VwGH 2000/05/0110

VwGH2000/05/011029.8.2000

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Degischer und die Hofräte Dr. Giendl und Dr. Pallitsch als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Thalhammer, über die Beschwerde des H in W, vertreten durch Mag. T, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom 20. März 2000, Zl. UVS-04/A/43/249/1999/15, betreffend Übertretung der Bauordnung für Wien (weitere Partei: Wiener Landesregierung), zu Recht erkannt:

Normen

BauO Wr §129 Abs10;
BauO Wr §135 Abs1;
BauRallg;
BauO Wr §129 Abs10;
BauO Wr §135 Abs1;
BauRallg;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat der Bundeshauptstadt Wien Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer ist handelsrechtlicher Geschäftsführer der A-Gesellschaft m.b.H., die Miteigentümerin des Hauses in W, M-Straße, ist. Mit Bescheid des Magistrates der Stadt Wien, MA 37, vom 25. Dezember 1987 war die Bewilligung für den Dachgeschoßzubau für das betreffende Haus erteilt worden; Inhalt dieser Baubewilligung war auch die Errichtung eines Aufstieges vom Keller aus über den Lichtschacht zu einem Steg bei den Rauchfangköpfen.

Mit Bescheid des Magistrates der Stadt Wien, MA 37, vom 27. Juni 1991 wurden alle Miteigentümer des genannten Hauses, unter ihnen jene Gesellschaft, deren Geschäftsführer der Beschwerdeführer ist, verhalten, den Aufstieg zum Steg bei den Rauchfangköpfen binnen 6 Monaten ab Zustellung des Bescheides, herstellen zu lassen. Mit Straferkenntnis des Magistrates der Stadt Wien, Magistratisches Bezirksamt für den 17. Bezirk, vom 15. Juni 1999 wurde dem Beschwerdeführer zur Last gelegt, er habe es in der Zeit vom 27. Juni 1991 bis 8. Jänner 1999 als handelsrechtlicher Geschäftsführer der genannten Gesellschaft zu verantworten, dass diese Gesellschaft als Miteigentümerin des genannten Hauses insoferne Abweichungen von den Bauvorschriften nicht behoben habe, als sie es unterlassen habe, den fehlenden Aufstieg vom Keller aus über den Lichtschacht zum Steg bei den Rauchfangköpfen, der auf Grund der mit Bescheid vom 28. Dezember 1987 erteilten Bewilligung für den Dachgeschoßzubau Nr. 14 herzustellen sei, herzustellen. Wegen dieser Übertretung wurde über ihn eine Geldstrafe in der Höhe von S 15.000,-- (Ersatzarrest von 2 Tagen und 2 Stunden) verhängt.

In der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung führte der Beschwerdeführer im Wesentlichen aus, zur Verwaltung der gegenständlichen Liegenschaft sei von der Mehrheit der Miteigentümer gegen den Willen des Beschwerdeführers eine Hausverwaltung bestellt worden. Die Verwaltung sei berechtigt, die Miteigentümerschaft nach außen zu vertreten, sowohl für die ordentliche als auch die außerordentliche Verwaltung. Die ordentliche Verwaltung umfasse die ordnungsgemäße Erhaltung der gemeinsamen Teile und Anlagen der Liegenschaft im Sinne des § 3 des Mietrechtsgesetzes. Der Aufstieg zu dem Rauchfangkehrersteg gehöre zu den allgemeinen Teilen der Liegenschaft. Da die Möglichkeit der Rauchfangkehrung durch den Dachausbau verhindert worden sei, sei es wohl eine Erhaltungsmaßnahme, diese Möglichkeit mittels einer Aufstiegsleiter wieder herzustellen. Die Hausverwaltung wäre verpflichtet gewesen, die angeordnete Erhaltungsmaßnahme vorzunehmen. Es gehöre zur ordentlichen Verwaltung, eine Konsenswidrigkeit gemäß § 129 Abs. 10 der Wiener Bauordnung zu beseitigen. Die einzige Möglichkeit, die ein Minderheitseigentümer zur Durchsetzung habe, wäre, die Hausverwaltung auf Durchführung der Arbeiten zu klagen. Es sei wohl unzumutbar, von einem Minderheitseigentümer zu verlangen, die Klage einzubringen und das Prozessrisiko zu tragen.

In der mündlichen Verhandlung vor der belangten Behörde brachte der Beschwerdevertreter vor, der Beschwerdeführer habe wiederholt telefonisch die Wiederherstellung des Aufstieges urgiert.

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der Berufung des Beschwerdeführers gegen den erstinstanzlichen Bescheid keine Folge gegeben.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Die belangte Behörde hat den Verwaltungsakt vorgelegt, auf die Erstattung einer Gegenschrift verzichtet und die Zuerkennung des Vorlageaufwandes beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 135 Abs. 1 der Bauordnung für Wien werden Übertretungen der Vorschriften dieses Gesetzes und der auf Grund dieses Gesetzes erlassenen Verordnungen mit Geld bis zu S 300.000,-- oder mit Freiheitsstrafe bis zu sechs Wochen bestraft.

Wer die Verwaltung eines Gebäudes ausübt, ist gemäß Abs. 3 dieser Gesetzesstelle für Verletzungen der dem Eigentümer durch dieses Gesetz oder eine dazu erlassene Verordnung auferlegten Pflichten an dessen Stelle verantwortlich, wenn die Tat ohne Veranlassung und Vorwissen des Eigentümers begangen wurde. Der Eigentümer ist neben dem Verwalter verantwortlich, wenn er es bei dessen Auswahl oder Beaufsichtigung an der nötigen Sorgalt fehlen ließ.

Gemäß § 129 Abs. 10 BO ist jede Abweichung von den Bauvorschriften einschließlich der Bebauungsvorschriften zu beheben.

In ständiger Rechtsprechung hat der Verwaltungsgerichtshof ausgeführt, dass es sich bei einer Verwaltungsübertretung nach § 129 Abs. 10 BO um ein Ungehorsamsdelikt im Sinne des § 5 Abs. 1 VStG handelt, da zum Tatbestand der Verwaltungsübertretung nach § 129 Abs. 10 BO der Eintritt eines Schadens oder einer Gefahr nicht gehört; der Täter kann zufolge § 5 Abs. 1 VStG demgemäß nur dann straflos bleiben, wenn er glaubhaft macht, dass ihm die Einhaltung der Verwaltungsvorschrift ohne sein Verschulden unmöglich gewesen sei.

Im Beschwerdefall hat die belangte Behörde den Tatvorwurf zu Recht auf die Bestimmung des § 135 Abs. 1 BO gestützt, weil der Eigentümer des Gebäudes trotz Bestellung eines Verwalters gemäß § 135 Abs. 3 erster Satz BO weiterhin strafrechtlich verantwortlich bleibt, wenn er von der Tat Kenntnis hatte. Dies trifft im Beschwerdefall schon auf Grund der Zustellung des Bescheides vom 27. Juni 1991 an die A-Ges.m.b.H. als Miteigentümerin zu, deren handelsrechtlicher Geschäftsführer der Beschwerdeführer ist.

Die Konsenswidrigkeit, die darin besteht, dass der Aufstieg über den Lichthof zum Rauchfangkehrersteg nicht hergestellt wurde, betrifft allgemeine Teile der Liegenschaft. Aus diesem Grunde hat auch die Änderung des § 134 Abs. 3 der Wiener Bauordnung durch die Novelle 1987, LGBl. Nr. 28, auf den Beschwerdefall keine Auswirkungen, weil die Miteigentümer aus ihrer Verantwortung nach § 129 Abs. 10 erster Satz BO dann nicht entlassen sind, wenn es sich um allgemeine Teile der Liegenschaft handelt und nicht um solche, die nur den betreffenden Wohnungseigentümer treffen, normiert doch der in der Novelle LGBl. Nr. 28/1987 neugefasste § 134 Abs. 3 BO ausdrücklich, dass an Stelle aller Miteigentümer der Liegenschaft nur der betreffende Wohnungseigentümer dann Partei ist, "wenn das Bauvorhaben nicht von Einfluss auf die statischen Verhältnisse des Hauses oder der baulichen Anlage ist, oder wenn das Bauvorhaben weder eine Änderung der äußeren Gestaltung des Gebäudes oder der baulichen Anlage bewirkt, noch gemeinsame Teile des Hauses, der baulichen Anlage oder der Liegenschaft in Anspruch nimmt ...". Gerade in dem vom Beschwerdeführer zitierten hg. Erkenntnis vom 11. Dezember 1990, Zlen. 88/05/0227, 88/05/0228, hat der Verwaltungsgerichtshof ausdrücklich ausgesprochen, dass hinsichtlich der Einhaltung der Baubewilligung davon ausgegangen werden muss, dass in dem Maß, in dem die Rechtsstellung des Wohnungseigentümers gegenüber den anderen Miteigentümern des Hauses gestärkt wurde, diese aus der Verantwortung im Rahmen eines baupolizeilichen Auftragsverfahrens nach § 129 Abs. 10 erster Satz BO zu entlassen sind. Daraus ergibt sich aber, dass dort, wo allgemeine Teile des Hauses oder der baulichen Anlage in Anspruch genommen werden, eine Verantwortung aller Miteigentümer weiterhin bestehen bleibt.

Dass den Beschwerdeführer auch bezüglich der Unterlassung der Herbeiführung des konsensgemäßen Zustandes ein Verschulden trifft, ergibt sich daraus, dass er als (Mit-)Eigentümer eines Hauses alles in seinen Kräften Stehende unternehmen muss, um den konsensgemäßen Zustand herbeizuführen. Dies kann im Beschwerdefall jedoch keinesfalls angenommen werden, hat doch der Beschwerdeführer seinem eigenen Vorbringen zufolge, seit 1991 (nur) telefonisch die Durchführung der Arbeiten urgiert. Damit hat aber der Beschwerdeführer während des ihm angelasteten Tatzeitraumes nicht alles in seinen Kräften Stehende (Ausschöpfung der tatsächlichen und rechtlichen Möglichkeiten) unternommen, um die Konsenswidrigkeit zu beseitigen.

Da sich die Beschwerde somit als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 29. August 2000

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