VwGH 2000/11/0213

VwGH2000/11/021324.10.2000

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Leukauf und die Hofräte Dr. Bernard, Dr. Graf, Dr. Gall und Dr. Schick als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Lenhart, über die Beschwerde des R in D, vertreten durch Winkler - Heinzle, Rechtsanwaltspartnerschaft in 6900 Bregenz, Gerberstraße 4, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Vorarlberg vom 28. Juni 2000, Zl. 2-05/99/E2, betreffend Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt durch vorläufige Abnahme des Führerscheines, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §67c Abs3;
B-VG Art129a Abs1 Z2;
FSG 1997 §39 Abs1;
FSG 1997 §7 Abs3 Z1;
KFG 1967 §76 Abs1;
StVO 1960 §5 Abs9;
StVO 1960 §99 Abs1 litb;
VwRallg;
AVG §67c Abs3;
B-VG Art129a Abs1 Z2;
FSG 1997 §39 Abs1;
FSG 1997 §7 Abs3 Z1;
KFG 1967 §76 Abs1;
StVO 1960 §5 Abs9;
StVO 1960 §99 Abs1 litb;
VwRallg;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde die auf Art. 129a Abs. 1 Z. 2 B-VG und § 67c AVG gestützte Maßnahmenbeschwerde des Beschwerdeführers gegen die am 5. Dezember 1999 an einem näher bezeichneten Ort in Dornbirn erfolgte vorläufige Abnahme seines Führerscheines durch Beamte des Landesgendarmeriekommandos für Vorarlberg gemäß § 67c Abs. 3 AVG und § 39 Abs. 1 Führerscheingesetz (FSG) als unbegründet abgewiesen.

In seiner an den Verwaltungsgerichtshof gerichteten Beschwerde macht der Beschwerdeführer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides geltend und beantragt dessen kostenpflichtige Aufhebung. Die belangte Behörde hat eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

§ 39 Abs. 1 FSG lautet:

"Die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes und der Straßenaufsicht haben einem Kraftfahrzeuglenker, aus dessen Verhalten deutlich zu erkennen ist, daß er insbesondere infolge Alkohol- oder Suchtmittelgenusses, Einnahme von Medikamenten oder eines außergewöhnlichen Erregungs- oder Ermüdungszustandes nicht mehr die volle Herrschaft über seinen Geist und seinen Körper besitzt oder bei dem ein Alkoholgehalt des Blutes von 0,8 g/l (0,8 Promille) oder mehr oder ein Alkoholgehalt der Atemluft von 0,4 mg/l oder mehr festgestellt wurde oder der eine Übertretung gemäß § 99 Abs. 1 lit. b oder c StVO 1960 begangen hat, den Führerschein vorläufig abzunehmen, wenn er ein Kraftfahrzeug gelenkt hat, in Betrieb genommen hat oder es in Betrieb zu nehmen versucht. Ebenso können diese Organe bei mit technischen Hilfsmitteln festgestellten Geschwindigkeitsübertretungen, die mit einer Entziehung geahndet werden, den Führerschein vorläufig abnehmen. Bei der vorläufigen Abnahme ist eine Bescheinigung auszustellen, in der die Gründe für die Abnahme und eine Belehrung über die zur Wiedererlangung des Führerscheines erforderlichen Schritte enthalten sind."

Die belangte Behörde begründete die Abweisung der an sie gerichteten Maßnahmenbeschwerde mit der ihrer Auffassung nach gegebenen Gesetzmäßigkeit der Führerscheinabnahme. Diese sei deswegen durch das Gesetz gedeckt gewesen, weil sich der Beschwerdeführer in einem Zustand nach Suchtmittel- oder Medikamentengenuss befunden habe, in dem er nicht mehr die volle Herrschaft über seinen Geist und seinen Körper besessen habe. Ausserdem habe er durch die Verweigerung der Abgabe einer Harnprobe eine Übertretung nach § 99 Abs. 1 lit. b StVO 1960 begangen.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist die vorläufige Abnahme des Führerscheines eine Sicherungsmaßnahme, die im Interesse der Verkehrssicherheit gesetzt wird. Sie soll im gegebenen Zusammenhang verhindern, dass eine Person als Kraftfahrzeuglenker am Straßenverkehr teilnimmt, obwohl sie sich in einem Zustand befindet, in dem sie das Kraftfahrzeug nicht zu beherrschen imstande ist. Es muss daher für die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes die Annahme berechtigt sein, die betreffende Person werde in ihrem die Fähigkeit hiezu ausschließenden Zustand ein Kraftfahrzeug lenken (vgl. das zu § 76 Abs. 1 KFG 1967 ergangene Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 7. April 1992, Zl. 91/11/0126).

In seinem Erkenntnis vom heutigen Tag Zl. 2000/11/0114, auf dessen Begründung gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird, hat der Verwaltungsgerichtshof in Erledigung einer Beschwerde desselben Beschwerdeführers ausgeführt, dass die Verweigerung der Abgabe einer Harnprobe keine Übertretung des § 99 Abs. 1 lit. b StVO 1960 darstelle. Dieser Grund für die vorläufige Abnahme des Führerscheines war daher nicht gegeben.

Die Beschwerde ist dessen ungeachtet als unbegründet abzuweisen. Wie der bei der Amtshandlung anwesende Amtsarzt auf Grund einer beim Beschwerdeführer durchgeführten sogenannten klinischen Untersuchung festgestellt hat, befand sich dieser in einem Zustand der Fahruntauglichkeit. Dies ergibt sich aus dem im vorgelegten Verwaltungsakt erliegenden über diese Untersuchung ausgefüllten Formblatt, in dem jedenfalls "massiv" erweiterte Pupillen, verzögerte Pupillenreaktion, unsichere Finger-Finger-Probe, eine mittlere Beeinflussung und abschließend Fahruntauglichkeit festgehalten wurde. Als zusätzliche Bemerkungen scheinen Hinweise auf den negativen Alkotest, den Verdacht der Einnahme "stimulierender illegaler Substanzen" und die Verweigerung der Harnabgabe auf.

Hat ein bei der Amtshandlung anwesender Amtsarzt nach Durchführung einer klinischen Untersuchung bei der betreffenden Person Symptome festgestellt, die auf seine Fahruntauglichkeit schließen lassen, so ist jedenfalls die vorläufige Abnahme des Führerscheines zur Verhinderung der Fortsetzung des Lenkens durch diese Person gerechtfertigt. Wenn der Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang rügt, dass im Gesetz nur davon die Rede sei, dass die Fahruntauglichkeit von einem Sicherheits- oder Straßenaufsichtsorgan auf Grund des Verhaltens eines Kraftfahrzeuglenkers festgestellt wurde, so ergibt jedenfalls ein Größenschluss, dass die Feststellung der Fahruntauglichkeit durch einen Amtsarzt, also durch eine Person mit medizinischem Fachwissen, somit auf einer höheren fachlichen Ebene, ebenfalls die Führerscheinabnahme durch ein Sicherheits- oder Straßenaufsichtsorgan rechtfertigt (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 2. Mai 1980, Zl. 515/80).

Der Beschwerdeführer macht auch geltend, dass in der Bescheinigung über die Führerscheinabnahme nach § 39 Abs. 1 letzter Satz FSG als Abnahmegrund "Verweigerung der Harnabgabe" aufscheine. Dazu ist zunächst dem Verwaltungsakt zu entnehmen, dass in dem Bescheinigungsformular durch Ankreuzen und Durchstreichen sehr wohl zum Ausdruck kommt, dass sich der Beschwerdeführer in einem Zustand befunden habe, in dem er "nicht mehr die volle Herrschaft über seinen Geist und seinen Körper besitzt und ein Kraftfahrzeug gelenkt hat". Dieser Zustand sei weder durch übermäßigen Alkoholgenuss noch durch einen außergewöhnlichen Erregungs-/Ermüdungszustand, sondern durch "sonstige Umstände und Anzeichen" bewirkt worden. Abgesehen davon, dass die unrichtige Ausfüllung eines Bescheinigungsformulares der in Rede stehenden Art nicht die Gesetzwidrigkeit einer rechtmäßigen Führerscheinabnahme nach sich zieht, handelt es sich bei der handschriftlichen Beifügung des Hinweises auf die Verweigerung der Harnabgabe um eine zwar zutreffende (der Beschwerdeführer hat sich tatsächlich geweigert), im gegebenen Zusammenhang aber überflüssige Angabe.

Die Beschwerde erweist sich als insgesamt unbegründet. Sie war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Der Zuspruch von Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 24. Oktober 2000

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