VwGH 2000/10/0155

VwGH2000/10/015521.3.2001

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Novak, Dr. Mizner, Dr. Stöberl und Dr. Köhler als Richter, im Beisein des Schriftführers MMag. Zavadil, über die Beschwerde des Dr. Günther S in Salzburg, vertreten durch Dr. Markus Orgler, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Anichstraße 29, gegen den Bescheid des Bundesministers für Justiz vom 8. September 2000, Zl. 900.664/1-III 6/2000, betreffend Zurückweisung einer Berufung, zu Recht erkannt:

Normen

StPO §39 Abs3;
StPO §6 Abs1;
StPO §6 Abs3;
StPO §39 Abs3;
StPO §6 Abs1;
StPO §6 Abs3;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit Bescheid des Präsidenten des Oberlandesgerichtes Linz vom 5. Juli 2000 wurde der Beschwerdeführer aus der gemäß § 39 Abs. 3 StPO geführten Verteidigerliste gestrichen. Der Bescheid wurde dem Vertreter des Beschwerdeführers am 11. Juli 2000 zugestellt. Die an den Bundesminister für Justiz gerichtete Berufung des Beschwerdeführers wurde am 25. Juli 2000 zur Post gegeben. Sie langte am 26. Juli 2000 beim Oberlandesgericht Linz ein.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung zurück. Begründend wurde die Auffassung vertreten, dass in den die Angelegenheiten der Verteidiger bzw. Verteidigerinnen in Strafsachen betreffenden Justizverwaltungsverfahren die Verwaltungsverfahrensgesetze nicht gelten, da weder in Art. II EGVG die Präsidenten der Gerichtshöfe zweiter Instanz angeführt noch in der StPO Bestimmungen enthalten seien, die die Anwendung von Verwaltungsverfahrengesetzen auf die die Justizverwaltungsangelegenheiten betreffenden Verwaltungsverfahren oder die hiefür - mit Ausnahme der Festlegung der Zuständigkeit zur Führung der Liste der Verteidiger und Verteidigerinnen, des Rechtsmittelzuges und der Rechtsmittelfrist - eigene Verfahrensregelungen anordnen. Nach der ständigen Judikatur der Gerichtshöfe öffentlichen Rechts hätten hier aushilfsweise die im allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetz niedergelegten Grundsätze eines geordneten rechtsstaatlichen Verfahrens in der Verwaltung ganz allgemein Anwendung zu finden. Im Hinblick darauf, dass nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes die Nichteinrechnung des Postenlaufes in Fristen keinen allgemeinen Grundsatz eines geordneten rechtsstaatlichen Verfahrens darstellt, sei der Tag des Einlangens der Berufung beim Präsidenten des Oberlandesgerichtes Linz, somit der 26. Juli 2000, maßgeblich. Angesichts des Umstandes, dass die 14-tägige Rechtsmittelfrist mit Ablauf des 25. Juli 2000 geendet habe, sei die Berufung verspätet und daher zurückzuweisen.

Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde macht inhaltliche Rechtswidrigkeit geltend. Sie vertritt insbesondere die Auffassung, auf das Verfahren betreffend die Streichung aus der Verteidigerliste sei § 6 Abs. 3 StPO anzuwenden, wonach die Tage des Postenlaufes in die Frist nicht eingerechnet werden.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wird. Die belangte Behörde vertrat insbesondere die Auffassung, § 6 Abs. 3 StPO sei nur im strafgerichtlichen Verfahren und nicht im vorliegenden Verwaltungsverfahren anzuwenden.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Nach § 39 Abs. 3 StPO hat der Präsident jedes Gerichtshofes zweiter Instanz für seinen Sprengel eine Verteidigerliste anzulegen, mit Anfang eines jeden Jahres zu erneuern und allen Strafgerichten zuzustellen, bei denen sie zu jedermanns Einsicht offen zu halten ist. In diese Liste sind vorerst alle im Sprengel des Gerichtshofes zweiter Instanz die Rechtsanwaltschaft wirklich ausübenden Rechtsanwälte aufzunehmen. Auf ihr Ansuchen sind aber auch für die Rechtsanwaltschaft oder das Notariat geprüfte Rechtsverständige aufzunehmen, sofern nicht Umstände vorliegen, die nach dem Gesetz die Ausschließung von der Rechtsanwaltschaft oder dem Notariat zur Folge haben. Wer sich durch die Ausschließung aus der Verteidigerliste gekränkt erachtet, kann sich binnen 14 Tagen, nachdem ihm die Entscheidung zugestellt worden ist, beim Bundesministerium für Justiz beschweren.

Die Anlegung und Führung der Verteidigerliste gemäß § 39 Abs. 3 StPO ist eine in die Kompetenz des Präsidenten des Oberlandesgerichtes fallende Justizverwaltungssache (vgl. die Erkenntnisse des VwGH vom 15. Juni 1961, Slg 5588/A, und vom 20. Jänner 1988, 87/01/0293, die Beschlüsse des OGH vom 28. April 1959, EvBl. 1959/226, und vom 30. November 1961, EvBl. 1962/153, sowie das Erkenntnis des VfGH vom 28. November 2000, B 547/99).

Das AVG - und somit seine Regelung über die Nichteinrechnung des Postenlaufes in eine Frist (§ 33 AVG) - ist auf dieses Verwaltungsverfahren nicht anzuwenden, weil die Angelegenheiten der Justizverwaltung in Art. II EGVG nicht angeführt sind und auch sonst keine gesetzliche Regelung besteht, die die Geltung des AVG auf das Verfahren zur Anlegung und Führung der Verteidigerliste gemäß § 39 Abs. 3 StPO (und das Verfahren über eine Beschwerde nach dem letzten Satz der soeben zitierten Vorschrift) begründet. Der Verwaltungsgerichtshof hat daher ausgesprochen, dass auf dieses Verfahren die aus anderen Verfahrensgesetzen hervorleuchtenden verfahrensrechtlichen Grundsätze anzuwenden sind, die nach allgemeiner Rechtsüberzeugung für ein geregeltes Verfahren unerlässlich sind (vgl. das bereits erwähnte Erkenntnis vom 15. Juni 1961, Slg 5.588/A; ähnlich VwGH 20. Jänner 1988, 87/01/0293).

Für das Verfahren über einen Berichtigungsantrag nach § 7 GEG hat der Verwaltungsgerichtshof auch darauf hingewiesen, dass die in den Verfahrensvorschriften durchwegs anzutreffende Regelung über die Nichteinrechnung des Postenlaufes in Fristen nicht als allgemeiner Verfahrensgrundsatz anzusehen sei (vgl. das Erkenntnis vom 11. November 1995, 95/17/0380, mwH).

Dies kommt im vorliegenden, ein Verfahren nach § 39 Abs. 3 letzter Satz StPO betreffenden Fall angesichts der Regelung des § 6 StPO nicht zum Tragen.

Nach § 6 Abs. 1 erster Satz StPO können die in diesem Gesetz bestimmten Fristen, wenn das Gegenteil nicht ausdrücklich verfügt ist, nicht verlängert werden.

Nach Abs. 3 leg. cit. werden die Tage des Postenlaufes in die Frist nicht eingerechnet.

§ 6 trifft nach dem klaren Wortlaut des Einleitungssatzes des Abs. 1 insgesamt Regelungen für "die in diesem Gesetz bestimmten Fristen"; die der belangten Behörde vorschwebende Einschränkung des Anwendungsbereiches des § 6 StPO auf "strafgerichtliche" Fristen ist dem Gesetz nicht zu entnehmen. Bei der im § 39 Abs. 3 StPO normierten Frist von vierzehn Tagen handelt es sich um eine "in diesem Gesetz", nämlich in der StPO, "bestimmte Frist". Auch sonst ist dem Gesetz keine Anordnung des Inhalts zu entnehmen, dass § 6 StPO nur die für das gerichtliche Strafverfahren normierten Fristen beträfe, die im § 39 Abs. 3 normierte Frist für das dort geregelte Justizverwaltungsverfahren hingegen nicht. Angesichts der nach dem Gesagten hier anzuwendenden Regelung des § 6 Abs. 3 StPO hätte die belangte Behörde den Tag des Postenlaufes bei der Berechnung der Frist nicht einrechnen dürfen (vgl. ebenso das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 28. November 2000, B 647/99).

Die auf der gegenteiligen Auffassung beruhende Zurückweisung der Berufung des Beschwerdeführers ist daher inhaltlich rechtswidrig. Der angefochtene Bescheid war gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Das Mehrbegehren war abzuweisen, weil die Umsatzsteuer vom Pauschalbetrag umfasst ist.

Wien, am 21. März 2001

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