Normen
LVergG OÖ 1994 §58 Abs4;
MRK Art6 Abs1;
LVergG OÖ 1994 §58 Abs4;
MRK Art6 Abs1;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Das Land Oberösterreich hat der beschwerdeführenden Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.172,88 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der belangten Behörde vom 31. März 1999 wurde der Antrag der beschwerdeführenden Partei auf Feststellung, dass sie infolge rechtswidriger Auftragsvergabe (durch die mitbeteiligte Partei) als Bestbieterin nicht den Zuschlag erhalten habe, als unbegründet abgewiesen; weiters wurde der Antrag auf Ersatz der Kosten der Anbotstellung und der Teilnahme am Vergabeverfahren in Höhe von S 20.000,-- als unzulässig zurückgewiesen.
In der Begründung dieses Bescheides heißt es u.a.:
"...
3.3.3. Im Lichte dieser Zielsetzung ist auch die Frage des Umfanges der Anwendbarkeit des - prinzipiell systemwidrigen - AVG für das Nachprüfungsverfahren zu lösen.
Die gesetzlich angeordnete, ohnehin bloß subsidiäre Maßgeblichkeit des AVG ergibt sich nach dem Vorausgeführten somit weder aus Art. 11 Abs. 2 B-VG noch aus Art. II Abs. 2 lit. A Z. 2 EGVG noch aus § 67a Abs. 1 Z. 1 AVG, BGBl. Nr. 51/1991, zuletzt geändert durch BGBl. Nr. I 164/1998 (im Folgenden: AVG), sondern - es handelt sich hier, wie gezeigt, ja nicht um ein behördliches Verfahren, sondern um Privatwirtschaftsverwaltung - nur aus dem expliziten Verweis in § 58 Abs. 3 erster Satz OöVergG (wobei hier dahingestellt bleiben kann, ob nicht die Vorschreibung der subsidiären Anwendbarkeit zivilprozessualer Vorschriften sachgerechter gewesen wäre; hinsichtlich der Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte für Schadenersatzansprüche nach § 63 OöVergG hat der Gesetzgeber diesbezüglich hingegen überhaupt keine Vorkehrungen getroffen); von besonderer Bedeutung ist in diesem Zusammenhang auch, dass das AVG nicht etwa in der jeweils geltenden, sondern - nach dem expliziten Wortlaut der angesprochenen Verweisungsnorm - als AVG 1991, BGBl. Nr. 51, 'in der Fassung BGBl. Nr. 866/1992' (im Folgenden: AVG idF 1992) - aber stets nur subsidiär, d.h. einerseits: soweit nicht verfahrensrechtliche Bestimmungen im OöVergabeG selbst enthalten sind, und andererseits: soweit die Heranziehung des AVG nicht der Zielsetzung der BaukoordinierungsRL und der RechtsmittelRL zuwiderläuft (beispielsweise ist etwa das in Art. 6 Abs. 1 MRK und in den §§ 67d ff AVG idF 1992 festgelegte Prinzip der öffentlichen Verhandlung mit Blick auf die Art. 18 ff der BaukoordinierungsRL dahin teleologisch zu reduzieren, dass die Teilnahme daran von vornherein nur den Verfahrensparteien (parteienöffentliches Verfahren mit kontradiktorischem Charakter; vgl. Art. 2 Abs. 8 VergabeRL; s.a. Öhler, a.a.O., 171) zukommt) - anzuwenden ist.
4. Davon ausgehend sowie im Hinblick darauf, dass mit der vorliegenden Berufung ohnedies lediglich eine unrichtige rechtliche Beurteilung durch die erstinstanzliche Behörde geltend gemacht und nur die Erlassung eines Feststellungsbescheides gemäß § 61 Abs. 4 zweiter Satz OöVergG beantragt wird, sodass selbst nach Art. 6 Abs. 1 MRK die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung unterbleiben konnte, hat der Oö. Verwaltungssenat nach Einsichtnahme in den von der belangten Behörde vorgelegten Verwaltungsakt über die vorliegende Berufung in der Sache erwogen:
..."
Der Verfassungsgerichtshof lehnte die Behandlung der gegen diesen Bescheid zunächst vor ihm erhobenen Beschwerde mit Beschluss vom 13. Juni 2000, B 839/99-3, ab. Antragsgemäß trat er die Beschwerde gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete - ebenso wie die mitbeteiligte Partei - eine Gegenschrift mit dem Antrag auf kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 58 Abs. 1 des im Beschwerdefall noch anzuwendenden O.ö. Vergabegesetz, LGBl. Nr. 59/1994, kann ein Unternehmer, der ein Interesse am Abschluss eines diesem Landesgesetz unterliegenden Vertrages mit einem Auftraggeber behauptet, die Nachprüfung einer Entscheidung des Auftraggebers im Vergabeverfahren wegen Rechtswidrigkeit beantragen, wenn ihm durch die behauptete Rechtswidrigkeit ein Schaden entstanden ist oder zu entstehen droht.
Gemäß § 61 Abs. 1 leg. cit. ist eine im Zuge eines Vergabeverfahrens ergangene Entscheidung eines Auftraggebers für nichtig zu erklären, wenn
1. diese im Widerspruch zu den Bestimmungen dieses Landesgesetzes oder einer auf Grundlage dieses Landesgesetzes ergangenen Verordnung steht und
2. für den Ausgang des Vergabeverfahrens von wesentlichem Einfluss ist.
Nach Abs. 4 dieser Gesetzesstelle (in der Fassung LGBl. Nr. 34/1997) kommt eine Nichtigerklärung nach erfolgter Zuschlagserteilung nicht mehr in Betracht. Es ist jedoch festzustellen, ob eine derartige Rechtsverletzung gemäß Abs. 1 vorliegt und deswegen der Zuschlag nicht dem Bestbieter erteilt wurde. Auf Antrag des Auftraggebers ist dabei auch auszusprechen, ob der Antragsteller auch ohne die festgestellte Rechtsverletzung keine echte Chance auf die Zuschlagserteilung gehabt hätte.
In der Beschwerde wird unter anderem geltend gemacht, dass es nicht nachvollziehbar sei, wie die belangte Behörde zu dem Ergebnis habe kommen können, dass die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung habe unterbleiben können.
Schon nach Art. II Abs. 2 A Z. 2 EGVG haben die unabhängigen Verwaltungssenate in den Ländern das AVG (und das VStG) anzuwenden (vgl. auch § 67a AVG sowie Art. 129b Abs. 6 B-VG). Dass die Regelung des § 67d AVG über die Verpflichtung zur Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung, wie dies im angefochtenen Bescheid angedeutet wird, "der Zielsetzung der BaukoordinierungsRL und der RechtsmittelRL zuwiderläuft" und "teleologisch zu reduzieren" sei, ist im Beschwerdefall nicht zu sehen. Auch bedarf es keiner weiteren Erörterung, dass es beim gegenständlichen Feststellungsverfahren nach § 58 Abs. 4 O.ö. Vergabegesetz um eine Angelegenheit geht, die als civil rights zu qualifizieren ist und dieses daher den Anforderungen des Art. 6 EMRK zu entsprechen hat (vgl. etwa VfSlg. Nr. 15790/2000). Es ist somit nicht nachvollziehbar, wenn es im angefochtenen Bescheid heißt, es sei " die Erlassung eines Feststellungsbescheides gemäß § 61 Abs. 4 zweiter Satz Oö. VergG beantragt (worden) ..., sodass selbst nach Art. 6 Abs. 1 MRK die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung unterbleiben konnte".
Wie die Beschwerde im Einklang mit der Aktenlage zutreffend ausführt, hat sich die Berufung der beschwerdeführenden Partei auch auf die Punkte "unrichtige Sachverhaltsfeststellung", "unrichtige Beweiswürdigung" und "Mangelhaftigkeit des Verfahrens" bezogen. Auch enthält die Berufung den Antrag, "es möge eine mündliche Verhandlung zur Klärung der strittigen Sachverhaltspunkte anberaumt werden".
Die Beschwerderüge, dass die belangte Behörde gegen § 67d AVG verstoßen habe, ist daher begründet. Da nicht (von vornherein) ausgeschlossen werden kann, dass die belangte Behörde bei Durchführung einer Verhandlung zu einem anderen Bescheid hätte kommen können, hat sie den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften belastet.
Der angefochtene Bescheid war daher schon deshalb gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG aufzuheben.
Von der beantragten mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 3 VwGG abgesehen werden.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003. Die Umrechnung beruht auf § 3 Abs. 2 Z. 2 Eurogesetz, BGBl. I Nr. 72/2000.
Wien, am 24. September 2003
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