VwGH 2000/11/0027

VwGH2000/11/002723.1.2001

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldner und die Hofräte Dr. Graf, Dr. Gall, Dr. Pallitsch und Dr. Schick als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Lenhart, über die Beschwerde der DDr. I in W, vertreten durch Dr. Friedrich H. Knöbl, Rechtsanwalt in 1120 Wien, Meidlinger Hauptstraße 28, gegen den Bescheid des (im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof durch Braunegg, Hoffmann & Partner, Rechtsanwälte in 1013 Wien, Gonzagagasse 9, vertretenen) Beschwerdeausschusses des Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Wien vom 30. November 1999, B 170/99, betreffend Befreiung von der Beitragspflicht, zu Recht erkannt:

Normen

ÄrzteG 1998 §112 Abs2;
ÄrzteG 1998 §112 Abs2;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat der Ärztekammer für Wien Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die (im Jahr 1925 geborene) Beschwerdeführerin wurde erstmals im Jahr 1979 ordentliche Kammerangehörige der Ärztekammer für Wien.

Am 17. September 1979 langte bei der Ärztekammer für Wien ein mit 15. September 1979 datiertes, an den Verwaltungsausschuss des Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Wien gerichtetes und von der Beschwerdeführerin unterfertigtes Schreiben ein, wonach die Beschwerdeführerin bei ihrer Vorsprache "im Wohlfahrtsfonds" über die gesetzlichen Bestimmungen hinsichtlich der Fondsmitgliedschaft, wie sie sich auf Grund der Ärztegesetznovelle 1969 ergebe, informiert worden sei und um Bekanntgabe des "erforderlichen Nachzahlungsbetrages" im Sinne des § 45a Abs. 2 des Ärztegesetzes ersuche.

Nach dem übereinstimmenden Vorbringen der Parteien leistete die Beschwerdeführerin die ihr vorgeschriebenen Beiträge seit Beginn der Kammerzugehörigkeit und die nachzuzahlenden Beiträge.

Mit Antrag vom 28. September 1999 begehrte die Beschwerdeführerin die Befreiung von der Beitragspflicht und führte begründend aus, sie sei anlässlich ihres Kammerbeitrittes nur über die Pflichtmitgliedschaft im Wohlfahrtsfonds informiert worden, nicht aber über die Befreiungsmöglichkeiten. Sie sei damals bereits 54 Jahre alt und auch für den Fall einer künftigen Pensionierung sozialrechtlich voll abgesichert gewesen.

Diesem Antrag lag eine eidesstättige Erklärung der Beschwerdeführerin bei, nach deren Inhalt sie erstmals im September 1999 anlässlich der Belehrung durch ihren Rechtsanwalt von der Möglichkeit gehört habe, sich im Hinblick auf den erstmaligen Erwerb der ordentlichen Kammerangehörigkeit nach Vollendung des 50. Lebensjahres befreien zu lassen.

Dieser Antrag wurde mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid abgewiesen. In der Begründung führte die belangte Behörde aus, das von der Beschwerdeführerin unterfertigte Formblatt vom 15. September 1979 beinhalte zwar nicht ausdrücklich die Erklärung, dass sie über die Möglichkeit der Befreiung von der Beitragspflicht informiert worden sei, es enthalte aber einen Hinweis auf die Bekanntgabe des von der Beschwerdeführerin zu leistenden Nachzahlungsbetrages. Es sei daher nicht glaubwürdig, dass die Beschwerdeführerin zwar über die Verpflichtung zur Leistung eines Nachzahlungsbetrages, nicht aber über die bestehende Befreiungsmöglichkeit informiert worden sei, weil beide Umstände in der selben Norm, nämlich im damaligen § 45a des Ärztegesetzes geregelt seien. Die von der Beschwerdeführerin vorgelegte eidesstättige Erklärung Dris. S., wonach sie die Beschwerdeführerin damals begleitet habe und keine Information über die Befreiung von der Beitragspflicht erfolgt sei, erscheine nicht glaubwürdig. Im Hinblick darauf, dass die Beschwerdeführerin den ihr vorgeschriebenen Nachzahlungsbetrag und in der Folge die laufenden Fondsbeiträge entrichtet habe, sei ihre Behauptung, erst 1999 durch einen Rechtsanwalt erstmals über die Befreiungsmöglichkeit informiert worden zu sein, bei Betrachtung des Gesamtzusammenhanges unglaubwürdig.

Gegen diesen Bescheid richte sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und beantragt in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

§ 45a Abs. 2 des Ärztegesetzes BGBl. Nr. 92/1949 in der Fassung der Ärztegesetznovelle 1969 (BGBl. Nr. 229/1969) lautete wie folgt:

"(2) Kammerangehörige, die erstmalig die ordentliche Kammerangehörigkeit nach Vollendung des 50. Lebensjahres erworben haben, werden auf ihren Antrag zur Gänze von der Beitragspflicht nach § 44 befreit. Wird ein solcher Antrag innerhalb von drei Monaten nach Eintragung in die Ärzteliste und gleichzeitiger Belehrung über die Befreiungsmöglichkeiten nicht gestellt, ist der Kammerangehörige nicht nur zur Leistung der seit Beginn der Kammerzugehörigkeit fälligen Beiträge, sondern auch zur Nachzahlung des ab dem Zeitpunkt der Errichtung des Fonds in den einzelnen Kalenderjahren jeweils geleisteten, auf einen Kammerangehörigen entfallenden Durchschnittsbeitrages verpflichtet, wenn er in diesem Zeitpunkt das 35. Lebensjahr bereits vollendet hatte. In allen übrigen Fällen beginnt die Nachzahlungsverpflichtung mit Vollendung des 35. Lebensjahres. Bei Berechnung des Nachzahlungsbetrages bleiben jedoch die während des Nachzahlungszeitraumes eingehobenen Beitragsanteile für die Todesfallbeihilfe außer Betracht."

Nach der Wiederverlautbarung des Ärztegesetzes als Ärztegesetz 1984 (BGBl. Nr. 373/1984) trug der bisherige § 45a die Bezeichnung § 78.

Das Ärztegesetz 1998 (BGBl I Nr.169/1998) enthält in seinem § 112 Abs. 2 folgende Bestimmung:

"(2) Kammerangehörige, die erstmalig die ordentliche Kammerangehörigkeit nach Vollendung des 45. Lebensjahres erworben haben, werden auf ihren Antrag zur Gänze von der Beitragspflicht nach § 109 befreit. Wird ein solcher Antrag innerhalb von drei Monaten nach Eintragung in die Ärzteliste und gleichzeitiger Belehrung über die Befreiungsmöglichkeiten nicht gestellt, ist der Kammerangehörige nicht nur zur Leistung der seit Beginn der Kammerzugehörigkeit fälligen Beiträge, sondern auch zur Nachzahlung von Beiträgen ab Vollendung des 35. Lebensjahres verpflichtet."

Der Beschwerde liegt die Rechtsansicht zu Grunde, dass die Beschwerdeführerin infolge Unterbleibens einer entsprechenden Belehrung über die Befreiungsmöglichkeiten im Jahr 1979 auch im Jahre 1999 noch berechtigt war, die Befreiung von der Beitragspflicht im Hinblick auf ihr Alter im Zeitpunkt des erstmaligen Erwerbes der Kammerzugehörigkeit zu erlangen. Diese Auffassung kann aus folgenden Erwägungen nicht geteilt werden:

Die von der belangten Behörde anzuwendende Bestimmung des § 112 Abs. 2 Ärztegesetz 1998, die sich von der Vorgängerbestimmung im gegebenen Zusammenhang nur durch die Altersgrenze von 45 Jahren (anstatt 50 Jahren) unterscheidet, sieht eine Ausnahme von der allgemeinen Beitragspflicht der Kammerangehörigen für den Fall vor, dass der Kammerangehörige beim erstmaligen Erwerb der ordentlichen Kammerzugehörigkeit eine Altersgrenze überschritten und innerhalb von drei Monaten nach Eintragung in die Ärzteliste und Belehrung über die Befreiungsmöglichkeiten einen Antrag auf Befreiung stellt. Nach fruchtlosem Verstreichen dieser Frist hat der Kammerangehörige die in der genannten Gesetzesstelle bezeichneten Beiträge (einschließlich der Nachzahlungen) zu leisten. Ob das Unterbleiben einer Belehrung über die Befreiungsmöglichkeiten oder eine nicht ausreichende diesbezügliche Belehrung Einfluss auf den Lauf der dreimonatigen Frist ab Eintragung in die Ärzteliste in der Weise hat, dass auch nach Ablauf der Dreimonatsfrist, aber vor der Vorschreibung und Zahlung der Beiträge (einschließlich der Nachzahlungen) gestellte Anträge noch als rechtzeitig anzusehen sind, kann im vorliegenden Fall dahinstehen, weil ein solcher Sachverhalt hier nicht gegeben ist. Nach Vorschreibung und Bezahlung der gemäß § 112 Abs. 2 Ärztegesetz 1998 (früher § 78 Abs. 2 Ärztegesetz 1984 bzw. § 45a Ärztegesetz) vorgeschriebenen Beiträge (einschließlich der Nachzahlungen) kommt eine Befreiung von der Beitragspflicht nach der genannten Gesetzesstelle nicht mehr in Betracht. Spätestens mit der Vorschreibung und vorbehaltslosen Bezahlung dieser Beträge ist das - Elemente eines Versicherungsverhältnisses beinhaltende - Rechtsverhältnis zwischen dem Kammerangehörigen und der Ärztekammer (Wohlfahrtsfonds) begründet mit der Konsequenz, dass die aus diesem Rechtsverhältnis entstehenden Pflichten von beiden Seiten zu erfüllen sind. Würde man Anträge auf Befreiung von der Beitragspflicht wegen hohen Alters im Zeitpunkt des erstmaligen Erwerbes der Kammerangehörigkeit auch nach jahrelanger (im vorliegenden Fall sogar jahrzehntelanger) Erfüllung der wechselseitigen Pflichten (Zahlung der Beiträge einerseits und Übernahme des Risikos, Versorgungs- und Unterstützungsleistungen erbringen zu müssen, bzw. Erbringung solcher Leistungen bei Erfüllung der Anspruchsvoraussetzungen andererseits) nur deshalb für zulässig erachten, weil die - im Zeitpunkt der Eintragung in die Ärzteliste zu erteilende - Belehrung über die Befreiungsmöglichkeiten nicht oder nicht vollständig bewirkt wurde oder einfach nicht mehr nachweisbar ist, würde man es in solchen Fällen allein dem Kammerangehörigen in die Hand geben, darüber zu entscheiden, ob und wann er die Befreiung von der Beitragspflicht geltend machen will. Ein solches Ergebnis, dass es in das Belieben des Kammerangehörigen stellen würde, ob und wie lange er der Risikogemeinschaft, die mit ihren Beiträgen die vom Wohlfahrtsfonds zu erfüllenden Leistungen ermöglicht, angehören will, wäre mit dem Wesen des zwischen dem Kammerangehörigen und der Ärztekammer (Wohlfahrtsfonds) bestehenden Rechtsverhältnisses nicht vereinbar.

Im Hinblick auf diese Rechtslage ist die zwischen den Parteien des Verwaltungsverfahrens strittige Frage, ob die Beschwerdeführerin im Jahr 1979 ausreichend über die Befreiungsmöglichkeiten belehrt wurde, für die Entscheidung unerheblich, weshalb auf das darauf bezughabende Vorbringen der Parteien nicht weiter einzugehen war.

Aus den dargelegten Erwägungen war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 23. Jänner 2001

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