Bescheide waren daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Wien, am 20. Februar 2001

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